BGH 6a. Zivilsenat, Beschluss vom 16.12.2025, AZ VIa ZR 56/25, ECLI:DE:BGH:2025:161225BVIAZR56.25.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG Nürnberg, 21. Januar 2025, Az: 2 U 1977/22
vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 1. Juli 2022, Az: 19 O 8225/21
Tenor
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. Januar 2025 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 45.000 €.
Gründe
I.
1
Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers zuständig und ordnungsgemäß besetzt. Er wurde durch Beschluss des Präsidiums des Bundesgerichtshofs vom 21. Juli 2021 mit Wirkung zum 1. August 2021 „vorübergehend als Hilfsspruchkörper“ eingerichtet und ihm wurde für die ab diesem Zeitpunkt neu eingehenden Verfahren die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten über Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen zugewiesen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben. Sein Vorsitz ist – dem Präsidiumsbeschluss vom 21. Juli 2021 sowie den Geschäftsverteilungsplänen für die nachfolgenden Jahre entsprechend – mit einer Richterin am Bundesgerichtshof besetzt. Rechtliche Bedenken sieht der Senat insoweit nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. April 2025 – 2 BvR 1440/23, NJW 2025, 2455 Rn. 46 ff.; BGH, Beschluss vom 17. Juli 2025 – VI ZR 178/25, juris Rn. 13 ff.; Urteil vom 23. Juli 2025 – VIa ZR 1700/22, juris Rn. 4).
II.
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
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1. Gegen die Abweisung eines Anspruchs auf den sogenannten großen Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB wendet sich die Beschwerde nicht.
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2. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht deshalb veranlasst, weil das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG–
FGV auf Ersatz eines Differenzschadens mit der Begründung verneint hat, unter Berücksichtigung der Nutzungsvorteile des Klägers sowie des Restwerts des von ihm erworbenen Wohnmobils werde ein etwaiger Differenzschaden in Höhe von 15 % des Kaufpreises vollständig aufgezehrt.
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a) Diesbezüglich stellen sich zulassungsrelevante Rechtsfragen namentlich nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 2. September 2025 – VIa ZR 87/24, ZIP 2025, 2454 Rn. 3 f.). Danach kann es grundsätzlich nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, die für den Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs zu leistende Entschädigung auf einen Betrag, der 15 % des Kaufpreises entspricht, zu begrenzen, sofern dies eine angemessene Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2025 – C-666/23, NJW 2025, 2983 Rn. 104, 107). Die durch die bloße rechtliche Möglichkeit einer Nutzungsbeschränkung bewirkte Verringerung des objektiven Werts des Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 41 f.) ist mit einem Betrag von 5 % bis 15 % des Kaufpreises angemessen entschädigt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 71 ff.).
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b) Überdies sind die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs befugt, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Anspruchsberechtigten führt (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 – C 100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 87 ff., 94; Urteil vom 1. August 2025 – C-666/23, NJW 2025, 2983 Rn. 100; BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 80; Beschluss vom 15. Mai 2023 – VIa ZR 111/22, juris). Unionsrecht hindert insbesondere nicht, auf den wegen des Erwerbs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs geschuldeten Schadensersatzbetrag einen Betrag anzurechnen, der dem Vorteil der Nutzung dieses Fahrzeugs entspricht. Das unionsrechtliche Gebot, dem Käufer eines solchen Fahrzeugs eine angemessene Entschädigung seines durch den Erwerb entstandenen Schadens zu gewährleisten, ist nicht dadurch verletzt, dass das Berufungsgericht – im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 80) – Nutzungsvorteile und Restwert (lediglich) insoweit angerechnet hat, als sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2025, aaO, Rn. 101, 104, 107). Dies gilt auch dann, wenn dadurch der Anspruch aufgezehrt wird; anderes liefe dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot zuwider und der Sache nach auf einen Strafschadensersatz hinaus, der weder durch den Grundsatz des vollständigen Ersatzes des erlittenen Schadens noch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit veranlasst ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Mai 2019 – C-494/17, NZA 2019, 1267 Rn. 42 mwN).
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c) Der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist auch nicht zu entnehmen, dass all dies nur für fahrlässiges Verhalten des Schädigers gilt. Die Modalitäten eines Ersatzanspruchs – damit auch eine etwaige Differenzierung nach Verschuldensgraden – überantwortet der Gerichtshof vielmehr in Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften dem Recht des einzelnen Mitgliedstaats. Anderes ergibt sich entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung nicht aus den Schlussanträgen des Generalanwalts des Gerichtshofs vom 21. November 2024 zu den verbundenen Rechtssachen C-251/23 und C 308/23, die zwischenzeitlich im Register gestrichen worden sind, bei denen sich schlicht die entsprechenden Vorlagefragen auf eine fahrlässig unrichtig erteilte Übereinstimmungsbescheinigung bezogen.
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d) Im Übrigen ist die von der Beschwerde vertretene Rechtsansicht, der Anspruch auf den Differenzschaden sei auch Gegenstand des auf Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichteten (Haupt-)Antrags, allein schon angesichts der differenzierten Antragstellung des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar, wären dann doch Haupt- und Hilfsantrag teilweise identisch. Davon abgesehen verbietet sich die Annahme, mit diesem Hauptantrag sei (auch) der Differenzschaden geltend gemacht, im Hinblick darauf, dass die mit diesem Hauptantrag begehrte Leistung in Gänze unter einen Zug-um-Zug-Vorbehalt gestellt ist.
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3. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist im Übrigen aus den in der Senatsentscheidung vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245, insbesondere Rn. 24 ff., 35 ff., 73 ff.) näher ausgeführten Gründen nicht veranlasst (vgl. ferner BGH, Beschluss vom 2. September 2025 – VIa ZR 87/24, ZIP 2025, 2454 Rn. 3 f.).
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4. Die geltend gemachte Verletzung von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet.
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5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
C. Fischer Möhring Brenneisen
Ostwaldt
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