Pressemitteilung Nr. 56/2024 vom 2. Juli 2024
Beschluss vom 21. März 2024
1 BvR 194/20
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde der Partei Die Rechte (Landesverband NRW) nicht zur Entscheidung angenommen. Diese richtet sich gegen eine versammlungsrechtliche Auflage, mit der bei einer Mahnwache das Mitführen und Abbrennen von Fackeln untersagt worden war.
Die Beschwerdeführerin organisierte eine Mahnwache mit dem Motto „Licht ins Dunkel bringen: Unsere Solidarität gegen eure Repression! Gegen die Kriminalisierung der friedlichen
(…)kirchenbesetzung“. Diese sollte am Jahrestag einer früheren Protestaktion stattfinden. Bei der Protestaktion hatten sich Mitglieder der Beschwerdeführerin in einem Kirchturm in der (…) Innenstadt verbarrikadiert, Pyrotechnik gezündet und ein Banner mit der Aufschrift „Islamisierung stoppen“ entrollt, was eine Strafverfolgung nach sich gezogen hatte.
Die Versammlungsbehörde untersagte das Mitführen und Abbrennen von Fackeln bei der Mahnwache. Gegen diese Auflage wandte sich die Beschwerdeführerin letztlich erfolglos an die Fachgerichte. Sie sieht sich durch die fachgerichtliche Bestätigung der Auflage in ihrer Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen. Es bestehen jedoch Zweifel daran, ob die angegriffenen Gerichtsentscheidungen die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) bei der Deutung des Versammlungsmottos angemessen berücksichtigt haben.
Die Verfassungsbeschwerde lässt eine hinreichende Auseinandersetzung mit den gerichtlichen Entscheidungen vermissen. Die gerichtliche Wertung, die von der Beschwerdeführerin geplante Mahnwache weise ein die öffentliche Ordnung gefährdendes bedrohliches Gepräge auf, weil sie aufgrund ihres Gesamtcharakters auf den Nationalsozialismus anspiele und eine durch die Fackeln assoziativ verstärkte Erinnerung an die Kirchturmbesetzung auslöse, hat die Beschwerdeführerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob die angegriffenen Entscheidungen bei der Deutung des Versammlungsmottos die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) richtig erfasst haben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Urteile, die den Sinn einer umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Diese in Bezug auf Äußerungsdelikte entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen müssen entsprechend gelten, wenn das Veranstaltungsmotto in einer Gesamtbetrachtung herangezogen wird, um ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer zu begründen.
Ob die angegriffenen Entscheidungen diesen Maßstäben gerecht werden, wenn sie das Veranstaltungsmotto als Androhung künftiger Übergriffe deuten und dies darauf stützen, die Beschwerdeführerin habe die Kirchturmbesetzung als friedlich und rechtmäßig bezeichnet, bedurfte vorliegend keiner Entscheidung. Zweifel bestehen aber deshalb, weil dem Veranstaltungsmotto eine Bezeichnung der Aktion als rechtmäßig gar nicht entnommen werden kann und die Ablehnung der „Kriminalisierung“ ohne Weiteres als eine Meinungskundgabe dahingehend verstanden werden kann, eine strafrechtliche Verfolgung der Kirchturmbesetzer werde abgelehnt. Mit dieser naheliegenden Deutung haben sich die angefochtenen Entscheidungen nicht auseinandergesetzt.