BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 03.12.2025, AZ VIa ZR 1452/22, ECLI:DE:BGH:2025:031225UVIAZR1452.22.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG München, 22. September 2022, Az: 27 U 2851/22
vorgehend LG Augsburg, 11. April 2022, Az: 112 O 2445/21
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. September 2022 mit Ausnahme der Zurückweisung der Berufung wegen der mit dem Berufungsantrag zu II geltend gemachten Deliktszinsen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 35.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
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Er erwarb im März 2016 einen von der Beklagten hergestellten BMW 318D Touring als Neuwagen, der mit einem Dieselmotor des Typs B 47 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet ist.
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Seine auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Verzugszinsen, Zahlung von Deliktszinsen (Berufungsantrag zu II), jeweils Zug um Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat im tenorierten Umfang zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren insoweit weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB sei nicht gegeben, weil auf der Basis seines Vortrags nicht darauf zu schließen sei, dass die Beklagte in sittenwidriger Weise gehandelt habe. Nach einer Gesamtabwägung aller von ihm vorgebrachten Gesichtspunkte habe der Kläger weder schlüssig dargetan, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet sei, die an eine Prüfstandserkennung angeknüpft wäre beziehungsweise an Bedingungen, die faktisch nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand einträten, noch Umstände substantiiert dargelegt, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen.
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Ansprüche des Klägers nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 3, 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 scheiterten bereits daran, dass die letztgenannten Bestimmungen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellten.
II.
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Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
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1. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB wegen des Fehlens einer Sittenwidrigkeit verneint hat. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
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2. Die Revision beanstandet jedoch zu Recht, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
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Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung des sogenannten „großen“ Schadenersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EGFGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
12
Die angefochtene Entscheidung ist im tenorierten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Sache ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
13
Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom 26. Juni 2023 in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
C. Fischer
Messing
Katzenstein
F. Schmidt
Pastohr
