Verhandlungstermin am 8. Juli 2025 um 11.00 Uhr in Sachen II ZR 154/23 (Haftungsvergleiche im sog. „Dieselskandal“) (Pressemeldung des BGH)

Verhandlungstermin am 8. Juli 2025 um 11.00 Uhr in Sachen II ZR 154/23 (Haftungsvergleiche im sog. „Dieselskandal“)

Ausgabejahr2025
Erscheinungsdatum25.03.2025

Nr. 058/2025

Der unter anderem für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung der Volkswagen AG zu Haftungsvergleichen mit einem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und einem weiteren ehemaligen Vorstandsmitglied sowie Deckungsvergleiche mit den D&O-Versicherern nichtig oder anfechtbar sind.

Sachverhalt:

Die beklagte Volkswagen AG schloss im Juni 2021 Haftungsvergleiche mit ihrem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und einem ehemaligen Vorstandsmitglied sowie darauf bezogene Deckungsvergleiche mit D&O-Versicherern zur Abgeltung und Erledigung möglicher Schadensersatzansprüche und auf diesen beruhender Deckungsansprüche gegen die Versicherer. Sie war auf der Grundlage eines Untersuchungsberichts und weiterer Prüfungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die beiden vormaligen Vorstandsmitglieder ihre Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit dem sog. „Dieselskandal“ fahrlässig verletzt hätten, weil sie Anhaltspunkte für den Einsatz unzulässiger Softwarefunktionen von Dieselmotoren nicht zum Anlass einer unverzüglichen Aufklärung genommen hätten. Die Vergleiche sahen als Eigenbeiträge bezeichnete Zahlungen der ehemaligen Vorstandsmitglieder in Höhe von 11,2 Mio. € bzw. 4,1 Mio. € und Zahlungen der D&O-Versicherer in Höhe von rund 270 Mio. € vor. Die Volkswagen AG verpflichtete sich ihrerseits, die beiden ehemaligen Vorstandsmitglieder von bestimmten Ansprüchen freizustellen, welche Dritte im Zusammenhang mit dem relevanten Sachverhalt gegen diese geltend machen könnten, und näher bestimmte sonstige Personen nicht mehr in Anspruch zu nehmen.

Die Hauptversammlung der Volkswagen AG stimmte den Vergleichsvereinbarungen am 22. Juli 2021 mit Mehrheiten von über 99% zu. Die Kläger sind Kapitalanlegerschutzvereinigungen. Sie erklärten als Aktionäre der Volkswagen AG gegen die Zustimmungsbeschlüsse Widerspruch zur Niederschrift.

Die Kläger wenden sich u.a. gegen die Zustimmungsbeschlüsse und meinen, diese seien nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zustimmungen gemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG hätten nicht vorgelegen, insbesondere sei die dort bestimmte Sperrfrist von drei Jahren nicht eingehalten. Die Vergleiche verstießen gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG. Die ehemaligen Vorstandsmitglieder und weitere im Deckungsvergleich begünstigte Personen seien Aktionäre der Volkswagen AG gewesen. Tatsächliche Vergleichsgrundlagen, wozu auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ehemaligen Vorstandsmitglieder zähle, seien nicht hinreichend ermittelt worden, was die Vergleiche zumindest anfechtbar mache. Schließlich seien die Aktionäre auch „überrumpelt“ worden. Sie hätten mit bestimmten Vergleichsinhalten, namentlich den Freistellungsvereinbarungen sowie dem Verzicht auf die Inanspruchnahme weiterer Personen, darunter sonstige ehemalige sowie amtierende Organmitglieder, nicht rechnen können und müssen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die von den Klägern eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger und ihr Streithelfer ihre Begehren in vollem Umfang weiter.

Vorinstanzen:

LG Hannover – Urteil vom 12. Oktober 2022 – 23 O 63/21

OLG Celle – Urteil vom 29. November 2023 – 9 U 93/22

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Aktiengesetz (AktG)

§ 57 Keine Rückgewähr, keine Verzinsung der Einlagen

(1) 1.Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden. (…)

(…)

§ 93 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder

(1) 1.Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. (…)

(2) 1.Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. (…)

(…)

(4) (…)

3.Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. (…)

(…)

Karlsruhe, den 25. März 2025

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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