Beschluss des BGH 9. Zivilsenat vom 14.11.2024, AZ IX ZB 13/24

BGH 9. Zivilsenat, Beschluss vom 14.11.2024, AZ IX ZB 13/24, ECLI:DE:BGH:2024:141124BIXZB13.24.0

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 16. Februar 2024, Az: 14 W 36/23
vorgehend LG Berlin, 4. Juli 2023, Az: 51 O 8/23

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats des Kammergerichts vom 16. Februar 2024 wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, eine israelische Rechtsanwaltskanzlei, begehrt die Vollstreckbarerklärung eines am 5. Juli 2022 ergangenen Urteils des Bezirksgerichts Tel Aviv (fortan: Bezirksgericht). Sie schloss im Jahr 2013 mit der Erben Ermittlung E.      GmbH (fortan: E.      GmbH) eine Kooperationsvereinbarung. Der Antragsgegner war Gesellschafter und Geschäftsführer der E.      GmbH.

2

Die Antragstellerin machte im Ausgangsverfahren Schadensersatzforderungen gegen die E.      GmbH, eine weitere Gesellschaft und den Antragsgegner wegen der Verletzung der Kooperationsvereinbarung geltend. Ihre Ansprüche gegen den Antragsgegner stützte die Antragstellerin im Kern auf den gegen den Antragsgegner persönlich gerichteten Vorwurf, die Kooperationsvereinbarung als geschäftsführender Gesellschafter der E.       GmbH durch unredliches Verhalten verletzt zu haben. Das Bezirksgericht verurteilte den Antragsgegner neben den beiden Gesellschaften jeweils in unterschiedlicher Höhe gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadensersatz sowie von Gerichts- und Rechtsanwaltskosten (jeweils nebst Zinsen) an die Antragstellerin. Es begründete die Eigenhaftung des Antragsgegners mit der Verletzung schutzwürdigen Vertrauens („bona fides“) der Antragstellerin. Hierbei stützte es sich auf Bestimmungen des israelischen Vertragsrechts.

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Auf den Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht den Zahlungstitel in Deutschland für vollstreckbar erklärt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Antragsgegner weiterhin die Zurückweisung des gegen ihn gerichteten Antrags auf Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Bezirksgerichts.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 1 Nr. 1 Buchst. d, § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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1. Das Beschwerdegericht hat – soweit hier von Belang – ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung seien erfüllt. Die Anerkennung der Entscheidung sei nicht deshalb zu versagen, weil dies der öffentlichen Ordnung Deutschlands widerspreche. Denn auch das deutsche Recht kenne die deliktische Durchgriffshaftung auf den (Gesellschafter-)Geschäftsführer einer Gesellschaft.

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2. Diese Würdigung enthält keinen Zulässigkeitsgrund.

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a) Entscheidungen israelischer Gerichte sind gemäß Art. 10 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20. Juli 1977 (BGBl. 1980 II S. 925; fortan: Vertrag) in Deutschland zur Zwangsvollstreckung zuzulassen, wenn sie in Israel vollstreckbar und in Deutschland anzuerkennen sind. Nach Art. 3 des Vertrags werden die in Zivil- und Handelssachen über Ansprüche der Parteien ergangenen Entscheidungen, die nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden können, anerkannt. Bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung hat sich das angerufene Gericht unter anderem auf die Prüfung zu beschränken, ob einer der in Art. 5 des Vertrags genannten Versagungsgründe vorliegt (Art. 16 Abs. 1 des Vertrags). Die Anerkennung darf versagt werden, wenn die Anerkennung der Entscheidung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Anerkennungsstaats widerspricht (Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 des Vertrags).

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b) Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass der im Streitfall allein in Betracht kommende materielle ordre public verletzt ist. Die Anforderungen an den materiellen ordre public sind geklärt. Mit ihm ist ein ausländisches Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter – hätte er den Prozess entschieden – aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (Verbot der révision au fond). Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2017 – IX ZB 61/16, WM 2017, 1428 Rn. 14 mwN: zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO aF; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2023 – IX ZB 60/21, WM 2023, 2270 Rn. 40 mwN: zu Art. 45 Abs. 1 Buchst. a Brüssel Ia-VO).

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c) Das Beschwerdegericht legt diese Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde. Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Verurteilung des Antragsgegners zur Zahlung von Schadensersatz weist keine zulässigkeitsrelevanten Rechtsfragen oder Rechtsfehler auf. Der materielle ordre public steht der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Bezirksgerichts nicht entgegen.

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aa) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, hat das Bezirksgericht die Schadensersatzhaftung des Antragsgegners nicht an die Verletzung einer der E.      GmbH obliegenden Vertragspflicht angeknüpft. Vielmehr hat es eine auf das Verhalten des Antragsgegners gestützte eigene Treuepflicht („bona fides“) als geschäftsführendem Gesellschafter der E.       GmbH gegenüber der Antragstellerin als Vertragspartnerin der Gesellschaft angenommen. Diese Pflicht hat das Bezirksgericht als verletzt erachtet. Hierauf hat es die Schadensersatzhaftung des Antragsgegners gestützt.

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bb) Das widerspricht dem materiellen ordre public nicht. Denn auch dem deutschen Recht ist die Vertrauenshaftung eines Geschäftsführers oder geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH nicht grundsätzlich fremd (sog. Haftung des Vertreters in eigenen Angelegenheiten, § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 3 und 2 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB; vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 183 ff; vom 7. November 1994 – II ZR 8/93, ZIP 1995, 124 f).

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Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, dass eine Vertrauenshaftung des Vertreters nach deutschem Recht nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt, wenn dieser im eigenen Interesse handelt und wirtschaftlich betrachtet der eigentliche Geschäftsherr ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 183 ff; MünchKomm-BGB/Emmerich, 9. Aufl., § 311 Rn. 209 ff; jeweils mwN). Es mag sein, dass die Voraussetzungen einer Durchgriffshaftung aus Vertrauen im deutschen Recht enger gefasst sind als im israelischen Recht. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die auf den Bruch schutzwürdigen Vertrauens gestützte Schadensersatzhaftung des Antragsgegners nach den Gerechtigkeitsvorstellungen des deutschen Rechts als untragbar erscheint.

13

d) Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 17 Abs. 2 Satz 2 AVAG in Verbindung mit § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

Schoppmeyer            Röhl            Selbmann

            Weinland            Kunnes

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