BGH 3. Strafsenat, Beschluss vom 12.12.2024, AZ AK 93/24, ECLI:DE:BGH:2024:121224BAK93.24.0
Tenor
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main übertragen.
Gründe
I.
1
Der Angeschuldigte ist aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. April 2024 (10 BJs 25/24) am 13. Juni 2024 festgenommen worden und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
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Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe im Zeitraum vom 12. September 2020 bis zum 10. Mai 2021 durch sechs selbständige Handlungen die terroristische Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat“ (IS) unterstützt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§ 6 VStGB), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8 ff. VStGB) zu begehen, hierdurch jeweils zugleich tateinheitlich gegen das Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 verstoßen, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme gedient habe, und letzteres in einem siebten Fall versucht; strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8, Abs. 6 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002, §§ 22, 23, 52, 53 StGB.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 13. November 2024 Anklage gegen den Angeschuldigten zum Oberlandesgericht erhoben. Der mit der Sache befasste Strafsenat hat die weitere Untersuchungshaft am 21. November 2024 für erforderlich erklärt.
II.
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Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
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Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens nach §§ 121, 122 StPO sind allein die Tatvorwürfe, die im vollzogenen Haftbefehl gegen den Angeschuldigten erhoben werden. Sie entsprechen den Fällen 6, 7 und 9 bis 13 der Anklage vom 13. November 2024. Zu einer Anpassung oder Erweiterung des Haftbefehls ist gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO nur das Oberlandesgericht befugt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 21. April 2022 – AK 14/22, juris Rn. 3; vom 22. Juli 2020 – AK 17/20, juris Rn. 4).
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1. Der Angeschuldigte ist der im Haftbefehl aufgeführten Taten dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO).
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a) Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand ist im Sinne eines solchen Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
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aa) Die Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash-Sham“ – die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina – umfassenden, auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des vormaligen syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
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Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ am 29. Juni 2014 von „Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien“ (ISIG) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte – wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Die Vereinigung setzte ihre Ziele durch offenen militärischen Bodenkampf im Irak und in Syrien sowie durch Sprengstoff- und Selbstmordanschläge, aber auch durch Entführungen, Erschießungen und spektakulär inszenierte, grausame Hinrichtungen durch. Sie teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und errichtete einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.
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Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. In den Jahren 2013 und 2014 gelang es dem IS zudem, weite Teile im Norden und Osten Syriens unter seine Gewalt zu bringen.
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Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt. Die irakischen Sicherheitskräfte erklärten im Dezember 2017 den Krieg gegen den IS für beendet, nachdem sie in einem letzten Schritt die Kontrolle von Gebieten an der syrisch-irakischen Grenze vollständig zurückerlangt hatten.
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Auch in Syrien büßte der IS im Laufe des Jahres 2018 große Gebiete ein. Ende 2018 verblieb ihm nur noch ein kleines Territorium im Raum Baghuz in der Provinz Deir Ezzor, in das sich die IS-Kämpfer zurückziehen konnten. Am 9. Februar 2019 begann die finale Offensive der Syrian Democratic Forces (SDF) um den Ort Baghuz, wobei sie Luftunterstützung durch die Anti-IS-Koalition erhielten. Am 23. März 2019 kapitulierten dort die letzten IS-Kämpfer; tausende von ihnen sowie zehntausende Frauen und Kinder wurden in Gefängnissen und Lagern – etwa in Al-Hol oder Roj im Nordosten Syriens – interniert. Damit brach das territoriale Kalifat des IS mit quasi staatlichen Strukturen zusammen. Weitere Rückschläge erlitt die Vereinigung durch die Tötung ihres Anführers Abu Bakr al-Baghdadi und ihres offiziellen Sprechers in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2019 im Rahmen einer US-amerikanischen Militäraktion in der syrischen Provinz Idlib.
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Trotz des Zusammenbruchs des Kalifats war der IS als militant-dschihadistische und international agierende Organisation nicht zerstört. Vielmehr verblieb die Vereinigung unter Aufrechterhaltung ihrer ideologischen Ausrichtung in der Folgezeit in ihrem Kerngebiet Syrien/Irak, insbesondere in der syrisch-irakischen Grenzregion sowie der syrischen Wüste. Auch passte sich der IS an die veränderten Rahmenbedingungen an: So benannte er kurz nach der Tötung der beiden Führungspersonen einen neuen Sprecher und einen neuen Emir, setzte seine Propagandatätigkeiten fort und operierte zunehmend aus dem Untergrund. Schätzungen zufolge verfügt er im Kerngebiet weiterhin über 4.000 bis 6.000 aktive Kämpfer. Seit 2019 verübte er mehrere tausend terroristische Anschläge in Syrien und im Irak in Form von Sturm- und Raketenangriffen sowie Selbstmord- und Sprengstoffanschlägen. Derartige militärische Operationen führte er auch in Somalia, Ägypten/Sinai, Jemen, Nigeria, Tschad und Burkina Faso aus. Daneben nahm er gezielt Tötungen und Hinrichtungen von Einzelpersonen wie beispielsweise sunnitischen Stammesältesten, Kämpfern des SDF und solchen des syrischen Regimes vor.
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Der IS ist auch weiterhin in der Provinz Idlib aktiv. So gelang es der Vereinigung Ende Dezember 2017 nach tagelangen Kämpfen mit der Hai´At Tahrir Al-Sham (HTS), die in dieser Provinz militärisch, wirtschaftlich und politisch schon damals stark vertreten war und aktuell die Kontrolle über weite Teile Syriens übernommen hat, dort mehrere Dörfer einzunehmen. Es folgten zahlreiche Kämpfe zwischen beiden Gruppierungen, ohne dass der IS aus der Region vollständig verdrängt werden konnte.
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Mit der Ausrufung weltweiter Provinzen außerhalb seines ursprünglichen Kerngebiets und fortwährender terroristischer Aktivitäten in zahlreichen Staaten in Afrika und Asien, vor allem in Ägypten/Sinai, West- und Zentralafrika sowie in der Provinz Khorasan bestehend aus den Ländern Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan – dort agierend unter der Bezeichnung „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) – unterstreicht der IS seinen Anspruch, ein global agierender Akteur zu sein. Erst jüngst hat er sich zu Anschlägen in Europa bekannt, die von Personen verübt wurden, welche über soziale Medien von der Vereinigung angeleitet worden waren.
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bb) Der in Deutschland geborene und aufgewachsene, umfangreich vorbestrafte und hafterfahrene Angeschuldigte gehörte der salafistischen Szene im Rhein-Main-Gebiet an. Er sympathisierte, unter laufender Bewährung aus einer Vorverurteilung stehend, mit der ausländischen terroristischen Vereinigung IS und unterstützte diese von Deutschland aus finanziell. In jedenfalls sechs Fällen schickte er für Sammlungskampagnen zugunsten internierter IS-Frauen und anderer Vereinigungsmitglieder im Kerngebiet der Organisation sogenannte Spendengelder; in einem weiteren Fall versuchte er dies. Dabei reagierte er auf entsprechende Aufrufe im Internet. Der Angeschuldigte überwies das Geld, wie ihm von Syrien aus agierenden Vereinigungsmitgliedern geheißen, an Finanzagenten des IS, die es in das Kerngebiet der Organisation weiterleiteten, wo es jeweils für deren Zwecke verwendet wurde. Gegen zwei dieser Mittelsmänner, O. und B. , hat der Generalbundesanwalt am 27. November 2023 Anklage beim Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.
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Der Angeschuldigte wusste, dass seine „Spenden“ vorrangig für in den Flüchtlingslagern Al-Hol und Roj im Nordosten Syriens internierte IS-Frauen eingesetzt wurden. Mit seinen Zahlungen wollte er dazu beitragen, deren Ausschleusung oder Freikauf zu finanzieren beziehungsweise diesen ein Leben in den – von einer weitgehenden Selbstorganisation der Insassinnen geprägten – Lagern entsprechend den Vorgaben der Vereinigung und unter fortwährender Zugehörigkeit zum IS zu ermöglichen. Dies sollte die Organisation stärken. Insgesamt bewirkte der Angeschuldigte, dass dem IS mindestens 2.839,50 € zuflossen. Im Einzelnen tätigte er folgende Zahlungen:
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Am 12. und 21. September 2020 überwies er, einem Aufruf vom 11. September 2020 folgend, jeweils 100 € an O. .
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Am 17. und 24. November 2020 schickte er diesem jeweils 50 € (der Haftbefehl datiert den ersten Fall noch auf den 18. November 2020).
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Am 10. Mai 2021 zahlte er bei einer Filiale des Finanzdienstleisters Western Union 1.472,50 € ein, erneut zugunsten des O. . Die Zahlung wurde aus unbekannten Gründen nicht ausgeführt und an den Angeschuldigten erstattet.
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Am 2. Juni 2021 versendete er 2.289,50 € „Familienhilfe“ an einen in A. ansässigen Finanzagenten der Vereinigung.
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Am 10. August 2021 transferierte er ein „Geschenk“ in Höhe von 250 € an B. .
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Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Zahlungen wird auf den Haftbefehl und die Anklage verwiesen.
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b) Der Angeschuldigte hat sich, soweit ersichtlich, zu den Tatvorwürfen bisher nicht eingelassen. Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) ergibt sich aus Folgendem:
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aa) Hinsichtlich der außereuropäischen Vereinigung IS und der Situation in den Lagern beruht er unter anderem auf Auswerteberichten des Bundeskriminalamtes. Diese gründen ihrerseits auf einer Vielzahl von Dokumenten und öffentlichen Verlautbarungen der Vereinigung, Zeugenaussagen sowie sonstigen Erkenntnissen.
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bb) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Zahlungen des Angeschuldigten folgt aus Finanzermittlungen des Generalbundesanwalts gegen das hier maßgebliche Spendennetzwerk des IS, welches unter anderem die oben genannten, gesondert Verfolgten O. und B. umfasste. Neben dem Angeschuldigten sind dabei etwa 400 weitere Spender aufgedeckt worden (s. Beiakte 2 BJs 263/21-9 und die dortige Anklage vom 27. November 2023). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die umfassende Darstellung im Haftbefehl und in der hiesigen Anklage sowie die darin in Bezug genommenen Auswerteberichte des Bundeskriminalamts verwiesen. Ermittlungen des Polizeipräsidiums Westhessen haben bestätigt, dass der Angeschuldigte zahlreiche Kontakte zu Personen aus der salafistischen Szene unterhielt.
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Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der subjektiven Komponente der Zahlungen folgt aus dem objektiven Tatgeschehen. Zudem hat die Auswertung des anlässlich der Festnahme sichergestellten Mobiltelefons des Angeschuldigten sowie anderer Speichermedien ergeben, dass er IS-Medienstellen und anderer islamistischer Propaganda im Internet folgte und sich in großem Umfang entsprechendes Material herunterlud. Den tödlichen Messerangriff auf dem M. er Marktplatz vom 31. Mai 2024 begrüßte er. In einem Chat verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, dass weitere „Abtrünnige“ in Deutschland das gleiche Schicksal ereilen möge. Außerdem ist inzwischen bekannt, dass er sich zuletzt – finanziert von seinem Bürgergeld – überwiegend in Ma. aufhielt, um die arabische Sprache zu erlernen und ein islamisches Leben zu führen. Dies empfand er ausweislich eines Chats als seine Pflicht; in Deutschland halte er es nicht mehr aus und fühle sich wie ein Heuchler.
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2. In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt im Haftbefehl zutreffend dahin gewürdigt, dass sich der Angeschuldigte wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in sechs Fällen jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 52, 53 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission der Europäischen Union vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) strafbar gemacht hat. Hinzu kommt ein Versuch des Verstoßes gegen das genannte Bereitstellungsverbot, strafbar gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 und Abs. 6 AWG, §§ 22, 23 StGB.
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3. Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – als Neufassung einer früheren Verfolgungsermächtigung – am 13. Oktober 2015 erteilt.
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4. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Gesamtwürdigend ist es wahrscheinlicher, dass sich der Angeschuldigte, sollte er auf freien Fuß gelangen, dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird. Er hat wegen der im Haftbefehl aufgeführten Taten mit einer längeren, nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zu rechnen, welche die bisherige Dauer der Untersuchungshaft erheblich übersteigt. Denn bei dem IS handelt es sich um eine besonders gefährliche und grausam agierende Vereinigung, was Unterstützungsaktivitäten ein hohes Gewicht verleiht.
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Dem hiervon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Zwar leben seine Eltern und Geschwister in Deutschland. Gleichwohl widerstrebte ihm das hiesige Leben in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuletzt derart, dass er seinen Lebensmittelpunkt nach Ma. verlegte. Bei seiner dortigen islamisch angetrauten Frau könnte er jederzeit untertauchen. Ausgereist aus Deutschland ist er stets auf dem Landweg über Belgien, Frankreich und Marokko. Ein solches Vorgehen wäre ihm auch jetzt möglich. In der Türkei lebte der Angeschuldigte ebenfalls längere Zeit, was für dortige Bindungen spricht.
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Unter den gegebenen Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO erreicht werden.
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5. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Umfang und Schwierigkeit der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen. Als besonders komplex hat sich neben den Finanzermittlungen die Auswertung der beim Angeschuldigten sichergestellten Speichermedien erwiesen. Auf die ausführliche Darlegung in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 26. November 2024 wird verwiesen.
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Das Verfahren ist auch durchgängig mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung betrieben worden. Für die Zeit bis zur Anklageerhebung folgt dies aus dem der Zuschrift beigefügten „Haftkalender“. Der Vorsitzende des Oberlandesgerichts hat unter dem 21. November 2024 und damit zügig nach dem Eingang der Sache die Zustellung der Anklage verfügt. Mit einer weiterhin beschleunigten Bearbeitung ist zu rechnen.
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6. Die Untersuchungshaft steht nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Berg Erbguth