BGH 2. Strafsenat, Beschluss vom 21.10.2025, AZ 2 StR 155/25, ECLI:DE:BGH:2025:211025B2STR155.25.0
Verfahrensgang
vorgehend LG Mühlhausen, 17. Juli 2024, Az: 3 Ks 142 Js 61045/21
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 17. Juli 2024
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer Schusswaffe und des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe schuldig ist,
b) aufgehoben im Einzelstrafausspruch im Fall III. der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ferner hatte es eine Einziehungs- und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
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Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 12. Oktober 2023 (2 StR 79/23, StraFo 2024, 115 f.) unter anderem im Strafausspruch, soweit er wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe verurteilt worden war, sowie im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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Das Landgericht hat den Angeklagten nach erneuter Hauptverhandlung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz und Führen einer Schusswaffe sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten verurteilt.
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Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf den Schuld- und Strafausspruch wegen der zweiten Tat sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkten, zugunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die sie auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
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1. Der Verurteilung liegen, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, folgende bindenden Feststellungen zugrunde:
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Der Angeklagte lagerte im Dezember 2021 in seinem Gartenhaus in in einer Sporttasche mehrere zum gewinnbringenden Verkauf bestimmte Haschischplatten mit einem Gesamtgewicht von 2.704,71 Gramm und einer Mindestwirkstoffmenge von 1,32 Prozent THC. Zudem verwahrte er in unmittelbarer Nähe zu der Sporttasche einen geladenen und schussbereiten Revolver, Munition und einen selbstgebauten Schalldämpfer. Die Waffe diente dem Angeklagten zum Schutz vor unberechtigtem Zugriff Dritter auf die Drogen.
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2. Die auf die Sachrüge im Umfang des Revisionsangriffs veranlasste materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
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a) Auf die Tat, die unter anderem das Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge Cannabis zum Gegenstand hat, ist nicht das Betäubungsmittelgesetz, sondern das seit dem 1. April 2024 geltende Konsumcannabisgesetz anzuwenden. Ob, was Voraussetzung seiner Anwendung ist, das Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten milder und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist, richtet sich nach einem konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 – 3 StR 201/24, Rn. 7 mwN). Dieser Vergleich fällt hier zugunsten der Anwendung neuen Rechts aus, weil der Senat mit Blick auf die für den Angeklagten sprechenden gewichtigen Strafzumessungsgesichtspunkte, insbesondere die schlechte Qualität des sichergestellten Cannabis, und die von der Strafkammer verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und acht Monaten sicher davon ausgehen kann, dass das Landgericht einen minder schweren Fall des § 34 Abs. 4 KCanG angenommen hätte, dessen Strafrahmen gegenüber dem Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG milder ist.
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b) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Dass der Schuldspruch im ersten Rechtsgang insoweit rechtskräftig geworden war, hindert die Berücksichtigung der Gesetzesänderung im Revisionsverfahren und die Änderung des Schuldspruchs auf der Grundlage der § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 – 3 StR 35/64, BGHSt 20, 116, 118; Beschlüsse vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216; vom 29. April 2024 – 6 StR 117/24, StV 2024, 581, 582 Rn. 9 ff., und vom 10. Juli 2024 – 6 StR 283/24, Rn. 3).
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3. Die Änderung des Schuldspruchs führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann angesichts der generell milderen gesetzgeberischen Bewertung des Umgangs mit Cannabis nicht gänzlich ausschließen, dass der Tatrichter aus dem niedrigeren Strafrahmen eine geringere Einzelstrafe als die moderat bemessene Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt hätte. Die Aufhebung der Einzelstrafe entzieht der Gesamtstrafe den Boden.
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4. Die Feststellungen sind von der Aufhebung nicht betroffen. Sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und durch den neuen Tatrichter durch solche ergänzt werden, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
Menges Zeng Meyberg
Zimmermann Herold
