BVerfG

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen Ablehnungen von Anträgen auf Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe zur Bewährung (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts den Verfassungsbeschwerden eines im Jahr 1972 wegen zweifachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilten Häftlings stattgegeben. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen fachgerichtliche Entscheidungen, mit denen die Aussetzung des Strafrestes einer seit mehr als 47 Jahren vollzogenen lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt wurde.

Verfassungsbeschwerden gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung erfolglos (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts drei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Diese richteten sich unmittelbar gegen Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und der Strafprozessordnung (StPO), die die anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten auf Vorrat (sogenannte anlasslose Vorratsdatenspeicherung) vorsahen.

Erfolgloser Antrag auf Anordnung des Ruhens des Normenkontrollverfahrens zur Änderung des Bundeswahlrechts 2020 (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Anordnung des Ruhens eines Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle abgelehnt. Die Normenkontrolle betrifft Art. 1 Nr. 3 bis 5 des 25. Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) vom 14. November 2020, mit dem im Wesentlichen das Sitzzuteilungsverfahren für die Wahl des Deutschen Bundestages nach § 6 Abs. 5 und 6 BWahlG neu geregelt worden ist. Der Antrag war abzulehnen, weil an der Fortführung des Verfahrens ein öffentliches Interesse besteht.

Presseinformationen (Pressemeldung des BVerfG)

Seit vielen Jahren stellt das Bundesverfassungsgericht den Vollmitgliedern der Justizpressekonferenz Karlsruhe e. V. im Interesse zeitnaher, fachlich fundierter Berichterstattung die Pressemitteilungen zu bevorstehenden Entscheidungsveröffentlichungen vorab mit Sperrfristvermerk zur Verfügung. Diese Vorabinformationspraxis ist in den Richtlinien über die Bekanntgabe von Pressemitteilungen aus dem Jahr 2013 niedergelegt.

Ablehnung eines Antrags, das Ruhens des abstrakten Normenkontrollverfahrens bzgl der Wahlrechtsreform 2020 (Art 1 Nr 3 bis 5 BWahlGÄndG 25 vom 14.11.2020; Neuregelung des Sitzzuteilungsverfahren für die Wahl des Deutschen Bundestages nach § 6 Abs 5 und 6 BWahlG) anzuordnen – Fortführung des Verfahrens im öffentlichen Interesse geboten (Beschluss des BVerfG 2. Senat)

Beschluss vom 22.03.2023, AZ 2 BvF 1/21, ECLI:DE:BVerfG:2023:fs20230322.2bvf000121Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 21 Abs 1 GG, Art 38 Abs 1 S 1 GG

Rückwirkende Einführung einer körperschaftsteuerrechtlichen Regelung betreffend vororganschaftliche Mehrabführungen teilweise nichtig (Pressemeldung des BVerfG)

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden, dass § 34 Abs. 9 Nr. 4 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG) vom 9. Dezember 2004 (in der Fassung des EURLUmsG) teilweise nichtig ist. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG gelten Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger. Gemäß § 34 Abs. 9 Nr. 4 KStG ist diese potenziell körperschaftsteuererhöhend wirkende Vorschrift erstmals für (vororganschaftliche) Mehrabführungen von Organgesellschaften anzuwenden, deren Wirtschaftsjahr nach dem 31. Dezember 2003 endet. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes in bestimmten Fallgruppen unvereinbar.

Erfolgloser Eilantrag bzgl der Auslieferung des Beschwerdeführers an Polen – Unzulässigkeit wegen Subsidiarität bei unterbliebener Anhörungsrüge im fachgerichtlichen Verfahren trotz dortiger Gehörsverletzungen (Ablehnung einstweilige Anordnung des BVerfG 2. Senat 1. Kammer)

Ablehnung einstweilige Anordnung vom 15.03.2023, AZ 2 BvR 325/23, ECLI:DE:BVerfG:2023:rk20230315.2bvr032523Art 103 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 77 Abs 1 IRG, § 83 Abs 1 Nr 3 IRG, § 33a StPO

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung eines Sozialgerichts (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Kostengrundentscheidung eines Sozialgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt. Das Sozialgericht hat § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet.

Übergangsregelung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren im Jahressteuergesetz 2008 ist mit dem Grundgesetz teilweise unvereinbar (Pressemeldung des BVerfG)

Körperschaftsteuererhöhungspotenzial

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 38 Abs. 5 und 6 in Verbindung mit § 34 Abs. 16 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 (JStG 2008) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist.

Bürgernah, modern und unabhängig, das Bundesverfassungsgericht mit neuem Erscheinungsbild (Pressemeldung des BVerfG)

Das Bundesverfassungsgericht ist ein Bürgergericht und wird – wie sich an der unverändert hohen Zahl von Verfassungsbeschwerden der Bürgerinnen und Bürger zeigt – auch von den rechtsuchenden Menschen so wahrgenommen. Das Gericht lebt zugleich von der hohen Akzeptanz seiner Entscheidungen bei den Menschen. Um den Bürgerinnen und Bürgern die Tätigkeit des Gerichts noch näher zu bringen und ihnen den Zugang zum Gericht sowie seinen Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten weiter zu erleichtern, werden in diesem Jahr mehrere Maßnahmen umgesetzt, die gerade das bewirken sollen. Als ersten Schritt verwendet das Bundesverfassungsgericht ab Anfang März für seine Entscheidungen und seinen nach außen gerichteten Schriftverkehr ein neues einheitliches Erscheinungsbild (corporate design). Dieses ist durch ein modernes, klares und besonders gut lesbares Schriftbild sowie durch einen neu gestalteten Adler als Hoheitszeichen gekennzeichnet. Das neue Erscheinungsbild bereitet aber vor allem bereits die für Ende des Jahres 2023 geplante Neugestaltung der Internetseite des Bundesverfassungsgerichts vor. Die neue Gestaltung ermöglicht es, Informationen über das Gericht und insbesondere seine Entscheidungen barrierefrei darzustellen. Das wird dazu beitragen, die Bürgernähe der Tätigkeit des Gerichts noch weiter zu erhöhen.

Nichtannahmebeschluss: Anhörungsrüge gem § 33a StPO auch bei Nichtverbescheidung eines Adhäsionsantrags statthaft – hier: Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen Nichtverbescheidung eines Adhäsionsantrags – mangelnde Rechtswegerschöpfung bei ausstehender Anhörungsrügeentscheidung – Anordnung der Auslagenerstattung, jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis für Gegenstandswertfestsetzung (Nichtannahmebeschluss des BVerfG 2. Senat 2. Kammer)

Nichtannahmebeschluss vom 03.03.2023, AZ 2 BvR 1810/22, ECLI:DE:BVerfG:2023:rk20230303.2bvr181022Art 103 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 33a S 1 StPO

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde eines Sicherungsverwahrten gegen die mehrtägige Fesselung während eines Krankenhausaufenthalts (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die sich über 96 Stunden erstreckende Fesselung während eines Krankenhausaufenthalts den sicherungsverwahrten Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt.

Besuch einer Delegation des Schweizerischen Bundesgerichts beim Bundesverfassungsgericht (Pressemeldung des BVerfG)

Eine Delegation des Schweizerischen Bundesgerichts unter Leitung seines Vizepräsidenten Dr. François Chaix besuchte vom 26. bis 28. Februar 2023 das Bundesverfassungsgericht. Die Gäste wurden von Präsident Prof. Dr. Stephan Harbarth und Vizepräsidentin Prof. Dr. Doris König sowie weiteren Mitgliedern des Gerichts empfangen. Themen der Fachgespräche waren der Rechtsstaatsdiskurs in Europa, religiöse Symbole – unter anderem im öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz –, verfassungsrechtliche Grenzen des politischen Meinungskampfs sowie das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung.