Pressestelle des BVerfG

Erstellt vom Import-Prozess

Erfolgloser Antrag auf Beitritt und Anschluss an ein anhängiges Normenkontrollverfahren (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag von 30 Mitgliedern des Deutschen Bundestages, die der Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD) angehören oder angehörten, auf Beitritt und Anschluss an ein anhängiges Normenkontrollverfahren abgelehnt. Im September 2018 hat der Antragsteller, dem Mitglieder aus drei Fraktionen des Deutschen Bundestages angehören, einen Normenkontrollantrag, der sich gegen Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 10. Juli 2018 (BGBl I S. 1116) richtet, gestellt. Diesem Normenkontrollantrag wollten die 30 Abgeordneten beitreten beziehungsweise sich ihm anschließen. Der Senat führt im Wesentlichen zur Begründung an, dass ein Beitritt gesetzlich nicht vorgesehen ist und auch eine analoge Anwendung der Beitrittsregelungen anderer Verfahrensarten nicht in Betracht kommt. Ebenso scheidet ein unselbständiger Anschluss im vorliegenden Fall deshalb aus, weil er jedenfalls der Zustimmung des bisherigen Antragstellers bedürfte und eine solche nicht vorliegt.

Kranzniederlegung am Volkstrauertag für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Pressemeldung des BVerfG)

In der Neuen Wache in Berlin wird am Volkstrauertag mit einer Kranzniederlegung der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Stephan
Harbarth, LL.M., nimmt am 15. November 2020 an der Kranzniederlegung und der sich anschließenden zentralen Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag im Plenarsaal des Deutschen Bundestages teil.

Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts (Pressemeldung des BVerfG)

Das Bundesverfassungsgericht ist ungeachtet vielfältiger Einschränkungen durch die Verbreitung des Coronavirus weiterhin vollständig arbeitsfähig. Zur Vorsorge für etwaige Erkrankungs- oder Quarantänefälle wird beginnend ab dem 4. November 2020 erneut ein Zwei-Schichten-System praktiziert, das gegebenenfalls den Weiterbetrieb durch die jeweils andere Schicht ermöglicht. Zudem bleiben Außenkontakte und die Präsenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf das Notwendigste beschränkt. Auslandsreisen und Besuche ausländischer Delegationen entfallen. Besuchergruppen können das Bundesverfassungsgericht seit März 2020 nicht besuchen. Die Bearbeitung insbesondere von Eilverfahren in den Kammern ist – vor allem durch eine entsprechende IT-Ausstattung der Richterinnen und Richter, die zuhause arbeiten können – sichergestellt. Die Pressestelle des Gerichts bleibt weiter erreichbar. Es ist allerdings mit einer im Umfang eingeschränkten und gegebenenfalls verzögerten Bearbeitung von Medienanfragen zu rechnen.

Eilantrag bezogen auf das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin abgelehnt (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der sich gegen das Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (im Folgenden: MietenWoG Bln) am 22. November 2020 richtete, abgelehnt. Die Beschwerdeführerin hat schon nicht dargelegt, dass ihr im Fall der Ablehnung ihres Antrags ein schwerer Nachteil von besonderem Gewicht droht. Ungeachtet dessen wurden auch für die Gesamtheit oder eine erhebliche Zahl der Vermieter Berlins keine solchen Nachteile aufgezeigt.

Eilantrag zum Beherbergungsverbot in Schleswig-Holstein mangels hinreichender Begründung unzulässig (Pressemeldung des BVerfG)

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat heute einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit der ein landesrechtliches Beherbergungsverbot als Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie außer Vollzug gesetzt werden sollte. Zur Begründung führt die Kammer aus, dass der Antrag unzulässig ist, weil die erforderlichen Darlegungen fehlen. Die Antragsteller haben sich weder vertieft mit der Regelung selbst noch mit den Argumenten auseinandergesetzt, die für und gegen ein sachlich und zeitlich beschränktes Beherbergungsverbot sprechen. So haben die Antragsteller auch nicht begründet, warum es ihnen nicht möglich wäre, einen Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus zu erlangen. Insgesamt bewirkt ein Beherbergungsverbot zwar schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte insbesondere der Beherbergungsbetriebe, die nur gerechtfertigt werden können, wenn sie als Maßnahme der Pandemiebekämpfung verhältnismäßig sind. Ob das hier angegriffene landesrechtliche Verbot deshalb außer Vollzug zu setzen wäre, hatte die Kammer hier ebenso wenig zu entscheiden wie über die Vereinbarkeit von Beherbergungsverboten mit dem Grundgesetz.

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Äußerungen im Rahmen kommunaler Öffentlichkeits- und Erinnerungsarbeit (Pressemeldung des BVerfG)

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die Äußerungen des Münchner Oberbürgermeisters betraf. Dieser hatte auf eine schriftliche Eingabe einer Privatperson hin das Ausstellungskonzept des Dokumentationszentrums über die Geschichte Münchens in der Zeit des Nationalsozialismus (NS-Dokumentationszentrum) in Schutz genommen und die fehlende Einbeziehung der wissenschaftlichen Werke des Beschwerdeführers gerechtfertigt. Die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass die Äußerungen des kommunalen Wahlbeamten die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten haben. Die insoweit geltenden Maßstäbe sind von den besonderen Neutralitätsanforderungen zu unterscheiden, die für amtliche Äußerungen von Regierungsmitgliedern im parteipolitischen Wettbewerb gelten.

Besuch einer Delegation des Gerichtshofs der Europäischen Union beim Bundesverfassungsgericht (Pressemeldung des BVerfG)

Am 19. Oktober 2020 besuchte eine Delegation des Gerichtshofes der Europäischen Union mit Sitz in Luxemburg unter Leitung des Präsidenten Prof. Dr. Koen Lenaerts das Bundesverfassungsgericht. Die Gäste wurden von dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Stephan Harbarth, LL.M., der Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Doris König sowie den weiteren Mitgliedern des Gerichts empfangen. Es fanden ganztags Fachgespräche statt, in denen es insbesondere um die Unabhängigkeit der Justiz und den Europäischen Gerichtsverbund ging. Darüber hinaus diente der Delegationsbesuch dem Austausch über die aktuellen Arbeitsschwerpunkte.

Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen das Tabakerzeugnisgesetz (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats die Verfassungsbeschwerde einer Produzentin von Tabakerzeugnissen gegen das Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) und die Verordnung über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (TabakerzV) nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Überprüfung dieser Regelungen am Maßstab der deutschen Grundrechte nicht in Betracht kommt, weil sie zwingendes Unionsrecht umsetzen. Angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des einschlägigen zwingenden unionsrechtlichen Fachrechts mit den Unionsgrundrechten erscheint es auch ausgeschlossen, eine Überprüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte durch eine Vorlage mit dem Ziel der Ungültigerklärung dieses unionsrechtlichen Fachrechts zu eröffnen. Soweit die Beschwerdeführerin die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht als verspätet rügt, ist eine Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte zwar eröffnet, eine Grundrechtsverletzung allerdings nicht genügend dargetan.

Substantiierter Vortrag einer Asylsuchenden zur Sklaverei in ihrem Herkunftsstaat löst gerichtlichen Aufklärungsbedarf aus (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde einer Mauretanierin stattgegeben, die sich gegen die Ablehnung ihrer Asylklage durch das Verwaltungsgericht Greifswald und die Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern wendet. Das Verwaltungsgericht hätte sich mit der Behauptung der Beschwerdeführerin auseinandersetzen müssen, dass sie von der Mehrheitsgesellschaft in Mauretanien als Zugehörige eines „Sklavenstamms“ angesehen werde und infolgedessen keinerlei Möglichkeit habe, in Mauretanien ihre Existenz zu sichern (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Oberverwaltungsgericht hätte die Berufung wegen dieser Gehörsverletzung zulassen müssen (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG).

Präsident und Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts nehmen an Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Potsdam teil (Pressemeldung des BVerfG)

Am 3. Oktober 2020 finden unter dem Motto “Wir miteinander“ die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Potsdam statt. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Stephan Harbarth, LL.M., und die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Doris König nehmen am offiziellen Festakt am 3. Oktober 2020 teil, der in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie mit reduzierter Personenzahl stattfindet. Zudem präsentiert sich das Bundesverfassungsgericht bereits seit dem 5. September und noch bis zum 4. Oktober 2020 multimedial in einem Glaskubus auf dem Luisenplatz in Potsdam.

Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen die Zurückweisung von Befangenheitsanträgen in einem laufenden Kapitalanleger-Musterverfahren (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts drei Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Zurückweisung dreier Befangenheitsanträge im Rahmen eines laufenden Kapitalanleger-Musterverfahrens nach dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) richteten, nicht zur Entscheidung angenommen.

Teilweise erfolgreiche Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen wegen Protestcamps gegen den Ausbau der A49 (Pressemeldung des BVerfG)

Im Wege der einstweiligen Anordnung hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichten Beschlüssen in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Gießen und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der geplanten Durchführung von Protestcamps gegen Waldrodungen zum Zwecke des Ausbaus der Autobahn A49 die aufschiebende Wirkung der Klagen des Anmelders der Protestcamps gegen Verbots- und Auflagenbescheide des Regierungspräsidiums Gießen teilweise wiederhergestellt. Im Übrigen blieben die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen erfolglos.

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichten Beschlüssen hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG) nicht zur Entscheidung angenommen. Der Gesetzgeber hat damit nicht das Rückwirkungsverbot verletzt, da die betroffenen Unternehmen nicht darauf vertrauen konnten, keine Beiträge zu den Sozialkassen leisten zu müssen.

Ergänzende Informationen zur mündlichen Verhandlung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag, 13. Oktober 2020, um 12.00 Uhr (bisher: 10.00 Uhr) (Pressemeldung des BVerfG)

Wie bereits angekündigt (siehe Pressemitteilung
Nr. 70/2020 vom 7. August 2020), verhandelt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am 13. Oktober 2020 in Sachen Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada („CETA“). Gegenstand des Verfahrens und der mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2020 ist ausschließlich das Organstreitverfahren, in dem die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag rügt, dieser habe durch seine Stellungnahme vom 22. September 2016 (vgl. BTDrucks 18/9663) im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen das Grundgesetz verletzt.

Bundesverfassungsgericht bei der „Einheits-Expo 30 Jahre – 30 Tage – 30 x Deutschland“ vom 5. September bis zum 4. Oktober 2020 in Potsdam (Pressemeldung des BVerfG)

Anlässlich des Tags der Deutschen Einheit findet in Potsdam vom 5. September bis zum 4. Oktober 2020 die „Einheits-Expo 30 Jahre – 30 Tage – 30 x Deutschland“ statt. Die Bundesländer und die Verfassungsorgane stellen sich in einer 30-tägigen weiträumigen Ausstellung mit Installationen innerhalb der Potsdamer Stadtkulisse dar. Das Bundesverfassungsgericht präsentiert sich multimedial in einem Glaskubus auf dem Luisenplatz.

Eilantrag gegen das Verbot einer Dauermahnwache in Berlin abgelehnt (Pressemeldung des BVerfG)

Anlässlich eines von der zuständigen Versammlungsbehörde verfügten Verbots einer in Berlin auf der Straße des 17. Juni für den Zeitraum zwischen dem 30. August und dem 14. September 2020 geplanten Dauermahnwache zum Protest gegen staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie hat die 1. Kammer des Ersten Senats heute einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zuvor hatte schon das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das Verbot der Dauermahnwache bestätigt.

1. Der Antrag ist bereits unzulässig.

Er genügt nicht dem auch im verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren geltenden Grundsatz der Subsidiarität, wonach vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zunächst fachgerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten auszuschöpfen sind.

Der Antragsteller trägt vor, er habe seine ursprüngliche Anmeldung der Dauermahnwache vom 22. August 2020 nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg am 29. August 2020 konkretisiert. Damit beruft sich der Antragsteller auf einen in wesentlicher Hinsicht neuen Sachverhalt, den das Oberverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte. Der Antragsteller war deshalb gehalten, vor dem Hintergrund der veränderten Umstände zunächst erneut um fachgerichtlichen Eilrechtsschutz nachzusuchen.

2. Der Antrag ist überdies auch unbegründet.

Entgegen der Einschätzung des Antragstellers sind die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde nicht derart offensichtlich, dass hier allein schon deshalb in der Nichtgewährung von Rechtsschutz ein schwerer Nachteil für das gemeine Wohl im Sinne von § 32 Abs. 1 BVerfGG läge.

Das hier in Rede stehende Verbot des Protestcamps wurde auf § 15 Abs. 1 VersG gestützt. Nach der von dem Oberverwaltungsgericht bestätigten Einschätzung der Versammlungsbehörde stünde bei Durchführung des Camps eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Wesentlichen deshalb zu befürchten, weil die Veranstaltungsteilnehmer aus Gründen des Infektionsschutzes gebotene Mindestabstände nicht einhalten würden. Im Vergleich zu einem Verbot mildere, zur Gefahrenabwehr ebenso geeignete Maßnahmen stünden nach den gegebenen Umständen nicht zu Verfügung. Diese Einschätzung ist nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand jedenfalls nicht offensichtlich unzutreffend.

Es steht im Grundsatz außer Zweifel, dass ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG zum Schutz des Grundrechts Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gerechtfertigt werden kann. Unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit können zum Zweck des Schutzes vor Infektionsgefahren auch versammlungsbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören grundsätzlich auch Versammlungsverbote, die allerdings nur verhängt werden dürfen, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und soweit der hierdurch bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den jeweils zu bekämpfenden Gefahren. In Betracht kommen namentlich Auflagen mit der Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Mindestabstände, aber auch Beschränkungen der Teilnehmerzahl, um eine Unterschreitung notwendiger Mindestabstände zu verhindern. Darüber hinaus kommt auch in Betracht, im Wege einer Auflage im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG eine Verpflichtung der Versammlungsteilnehmer zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung anzuordnen, die nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts jedenfalls zu einer Verlangsamung des Infektionsgeschehens beitragen kann. Als weitere Regelungen der Modalitäten einer Versammlung kommen etwa die Durchführung als ortsfeste Kundgebung anstelle eines Aufzugs oder die Verlegung an einen aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vorzugswürdigen Alternativstandort in Betracht.

Weil danach nach den vorliegenden Umständen nicht offenkundig ist, dass das hier in Rede stehende Verbot die Versammlungsfreiheit des Antragstellers unverhältnismäßig beschränkt, ist eine Folgenabwägung geboten, die zum Nachteil des Antragstellers ausgeht.

Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, sich nach Durchführung eines Hauptsacheverfahrens jedoch herausstellte, dass das Verbot des Camps verfassungswidrig ist, wäre der Antragsteller in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG verletzt. Diese Grundrechtsverletzung wäre von erheblichem Gewicht nicht nur im Hinblick auf den Antragsteller, sondern angesichts der Bedeutung der Versammlungsfreiheit für eine freiheitliche Staatsordnung auch im Hinblick auf das demokratische Gemeinwesen insgesamt. Erginge demgegenüber eine einstweilige Anordnung und würde sich später herausstellen, dass das Verbot des Camps rechtmäßig ist, wären grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen.

Die gebotene Abwägung der jeweils berührten Interessen geht zum Nachteil des Antragstellers aus. Anders wäre dies allenfalls, wenn eine Durchführung des Camps unter Bedingungen gewährleistet wäre, die ein hinreichendes Maß an Schutz vor möglichen Infektionsgefahren sicherstellten. Hierzu bedürfte es eines geeigneten Hygienekonzepts. Das von dem Antragsteller anlässlich einer bereits gestern von ihm angemeldeten und durchgeführten Kundgebung vorgelegte Hygienekonzept setzt unter Verzicht auf das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen auf eine konsequente Einhaltung der gebotenen Mindestabstände, die insbesondere durch den Einsatz von Ordnern und Deeskalationsteams sichergestellt werden soll. Mit Blick auf nach Durchführung der gestrigen Versammlung nunmehr vorliegende Erfahrungen musste sich der Antragsteller dazu veranlasst sehen, die praktische Eignung seines Konzepts zu bewerten und dieses erforderlichenfalls anzupassen. Dass dies geschehen ist, ist indes weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Im Übrigen ist das Konzept auf eine an einem einzelnen Tag stattfindende Versammlung zugeschnitten. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass es auch für das nunmehr über einen Zeitraum von 14 Tagen geplante Camp realisierbar ist.

Unzulässige Eilanträge im Zusammenhang mit Demonstrationen in Berlin (Pressemeldung des BVerfG)

Im Zusammenhang mit an diesem Wochenende in Berlin veranstalteten Demonstrationen gegen staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie hat das Bundesverfassungsgericht am heutigen Tag drei Entscheidungen getroffen. Mit ihren Beschlüssen hat die 1. Kammer des Ersten Senats Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen als unzulässig abgelehnt.

Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2038/20 meldete für den 29. August 2020 um 10.30 Uhr eine Versammlung an, die von der Versammlungsbehörde mit Bescheid vom 26. August 2020 verboten wurde. Am 29. August 2020 um 1.34 Uhr stellte er deswegen bei dem Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Gegen 10.30 Uhr erhob er beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil das Verwaltungsgericht über den dort gestellten Eilantrag noch nicht entschieden habe. Das Bundesverfassungsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, aus welchen Gründen er sich erst so spät um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz bemüht hat.

Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2039/20 wendet sich gegen eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, mit der das Verbot einer Versammlung unter Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde, die also die Durchführung der betreffenden Versammlung ermöglicht. Der Beschwerdeführer sieht sich hierdurch in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG verletzt, weil die Teilnehmer der Versammlung unter anderem infektionsschützende Mindestabstände nicht einhielten. Den mit der Verfassungsbeschwerde verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Bundesverfassungsgericht wegen einer nicht hinreichend substantiierten Begründung abgelehnt.

Mangels substantiierter Begründung hatte schließlich auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfahren 1 BvQ 93/20 keinen Erfolg. Der Antragsteller wandte sich im Zusammenhang mit einer laufenden Versammlung gegen Maßnahmen der Polizei.