BPatG München 28. Senat, Beschluss vom 11.12.2024, AZ 28 W (pat) 1/21, ECLI:DE:BPatG:2024:111224B28Wpat1.21.0
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2013 020 576
(hier: Antrag auf Aussetzung)
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2024 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Uhlmann und den Richter Dr. Poeppel
beschlossen:
Das Beschwerdeverfahren wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfallsverfahren gegen die Widerspruchsmarke 395 04 780 ausgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Wortmarke der Beschwerdegegnerin
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Glit
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ist am 5. März 2013 angemeldet und am 5. Juni 2013 unter der Nummer 30 2013 020 576 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für folgende Waren der
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Klasse 7: elektrische Geräte zur Bodenpflege und Bodenreinigung; elektrische Poliermaschinen und -geräte; Parkettbohnergeräte sowie Zubehör- und Verschleißteile für Bodenpflege und -reinigungsgeräte; Ersatz- und Verschleißteile für elektrische Bodenpflege- und Bodenreinigungsgeräte, insbesondere Bohnerpads, Schleifpads und Reinigungspads;
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Klasse 21: Bürsten, Bürstenwaren sowie Bohnerbürsten für die Bodenpflege und -reinigung; Poliermaterial für die Bodenpflege und -reinigung [ausgenommen Poliermittel, -papier, -steine].
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Gegen diese Marke, deren Eintragung am 5. Juli 2013 veröffentlicht worden ist, hat die Vorgängerin der jetzigen Beschwerdeführerin, Frau N…, am 27. August 2013 Widerspruch eingelegt aus ihrer am 24. November 1995 in das Register bei dem Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 395 04 780 eingetragenen Wortmarke
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GLIT
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Die Widerspruchsmarke ist geschützt für Waren der
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Klasse 21: Bürsten und Putzzeug, ausgenommen für den Bereich der Bodenpflege und –reinigung.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat am 25. Februar 2014 gegen die Widerspruchsmarke die Einrede der Nichtbenutzung erhoben.
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Die Widersprechende hat im Amtsverfahren Benutzungsunterlagen vorgelegt.
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Mit Beschluss vom 24. April 2018 hat die Markenstelle für Klasse 7 des DPMA den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Widersprechende habe die Benutzung der Widerspruchsmarke auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht glaubhaft gemacht. Zwar seien Umsatzzahlen der Lizenznehmerin D… GmbH für den maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor Veröffentlichung der angegriffenen Marke vorgelegt worden, diese seien aber nicht für die Einzelwaren aufgeschlüsselt worden, sodass nicht ersichtlich sei, wie sich der Umsatz auf die registermäßig aufgeschlüsselten Einzelwaren verteile. Zudem bezögen sich die Nachweise zum Großteil auf Waren, die für die Bodenpflege oder -reinigung bestimmt und damit nicht von dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke erfasst seien. Daher könne im Ergebnis dahinstehen, ob ein gültiger Lizenzvertrag zwischen der Widersprechenden und der Fa. D… GmbH vorliege.
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Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung der Widersprechenden, mit der sie weitere Benutzungsunterlagen vorgelegt hat, hat die Markenstelle für Klasse 7 mit Erinnerungsbeschluss vom 11. September 2020 zurückgewiesen, da die Widersprechende weder die Benutzung der Widerspruchsmarke im Zeitraum vor Veröffentlichung der angegriffenen Marke noch im Zeitraum vor Entscheidung über die Erinnerung glaubhaft gemacht habe. Zum einen fehlten aufgeschlüsselte Umsatzzahlen für die registrierten Einzelwaren, zum anderen sei die Anbringung der Marke auf den Waren in den maßgeblichen Benutzungszeiträumen nicht erkennbar.
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Gegen diesen ihr am 18. September 2020 zugestellten Beschluss hat die Widersprechende am 16. Oktober 2020 Beschwerde eingelegt.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat am 18. Dezember 2020 beim DPMA einen Verfallsantrag gegen die Widerspruchsmarke eingereicht, dem die damalige Inhaberin der Widerspruchsmarke widersprochen hat. In dem Verfallsverfahren, das unter dem Aktenzeichen 395 04 780-1252/20 geführt wird, ist eine Entscheidung noch nicht ergangen. Mit Schreiben vom 16. Mai 2024 hat die Markenabteilung 3.4. des DPMA darauf hingewiesen, dass die Verteidigung gegen den Verfallsantrag nach vorläufiger Prüfung keine Aussicht auf Erfolg habe, da eine rechtserhaltende Benutzung vor Antragstellung nicht hinreichend dargelegt bzw. bewiesen sei, und die Rücknahme des Widerspruchs gegen den Verfallsantrag anheimgestellt.
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Die Widerspruchsmarke ist im Laufe des Beschwerdeverfahrens von der früheren Widersprechenden auf die jetzige Beschwerdeführerin übertragen worden. Die Übertragung ist im Markenregister des DPMA am 17. Dezember 2024 eingetragen worden. Die Erwerberin ist durch Erklärung ihres Verfahrensbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2024 in das Verfahren eingetreten.
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Die Widersprechende trägt unter Vorlage weiterer Benutzungsunterlagen und weiterer eidesstattlicher Versicherungen vor, die Widerspruchsmarke sei in den maßgeblichen Benutzungszeiträumen durch die Firma D… GmbH aufgrund einer Lizenzvereinbarung mit der damaligen Inhaberin der Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt worden. Die Lizenzvereinbarung sei im Jahr 2001 mündlich getroffen worden. Die Marke werde von der Lizenznehmerin seit 30 Jahren im inländischen Geschäftskundenverkehr für eine Vielzahl von Reinigungsmitteln benutzt, von denen jedenfalls Mikrofasertücher, Polyhandschuhe, Handpads, Polypads und Ersatzscheuerpads unter das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke fielen, da sie nicht für die Bodenreinigung und -pflege, sondern für andere Oberflächen bestimmt seien. Die Einzelumsätze mit diesen Waren seien durch die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Firma D… GmbH für die Jahre 2011 bis 2021 dargelegt und glaubhaft gemacht, die Anbringung der Marke auf den Waren sei aus den vorgelegten Abbildungen und Katalogen ersichtlich. Die benutzten Waren bewegten sich mit den Waren der angegriffenen Marke in Klasse 21 und jedenfalls mit den Waren der angegriffenen Marke „Zubehör- und Verschleißteile für Bodenpflege und –reinigungsgeräte; Ersatz- und Verschleißteile für elektrische Bodenpflege- und Bodenreinigungsgeräte, insbesondere Bohnerpads, Schleifpads und Reinigungspads“ im engsten Ähnlichkeitsbereich, sodass wegen der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Zeichenidentität Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs.1 Nr. 2 MarkenG bestehe.
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Die Beschwerdeführerin stellt die Anträge,
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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 7 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. April 2020 und 11. September 2021 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2013 020 576 auf den Widerspruch aus der Marke 39 504 780 anzuordnen;
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hilfsweise, das Beschwerdeverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfallsverfahren gegen die Widerspruchsmarke 39 504 780 auszusetzen.
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Die Beschwerdegegnerin ist nach ordnungsgemäßer Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung ankündigungsgemäß nicht erschienen. Im Schriftsatz vom 5. Dezember 2024 hat sie die Anträge gestellt,
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1. die Beschwerde zurückzuweisen;
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2. hilfsweise Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfallverfahren gegen die deutsche Marke 395 04 780 „GLIT“.
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Sie trägt vor, die Beschwerdeführerin habe die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht. Die Benutzungshandlungen der Firma D… GmbH seien ihr nicht zuzurechnen, da diese ausweislich der Angaben in mehreren Prospekten lediglich als Vertriebspartner für Mitteleuropa einer US-amerikanischen Firma deren Produkte der weltweit bekannten Marke „Glit“ für Floor Pads aus Wrens USA importiere. Die Waren stammten von der US-amerikanischen Firma C…, deren Rechte an der Bezeichnung „Glit“ die Beschwerdegegnerin erworben habe. Die Firma D… GmbH habe keine Herkunftsverantwortung für die unter der Marke „Glit“ vertriebenen Waren übernommen. Die Widersprechende habe die Nutzung der Marke „Glit“ in Deutschland vielleicht geduldet, dies sei aber mit einer der Markeninhaberin zuzurechnenden Nutzung der Widerspruchsmarke nicht gleichzusetzen. Hinsichtlich der Microfasertücher sei noch auf Rechnungen aus dem Jahr 2017 und 2020 zu erkennen, dass die D… lediglich als Distributeur der Marke „Glit“ aufgetreten sei (Bl. 179 und 181 d. A.).
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Die von der Beschwerdeführerin als relevante Ware eingestuften „Queen Bonnet Pads“ stellten keine Waren aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke dar, weil sie explizit für die Reinigung von Teppich- Stein- und Noppenböden und damit für die Bodenreinigung angeboten würden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Akteninhalt und die Beschwerdebegründung nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde der Widersprechenden ist statthaft und auch sonst zulässig. Die neue Inhaberin der Widerspruchsmarke hat das Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 MarkenG übernommen, nachdem sie in das Markenregister eingetragen worden ist. Die Zustimmung der übrigen Beteiligten war nicht erforderlich.
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Das Verfahren ist gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 148 ZPO bis zur endgültigen Entscheidung über den Verfallslöschungsantrag gegen die Widerspruchsmarke (DPMA-AZ: 30 2013 020 576 – 1252/20 Lösch) auszusetzen. Denn die Entscheidung über die Löschung der Widerspruchsmarke ist für das hiesige Beschwerdeverfahren vorgreiflich. Gemäß § 148 ZPO, der nach § 82 Abs. 1 MarkenG auch im Markenbeschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht Anwendung findet, kann das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder Verwaltungsverfahrens aussetzen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.
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Nach dem bisherigen Sach- und Rechtsstand hängt die Erfolgsaussicht der Beschwerde von dem Bestand der Widerspruchsmarke ab, gegen die ein Verfallsantrag gemäß §§ 49, 53 MarkenG beim DPMA gestellt worden ist.
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Der Senat ist nach vorläufiger Beurteilung der Auffassung, dass zwischen den Vergleichsmarken für einen Teil der Waren eine Verwechslungsgefahr bestehen dürfte. Denn zwischen den sich gegenüberstehenden Waren dürfte enge bis durchschnittliche Ähnlichkeit zu bejahen sein. Die Widerspruchsmarke dürfte in ihrer Gesamtheit über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügen. Selbst wenn man von einer etwas erhöhten Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise ausgehen sollte, hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke nicht ein, da die Vergleichszeichen klanglich identisch sind.
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Wenn – wie hier – die Voraussetzungen des § 148 Abs. 1 ZPO erfüllt sind, liegt die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens im Ermessen des Gerichts (vgl. BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 18 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot), bei der die Vor- und Nachteile einer Aussetzung gegeneinander abzuwägen sind. Eine Aussetzung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Löschungsverfahrens verhindert einen Rechtsverlust an der angemeldeten Marke im Fall einer Löschung der Widerspruchsmarke. Dem stehen keine überwiegenden Gesichtspunkte gegenüber. Die Aussetzung wird zwar zu einer Verfahrensverzögerung führen. Die Markenabteilung hat jedoch bereits die vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass der Verfallsantrag Erfolg haben werde. Somit kann in absehbarer Zeit mit einer Entscheidung im Verfallsverfahren gerechnet werden. Die zu erwartende zeitliche Verzögerung widerspricht daher nicht dem Beschleunigungsgebot i. S. v. § 66 Abs. 3 MarkenG.
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Die Entscheidung ist unanfechtbar, da sie eine Nebenfrage des Verfahrens betrifft (vgl. Meiser in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 83 Rn. 6).