Urteil des BGH 4. Zivilsenat vom 18.12.2024, AZ IV ZR 207/23

BGH 4. Zivilsenat, Urteil vom 18.12.2024, AZ IV ZR 207/23, ECLI:DE:BGH:2024:181224UIVZR207.23.0

Verfahrensgang

vorgehend OLG Celle, 21. September 2023, Az: 8 U 9/23
vorgehend LG Hildesheim, 13. Dezember 2022, Az: 3 O 400/21

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. September 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte dazu verurteilt worden ist, dem Kläger Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die sie in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2012, 2014 und 2017 zur Versicherungsnummer                      vorgenommen hat, und dem Kläger hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 500 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in einer privaten Krankenversicherung. Der Kläger ist bei der Beklagten, die mehrfach Prämienanpassungen vornahm, krankenversichert.

2

    Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger mit seiner Klage Auskunft über alle Beitragsanpassungen verlangt, die die Beklagte in dem Versicherungsvertrag in den Jahren 2012, 2014 und 2017 vorgenommen hat; insoweit hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die Höhe der Beitragsanpassungen unter Benennung der jeweiligen Tarife, die dem Kläger zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein sowie die übermittelten Begründungen dieser Jahre enthalten sind.

3

    Das Landgericht hat der Auskunftsklage stattgegeben. Die Anschlussberufung der Beklagten hat, soweit sich diese gegen die Auskunftsverurteilung im oben genannten Umfang gerichtet hat, keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter, soweit sie zur Auskunftserteilung und Übermittlung von Unterlagen verurteilt worden ist.

Entscheidungsgründe

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    Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die Beklagte zur Auskunftserteilung und Übermittlung von Unterlagen verurteilt worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5

    I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass dem Kläger ein auf Art. 15 DSGVO gestützter Auskunftsanspruch zusteht. Bei den Informationen handele es sich um personenbezogene Daten. Eine Verjährung sämtlicher Leistungsansprüche könne nicht festgestellt werden.

6

    II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7

    1. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht nicht annehmen dürfen, dass dem Kläger der geltend gemachte Auskunftsanspruch zusteht. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und im Einzelnen begründet hat (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22, VersR 2023, 1514 Rn. 45 ff.), folgt ein Anspruch auf eine Abschrift der gesamten Begründungsschreiben zur Beitragsanpassung sowie der Nachträge zum Versicherungsschein nicht aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DSGVO).

8

    2. Die Entscheidung über den Auskunftsantrag erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Ein Auskunftsanspruch ergibt sich nach den bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Vorschriften.

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    a) Wie der Senat mit Urteil vom 27. September 2023 (IV ZR 177/22, VersR 2023, 1514 Rn. 42) entschieden und im Einzelnen begründet hat, kann er insbesondere nicht auf § 3 Abs. 3 VVG gestützt werden. Der Senat hat außerdem mit Urteil vom 21. Februar 2024 (IV ZR 311/22, r+s 2024, 314 Rn. 18) entschieden und im Einzelnen begründet, dass sich ein Anspruch auf Übermittlung der Begründungsschreiben oder früherer Nachträge zum Versicherungsschein auch nicht aus § 7 Abs. 4 VVG ergibt.

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    b) Ob dem Kläger der geltend gemachte Auskunftsanspruch aus § 242 BGB zustehen könnte, kann auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden. Nach § 242 BGB trifft den Schuldner im Rahmen einer Rechtsbeziehung ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22, VersR 2023, 1514 Rn. 30). Wie der Senat in seinem Urteil vom 27. September 2023 (aaO Rn. 31) entschieden und im Einzelnen begründet hat, kommt ein solcher Anspruch grundsätzlich in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer in der privaten Krankenversicherung Auskunft über vergangene Beitragserhöhungen verlangt. Der Auskunftsanspruch setzt jedoch Feststellungen dazu voraus, dass der Kläger nicht mehr über die im Auskunftsantrag bezeichneten Unterlagen verfügt – was die Beklagte hier bestritten hat – und warum es zum Verlust kam. Erst die Darlegung der Gründe des Verlusts durch den Versicherungsnehmer ermöglicht die Beurteilung, ob dem Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zusteht (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2023 aaO Rn. 40 m.w.N.). Die allgemeine Annahme, dass ein Versicherungsnehmer Schreiben des Versicherers nicht für aufbewahrungswürdig halten muss, reicht insoweit nicht aus (Senatsurteil vom 21. Februar 2024 – IV ZR 311/22,r+s 2024, 314 Rn. 14).

11

    III. Die Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht in der Sache entscheiden, da das Berufungsgericht zu den Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB zunächst die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird. Entgegen der Ansicht der Revision ist der auch auf Übermittlung von Unterlagen bestimmten Inhalts gerichtete Anspruch durch die Mitteilung von Datum und Betrag der Beitragserhöhungen noch nicht erfüllt. Das Berufungsgericht hatte nach seiner Rechtsansicht bisher auch keinen Anlass, den Kläger auf die Notwendigkeit eines Beweisangebots zum Verlust der Unterlagen und weiteren Vortrags zu den Umständen des Verlustes hinzuweisen; dies wird es unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats nachzuholen haben.

Prof. Dr. Karczewski                    Harsdorf-Gebhardt                    Dr. Brockmöller

                                  Dr. Bußmann                               Dr. Bommel

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