Verhandlungstermin am 4. Februar 2025, 9.00 Uhr, Sitzungssaal E 101 – XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23 und XI ZR 183/23 – (Wirksamkeit von Klauseln über Verwahrentgelte auf Sichteinlagen und auf Spareinlagen)
Ausgabejahr2024
Erscheinungsdatum06.11.2024
Nr. 211/2024
Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat wird im Rahmen von vier Klagen über die Wirksamkeit von Klauseln zu entscheiden haben, mit denen verschiedene Banken und eine Sparkasse von Verbrauchern Entgelte für die Verwahrung von Einlagen auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten erhoben haben.
Sachverhalt:
Die Kläger in den vier Verfahren sind seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtungen in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene Verbraucherschutzverbände.
Die in dem Verfahren XI ZR 61/23 beklagte Sparkasse verwendete im Zeitraum vom 1. bis zum 13. Februar 2020 auf ihrer Internetseite im Zusammenhang mit von ihr angebotenen Giroverträgen folgende Klausel:
„Verzinsung
Zinssatz für Guthaben (täglich fällige Gelder) 0,00 %
Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 € (Freibetrag 5.000 €)*… 0,70 % p.a.
*Das Verwahrentgelt auf allen Privatgirokonten, die ab dem 01.02.2020 neu eröffnet werden, beträgt ab einer Einlagenhöhe von 5000,01 € 0,70 % p.a. (Freibetrag 5.000,00 €). Die gleiche Regelung gilt für Kontomodellwechsel ab dem 01.02.2020.“
Die in dem Verfahren XI ZR 65/23 beklagte Bank verwendet in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis folgende Klausel:
„Privatkonten
[…]
Entgelt für die Verwahrung von
Einlagen über 10.000 EUR pro Jahr 0,50 % p.a.
Freibetrag14
14 Vom Kunden zu zahlendes Verwahrentgelt bei Neuanlage/Neuvereinbarung ab 01.04.2020 für Einlagen über 10.000 EUR Freibetrag auf das auf dem Konto verwahrte Guthaben, das den aktuellen Freibetrag übersteigt.“
Die in dem Verfahren XI ZR 161/23 beklagte Bank verwendet in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis für die von ihr angebotenen Girokonten folgende Klausel:
“
3.2Entgelt für die Verwahrung von Einlagen
Girokonten […] – Verträge ab 01.08.2020 16
Einlagen bis 25.000,00 EUR 0,00 % p.a.
Einlagen über17 25.000,00 EUR 0,50 % p.a.
[…]
Die Berechnung erfolgt taggenau. Die Belastung der Gebühr erfolgt monatlich nachträglich zulasten des jeweiligen Kontos.
[…]
16 Für Verträge mit Abschlussdatum vor dem 01.08.2020 erfolgt die Bepreisung ab Unterzeichnung der individuellen Zusatzvereinbarung.
17 Bepreisung erfolgt auf den übersteigenden Betrag.“
Die Beklagte bietet Verbrauchern unter der Bezeichnung „SpardaCash“ und „SpardaCash Online“ außerdem Tagesgeldkonten an. In ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis heißt es hierzu wie folgt:
“
SpardaCash – Verträge ab 01.08.2020 16
Ein SpardaCash18
Einlagen bis 50.000,00 EUR 0,00 % p.a.
Einlagen über17 50.000,00 EUR 0,50 % p.a.
Jedes weitere SpardaCash18
Einlagen über17 0,00 EUR 0,50 % p.a.
SpardaCash Online – Verträge ab 01.08.2020 16
Ein SpardaCash Online18
Einlagen bis 50.000,00 EUR 0,00 % p.a.
Einlagen über17 50.000,00 EUR 0,50 % p.a.
Jedes weitere SpardaCash Online18
Einlagen über17 0,00 EUR 0,50 % p.a.
Die Berechnung erfolgt taggenau. Die Belastung der Gebühr erfolgt monatlich nachträglich zulasten des jeweiligen Kontos.
[…]
16 Für Verträge mit Abschlussdatum vor dem 01.08.2020 erfolgt die Bepreisung ab Unterzeichnung der individuellen Zusatzvereinbarung.
17 Bepreisung erfolgt auf den übersteigenden Betrag.
18 Erstes bestehendes Konto gemäß Eröffnungsdatum je Kundenstamm; bei gleichem Eröffnungsdatum ist die niedrigere Kontonummer entscheidend.“
In dem Kapitel über die Erbringung von Zahlungsdiensten für Privatkunden ihres Preis- und Leistungsverzeichnis verwendet die Beklagte außerdem folgende Klauseln:
„4.4.Kartengestützter Zahlungsverkehr
4.4.1Debitkarten
4.4.1.1.BankCard
[…]
– Ersatzkarte28 12,00 EUR
– Ersatz-PIN auf Wunsch des Kunden28 5,00 EUR
[…]
28 Wird nur berechnet, wenn der Kunde die Umstände, die zum Ersatz der Karte/PIN geführt haben, zu vertreten hat und die Bank nicht zur Ausstellung einer Ersatz-Karte/Ersatz-PIN verpflichtet ist.“
Die in dem Verfahren XI ZR 183/23 beklagte Bank verwendete in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis im Kapitel über den Geschäftsverkehr mit Verbrauchern unter den Überschriften „Sichteinlagen“ und „Spareinlagen“ jeweils folgende Klausel:
„Verwahrung von Einlagen oberhalb des Freibetrags für alle Einlagen- & Girokonten
Verwahrentgelt 0,5 % p.a.“
In einer Fußnote verwies die Klausel auf das Kapitel über die Verwahrung von Einlagen für alle Kunden, in dem für verschiedene Zeiträume Freibeträge in Höhe von 50.000 €, 100.000 € und 250.000 € genannt waren.
Der Preisaushang der Beklagten, in dem die Konditionen für Sparkonten, Tagesgelder und Girokonten wiedergegeben sind, enthielt folgende Klauseln:
„Verwahrentgelt für die Verwahrung von Einlagen auf allen
Einlagen- & Girokonten
– für ab dem 01.07.2020 bis einschließlich 30.09.2020
neu eingerichtete Kundennummern oberhalb
Freibetrag von 250.000,00 €
0,5 % p.a.
– für ab dem 01.10.2020 bis einschließlich 09.05.2021
neu eingerichtete Kundennummern oberhalb Freibetrag
von 100.000,00 €
0,5 % p.a.
– für ab dem 10.05.2021 neu eingerichtete Kunden-
nummern oberhalb Freibetrag von 50.000,00 €
0,5 % p.a.“
Mit Bestandskunden vereinbarte die Beklagte ab Anfang des Jahres 2021 die Zahlung eines „Guthabenentgelts“ für auf Euro lautende Einlagen. In diesen Vereinbarungen hieß es u.a. wie folgt:
„1. Die [Bank] erhebt ab dem […] für die auf Euro lautenden Einlagen (inklusive Spareinlagen) auf den Konten des Kunden, die unter seiner Kundennummer […] gegenwärtig und zukünftig geführt werden (im folgenden „Kundenkonten“) ein monatliches Guthabenentgelt.
[…]
3. […] Dieser Kostensatz entspricht dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Einlagenfazilität im jeweiligen Berechnungsmonat festgelegten Zinssatz (aktuell 0,50 % p.a.).“
Prozessverlauf:
Die Kläger in den vier Verfahren halten die vorbezeichneten Klauseln für unwirksam, da sie die Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. Sie nehmen die Beklagten jeweils darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder inhaltsgleiche Klauseln gegenüber Verbrauchern zu verwenden. Die Kläger in den Verfahren XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23 begehren darüber hinaus von der jeweiligen Beklagten als Folgenbeseitigung die Rückzahlung der auf der Grundlage der Verwahrentgeltklauseln vereinnahmten Entgelte an die betroffenen Verbraucher und Auskunft über deren Vor- und Zunamen und über deren Anschriften. Der Kläger in dem Verfahren XI ZR 183/23 begeht als Folgenbeseitigung ebenfalls Auskunft über die betroffenen Verbraucher und die Versendung eines von ihm formulierten Berichtigungsschreibens durch die Beklagte an die betroffenen Verbraucher.
Die Berufungsgerichte in den Verfahren XI ZR 61/23 und XI ZR 65/23 haben die Klage jeweils abgewiesen, weil die Klauseln über das Verwahrentgelt eine von der Beklagten erbrachte Hauptleistung aus dem Girovertrag bepreisten und daher keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterlägen.
Auch das Berufungsgericht in dem Verfahren XI ZR 161/23 hat die Klage betreffend die Klauseln über das Verwahrentgelt mit der Begründung abgewiesen, mit den Klauseln werde eine von der Beklagten erbrachte Hauptleistung aus dem Girovertrag bzw. aus dem Vertrag über das Tagesgeldkonto bepreist, so dass die Klauseln keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterlägen. Die Klauseln, mit denen die Bank für die Ausstellung einer Ersatz-BankCard bzw. einer Ersatz-PIN ein Entgelt verlange, seien demgegenüber unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstießen.
Das Berufungsgericht in dem Verfahren XI ZR 183/23 hat die Klage ebenfalls abgewiesen. Bei der Vereinbarung über das von Neukunden auf Spareinlagen zu entrichtende Verwahrentgelt handele es sich um eine die Hauptleistung betreffende Preishauptabrede, die keiner AGB-rechtlichen Kontrolle unterliege. Die Regelungen über das Verwahrentgelt im Preis- und Leistungsverzeichnis sowie im Preisaushang hätten nur für Neukunden, nicht hingegen für Bestandskunden gegolten. Das mit Bestandskunden vereinbarte „Guthabenentgelt“ stelle ebenfalls eine Preishaupt-abrede dar und unterliege nicht der Inhaltskontrolle. Es handele sich um ein Entgelt für die einseitige Verpflichtung der Bank, das Sparguthaben sicher zu verwahren und dem Sparer den gleichen Betrag zurückzugewähren.
Die Kläger in den Verfahren XI ZR 61/23, XI ZR 65/23 und XI ZR 183/23 verfolgen mit ihrer jeweils vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihre Klageanträge weiter. In dem Verfahren XI ZR 161/23 verfolgt der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision seine Klageanträge weiter, soweit das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungs-antrag weiter.
Der XI. Zivilsenat wird über die Revisionen am 4. Februar 2025 verhandeln.
Vorinstanzen:
XI ZR 61/23:
Landgericht Leipzig – Urteil vom 8 Juli 2021 – 5 O 640/20
Oberlandesgericht Dresden – Urteil vom 30. März 2023 – 8 U 1389/21
und
XI ZR 65/23:
Landgericht Düsseldorf – Urteil vom 22. Dezember 2021 – 12 O 34/21
Oberlandesgericht Düsseldorf – Urteil vom 30. März 2023 – 20 U 16/22
und
XI ZR 161/23
Landgericht Berlin – Urteil vom 28. Oktober 2021 – 16 O 43/21
Kammergericht Berlin – Urteil vom 9. August 2023 – 26 U 129/21
und
XI ZR 183/23
Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 18. November 2022 – 2-25 O 228/21
Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 5. Oktober 2023 – 3 U 286/22
Karlsruhe, den 6. November 2024
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