Einstweiliger Rechtsschutz; Verweisung an das Arbeitsgericht bei Konkurrentenstreit ohne Beamtenbeteiligung (Beschluss des BVerwG 2. Senat)

BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 12.06.2025, AZ 2 VR 4.25, ECLI:DE:BVerwG:2025:120625B2VR4.25.0

§ 50 Abs 1 Nr 4 VwGO, § 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG, Art 33 Abs 2 GG

Tenor

Der Verwaltungsrechtsweg ist nicht eröffnet.

Das Verfahren wird an das Arbeitsgericht C. verwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen ihre Nichtberücksichtigung in einem Auswahlverfahren.

2

Der Bundesnachrichtendienst (BND) schrieb im Juni 2024 für den Dienstort im Großraum A. eine Stelle als Referent/​Referentin (m/w/d) im Bereich linguistische Kryptoanalyse aus. Die Einstellung sollte in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis mit der Möglichkeit einer späteren Verbeamtung nach Einzelfallprüfung erfolgen. Auch eine Übernahme von Beamten mit der Befähigung für die Laufbahn des höheren sprach- und kulturwissenschaftlichen Dienstes sollte möglich sein.

3

Hierauf bewarb sich die im Jahr … in B. geborene Antragstellerin. Sie hat in B. und Deutschland studiert und ist deutsche Staatsangehörige. Im Oktober 2024 absolvierte sie im Rahmen des Bewerbungsverfahrens eine Arbeitsprobe. Im Dezember 2024 teilte ihr das Bundesverwaltungsamt, das das Bewerbungsverfahren für den BND durchführte, mit, dass sie aufgrund des konkurrierenden Bewerberfelds nicht berücksichtigt werden könne.

4

In der Folgezeit beanstandete die Antragstellerin gegenüber dem BND das Verfahren und erhob, vertreten durch ihre damalige Prozessbevollmächtigte, im Februar 2025 beim Bundesverwaltungsgericht Klage u. a. auf erneute Entscheidung über ihre Bewerbung (Az: 2 A 3.25). Zugleich beantragte sie einstweiligen Rechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Untersagung der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle vor erneuter Entscheidung über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

5

Nachdem die Antragsgegnerin im März 2025 äußerte, dass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten unzulässig und der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht C. zu verweisen sei, beendete die Antragstellerin das Mandatsverhältnis mit der früheren Prozessbevollmächtigten. Ihr nach gerichtlichem Hinweis auf den Vertretungszwang beim Bundesverwaltungsgericht neu bestellter Prozessbevollmächtigter vertiefte die Ausführungen aus der Antragsschrift, führte zu der aus seiner Sicht gegebenen Rechtsfehlerhaftigkeit der Nichtberücksichtigung der Antragstellerin aus und beantragte „für den Fall, dass der Senat den Ausführungen der Beklagten beitreten sollte“, die Verweisung an das örtlich zuständige Arbeitsgericht C. Nach richterlichem Hinweis, dass der Verweisungsantrag als Prozesserklärung nicht bedingt gestellt werden könne und der Bitte um Mitteilung, ob der Verweisungsantrag unbedingt gestellt werden solle, nahm der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin den nur „bedingt gestellten Verweisungsantrag“ zurück.

6

Die Beteiligten erhielten vor der Verweisungsentscheidung des Senats gemäß § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG Gelegenheit zur Stellungnahme. Hierbei wurde auf den Senatsbeschluss vom 17. März 2021 – 2 B 3.21 – (BVerwGE 172, 8 ff.) sowie darauf hingewiesen, dass nach den Angaben der Antragsgegnerin und ausweislich des auszugsweise als Kopie übersandten Verwaltungsvorgangs das Bewerberfeld aus vier Personen bestehe, für die jeweils nur eine Einstellung in ein Arbeitsverhältnis – nicht in ein Beamtenverhältnis – in Betracht komme. Ausgehend hiervon sei der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben und die Verweisung an das Arbeitsgericht geboten.

7

Die Antragstellerin hält an ihrer Auffassung fest, dass das Bundesverwaltungsgericht zuständig sei. Der Senatsbeschluss vom 17. März 2021 – 2 B 3.21 – betreffe eine andere Fallkonstellation. Der Anspruch auf Teilhabe an einem Auswahlverfahren sei auch dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn ein Arbeitsverhältnis angestrebt werde. Andernfalls habe es ein Dienstherr in der Hand, durch die Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens den Rechtsweg zu steuern und sich über die „Flucht ins Privatrecht“ der Beachtung beamtenrechtlicher Grundsätze und Vorgaben zu entziehen. Die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin im Stellenbesetzungsverfahren sei rechtsfehlerhaft.

8

Die Antragsgegnerin hält den Verwaltungsrechtsweg für nicht gegeben. Für die Antragstellerin als Nicht-Beamtin komme jedenfalls zunächst nur die Einstellung in ein Arbeitsverhältnis in Betracht. Gleiches gelte für ihre Mitbewerber.

9

Ausweislich des von der Antragsgegnerin auszugsweise und als Kopie übersandten Verwaltungsvorgangs besteht das Bewerberfeld aktuell aus vier Personen, von denen keine verbeamtet ist.

II

10

Für das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.

11

Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin in dem Auswahlverfahren der Antragsgegnerin nicht zuständig, weil die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO nicht vorliegen. Der Rechtsstreit ist an das Arbeitsgericht C. als das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

12

Nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über Klagen, denen Vorgänge aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde liegen. Die Vorschrift findet auch für Eilanträge Anwendung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Februar 1976 – 7 A 1.76 – BVerwGE 50, 124 <132> zu § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und vom 10. Januar 2023 – 2 VR 5.22 – juris Rn. 11). Mit dieser Sonderregelung der sachlichen Zuständigkeit soll den besonderen Geheimschutzinteressen des BND Rechnung getragen und der Gefahr des Bekanntwerdens sensibler Informationen vorgebeugt werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4659 S. 55; BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2023 – 2 VR 5.22 – juris Rn. 11).

13

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17. März 2021 – 2 B 3.21 – BVerwGE 172, 8 ff.) ist der von der Rechtsprechung aus Art. 33 Abs. 2 GG entwickelte Bewerbungsverfahrensanspruch weder von vornherein öffentlich-rechtlich noch bürgerlich-rechtlich. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen für Konkurrentenstreitverfahren zuständig, bei denen sich allein Arbeitnehmer und Selbstständige um die Besetzung einer Stelle im Arbeitsverhältnis des öffentlichen Dienstes bewerben, wohingegen die Verwaltungsgerichte für Konkurrentenstreitverfahren zuständig sind, bei denen entweder ein Beamter um Rechtsschutz nachsucht (unabhängig davon, ob die Stelle als Statusamt oder nach Tarifvertrag besetzt werden soll) oder bei denen sich ein – auch nicht beamteter – Mitbewerber gegen die Auswahlentscheidung zugunsten eines Beamten wendet.

14

Der BND hat ausgeführt, dass die Antragstellerin und ihre Mitbewerber nicht verbeamtete Personen seien, für die nur die Einstellung in ein Arbeitsverhältnis in Betracht komme. Auch ausweislich des von der Antragsgegnerin auszugsweise und als Kopie übersandten Verwaltungsvorgangs besteht das Bewerberfeld aktuell aus vier nicht beamteten Personen. Für diesen Personenkreis kommt nach der Stellenausschreibung der Antragsgegnerin nur eine Einstellung in ein Arbeitsverhältnis in Betracht.

15

Damit ist auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben und nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. Örtlich zuständig ist nach § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 29 Abs. 1 ZPO das Arbeitsgericht C.

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