BVerfG

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung mehrerer erkennungsdienstlicher Maßnahmen nach § 81b Alt. 1 StPO (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers durch die Anordnung der Abnahme eines Zehnfinger- und Handflächenabdrucks sowie die Anfertigung eines Fünfseiten- und Ganzkörperbildes diesen in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde darüber hinaus gegen die Anordnung weiterer erkennungsdienstlicher Maßnahmen richtet, ist sie unzulässig.

Wiederholung einer einstweiligen Anordnung: Aussetzung der Vollstreckung einer Kindesrückführung nach Spanien – zum Beginn der Monatsfrist (§ 93 Abs 1 BVerfGG) im Falle der Bestellung eines Verfahrensbeistands (Einstweilige Anordnung des BVerfG 1. Senat 3. Kammer)

Einstweilige Anordnung vom 10.08.2022, AZ 1 BvQ 50/22, ECLI:DE:BVerfG:2022:qk20220810.1bvq005022Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 32 Abs 6 S 2 BVerfGG, § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG, § 158 Abs 1 S 1 FamFG

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen beaufsichtigte Drogenscreenings mittels Urinkontrollen in Justizvollzugsanstalt (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen fachgerichtliche Entscheidungen richtet, mit denen der inhaftierte Beschwerdeführer bei mehreren zur Feststellung eines Suchtmittelkonsums durchgeführten Urinkontrollen zur Entblößung seines Genitals verpflichtet wurde. Die Urinkontrollen fanden jeweils unter der Aufsicht eines gleichgeschlechtlichen Justizvollzugsbediensteten statt. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) folgenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht; die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG. Sie werden aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Nichtannahmebeschluss: Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Ablehnung der Abänderung einer Adoptionsentscheidung (§ 197 FamFG) nach Feststellung einer Konventionsverletzung durch den EGMR – unzureichende Beschwerdebegründung – zu den Substantiierungsanforderungen einer normunmittelbaren Verfassungsbeschwerde (Nichtannahmebeschluss des BVerfG 1. Senat 3. Kammer)

Nichtannahmebeschluss vom 05.08.2022, AZ 1 BvR 2329/21, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220805.1bvr232921Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 58 FamFG, § 59 FamFG

Einstweilige Anordnung, mit der Vollstreckung einer fachgerichtlichen Entscheidung zur Rückführung eines Kindes zu seinem in Spanien lebenden Vater vorläufig ausgesetzt wird (Pressemeldung des BVerfG)

Mit am heutigen Tag veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der die Vollstreckung eines familiengerichtlichen Beschlusses, in dem festgestellt wird, dass die antragstellende Mutter verpflichtet ist, ihren im August 2013 geborenen Sohn an dessen in Spanien lebenden Vater herauszugeben, vorläufig ausgesetzt wird.

Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger mit humanitären Aufenthaltstiteln vom Kindergeld verfassungswidrig (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts auf die Vorlage eines Finanzgerichts entschieden, dass § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (im Folgenden: EStG 2006) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt und die Vorschrift für nichtig erklärt.

Erfolglose Verfassungsbeschwerde betreffend die Verzinsung zu Unrecht entrichteter Kernbrennstoffsteuer (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde mangels Grundrechtsverletzung zurückgewiesen, die die Frage betrifft, ob es infolge der Nichtigerklärung des Kernbrennstoffsteuergesetzes durch das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich geboten ist, einen von der Beschwerdeführerin im Jahr 2016 entrichteten und im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2017 an sie zurückerstatteten Steuerbetrag in Höhe von 54.725.320 Euro ab dem Zeitpunkt der Steuerzahlung zu verzinsen.

Stattgebender Kammerbeschluss: Nichtanwendung einer offensichtlich einschlägigen Übergangsvorschrift (Art 103h EGInsO) durch das Insolvenzgericht verletzt Art 3 Abs 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Stattgebender Kammerbeschluss des BVerfG 2. Senat 3. Kammer)

Stattgebender Kammerbeschluss vom 29.07.2022, AZ 2 BvR 1154/21, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220729.2bvr115421Art 3 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 103h EGInsO, § 290 Abs 1 InsO vom 05.10.1994, § 290 Abs 1 Nr 1 InsO vom 15.07.2013