Beschluss des BVerwG 3. Senat vom 10.06.2025, AZ 3 BN 6.24

BVerwG 3. Senat, Beschluss vom 10.06.2025, AZ 3 BN 6.24, ECLI:DE:BVerwG:2025:100625B3BN6.24.0

Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 242 BGB, § 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 54 Abs 1 VwGO

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 14. Februar 2024, Az: 3 C 90/21, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Teilurteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2024 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin, eine freie Künstlerin und Sängerin einer Musikgruppe, begehrt – soweit Gegenstand des vorliegenden Teilverfahrens – die Feststellung, dass § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 12 und § 21a Abs. 7 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Regelung von Notfallmaßnahmen zur Brechung der vierten Coronavirus SARS-CoV-2-Welle (Sächsische Corona-Notfall-Verordnung – SächsCoronaNotVO) vom 19. November 2021 (SächsGVBl. S. 1261) in der Fassung der Sechsten Änderungsverordnung vom 2. Februar 2022 (SächsGVBl. S. 121) unwirksam waren. Nach diesen Vorschriften war für den Zugang zu Kultureinrichtungen die Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises sowie eines Testnachweises erforderlich; die zulässige Auslastung der Einrichtungen war begrenzt (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SächsCoronaNotVO). Großveranstaltungen (mehr als 1 000 Besucherinnen und Besucher) waren untersagt (§ 12 SächsCoronaNotVO). Bei Rückgang des Infektionsgeschehens waren abweichend hiervon die Begrenzungen der Auslastung gelockert (§ 21a Abs. 7 SächsCoronaNotVO).

2

Der am 24. November 2021 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Normenkontrollantrag der Antragstellerin richtet sich gegen die Vorgängervorschriften zu diesen Regelungen in der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung – SächsCoronaSchVO) vom 5. November 2021 (SächsGVBl. S. 1232). Die SächsCoronaSchVO sollte nach ihrem § 18 Abs. 2 mit Ablauf des 25. November 2021 außer Kraft treten. Die SächsCoronaNotVO sollte nach ihrem § 23 Abs. 1 Satz 1 am 22. November 2021 in Kraft treten. Gleichzeitig sollte die SächsCoronaSchVO außer Kraft treten (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SächsCoronaNotVO).

3

Nachdem der Antragsgegner vorgetragen hatte, der Normenkontrollantrag sei unzulässig, weil die Antragstellerin ihn erst nach Außerkrafttreten der SächsCoronaSchVO gestellt habe, hat diese den Antrag mit Schriftsatz vom 16. Februar 2022 auf § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 12 und § 21a Abs. 7 SächsCoronaNotVO in der Fassung der Sechsten Änderungsverordnung vom 2. Februar 2022 (SächsGVBl. S. 121) erweitert.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat durch Teilurteil vom 14. Februar 2024 den Antrag festzustellen, dass § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 12 sowie § 21a Abs. 7 SächsCoronaNotVO in der Fassung vom 2. Februar 2022 unwirksam waren, abgelehnt. Die Einbeziehung der SächsCoronaNotVO sei eine Antragsänderung, die nach § 91 VwGO nicht zulässig sei. Der Antragsgegner habe der Änderung widersprochen. Sie sei auch nicht sachdienlich. Hierfür fehle es an einem im Wesentlichen identischen Streitstoff. Der SächsCoronaNotVO habe gegenüber der SächsCoronaSchVO eine andere Konzeption zugrunde gelegen. Zudem hätten sich die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse verändert. So sei die SächsCoronaSchVO vom 5. November 2021 vor dem Hintergrund der seit Herbst 2021 wieder ansteigenden Infektionszahlen im Freistaat Sachsen, die vor allem durch die in Deutschland zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Delta-Variante verursacht worden seien, erlassen worden. Da seit dem 19. November 2021 im Freistaat Sachsen die Überlastungsstufe gegolten habe, habe die SächsCoronaNotVO hingegen darauf abgezielt, durch eine zeitlich befristete Verschärfung und Ausweitung der bereits bestehenden Schutzmaßnahmen die Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren, Kontakte durch Einschränkungen bei infektionsträchtigen Lebensbereichen zu minimieren und dadurch die Infektionsdynamik zu verlangsamen. Der Ende Januar/Anfang Februar 2022 zu beobachtende (erneute) Anstieg der Infektionszahlen, der zum Erlass der Sechsten Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Änderung der SächsCoronaNotVO vom 2. Februar 2022 geführt habe, sei auf die Omikron-Variante zurückgeführt worden. Der Senat sei auch nicht verpflichtet gewesen, den mit Schriftsatz vom 16. Februar 2022 zusätzlich geltend gemachten Streitgegenstand abzutrennen. Mit der Entscheidung zur fehlenden Sachdienlichkeit und der damit fehlenden Voraussetzungen für eine zulässige Klageerweiterung gemäß § 91 VwGO entfalle die Rechtshängigkeit des nachträglich anhängig gemachten Streitgegenstandes rückwirkend. Eine Abtrennung gemäß § 93 Satz 2 VwGO komme nur in Betracht, wenn der weitere Antrag im Wege objektiver Klagehäufung gemäß § 44 VwGO noch rechtshängig sei, etwa, weil er zugleich mit dem primär verfolgten Begehren bereits bei Klageerhebung oder Antragstellung und nicht – wie durch die Antragstellerin – erst nachträglich mittels Antragserweiterung nach § 91 VwGO gestellt worden sei.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Teilurteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Antragstellerin.

II

6

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

7

1. Die Rechtssache hat nicht die von der Antragstellerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

8

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darzulegen und setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint und im Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. April 2017 – 3 B 48.16 – juris Rn. 3 und vom 3. Februar 2025 – 3 BN 4.24 – juris Rn. 7, jeweils m. w. N.).

9

a) Die Antragstellerin stellt im Zusammenhang der verweigerten Einwilligung des Antragsgegners zur Klageerweiterung folgende Fragen, denen sie grundsätzliche Bedeutung beimisst:

„Gelten in Bezug auf eine verweigerte Einwilligung zur Klageänderung gem. § 91 Abs. 1 VwGO die Grundsätze von Treu und Glauben, § 242 BGB, und insbesondere vom widersprüchlichen Verhalten?“

„Gelten die Grundsätze von Treu und Glauben und insbesondere vom widersprüchlichen Verhalten, § 242 BGB, auch für den Fall, dass es sich bei der Klageänderung gem. § 91 Abs. 1 VwGO um eine nachträgliche Klageerweiterung handelt?“

„Wenn auf die verweigerte Einwilligung gem. § 91 Abs. 1 VwGO des Beklagten / Antragsgegners diese Grundsätze anwendbar sind, welche sind die einschlägigen Kriterien, nach denen zu beurteilen ist, ob eine verweigerte Einwilligung rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 242 BGB und damit unbeachtlich ist mit der Folge, dass die Einwilligung als erteilt anzusehen ist?“

„Gelten andere Kriterien, wenn es sich bei der Klageänderung um eine nachträgliche Klageerweiterung handelt?“

„Gelten die gleichen Kriterien oder ggf. andere / abgewandelte Kriterien, wenn die Klageerweiterung – wie im vorliegenden Fall – auf einen Sachverhalt zurückzuführen ist, den der Antragsgegner selbst in dem Recht[s]streit eingebracht hat, nämlich die – nach seinem Vortrag – vorzeitig in Kraft getretene Corona-Notfall-VO, um sich gegen die ursprüngliche Klage / den ursprünglichen Antrag, zu verteidigen?“

„Gibt es insoweit Besonderheiten, wenn es sich – wie hier – um ein Normenko[n]trollverfahren gem. § 47 VwGO handelt und wenn ja, welche?“

10

Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

11

Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. § 91 VwGO ist im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 8 CN 1.08 – NVwZ-RR 2010, 578 Rn. 16).

12

Die ersten beiden Teilfragen wären in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Grundsätze von Treu und Glauben angewendet (UA Rn. 35). Es hat – anders als die Antragstellerin – das Verhalten des Antragsgegners nicht als treuwidrig beurteilt. Unabhängig hiervon bedürfen sie keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, denn sie lassen sich anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne Weiteres bejahend beantworten. Danach gehört der Grundsatz von Treu und Glauben zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts. Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen bzw. Ausprägungen vorgenommen wird (BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2024 – 6 C 11.22 – BVerwGE 182, 393 Rn. 41). Zu diesen gehört der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, nach dem die Ausübung eines Rechts unzulässig sein kann, wenn der Beteiligte sich zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt. Widersprüchliches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, oder wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen; letzteres ist der Fall, wenn das frühere Verhalten zu dem späteren in unlösbarem Widerspruch steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 – 5 C 51.90 – BVerwGE 90, 287 <292> m. w. N.). Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist nach ständiger Rechtsprechung auch im Prozessrecht zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2008 – 6 B 14.08 – NVwZ 2009, 191 Rn. 6 m. w. N.). Ob tatsächlich ein Rechtsmissbrauch vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

13

Wegen dieser Einzelfallabhängigkeit sind die weiteren, nicht näher konkretisierten Teilfragen keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich. Soweit die Antragstellerin meint, der Staat dürfe die Einwilligung in eine Klageänderung nicht verweigern, wenn sie ihm keine Nachteile bringe, übersieht sie, dass die Einführung neuen Prozessstoffs für die Gegenseite ein Nachteil sein kann. Im Übrigen kritisiert sie das Prozessverhalten des Antragsgegners im vorliegenden Einzelfall, ohne in den Blick zu nehmen, dass sie einen selbständigen Normenkontrollantrag gegen die SächsCoronaNotVO hätte stellen können. Dessen Zulässigkeit wäre nicht von den Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 VwGO abhängig gewesen.

14

b) Zur Sachdienlichkeit einer Antragserweiterung im Hinblick auf wesentlich neuen Streitstoff und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bei Durchführung eines selbständigen Normenkontrollverfahrens gegen die SächsCoronaSchVO wirft die Antragstellerin folgende Fragen auf:

„Liegt Sachdienlichkeit i. S. d. § 91 Abs. 1 ZPO vor, wenn der Beklagte / Antragsgegner einen normativen Akt (Gesetz und/oder Verordnung) in das Verfahren einführt, um sich unter Berufung darauf gegen die ursprüngliche Klage/den ursprünglichen Antrag zu verteidigen, wenn es für den Erfolg seiner Verteidigung auf die formelle und/oder materielle Wirksamkeit dieses normativen Aktes ankommt und der Kläger /Antragsteller seinerseits darauf reagiert, indem er diesen normativen Akt im Wege einer Klageerweiterung angreift?“

„Liegt eine ‚wesentliche‘ Erweiterung des Prozessstoffs vor, wenn zumindest ein Teil des Prozessstoffs, der Gegenstand der erweiterten Klage ist, zuvor vom Beklagten / Antragsgegner im ursprünglichen Verfahren eingeführt wurde, um sich gegen dieses zu verteidigen und wenn ja, wie ‚umfangreich‘ muss der ’neue‘ Teil des Prozessstoffs sein im Verhältnis zum bisher vom Beklagten eingebrachten Teil, damit von einer ‚wesentlichen‘ Erweiterung auszugehen ist und nach welchen Kriterien wäre das zu beurteilen?“

„Liegt Sachdienlichkeit i. S. d. § 91 VwGO vor, wenn andernfalls die gleichen Rechts- und/oder Sachfragen in beiden Verfahren (unterstellt, es würden getrennte Verfahren geführt) geprüft werde[n] müssten?“

„Liegt Sachdienlichkeit i. S. d. § 91 VwGO vor, wenn andernfalls die Gefahr besteht, dass es zu unterschiedlichen und sich widersprechenden Gerichtsentscheidungen in beiden Verfahren (unterstellt, es würden getrennte Verfahren geführt) kommt, ist mithin die Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen ein Grund, das Vorliegen von Sachdienlichkeit i. S. d. § 91 VwGO zu bejahen?“

„Gelten Besonderheiten, wenn es sich um ein Normenkontrollverfahren gem. § 47 VwGO handelt?“

15

Die Antragstellerin führt hierzu aus, der Streitstoff habe sich durch die Erweiterung des Normkontrollantrags auf die SächsCoronaNotVO nicht wesentlich geändert (Beschwerdebegründung S. 10 f.). Der Antragsgegner habe sich im Verfahren gegen die SächsCoronaSchVO mit der Behauptung verteidigt, dass wegen der zwischenzeitlich in Kraft getretenen SächsCoronaNotVO der Antrag verspätet und damit unzulässig sei. Ob die SächsCoronaNotVO ordnungsgemäß verkündet und auch im Übrigen wirksam sei, sei somit Streitstoff des ursprünglichen Verfahrens. Ein selbständiges Normenkontrollverfahren gegen die SächsCoronaNotVO habe zu sich widersprechenden Entscheidungen über deren Wirksamkeit führen können.

16

Mit diesem Vortrag wirft die Antragstellerin keine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts auf. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Klageänderung in der Regel als sachdienlich anzusehen ist, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2022 – 6 A 9.20 – BVerwGE 176, 224 Rn. 29 m. w. N.). Der Vortrag der Antragstellerin zur Frage des wesentlich neuen Streitstoffs knüpft an die Auslegung und die Bestimmung des Verhältnisses zweier landesrechtlicher Verordnungen zueinander in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts an (UA Rn. 36 ff.) und betrifft damit – ebenso wie die Problematik der ordnungsgemäßen Verkündung der SächsCoronaNotVO – Fragen des nichtrevisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ein fallübergreifender bundesrechtlicher Klärungsbedarf zur Auslegung der Sachdienlichkeit im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO ist damit nicht dargelegt. Die zweite Teilfrage ist zudem einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, weil ihre Beantwortung angesichts von Kriterien wie „wesentlich“, „umfangreich“ und „neu“ von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt. Im Übrigen ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum die Möglichkeit, dass im anhängigen Normenkontrollverfahren als Vorfrage zu klären sein könnte, ob § 23 Abs. 1 Satz 2 SächsCoronaNotVO die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 5. November 2021 wirksam außer Kraft gesetzt hat, das Normenkontrollgericht hindern sollte, die Einbeziehung der § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 12 und § 21a Abs. 7 SächsCoronaNotVO in das anhängige Verfahren als weiteren selbständigen Streitgegenstand als nicht sachdienlich zu erachten.

17

c) Zur Sachdienlichkeit der Antragsänderung im Hinblick auf eine zum Zeitpunkt der Antragserweiterung geänderte Fassung der SächsCoronaNotVO wirft die Beschwerde die Fragen auf:

„Ändert der Umstand, dass der im Wege der Klageerweiterung angegriffene normative Akt (Gesetz oder Verordnung) inzwischen in einer geänderten Fassung vorliegt [,] etwas an der Beurteilung der Sachdienlichkeit, falls diese – nach den bisher aufgestellten Rechtsfragen – zu bejahen war und ohne die Änderung der Fassung zu bejahen gewesen wäre?“

„Kommt es insoweit auf Inhalt und Umfang der Änderungen in der geänderten Fassung an, wäre also zwischen ‚wesentlichen‘ und ‚unwesentlichen‘ Änderungen insoweit zu differenzieren? Wenn ja, nach welchen Kriterien ist zu beurteilen, ob eine insoweit wesentliche und damit entscheidungserhebliche ‚Änderung‘ in der neuen Fassung vorliegt?“

„Gelten insoweit Besonderheiten, wenn es sich um ein Normenkontrollverfahren gem. § 47 VwGO handelt?“

18

Die Antragstellerin hält diese Fragen selbst nur für klärungsbedürftig, wenn die Sachdienlichkeit der Antragsänderung nach den bisherigen Rechtsfragen zu bejahen war. Das ist – wie dargelegt – nicht der Fall. Inwiefern die Sachdienlichkeit ohne die Änderung der SächsCoronaNotVO zu bejahen gewesen wäre, ist ebenfalls weder dargelegt noch ersichtlich.

19

d) Im Hinblick auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Klageerweiterung durch Teilurteil anstelle einer Verfahrenstrennung gemäß § 93 VwGO wirft die Beschwerde folgende Fragen auf:

„Ist die Vorschrift des § 93 VwGO entgegen dem weitergehenden Wortlaut dahingehend einschränkend auszulegen, dass es sich hierbei um Ansprüche handeln muss, bei denen der weitere Antrag – z. B. im Wege objektiver Klagehäufung gemäß § 44 VwGO – noch rechtshängig ist?“

„Ist eine Abtrennung gem. § 93 VwGO in den Fällen vorzunehmen, in denen andernfalls bei Abweisung der Bürger, z. B. wegen Versäumung der Klagef[ri]st, keine Möglichkeit mehr hätte, das staatliche Handeln einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen?“

„Ist eine Abtrennung in solchen Fällen jedenfalls dann vorzunehmen, wenn die Entscheidung des Klägers / Antragstellers zur Klageerweiterung auf nachvollziehbare[n] Erwägungen beruht und nicht auf grober Verkennung der Rechtslage sowie auf unhaltbare[n] Annahmen und Wertungen?“

„Ist eine Abtrennung jedenfalls dann vorzunehmen, wenn das entscheidende Gericht – ohne hinreichenden sachlichen Grund und nach längerer Untätigkeit – erst so spät über die Zulässigkeit der Klageerweiterung entscheidet (im vorliegenden Fall ca. 2 Jahre später), dass der Bürger wegen Fristversäumnis inzwischen keine anderweitige Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung hat, vor allem, wenn alle entscheidungserheblichen Gründe dem Gericht schon zu einem so frühen Zeitpunkt vorlagen, dass es hätte eine Entscheidung treffen können, die es dem Bürger ermöglicht, noch fristgerecht gerichtliche Hilfe in Bezug auf den Gegenstand der (unzulässigen) Klageerweiterung in Anspruch zu nehmen?“

„Gelten Besonderheiten, wenn es sich um ein Normenkontrollverfahren gem. § 47 VwGO handelt?“

20

Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, eine Abtrennung gemäß § 93 Satz 2 VwGO komme nur in Betracht, wenn der weitere Antrag im Wege objektiver Klagehäufung gemäß § 44 VwGO noch rechtshängig ist. Mit der Entscheidung über die fehlenden Voraussetzungen einer zulässigen Klageerweiterung entfalle die Rechtshängigkeit des nachträglich anhängig gemachten Streitgegenstandes rückwirkend (UA Rn. 41).

21

Die hierauf bezogenen Fragen können auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden. Ein Gericht kann nach § 93 Satz 2 VwGO nur anordnen, dass mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden, wenn die prozessualen Ansprüche im Zeitpunkt seiner Anordnung rechtshängig sind. Ein nicht (mehr) rechtshängiger Anspruch ist nicht „in einem Verfahren erhoben“ und kann nicht abgetrennt werden. Klärungsbedarf im Hinblick auf die Annahme, die Rechtshängigkeit der Antragserweiterung auf die SächsCoronaNotVO sei durch die Verneinung ihrer Zulässigkeit rückwirkend entfallen, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2022 – 6 A 9.20 – BVerwGE 176, 224 Rn. 30; Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 91 Rn. 39). Er ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht über die Zulässigkeit der Antragserweiterung erst nach Außerkrafttreten der SächsCoronaNotVO und nach Ablauf der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO entschieden hat. Sollte die Antragstellerin darauf vertraut haben, der Antragsgegner werde der Antragserweiterung zustimmen oder das Oberverwaltungsgericht die Erweiterung für sachdienlich halten, fiele das in ihren Verantwortungsbereich.

22

e) Im Zusammenhang mit der Selbstablehnung des Richters am Oberverwaltungsgericht Dr. M. wirft die Antragstellerin als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf (Beschwerdebegründung S. 29):

„Ist bei einer Selbstablehnung durch einen Richter stets ein Beschluss darüber gem. § 48 ZPO notwendig? Wenn nein, unter welchen Umständen ist ein Beschluss über die vom Richter behauptete Besorgnis der Befangenheit nach § 48 ZPO nicht notwendig?“

23

Zur Beantwortung der Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Aus der Zivilprozessordnung, auf die § 54 Abs. 1 VwGO verweist, ergibt sich, dass die Entscheidung über die Selbstablehnung eines Richters stets durch Beschluss ergeht (§ 48 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 1 ZPO). In ihm wird das (Nicht-)Vorliegen eines Ausschließungsgrundes festgestellt oder die Besorgnis der Befangenheit für (un-)begründet erklärt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2025 – 8 B 5.24 – juris Rn. 10; Stackmann, in: MüKoZPO, 7. Aufl. 2025, § 48 Rn. 8; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 48 Rn. 10). Den Parteien ist er mitzuteilen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1993 – 1 BvR 878/90 -, BVerfGE 89, 28 <36 ff.>).

24

f) Warum für das Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO ein besonderer Klärungsbedarf im Hinblick auf die unter a) – d) gestellten Fragen bestehen sollte, hat die Antragstellerin für keine der Fragen herausgearbeitet und ihre Beschwerde damit nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend begründet.

25

2. Die Antragstellerin hat den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gemäß bezeichnet.

26

a) Die Beschwerde (S. 19 ff.) benennt im Hinblick auf die von ihr behauptete teleologische Reduktion des § 93 Satz 2 VwGO durch das Oberverwaltungsgericht keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz dem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 2014 – 4 CN 5.13 – NVwZ 2014, 1170 Rn. 14 aufgestellten Rechtssatz widersprochen hat (zu den Voraussetzungen der Divergenzrüge vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2025 – 3 BN 7.24 – juris Rn. 10 m. w. N.). Das Oberverwaltungsgericht hat sich mit Fragen der teleologischen Reduktion nicht auseinandergesetzt.

27

b) Im Hinblick auf die behauptete fehlerhafte Besetzung des Senats bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vom 8. Februar 2024 (Beschwerdebegründung S. 30) sieht die Beschwerde eine Divergenz zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2014 – 7 C 13.13 – NJW 2014, 953 Rn. 16. Einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift abgewichen wäre, arbeitet die Beschwerde auch hier nicht heraus.

28

3. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

29

a) Die Rüge der Antragstellerin, das Oberverwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, bleibt ohne Erfolg. Sie trägt vor, das Oberverwaltungsgericht habe keine Begründung dafür angegeben, weshalb es im Gegensatz zu ihrer Auffassung, wonach das Verhalten des Antragsgegners, der die ursprünglich allein angegriffene SächsCoronaSchVO vom 5. November 2021 durch die SächsCoronaNotVO vom 19. November 2021 habe vorzeitig außer Kraft treten lassen wollen, und dann die Zustimmung zur Antragsänderung der Antragstellerin verweigert habe, treuwidrig sei, kein widersprüchliches Verhalten gesehen habe. Entgegen der Darstellung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen der Antragstellerin zur Kenntnis genommen und sich damit auseinandergesetzt (UA Rn. 35; vgl. auch Rn. 39 zu den maßgeblichen Zeitpunkten bzw. -räumen). Dass es ihrer Auffassung nicht gefolgt ist, kann eine Gehörsverletzung nicht begründen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Juni 2024 – 3 B 3.23 – juris Rn. 28 und vom 17. März 2025 – 3 BN 7.24 – juris Rn. 8).

30

b) Die Antragstellerin macht geltend, die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gemäß § 110 VwGO hätten nicht vorgelegen. Sie trägt vor, der Antrag auf Nichtigerklärung einzelner Vorschriften der SächsCoronaNotVO vom 19. November 2021 in der Fassung der Sechsten Änderungsverordnung vom 2. Februar 2022 sei nicht entscheidungsreif gewesen. Die nach wie vor streitige Frage, ob und ggf. wann die SächsCoronaNotVO verkündet wurde, sei nicht nur für die rechtliche Bewertung des Normenkontrollantrags gegen die Corona-Schutzverordnung vom 5. November 2021, sondern ebenso für die rechtliche Bewertung des Normenkontrollantrags gegen die SächsCoronaNotVO vom 19. November 2021 von Bedeutung. Ergäbe das weitere Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht, dass es dem Beklagten bis zum 25. November 2021 nicht gelungen sei, die Corona-Notfallverordnung vom 19. November 2021 in Kraft zu setzen, würde die Verhandlung über den anhängigen Teil des Streitgegenstands ein Ergebnis haben, das dem angefochtenen Teilurteil zwingend entgegenstünde.

31

Der von der Antragstellerin geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Ein Teilurteil kann nach § 110 VwGO nur ergehen, wenn der vorab zu entscheidende und der verbleibende Teil des Streitgegenstands voneinander wechselseitig rechtlich und tatsächlich unabhängig sind. Das ist der Fall, wenn der Teil, über den vorab durch Teilurteil entschieden worden ist, hätte abgetrennt werden und der übrige Teil Gegenstand eines selbständigen Verfahrens hätte sein können. Dazu darf die Entscheidung über den verbleibenden Teil keine Fragen aufwerfen, über die schon durch das Teilurteil entschieden worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2018 – 8 C 23.16 – BVerwGE 161, 153 Rn. 15 m. w. N.).

32

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die SächsCoronaNotVO vom 19. November 2021 in der Fassung vom 2. Februar 2022 sei gegenüber der SächsCoronaSchVO ein eigenständiger, abgrenzbarer Streitgegenstand, begegnet keinen Bedenken. An die ihr zugrunde liegende Auslegung des Landesrechts ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO, § 560 ZPO). Die weitere Annahme, die Entscheidung über die Antragserweiterung sei anders als der Antrag gegen die SächsCoronaSchVO entscheidungsreif, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Inwiefern die Sachdienlichkeit der Antragserweiterung von der Wirksamkeit der Verkündung der SächsCoronaNotVO vom 19. November 2021 abhängen sollte, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

33

Die von der Antragstellerin beschriebene Gefahr einer abweichenden Entscheidung im anderen Verfahrensteil besteht nicht, da das Oberverwaltungsgericht mit seinem Teilurteil nicht entschieden hat, ob die SächsCoronaNotVO wirksam verkündet wurde. Das Teilurteil ist ein Prozessurteil (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2022 – 6 A 9.20 – BVerwGE 176, 224 Rn. 30).

34

c) Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin, das Oberverwaltungsgericht habe ihre Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit fehlerhaft beschieden.

35

aa) Die Antragstellerin trägt vor, sie habe in der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2024 den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. F. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Ihr sei keine Gelegenheit zur Stellungnahme auf seine dienstliche Äußerung zu ihrem Befangenheitsantrag gegeben worden (Beschwerdebegründung S. 25). Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich daraus nicht. Hierzu hätte sich die Antragstellerin – wie es der Antragsgegner getan hat – in der mündlichen Verhandlung, jedenfalls aber in ihrem Schriftsatz vom 9. Februar 2024 oder nach Übersendung der dienstlichen Stellungnahmen zu den in diesem Schriftsatz gestellten Befangenheitsanträgen äußern können; über den in der mündlichen Verhandlung gegen den Vorsitzenden gestellten Befangenheitsantrag war bis dahin noch nicht entschieden. Schriftlich hat der Vorsitzende zu diesem Befangenheitsantrag nicht Stellung genommen.

36

bb) Die Antragstellerin rügt, das Oberverwaltungsgericht sei bei der Zurückweisung der Befangenheitsanträge durch Beschluss vom 14. Februar 2024 nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen; das sei ein absoluter Revisionsgrund (§ 138 Nr. 1 VwGO). Der Senat habe gemäß § 48 i. V. m. § 45 Abs. 1 ZPO zunächst über die Selbstablehnung des nach dem Geschäftsverteilungsplan als Vertreter berufenen Richters Dr. M. entscheiden müssen (Beschwerdebegründung S. 28).

37

Die Rüge geht ins Leere. Der Senat hat durch die geschäftsplanmäßig berufenen Vertreter mit Beschluss vom 14. Februar 2024 (GA Bl. 763 ff. Rn. 2 f.) festgestellt, Dr. M. sei wegen der Mitwirkung bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren (§ 54 Abs. 2 VwGO) von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen, und somit den gemäß § 54 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 46 Abs. 1, § 48 ZPO erforderlichen konstitutiven Beschluss gefasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2025 – 8 B 5.24 – juris Rn. 10, vgl. o. 1. e)). Danach stand fest, dass Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. M. im Verfahren über die Ablehnungsgesuche der Antragstellerin von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen war. Warum das Oberverwaltungsgericht diesen Beschluss vorab und von der Bescheidung der Ablehnungsgesuche gesondert hätte fassen müssen, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

38

cc) Mit ihren weiteren Rügen gegen die Zurückweisung ihrer Befangenheitsanträge verfehlt die Antragstellerin den Maßstab der gerichtlichen Überprüfung.

39

Die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs unterliegt nicht der revisionsgerichtlichen Nachprüfung, weil es sich um eine unanfechtbare Vorentscheidung handelt (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 557 Abs. 2 ZPO, § 146 Abs. 2, § 152 Abs. 1 VwGO). Daher begründet sie nur dann einen Verfahrensmangel, wenn sie zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO führt. Die Ablehnung muss dem Antragsteller den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entziehen. Dies ist nur der Fall, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Entscheidung auf willkürlichen Erwägungen beruht (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juli 1990 – 1 BvR 984, 985/87 – BVerfGE 82, 286 <299> und vom 3. November 1992 – 1 BvR 137/92 – BVerfGE 87, 282 <284 f.>; stattgebender Kammerbeschluss vom 1. Juli 2021 – 2 BvR 890/20 – NJW 2021, 2955 Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2025 – 3 B 10.24 – juris Rn. 8, jeweils m. w. N.).

40

Objektive Anhaltspunkte dafür, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2024, mit dem es sämtliche Ablehnungsgesuche zurückgewiesen hat, auf willkürlichen Erwägungen beruhen könnte, legt die Antragstellerin nicht dar; sie sind auch nicht ersichtlich.

41

Der Einwand der Antragstellerin, angesichts des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 5. April 2024 nebst anliegenden Informationen sei zweifelhaft, ob hinsichtlich des Richters am Oberverwaltungsgericht Dr. M. tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit bestanden habe, ist nicht geeignet, Willkür zu begründen. Das Oberverwaltungsgericht konnte die Entscheidung über die Selbstablehnung nur auf der Grundlage der Kenntnisse treffen, die es bei seiner Entscheidung am 14. Februar 2024 hatte.

42

(1) Soweit die Beschwerde geltend macht, das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin vom 8. Februar 2024 gegen den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. F. sei zu Unrecht abgelehnt worden, fehlt eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts in dem Beschluss vom 14. Februar 2024 (GA Bl. 763 ff. Rn. 16 ff.).

43

(2) Auch im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch vom 9. Februar 2024 gegen alle fünf am 8. Februar 2024 an der Verhandlung beteiligten Richterinnen und Richter legt die Beschwerde entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO keine objektiven Anhaltspunkte dafür dar, dass die Entscheidung auf willkürlichen Erwägungen beruht.

44

(3) Weshalb sich aus einer „Gesamtschau“ der Tatsachen, auf die die Antragstellerin ihr Ablehnungsgesuch vom 9. Februar 2024 gestützt hat, anderes ergeben sollte, legt die Beschwerde nicht dar.

45

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Kategorien: Allgemein