BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 21.07.2021, AZ 2 B 30/21, ECLI:DE:BVerwG:2021:210721B2B30.21.0
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. April 2021, Az: 3d A 1650/20.O, Urteil
vorgehend VG Düsseldorf, 11. Mai 2020, Az: 35 K 383/20.O
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. April 2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Die der Sache nach auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO und § 67 Satz 1 LDG NRW) gestützte Beschwerde des Beklagten ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
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1. Der 1956 geborene Beklagte steht als Stadtoberamtsrat im Dienst der klagenden Stadt. Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 10. November 2014 wurde der Beklagte wegen Bestechlichkeit in vier Fällen und Vorteilsannahme in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die im Januar 2020 erhobene sachgleiche Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
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2. Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 28. Juni 2021 legt der Senat zunächst dahingehend aus, dass damit die rechtssatzmäßige Abweichung des angegriffenen Berufungsurteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts geltend gemacht werden soll. Die Rüge der Divergenz ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und § 67 Satz 1 LDG NRW genügt.
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Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 2 B 17.18 – Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 118 Rn. 7, stRspr). Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
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Mit dem nicht näher bezeichneten Urteil vom 28. Februar 2013 ist wohl das Senatsurteil – 2 C 3.12 – (BVerwGE 146, 98) gemeint. Insoweit beachtet die Beschwerde nicht, dass das in diesem Verfahren gegenständliche Berufungsurteil den betroffenen Beamten lediglich in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A 7) zurückgestuft hat. Demgegenüber geht das angegriffene Berufungsurteil davon aus, dass der Beklagte wegen eines schweren Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.
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In dem Verfahren, das Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2012 – 2 A 11.10 – ist, erging zwar Ende Januar 2009 der Strafbefehl gegen den betreffenden Beamten und im Oktober 2010 wurde Disziplinarklage erhoben. Durch das Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht den Betroffenen aus dem Beamtenverhältnis entfernt (Rn. 18). Zudem hat es entschieden, das unangemessen lange Disziplinarverfahren führe weder nach Art. 6 Abs. 1 EMRK noch nach §§ 198 ff. GVG dazu, dass wegen der Verfahrensdauer eine mildere Disziplinarmaßnahme auszusprechen sei (Rn. 85 f.).
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Das ebenfalls in der Beschwerdebegründung genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom „10.05.2014“ lässt sich nicht ermitteln.
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3. Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung legt der Senat zugunsten des Beklagten weiter dahingehend aus, dass auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht werden soll. Bedeutung sieht die Beschwerde wohl in der Relevanz der Dauer des Disziplinarverfahrens für die Frage, ob bei einer überlangen Dauer des Disziplinarverfahrens die Höchstmaßnahme ausscheidet. Insoweit ist die Beschwerde unbegründet.
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In der Rechtsprechung zum Disziplinarrecht ist anerkannt, dass die unangemessene Dauer eines Disziplinarverfahrens es nicht rechtfertigt, von der Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme disziplinarrechtlich geboten ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 – 2 BvR 1912/12 – NVwZ 2013, 788 und BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 – 2 A 11.10 – DokBer 2012, 260 Rn. 85 f.). Hintergrund ist die Überlegung, dass das Disziplinarverfahren der Sicherung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung dient und das für den Bestand des Beamtenverhältnisses erforderliche Vertrauen, das durch das Dienstvergehen des Beamten zerstört worden ist, durch den reinen Zeitablauf infolge einer etwaigen verzögerten disziplinarrechtlichen Ahndung nicht wiederhergestellt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2018 – 2 B 47.17 – juris Rn. 7).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.