Verhandlungstermin am 19. März 2021, 10.00 Uhr – V ZR 234/19 (Nachbarrecht: Darf bei überhängenden Ästen von dem Selbsthilferecht nach § 910 BGB auch dann Gebrauch gemacht werden, wenn der Baum dadurch seine Standfestigkeit verliert?) (Pressemeldung des BGH)

Verhandlungstermin am 19. März 2021, 10.00 Uhr – V ZR 234/19 (Nachbarrecht: Darf bei überhängenden Ästen von dem Selbsthilferecht nach § 910 BGB auch dann Gebrauch gemacht werden, wenn der Baum dadurch seine Standfestigkeit verliert?)

Ausgabejahr2021
Erscheinungsdatum16.03.2021

Nr. 055/2021

Sachverhalt:

Die Parteien sind Nachbarn. Auf dem Grundstück der Kläger steht seit rund 40 Jahren eine Schwarzkiefer, deren Äste seit mindestens 20 Jahren auf das benachbarte, dem Beklagten gehörende Grundstück ragen. Der Baum hat eine Höhe von rund 15 Metern. Der Beklagte, der sich durch die herabfallenden Nadeln und Zapfen gestört fühlt, forderte die Kläger erfolglos auf, die überhängenden Äste zurückzuschneiden. Anschließend schnitt er selbst Äste ab. Die Kläger verlangen von dem Beklagten, es zu unterlassen, von der Kiefer überhängende Zweige oberhalb von fünf Metern abzuschneiden. Sie machen geltend, dass das Abschneiden der Äste die Standsicherheit des Baums gefährde.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolgreich.

Rechtliche Problemstellung:

Die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung, die Kläger müssten das Abschneiden der Zweige nicht nach § 910 BGB dulden, weil diese Vorschrift nur unmittelbar von den überhängenden Ästen ausgehende Beeinträchtigungen erfasse, nicht aber mittelbaren Folgen, wie den Abfall von Nadeln und Zapfen, ist durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2019 (V ZR 102/18) überholt. Damit stellt sich voraussichtlich die höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage, ob das durch § 910 BGB gewährte Selbsthilferecht des Nachbarn auch dann besteht, wenn der Baum infolge der Beseitigung des Überhangs seine Standfestigkeit verliert oder abzusterben droht.

Vorinstanzen

Amtsgericht Pankow/Weißensee – Urteil vom 8. August 2018 – 7 C 146/18

Landgericht Berlin – Urteil vom 9. September 2019 – 51 S 17/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 910 BGB:

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

§ 1004 BGB:

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Karlsruhe, den 16. März 2021

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

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