BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 28.10.2025, AZ VIa ZR 119/22, ECLI:DE:BGH:2025:281025UVIAZR119.22.0
Verfahrensgang
vorgehend OLG Düsseldorf, 23. Dezember 2021, Az: I-22 U 31/21
vorgehend LG Düsseldorf, 19. Januar 2021, Az: 18c O 45/20
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 2021 aufgehoben, hinsichtlich des Hauptantrags mit der Maßgabe, dass die Nutzungsentschädigung nicht unter 16.179 € beträgt.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für die Revision wird auf bis 50.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Er erwarb im Mai 2018 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz E 350d AMG, der mit einem Dieselmotor des Typs OM 642 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist.
3
Der Kläger hat die Beklagte auf Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich einer bezifferten Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat im tenorierten Umfang zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge insoweit weiter.
Entscheidungsgründe
4
Die Revision hat Erfolg.
I.
5
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – im Wesentlichen wie folgt begründet:
6
Das Landgericht habe zu Recht eine Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB verneint. Selbst wenn es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln sollte, so fehlten jegliche Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit. Dies gelte auch hinsichtlich anderer vom Kläger vorgetragener Abschalteinrichtungen. Im Übrigen sei die vom Kläger in Abzug gebrachte Nutzungsentschädigung zu niedrig bemessen. Ausgehend von einer anzunehmenden Gesamtfahrleistung von 250.000 km ergebe sich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 16.179 €.
II.
7
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
8
1. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die seitens der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
9
2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen hat, auf mögliche Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV einzugehen. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
10
Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten „großen“ Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
11
Die Berufungsentscheidung ist im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann insoweit nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
12
Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom 26. Juni 2023 in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.
C. Fischer Möhring Messing
F. Schmidt Pastohr
