BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 06.11.2024, AZ VIa ZR 317/21, ECLI:DE:BGH:2024:061124UVIAZR317.21.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG Karlsruhe, 23. Juni 2021, Az: 6 U 49/20
vorgehend LG Karlsruhe, 20. Januar 2020, Az: 5 O 104/19
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2021 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 35.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
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Er erwarb im Juli 2013 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten Mercedes-Benz GLK 220 CDI, der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Die Motorsteuerungssoftware im hier gegenständlichen Fahrzeug bedingt, dass die Abgasrückführung außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs reduziert wird (sogenanntes Thermofenster). Zudem verfügt das Fahrzeug über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR).
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Der Kläger hat geltend gemacht, die Motorsteuerungssoftware sei so programmiert, dass sie erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im regulären Straßenverkehr befinde. Die Beklagte habe das Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in Gestalt des Thermofensters und der KSR sowie weiteren als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehenden Steuerungsmechanismen versehen. Er hat in erster Linie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz sämtlicher aus der Manipulation des Fahrzeugs herrührender Schäden und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Für den Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage hat er hilfsweise die Zahlung von 38.400 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs (Hilfsantrag Ziffer 1), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Hilfsantrag Ziffer 2) und der Pflicht zum Ersatz aller weiteren Schäden, die aus dem Kauf des Fahrzeugs aufgrund der falschen Abgaswerte sowie einer installierten Manipulationssoftware entstanden sind oder entstehen (Hilfsantrag Ziffer 3) verlangt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der in erster Linie verfolgte Feststellungsantrag sei schon mangels der nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit als unzulässig abzuweisen. Auch unter Auslegung der Klagebegründung lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger mit der nicht weiter eingegrenzten Angabe „Manipulation“ im Antrag den Einbau einer oder bestimmter mehrerer seiner Ansicht nach unzulässigen Abschalteinrichtungen meine. Da er als tatsächliche Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche auch die behauptete unsachgemäße Programmierung des On-Board-Diagnose-Systems (OBD-Systems) heranziehe, das selbst nicht als Abschalteinrichtung im Rechtssinn in Betracht komme, bleibe unklar, was unter dem Begriff der Manipulation zu verstehen sein solle. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag Ziffer 3 sei mangels Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ebenfalls unzulässig, weil die Schadensersatzforderung bereits ohne weiteres beziffert werden könne. In Bezug auf den unzulässigen Hilfsantrag Ziffer 3 dürfe die Klage ausnahmsweise gleichwohl wegen feststehender Unbegründetheit abgewiesen werden. Im Übrigen sei die Klage zulässig.
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Die Klage sei „insgesamt“ unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB, weil er eine sittenwidrige Handlung der Beklagten nicht dargelegt habe. Dabei könne unterstellt werden, dass das Thermofenster und die KSR unzulässige Abschalteinrichtungen darstellten. Der Kläger habe weder ausreichende Anhaltspunkte für die Verwendung einer Prüfstandserkennung noch sonstige Umstände vorgetragen, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Auch sei kein Schädigungsvorsatz festzustellen. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch lasse sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 herleiten, weil das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Vorschriften liege.
II.
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Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
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1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, der in erster Linie geltend gemachte Feststellungsantrag sei unbestimmt und daher unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, kann der Hauptantrag nicht abgewiesen werden.
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a) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den Feststellungshauptantrag für unzulässig gehalten, weil er den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge.
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aa) Auch bei einer Feststellungsklage muss der Klageantrag im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt sein, damit über den Umfang der Rechtskraft des Feststellungsausspruchs keine Ungewissheit herrschen kann. Die erforderliche Bestimmtheit verlangt, dass das festzustellende Rechtsverhältnis genau bezeichnet wird. Dazu genügt es, dass der Kläger die rechtsbegründenden Tatsachen näher angibt. Soweit es sich um Schadensersatzansprüche handelt, ist eine bestimmte Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses erforderlich. Genügt die wörtliche Fassung eines Antrags nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, ist er unter Heranziehung der Klagebegründung auszulegen (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 – VI ZR 40/20, BGHZ 230, 224 Rn. 28; Urteil vom 5. Oktober 2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 13; Urteil vom 18. Dezember 2023 – VIa ZR 1083/22, juris Rn. 9; Beschluss vom 1. August 2022 – VIa ZR 110/21, juris Rn. 16; Urteil vom 6. Februar 2024 – VIa ZR 764/22, juris Rn. 12).
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bb) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen. Es hat allerdings zu Unrecht angenommen, der in den Antrag aufgenommene Begriff der Manipulation könne auch unter Heranziehung der Klagebegründung nicht in einem bestimmten Sinn ausgelegt werden. Das Feststellungsbegehren lässt sich anhand des Klagevorbringens dahin deuten, von der Ersatzpflicht der Beklagten sollten Schäden erfasst sein, die daraus resultierten, dass die Beklagte in das Fahrzeug die vom Kläger angeführten, als unzulässige Abschalteinrichtungen angesehenen technischen Einrichtungen eingebaut und das so ausgestattete Fahrzeug in den Verkehr gebracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 – VI ZR 40/20, BGHZ 230, 224 Rn. 30; Urteil vom 5. Oktober 2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 13; Urteil vom 18. Dezember 2023 – VIa ZR 1083/22, juris Rn. 9; Beschluss vom 1. August 2022 – VIa ZR 110/21, juris Rn. 17). Der Klageschrift lässt sich entnehmen, dass der Kläger den Begriff der Manipulation mit demjenigen einer dem Kraftfahrt-Bundesamt bewusst verschwiegenen unzulässigen Abschalteinrichtung gleichgesetzt hat. In diesem Zusammenhang hat er verschiedene in seinem Fahrzeug verbaute technische Einrichtungen angeführt. Damit hat er klargestellt, auf welche Funktionen er die Schadensersatzpflicht im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 stützt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger das OBD-System fehlerhaft zu den behaupteten Abschalteinrichtungen gerechnet hat. Ob die angeführten Funktionen durchweg als Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren sind, berührt die Bestimmtheit des Klagebegehrens nicht, sondern betrifft seine Begründetheit (BGH, Urteil vom 6. Februar 2024 – VIa ZR 764/22, juris Rn. 13).
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b) Ebenfalls zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, die Klage sie „insgesamt“ – also auch hinsichtlich des in erster Linie verfolgten Feststellungsantrags – unbegründet. Da es den Feststellungsantrag mangels Bestimmtheit als unzulässig abgewiesen hat, durfte es ihn nicht mit einer Hilfsbegründung zugleich als unbegründet abweisen. Die Feststellungsklage kann nur bei fehlendem Feststellungsinteresse und Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen als unbegründet abgewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1954 – II ZR 3/53, BGHZ 12, 308, 316; Urteil vom 4. September 2019 – XII ZR 52/18, BGHZ 223, 106 Rn. 44). Die Ausführungen zur fehlenden Begründetheit gelten daher als nicht geschrieben (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 190/19, BGHZ 232, 94 Rn. 34; Urteil vom 28. April 2023 – V ZR 270/21, NJW-RR 2023, 1166 Rn. 15; Urteil vom 6. Februar 2024 – VIa ZR 764/22, juris Rn. 14).
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2. Das Berufungsurteil stellt sich als rechtsfehlerhaft auch insoweit dar, als das Berufungsgericht die Hilfsanträge als unbegründet abgewiesen hat. Mit der von ihm gegebenen Begründung, der Feststellungsantrag sei unbestimmt, kann die Unzulässigkeit des Hauptantrags nicht bejaht werden. Dann aber ist die innerprozessuale Bedingung, unter der das Berufungsgericht über die Hilfsanträge entscheiden durfte, nicht eingetreten (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2009 – III ZR 241/08, juris Rn. 14; Beschluss vom 4. Februar 2021 – I ZR 79/20, ZUM-RD 2021, 466 Rn. 23; Urteil vom 16. Januar 2024 – VIa ZR 1136/22, juris, Rn. 8; Urteil vom 6. Februar 2024 – VIa ZR 764/22, juris Rn. 15).
III.
16
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags kann nicht abschließend mangels des erforderlichen – in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2024 – VIa ZR 1382/22, juris Rn. 10 mwN) – Feststellungsinteresses des Klägers (§ 256 Abs. 1 ZPO) verneint werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 33; Urteil vom 21. Dezember 2021 – VI ZR 455/20, NJW 2022, 1093 Rn. 15; Urteil vom 16. Januar 2024 – VIa ZR 1382/22, juris Rn. 10; Urteil vom 6. Februar 2024 – VIa ZR 764/22, juris Rn. 16).
IV.
17
Mangels verwertbarer Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2017 – V ZR 19/16, NJW-RR 2018, 719 Rn. 43). Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
C. Fischer Möhring Götz
Rensen
Vogt-Beheim