BGH 9. Zivilsenat, Beschluss vom 19.05.2022, AZ IX ZB 6/21, ECLI:DE:BGH:2022:190522BIXZB6.21.0
§ 220 Abs 2 InsO, § 248 InsO, § 250 Nr 1 InsO, § 286 InsO, §§ 286ff InsO
Leitsatz
1. Der gerichtlichen Bestätigung eines Insolvenzplans, durch den der Schuldner von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit werden soll, steht nicht entgegen, dass der Schuldner keine Restschuldbefreiung nach den gesetzlichen Bestimmungen erlangen kann.
2. Handelt es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person, hat sich der darstellende Teil des Insolvenzplans dazu zu äußern, ob ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt worden und wie gegebenenfalls der Stand des Restschuldbefreiungsverfahrens ist; darüber hinaus sind Angaben zu den aktuellen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisses des Schuldners erforderlich sowie dazu, ob und gegebenenfalls was sich an diesen Verhältnissen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ändern wird.
Verfahrensgang
vorgehend LG Köln, 23. Januar 2021, Az: 1 T 340/20
vorgehend AG Köln, 16. September 2020, Az: 71 IN 487/07
Tenor
Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23. Januar 2021 und der Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Köln vom 16. September 2020 aufgehoben. Die Bestätigung des vom Schuldner mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 vorgelegten Insolvenzplans, ergänzt durch Schriftsätze vom 19. Februar und 12. Juni 2020, wird versagt.
Der Schuldner trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Am 6. November 2008 wurde über das Vermögen des im Jahr 1944 geborenen Schuldners das (Regel-)Insolvenzverfahren eröffnet. Der Eröffnung lag ein Gläubigerantrag zugrunde. Trotz entsprechender Belehrung durch das Insolvenzgericht stellte der Schuldner keinen Eigenantrag und beantragte zunächst auch keine Restschuldbefreiung. Er hielt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Deutschland wegen eines Wohnsitzes in Frankreich und eines von ihm dort gestellten Insolvenzantrags für unzulässig. Demgegenüber ging das Insolvenzgericht davon aus, der Schuldner habe seinen Wohnsitz nur zum Schein nach Frankreich verlegt.
2
Im eröffneten Verfahren wurden Forderungen von über 15 Millionen Euro zur Tabelle festgestellt, davon entfallen 2.715.618,26 € auf Steuerverbindlichkeiten gegenüber dem weiteren Beteiligten zu 1. Ausweislich des Schlussberichts des Insolvenzverwalters vom 16. Oktober 2019 betrug die Aktivmasse 9.116,50 €. Nachdem der Verwalter den Verzicht auf den durch die Masse nicht gedeckten Teil seiner Vergütung erklärt hatte, bestand (nur noch) Masseunzulänglichkeit. Einen im Jahr 2014 gestellten Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung wies das Insolvenzgericht mangels eines vom Schuldner selbst gestellten Insolvenzantrags zurück. Die sofortige Beschwerde des Schuldners wurde vom Beschwerdegericht mit Beschluss vom 2. Oktober 2019 zurückgewiesen.
3
Am 18. Februar 2020, ergänzt durch Schriftsätze vom 19. Februar und 12. Juni 2020 legte der Schuldner einen Insolvenzplan vor. Erklärtes Ziel des Plans war es, dem Schuldner eine sofortige Restschuldbefreiung zu ermöglichen und den Gläubigern eine verbesserte Befriedigung zu verschaffen. Hierzu verpflichtete sich die Ehefrau des Schuldners zu einer Zahlung von 50.000 € sowie zur Begleichung der von der Masse nicht gedeckten Verfahrenskosten. Im darstellenden Teil des vorgelegten Plans wurde eine Quotenverbesserung von 0 auf 0,324 % aufgezeigt. Zu etwaigen Vollstreckungsaussichten der Gläubiger nach Aufhebung des Regelverfahrens schwieg der Plan.
4
Der Insolvenzplan wurde mit der Stimmen- und Summenmehrheit von sieben Gläubigern angenommen. Der weitere Beteiligte zu 1 stimmte gegen den Plan. Das Insolvenzgericht hat den Plan bestätigt. Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner Rechtsbeschwerde möchte er weiterhin die Versagung der gerichtlichen Planbestätigung erreichen.
II.
5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
6
1. Auf den Streitfall finden die bis zum 1. März 2012 geltenden Vorschriften der Insolvenzordnung Anwendung, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor diesem Zeitpunkt beantragt worden ist (Art. 103g Satz 1 EGInsO).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 6 Abs. 1, § 253 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 4 InsO, § 575 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2, Abs. 3 ZPO).
8
3. Die vom Beschwerdegericht unbeschränkt zugelassene Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Plan enthält nicht alle nach § 220 Abs. 2 InsO erforderlichen Angaben. Das begründet einen im Sinne des § 250 Nr. 1 InsO wesentlichen Mangel, der nicht behoben werden kann. Auf den Minderheitenschutzantrag des Beteiligten zu 1 nach § 251 InsO kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
9
a) Das Beschwerdegericht hat keinen Inhaltsmangel des Plans erkannt. Einen Mangel stelle es insbesondere nicht dar, dass im Plan die französische Anschrift des Schuldners angegeben sei. Die Angabe der Anschrift sei nicht nachweisbar falsch. Dass sich der Schuldner auch in Deutschland aufhalte, sei ohne Relevanz. Dem Insolvenzplan sei auch nicht auf den Antrag des weiteren Beteiligten zu 1 nach § 251 InsO die Bestätigung zu versagen. Die Möglichkeit der Individualvollstreckung nach Beendigung des Regelverfahrens führe nicht zu einer konkreten Besserstellung des weiteren Beteiligten. Ein konkreter Vorteil sei nicht zu erkennen, weil das Recht zur Vollstreckung gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO sämtlichen Gläubigern zustehe. Schließlich könne die Bestätigung des Plans auch nicht deshalb versagt werden, weil der Schuldner aufgrund des Vorliegens von Versagungstatbeständen möglicherweise keine Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff InsO hätte erlangen können. Dahinstehen könne dabei, ob ein Versagungstatbestand überhaupt vorliege. Die Möglichkeit, Restschuldbefreiung über einen Insolvenzplan zu erlangen, sei von etwaigen Versagungsgründen unabhängig und auch dem unredlichen Schuldner eröffnet. Eine analoge Anwendung der Versagungstatbestände auf das Insolvenzplanverfahren scheide aus.
10
b) Das hält rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.
11
aa) Mit Recht hat das Beschwerdegericht allerdings erkannt, dass die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans nicht gemäß § 250 Nr. 1 InsO zu versagen wäre, wenn ein Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung vorläge. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es auch ohne Bedeutung, dass der Schuldner keinen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat (vgl. LG Hamburg, ZIP 2018, 389, 392 f; Madaus, NZI 2017, 697 f, Grote, ZInsO 2017, 1380; Foerste, ZInsO 2017, 2424 f; Keller, Insolvenzrecht, 2. Aufl., Rn. 1725; aA Frind, NZI 2017, 842 ff) und er einen solchen bis zum Abschluss des Verfahrens auch nicht mehr stellen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2015 – IX ZB 3/15, ZInsO 2015, 2579 Rn. 8 mwN).
12
(1) Gemäß § 250 Nr. 1 InsO in der auf den Streitfall anwendbaren Fassung ist die Bestätigung des Insolvenzplans von Amts wegen zu versagen, wenn die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans sowie über die Annahme durch die Gläubiger und die Zustimmung des Schuldners in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind und der Mangel nicht behoben werden kann. Insoweit hat das Gericht zu prüfen, ob die Vorschriften über den Inhalt des Plans (§§ 217, 219 bis 230 InsO), das Insolvenzplanverfahren (§§ 218, 231, 232, 234 bis 243 InsO), die Annahme durch die Gläubiger (§§ 244 bis 246 InsO) und die Zustimmung des Schuldners (§ 247 InsO) beachtet wurden. Hingegen ist dem Insolvenzgericht eine Prüfung, ob der Plan wirtschaftlich zweckmäßig gestaltet ist und ob er voraussichtlich Erfolg haben wird, versagt. Greifen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 250 Nr. 1 InsO ein, hat das Insolvenzgericht ohne Ermessensspielraum die Bestätigung des Insolvenzplans von Amts wegen abzulehnen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2018 – IX ZB 49/17, NZI 2018, 691 Rn. 14).
13
(2) Keine der genannten, in die Prüfung nach § 250 Nr. 1 InsO einzubeziehenden Vorschriften der Insolvenzordnung befasst sich – auch nicht nur mittelbar (aA AG Hamburg, ZVI 2017, 304, 305 ff) – mit der Frage, ob der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat oder noch stellen kann oder ob ein Grund vorliegt, die Restschuldbefreiung zu versagen. Auch eine analoge Anwendung von Vorschriften über die Restschuldbefreiung scheidet aus. Es fehlt schon an der erforderlichen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2021 – IX ZB 7/20, ZInsO 2021, 2022 Rn. 19) planwidrigen Regelungslücke. Mit dem Restschuldbefreiungsverfahren nach den §§ 286 ff InsO verfolgt der Gesetzgeber bewusst einen anderen Ansatz als mit der von § 227 Abs. 1 InsO vorgesehenen Möglichkeit, dass der Schuldner mit der im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit wird.
14
Das Interesse des Schuldners an der Befreiung von seinen restlichen Verbindlichkeiten und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Neustart läuft dem Interesse der Gläubiger an einer möglichst vollständigen Befriedigung ihrer Forderungen zuwider. Die Befreiung des Schuldners von seinen restlichen Verbindlichkeiten bedarf deshalb eines rechtfertigenden Grundes. Es muss gerechtfertigt erscheinen, dem Interesse des Schuldners den Vorrang einzuräumen gegenüber dem Interesse der Gläubiger. Der rechtfertigende Grund für die Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff InsO liegt in der Redlichkeit des Schuldners (vgl. auch § 1 Satz 2 InsO). Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung regeln im Einzelnen, welche Anforderungen der Schuldner erfüllen muss, um redlich im Sinne des Gesetzes zu sein. Auf diese Weise wird der Schuldner zu einem gläubigerfreundlichen Verhalten vor, während und nach dem Insolvenzverfahren motiviert (BT-Drucks. 12/2443, S. 188). Erfüllt er die Anforderungen, ist es gerechtfertigt, die Restschuldbefreiung auch ohne die Zustimmung der Gläubiger zu gewähren (vgl. BT-Drucks. 12/2443, aaO). Die Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff InsO hängt daher nicht von einem Einvernehmen der Gläubiger ab. Diese können auf das Verfahren im Wesentlichen nur dadurch Einfluss nehmen, dass sie beantragen, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen.
15
Demgegenüber ist die Befreiung des Schuldners von seinen restlichen Verbindlichkeiten durch einen Insolvenzplan von einer (mehrheitlichen) Zustimmung der Gläubiger abhängig. Darin liegt hier der rechtfertigende Grund für die Entschuldung. Das Gesetz muss deshalb nicht regeln, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner einer Restschuldbefreiung würdig ist. Die Entscheidung darüber obliegt den Gläubigern. Vor diesem Hintergrund ist nicht nur der „würdige“ Schuldner berechtigt, einen Insolvenzplan vorzulegen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 194; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 – IX ZR 206/11, ZInsO 2012, 1321 Rn. 21 f) und kann die von § 227 Abs. 1 InsO vorgesehene Entschuldung auch einem Schuldner zuteilwerden, der die Redlichkeitsvoraussetzungen der §§ 286 ff InsO nicht erfüllt (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 195).
16
Auch der Umstand, dass der Insolvenzplan durch Mehrheitsentscheidung angenommen wird (§ 244 InsO), dabei das Obstruktionsverbot nach § 245 InsO greifen kann und es deshalb zur Befreiung des Schuldners von seinen restlichen Verbindlichkeiten auch gegen den Willen einzelner Gläubiger oder ganzer Gläubigergruppen kommen kann, rechtfertigt keine entsprechende Anwendung von Vorschriften der §§ 286 ff InsO. Der Gesetzgeber hat die Problematik gesehen und einer Lösung zugeführt durch den Schutz der überstimmten Gläubiger vor einer Schlechterstellung gegenüber einer Abwicklung der Insolvenz im Regelverfahren (§ 245 Abs. 1 Nr. 1, § 251 InsO).
17
bb) Der Plan enthält nicht alle nach § 220 Abs. 2 InsO erforderlichen Angaben. Das begründet einen im Sinne des § 250 Nr. 1 InsO wesentlichen Mangel, der nicht behoben werden kann.
18
(1) Nach § 220 Abs. 2 InsO in der hier noch maßgeblichen, bis zum 29. Februar 2012 geltenden Fassung soll der darstellende Teil alle sonstigen Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind. Dem wird der streitbefangene Insolvenzplan nicht gerecht.
19
(a) Nach § 220 Abs. 2 InsO sind alle diejenigen Angaben unerlässlich, welche die Gläubiger für ein sachgerechtes Urteil über den Insolvenzplan, gemessen an ihren eigenen Interessen, benötigen. Der Gesetzgeber hat durch die weite Formulierung der Vorschrift lediglich auf eine für alle Fälle verbindliche Vorgabe verzichtet und die Entscheidung, welche Angaben die Gläubiger benötigen, für jeden Einzelfall zunächst dem Planverfasser und sodann gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 250 Nr. 1 InsO dem Insolvenzgericht übertragen. Das ändert aber nichts daran, dass ein gewisser Grundbestand an Informationen im darstellenden Teil grundsätzlich enthalten sein muss und nur ausnahmsweise entfallen darf. Die Verwendung des Wortes „soll“ in § 220 Abs. 2 InsO aF bedeutet nicht, dass die geforderten Angaben fakultativ sind. Vielmehr ist diese Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck als zwingende Regelung zu lesen (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2015 – IX ZB 75/14, NZI 2015, 697 Rn. 29 mwN).
20
Das maßgebliche Interesse der Gläubiger besteht regelmäßig in einer möglichst weitgehenden Befriedigung ihrer Forderungen. Für ein sachgerechtes Urteil über einen Insolvenzplan müssen sie daher wissen, wie sich die Befriedigungsaussichten im Falle der Annahme und Bestätigung des Plans im Vergleich zu denen bei einer Fortführung des Regelverfahrens verhalten. Das macht eine Vergleichsrechnung erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2018 – IX ZB 49/17, ZInsO 2018, 1404 Rn. 33; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 – IX ZB 65/10, ZInsO 2010, 1448 Rn. 45 und nunmehr § 220 Abs. 2 Satz 2 InsO nF). Die Vergleichsrechnung kann über das Ende des Regelinsolvenzverfahrens hinaus zu erstrecken sein. Dies gilt insbesondere, wenn es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person handelt. Das folgt aus der Nachhaftung gemäß § 201 InsO, die sich auf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im Falle der Fortführung des Regelverfahrens auswirken kann. Im Rahmen des Möglichen muss der darstellende Teil des Insolvenzplans den Gläubigern deshalb zunächst Klarheit darüber verschaffen, ob eine Nachhaftung gemäß § 201 InsO überhaupt in Betracht kommt. Dazu gehört die Information, ob ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt worden und wie gegebenenfalls der Stand des Restschuldbefreiungsverfahrens ist (vgl. HK-InsO/Haas, 10. Aufl., § 220 Rn. 7; Schmittmann in Henning/Lackmann/Rein, Privatinsolvenz, § 220 Rn. 14; wohl auch Madaus, NZI 2017, 697, 699). Zu etwaigen Versagungsgründen braucht sich der Plan nicht zu äußern (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – IX ZB 37/08, NZI 2012, 139 Rn. 14 mwN). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung besteht die Informationspflicht nicht nur dann, wenn ein Restschuldbefreiungsantrag tatsächlich gestellt worden ist. Richtig ist zwar, dass nur der gestellte Antrag zur Restschuldbefreiung und damit zu einer Begrenzung der Nachhaftung nach § 201 InsO führen kann. Das ändert aber nichts am Informationsbedürfnis der Gläubiger. Es gibt keine Regel, aus der sich schließen lässt, dass ein Restschuldbefreiungsantrag nicht gestellt ist, wenn der darstellende Teil des Insolvenzplans zu einem solchen schweigt.
21
Neben den Angaben zu einem etwaigen Restschuldbefreiungsantrag und gegebenenfalls zum Stand des Restschuldbefreiungsverfahrens muss der darstellende Teil des Plans die Gläubiger darüber informieren, mit welchen nachinsolvenzlichen Befriedigungsaussichten zu rechnen ist. Dabei handelt es sich naturgemäß um eine Schätzung, deren Genauigkeit abnimmt, je länger der in Betracht zu ziehende Zeitraum ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010, aaO). Für die Prüfung oder Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung nach § 245 Abs. 1 Nr. 1, § 251 Abs. 1 Nr. 2 und § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO nF erleichtert § 245a InsO nF diese Schätzung. Danach soll im Zweifel davon auszugehen sein, dass die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Insolvenzplan für die Verfahrensdauer und den Zeitraum, in dem die Insolvenzgläubiger ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen können, maßgeblich bleiben (§ 245a Satz 1 InsO nF). Das hat auch Auswirkungen auf die im darstellenden Teil des Insolvenzplans zu machenden Angaben. In jedem Fall hat sich der darstellende Teil des Plans demnach zu den aktuellen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Schuldners zu äußern. Darüber hinaus bedarf es einer Erklärung dazu, ob und gegebenenfalls was sich an diesen Verhältnissen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Graf-Schlicker/Kebekus/Handschumacher, InsO, 6. Aufl., §§ 219-221 Rn. 4; Spahlinger in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2021, § 220 Rn. 20d) ändern wird. Die Anwendung der Zweifelsregelung des § 245a Satz 1 InsO nF ist nur gerechtfertigt, wenn nicht schon Änderungen absehbar sind. Diese Anforderungen an den darstellenden Teil des Plans gelten auch für die Zeit vor Inkrafttreten von § 245a InsO nF.
22
(2) Im Streitfall informiert der darstellende Teil des Plans nicht darüber, dass der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung zurückgewiesen worden ist. Die aktuellen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse werden zwar dargestellt, es fehlt aber einer Erklärung dazu, ob und gegebenenfalls was sich an den dargestellten Verhältnissen absehbar ändern wird. Dabei handelt es sich um wesentliche Punkte im Sinne des § 250 Nr. 1 InsO.
23
(a) Was unter einem wesentlichen Punkt im Sinne des § 250 Nr. 1 InsO zu verstehen ist, wird vom Gesetz nicht ausdrücklich erläutert. Ein wesentlicher Verstoß in diesem Sinne liegt stets dann vor, wenn es sich um einen Mangel handelt, der Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben könnte (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – IX ZB 37/08, NZI 2012, 139 Rn. 9 mwN; vom 26. April 2018 – IX ZB 49/17, ZInsO 2018, 1404 Rn. 54). Es muss nicht feststehen, sondern lediglich ernsthaft in Betracht kommen, dass der Mangel tatsächlich Einfluss auf die Annahme des Plans hatte (BGH, Beschluss vom 26. April 2018, aaO).
24
(b) Die fehlenden Angaben zum Restschuldbefreiungsantrag und zu einer möglicherweise absehbaren Änderung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse betreffen die nachinsolvenzlichen Befriedigungsmöglichkeiten und damit das Interesse der Gläubiger an einer möglichst weitgehenden Befriedigung ihrer Forderungen. Angesprochen ist die nach § 220 Abs. 2 erforderliche Vergleichsrechnung, die als einer der wichtigsten Bestandteile des darstellenden Teils des Insolvenzplans von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. HK-InsO/Haas, 10. Aufl., § 220 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Eilenberger, 4. Aufl, § 220 Rn. 4; BeckOK-Insolvenzrecht/Geiwitz/von Danckelmann, 2021, § 220 InsO Rn. 24). Eine unvollständige Vergleichsrechnung, die – wie hier – geeignet ist, Fehlvorstellungen über die Befriedigungsmöglichkeiten im Falle der Fortführung des Regelverfahrens hervorzurufen, kann Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans haben.
25
(3) Die Mängel des darstellenden Teils des Plans sind nicht behebbar, weil sie nicht ohne Wiederholung des Abstimmungs- oder Erörterungstermins beseitigt werden können. Wird ein wesentlicher Verstoß erst festgestellt, nachdem der Abstimmungstermin über den Insolvenzplan stattgefunden hat, so liegt ein unbehebbarer Mangel vor, der einer Bestätigung entgegensteht (BGH, Beschluss vom 26. April 2018, aaO Rn. 57).
26
cc) Da die Bestätigung des Insolvenzplans nach § 250 Nr. 1 InsO zu versagen ist, kommt es auf den Minderheitenschutzantrag des weiteren Beteiligten zu 1 nach § 251 InsO nicht mehr an. Es bedarf keines Minderheitenschutzes, wenn die Bestätigung des Plans aus allgemeinen Gründen zu versagen ist.
III.
27
Da die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
- Grupp
- Lohmann
- Schultz
- Selbmann
- Harms