Beschluss des BVerwG 1. Wehrdienstsenat vom 21.07.2021, AZ 1 WB 3/21

BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 21.07.2021, AZ 1 WB 3/21, ECLI:DE:BVerwG:2021:210721B1WB3.21.0

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

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Der Antragsteller wendet sich gegen die Ungleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes im Uniformträgerbereich Luftwaffe hinsichtlich der Kopfbedeckung.

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Der 19… geborene Antragsteller ist Berufssoldat, Luftwaffenuniformträger und Offizier des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März 20… enden. Seit Februar 2020 wird er beim … verwendet, wo er seit dem 1. Oktober 2020 einen Dienstposten als Sanitätsdienstoffizier innehat.

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Nr. 402 Buchst. b „Luftwaffe“ der Zentralvorschrift (ZV) A1-2630/0-9804 „Anzugsordnung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ (im Folgenden: Anzugsordnung) lautet:

„Soldatinnen und Soldaten im Wachbataillon BMVg, der Objektschutzkräfte, im Militärmusikdienst (bei Einsätzen im protokollarischen Dienst) und im Organisationsbereich CIR sowie Soldatinnen in den Laufbahnen des Sanitätsdienstes tragen zur Kennzeichnung ein marineblaues Barett.“

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Für den Uniformträgerbereich Luftwaffe ist neben der Schirmmütze (Nr. 401 Anzugsordnung) als Kopfbedeckung das Schiffchen (Nr. 404 Anzugsordnung) vorgesehen.

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Nachdem der Antragsteller im Januar 2020 über ein elektronisches Informationsportal eine Ungleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten durch Nr. 402 Buchst. b Anzugsordnung gerügt und eine Änderung vorgeschlagen hatte, wurde ihm mit E-Mail vom 28. Januar 2020 der historische Hintergrund der Sonderregelung für Luftwaffenuniformträgerinnen des Sanitätsdienstes erläutert. Zur Uniform der 1975 als erste Soldatinnen der Luftwaffe eingestellten Ärztinnen habe ein blaues Samtbarett gehört. 1988 hätten diese die teilstreitkraftspezifische Uniform erhalten, das blaue Barett aber beibehalten. Eine Änderung der Bestimmung sei nur mit Zustimmung des Inspekteurs der Luftwaffe zulässig, an den er sich wenden könne.

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Daraufhin beantragte der Antragsteller unter dem 1. Februar 2020 beim Inspekteur der Luftwaffe, Nr. 402 Buchst. b Anzugsordnung so zu ändern, dass auch Soldaten in den Laufbahnen des Sanitätsdienstes im Uniformträgerbereich Luftwaffe das marineblaue Barett tragen dürfen.

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Auf eine Sachstandsanfrage des Antragstellers hin wurde ihm eine E-Mail vom 3. August 2020 übermittelt, in der über letztlich nicht umgesetzte Erwägungen des Kommandos Luftwaffe zu einer Änderung der Anzugsordnung mit dem Ziel der Einführung des Schiffchens als einheitlicher Kopfbedeckung aller Luftwaffenuniformträger im Sanitätsdienst informiert wurde. Der Antrag des Kommandos Luftwaffe zu einer entsprechenden Änderung der Anzugsordnung ging auf den Wehrbeauftragten und verschiedene Eingaben von Soldaten zurück. Das Kommando Luftwaffe nahm den Antrag zurück, weil die Erlaubnis von Soldatinnen der Luftwaffe im Sanitätsdienst, das Barett zu tragen, zwar eine Ungleichbehandlung darstelle, Soldaten aber nicht substantiell benachteilige.

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Mit Schreiben vom 4. August 2020 legte der Antragsteller Beschwerde ein, rügte die Untätigkeit des Inspekteurs der Luftwaffe und beantragte erneut eine entsprechende Änderung von Nr. 402 Buchst. b Anzugsordnung.

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Unter dem 27. September 2020 erhob der Antragsteller weitere Beschwerde, mit der er die unterbliebene Bescheidung seiner Beschwerde rügte, die Aufhebung der E-Mail vom 3. August 2020 und erneut die Änderung von Nr. 402 Buchst. b Anzugsordnung beantragte.

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Mit Schreiben vom 2. November 2020 stellte der Antragsteller beim Bundesministerium der Verteidigung Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Unter dem 20. Januar 2021 stellte er direkt beim Bundesverwaltungsgericht Untätigkeitsantrag.

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Der Antragsteller macht geltend, nach der Anzugsordnung hätten Frauen, nicht aber Männer im Uniformträgerbereich Luftwaffe des Sanitätsdienstes ein Wahlrecht bezüglich ihrer Kopfbedeckung. Darin liege eine Ungleichbehandlung der Geschlechter, für die es nach der Öffnung aller militärischen Laufbahnen für Frauen keinen sachlichen Grund mehr gebe. Insbesondere stelle die traditionsbedingte Kennzeichnung weiblicher Luftwaffenangehöriger des Sanitätsdienstes keinen hinreichend gewichtigen sachlichen Grund dar. Frauen im Heer und der Marine dürften sich auch nicht optisch von Männern ihres Uniformträgerbereiches abheben. Nach der Bereichsrichtlinie C2-227/0-5618 dürften Offizier- und Reserveoffizieranwärter und nach der Anzugsordnung männliche Luftwaffenuniformträger des Organisationsbereiches Cyber- und Informationsraum (CIR) ebenfalls ein marineblaues Barett tragen. Auch darin liege eine unberechtigte Bevorzugung, die unverständlich und Gegenstand emotionaler Diskussionen sei. Er habe vorgeschlagen, die Anzugsordnung zu ändern und die Erlaubnis, das Barett zu tragen, auch Männern zu erteilen. Dies folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 SoldGG und Art. 3 GG. Es sei auch im Hinblick auf trans- und intersexuelle Soldaten und Soldatinnen geboten. Auf die von ihm beanstandete Ungleichbehandlung weise der Wehrbeauftragte hin. Die militärische Gleichstellungsbeauftragte beim … fordere ihre Beseitigung. Ihm sei im Übrigen unzureichend Akteneinsicht gewährt worden. Er habe einen Anspruch auf formale Bescheidung seines Antrages. Mit Blick auf § 17 Abs. 3 WBO habe er einen Feststellungsantrag gestellt. Ein Verpflichtungsantrag sei nicht zulässig. Sein Antrag sei zulässig, weil er als Mann gegenüber weiblichen Luftwaffenuniformträgern des Sanitätsdienstes ungleich behandelt werde.

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Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass eine Ungleichbehandlung zwischen weiblichen und männlichen Luftwaffenuniformträgern in den Laufbahnen des Sanitätsdienstes in Bezug auf die Ausübung des Wahlrechts zwischen dem Schiffchen und dem marineblauen Barett vorliegt und ihn somit in seinen Rechten verletzt.

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Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

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Der Antrag sei unzulässig. Ein Feststellungsantrag könne nicht zulässig allein eine abstrakte Rechtsfrage zum Inhalt haben. Eine Verletzung subjektiver Rechte des Antragstellers sei nicht ersichtlich. Die Feststellungsklage sei zur Gestaltungs- und Leistungsklage subsidiär. Das Feststellungsinteresse fehle. Zwar sei die Anzugsordnung unmittelbar anfechtbar. Der Antragsteller habe aber nicht erläutert, inwieweit er durch sie in eigenen Rechten verletzt sei. Er mache nicht geltend, das marineblaue Barett als Ausdruck seiner Zugehörigkeit zum Sanitätsdienst selbst tragen zu wollen. Eine abstrakte Normenkontrolle sei dem Wehrbeschwerderecht fremd. Es fehle an der Identität zwischen Ursprungsantrag, den Beschwerden und dem Antrag im gerichtlichen Verfahren.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig. Es kann dahinstehen, ob der Zulässigkeit des Feststellungsantrags bereits die gemäß § 23a Abs. 2 WBO im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbare Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegensteht. Der Antragsteller ist jedenfalls weder antragsbefugt noch hat er ein Feststellungsinteresse.

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1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein Soldat die Wehrdienstgerichte (nur) anrufen, wenn sein Antrag eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche Maßnahmen und Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die – obwohl an andere Soldaten gerichtet – in Form einer Rechtsverletzung oder eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken. In Ausnahmefällen kann auch eine Verwaltungs- oder Dienstvorschrift Gegenstand eines gerichtlichen Antragsverfahrens sein, wenn sie eine unmittelbar an den einzelnen Soldaten gerichtete Anordnung enthält, die keiner weiteren Konkretisierung durch einen Befehl mehr bedarf.

18

Die Verpflichtung des Soldaten zum Tragen einer Uniform ergibt sich aus der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG, BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1975 – 1 WB 62.74 – BVerwGE 46, 361 <365> m.w.N.). Diese Vorschrift befindet sich im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes. Rechtsverletzungen aus diesem Bereich unterliegen der Rechtskontrolle durch die Wehrdienstgerichte. Die Regelungen der Anzugsordnung gelten unmittelbar für jeden Soldaten, ohne dass es weiterer Befehle von Vorgesetzten bedarf. Ihr Inhalt kann daher unmittelbar mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffen werden.

19

Im vorliegenden Fall fehlt dem Antragsteller die Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Die Vorschrift ist auf die Feststellungsklage nach § 43 VwGO entsprechend anzuwenden (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 – 11 C 13.19 – BVerwGE 111, 276 <279> m.w.N.). Dies gilt erst recht für Feststellungsanträge nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), weil in dieser Norm die Geltendmachung einer eigenen Rechtsverletzung oder einer Verletzung von bestimmten Vorgesetztenpflichten zur Zulässigkeitsvoraussetzung gemacht worden ist.

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Zwar greift die allgemeine Anordnung, eine Uniform im Dienst tragen zu müssen, in das subjektive Recht des Soldaten auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG ein und bedarf darum einer gesetzlichen Grundlage (§ 4 SG). Hingegen berührt die Anordnung, welche Uniformstücke im Einzelnen zu tragen sind, das bereits eingeschränkte Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht mehr. Da die nähere Ausgestaltung der Uniform im weiten organisatorischen Ermessen des Dienstherrn liegt, kann er für unterschiedliche Truppengattungen und Organisationsbereiche jeweils andere Uniformen oder Uniformteile vorsehen und sich dabei von militärischen Zweckmäßigkeitserwägungen und militärischen Traditionen leiten lassen. Er darf für alle militärischen Einheiten eine einheitliche Uniform vorsehen oder das äußere Erscheinungsbild der einzelnen Einheiten in Luftwaffe, Marine und Heer unterschiedlich ausgestalten. Er kann für Soldatinnen und Soldaten die gleichen Uniformteile vorschreiben oder unterschiedliche Uniformteile vorsehen. Der Dienstherr überschreitet seine weite Gestaltungsfreiheit bei der Regelung der Dienstkleidung grundsätzlich auch nicht, wenn er Soldaten keinen Anspruch darauf gibt, alle für Soldatinnen vorgesehenen Bekleidungsstücke als Dienstkleidung tragen zu dürfen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. April 1994 – 1 WB 64.93 – BVerwGE 103, 99 <103> und vom 26. Oktober 1999 – 1 WB 24.99 – Buchholz 236.1 § 6 SG Nr. 1 S. 2). Schließlich hat er auch die Möglichkeit, in seinen Bekleidungserlassen für bestimmte Soldatinnen oder Soldaten Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Uniformteile vorzusehen oder von solchen Wahlmöglichkeiten Abstand zu nehmen. Da die in den Bekleidungserlassen enthaltenen Regelungen lückenhaft sein können, kann der Dienstherr es auch den jeweiligen Einheitsführern überlassen, durch nähere Befehle auf eine einheitliche Trageweise hinzuwirken oder eine unterschiedliche Trageweise hinzunehmen. All diese innerdienstlichen Vorschriften zum Tragen der Dienstuniform berühren nur die innerdienstlichen Rechte und Pflichten der Soldatinnen und Soldaten. Sie haben keinen Einfluss auf das berufliche Fortkommen des Einzelnen und greifen nicht mehr in die persönlichen Grundrechte ein. Daher ist mit unterschiedlichen Bekleidungsanordnungen auch keine Art. 3 Abs. 3 GG widersprechende Benachteiligung oder Bevorzugung wegen des Geschlechts verbunden. Mithin sind durch die beanstandeten Regelungen eigene Rechte des Antragstellers noch nicht einmal möglicherweise verletzt.

21

Soweit es dem Antragsteller um die Verteidigung der Rechte anderer Soldaten bzw. von Trans- und Intersexuellen geht, ist er schon deshalb nicht antragsbefugt, weil er noch nicht einmal geltend macht, selbst trans- oder intersexuell zu sein und mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung allein eigene Rechte verfolgen darf. Die Wehrbeschwerde und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sind Mittel des Individualrechtsschutzes und ermöglichen keine vom Einzelfall losgelöste allgemeine Nachprüfung von Anordnungen auf ihre Rechtmäßigkeit im Sinne eines Normenkontrollverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2019 – 1 WB 16.18 – Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 103 Rn. 12 und 15 m.w.N.).

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2. Hinzu kommt noch, dass es am berechtigten Interesse an der verlangten Feststellung nach § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 43 Abs. 1 VwGO fehlt.

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Zwar genügt hier jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Es ist aber vorliegend kein in diesem Sinne schutzwürdiges Interesse des Antragstellers ersichtlich. Er macht noch nicht einmal geltend, selbst ein Barett tragen zu wollen. Die beantragte Feststellung wäre auch nicht geeignet, ein solches Recht durchzusetzen. Denn selbst wenn in der beanstandeten Vorschrift eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Geschlechter läge, hat der Dienstherr im Rahmen seines – im Bereich der Ausgestaltung von Uniformen weiten Gestaltungsspielraums – mehrere Möglichkeiten zur rechtskonformen Ausgestaltung der Verpflichtung zum Tragen einer Kopfbedeckung. Er könnte ohne Weiteres – wie ja bereits erwogen – eine Gleichbehandlung dadurch gewährleisten, dass er auch Soldatinnen des Sanitätsdienstes in der Luftwaffe zum Tragen des Schiffchens verpflichtet. Dass dem Antragsteller durch die behauptete Diskriminierung ein Ansehensschaden entstanden sein könnte, liegt fern. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Barett im Vergleich mit dem Schiffchen einen höheren Tragekomfort, eine bessere Kenntlichkeit des in Rede stehenden Uniformträger- und Organisationsbereiches oder einen ästhetischen Vorteil aufweist. Die Pflicht zum Tragen einer Kopfbedeckung ist auf die Dienstzeit beschränkt und hat – anders als Vorgaben zur Haar- und Barttracht – unabhängig von der Art der Kopfbedeckung keine Auswirkungen auf die private Lebensgestaltung von Soldatinnen und Soldaten.