1.    Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch endet… (Urteil des BGH 4. Zivilsenat)

BGH 4. Zivilsenat, Urteil vom 11.12.2024, AZ IV ZR 191/22, ECLI:DE:BGH:2024:111224UVIIZR191.22.0

§ 5a aF VVG, § 818 Abs 1 BGB, § 818 Abs 2 BGB, § 818 Abs 3 BGB

Leitsatz

1.    Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch endet der Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen grundsätzlich nicht vor Herausgabe des Erlangten.

2.    Für die Beurteilung einer Bereicherung des Versicherers kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Herausgabe- bzw. Ersatzanspruchs an.

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 13. April 2022, Az: 6 U 1034/20
vorgehend LG Berlin, 2. Juni 2020, Az: 7 O 157/18

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Kammergerichts – 6. Zivilsenat – vom 13. April 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 38.560,64 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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    Der Kläger begehrt die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines im Jahr 2005 mit der Beklagten geschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrages.

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    Bei der Antragstellung am 22. Dezember 2005 wurde der Kläger nicht über die Dauer der Bindung an seinen Antrag informiert. Er erhielt jedoch mehrere Belehrungen über ein Rücktrittsrecht. Die Versicherungspolice datiert vom 29. Dezember 2005.

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    Der Kläger leistete in der Folge Prämien in zwischen den Parteien streitiger Höhe. Die Beklagte zahlte 82.532,87 € in den vom Kläger ausgewählten Fonds ein. Mit am 23. März 2018 der Beklagten zugegangenem Schreiben erklärte der Kläger den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Zu diesem Zeitpunkt betrug der dem Kläger zugewiesene Fondswert 66.764,45 €. In der Folge stieg der Fondswert wieder an.

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    Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger mit der Klage Rückzahlung der eingezahlten Prämien zuzüglich gezogener Nutzungen abzüglich unstreitiger Risikokosten im Wege der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung verlangt, in erster Instanz zuletzt 125.211,94 € nebst Rechtshängigkeitszinsen.

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    Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 99.141,86 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und sie unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 83.373,44 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Die Berufung des Klägers, mit der er zuletzt eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 22.792,22 € nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt hat, hat es zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im zuletzt geltend gemachten Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Umfang der Anfechtung und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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    I. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach aus §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 und 2 BGB bejaht. Der Kläger habe dem Versicherungsvertrag im Jahr 2018 wirksam widersprochen. Der Vertrag sei im Policenmodell zustande gekommen, weil die Beklagte den Kläger bei Antragstellung in der Verbraucherinformation nicht über die Antragsbindungsfrist informiert habe. Eine Widerspruchsbelehrung nach § 5a Abs. 2 VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: VVG a.F.) habe der Kläger jedenfalls nicht in der erforderlichen Form erhalten. Allen vier in den Antragsunterlagen vorhandenen Belehrungen fehle es an der erforderlichen drucktechnischen Hervorhebung, der Belehrung im Antragsformular zusätzlich an dem Hinweis, dass die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs die Frist wahre. Der Widerspruch und die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs stellten sich auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Dafür erforderliche besonders gravierende Umstände lägen nicht vor. Der Kläger habe den Vertrag nur auf Grundlage der Vereinbarungen „gelebt“.

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    Vom Grundsatz her zutreffend habe das Landgericht die Beklagte zur Rückzahlung der geleisteten Prämien von 99.184,68 € abzüglich des Risikoanteils von 42,82 € verurteilt. Allerdings habe die Beklagte mit ihrem Einwand der Entreicherung wegen Fondsverlusten in Höhe von 15.768,42 € Erfolg, weil der Wert der zugunsten des Klägers von den ursprünglich eingezahlten 82.532,87 € erworbenen Fondsanteile im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerspruchs nur noch 66.764,45 € betragen habe. Der Anspruch aus §§ 812, 818 BGB sei mit dem Eingang des Widerspruchs des Klägers bei der Beklagten entstanden; zu diesem Zeitpunkt sei der Rechtsgrund entfallen mit der Folge, dass für die Bemessung der Bereicherung auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei. Damit seien auch die Nutzungen beziehungsweise als deren Gegenstück die Entreicherung konkret für diesen Tag der Anspruchsentstehung festzustellen. Nutzungen, die die Beklagte gegebenenfalls nach diesem Tag aus den Beitragszahlungen des Klägers gezogen habe, kämen nicht mehr dem Kläger zugute. Vielmehr stehe ihm nach der Systematik des Schuldrechts ab dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte die berechtigt verlangte Zahlung verweigere, unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 280, 286, 288 BGB ein Anspruch auf Ersatz des durch den Schuldnerverzug entstandenen Schadens zu; anspruchsbegründend sei mithin nicht ein mit der zurückbehaltenen Zahlung erwirtschafteter Gewinn der Beklagten, sondern der auf Seiten des Klägers infolge des Zahlungsverzuges entstandene Vermögensschaden.

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II. Die Revision ist im geltend gemachten Umfang zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Kläger mit der Revision sein Klagebegehren weiterverfolgen, soweit das Berufungsgericht die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten hinsichtlich der Hauptforderung um 15.768,42 € reduziert und den in der Berufungsinstanz zuletzt weiterverfolgten Klageantrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 22.792,22 € zurückgewiesen hat. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 1. September 2021 erklärt hat, er nehme seine Berufung in Höhe eines Betrages von 11.796,39 € zurück und verhandele über den Betrag von 13.263,45 € streitig weiter. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er indes den mit Schriftsatz vom 5. April 2022 angekündigten Antrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 22.792,22 € nebst Zinsen zu zahlen. Diese Erweiterung des Berufungsantrags hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei als zulässig behandelt. Wird die Berufung – wie im Streitfall – unbeschränkt eingelegt, so erstreckt sich die dadurch eintretende Hemmung der Rechtskraft (§ 705 Satz 2 ZPO) grundsätzlich auch dann auf das gesamte Urteil, wenn die Berufungsbegründung – wie hier – einen beschränkten Antrag enthält. Allein aus dem Umstand, dass dieser – hier auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 25.059,84 € gerichtete – Antrag hinter der Beschwer – hier in Höhe der Differenz von 26.070,08 € zwischen dem letzten erstinstanzlichen Antrag und dem durch das Landgericht ausgeurteilten Betrag – zurückbleibt, lässt sich kein teilweiser Rechtsmittelverzicht entnehmen. Der Berufungskläger kann daher das Rechtsmittel auch nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2000 – IX ZR 6/99, BGHZ 145, 256 [juris Rn. 11] m.w.N.; Musielak/Voit/Ball, ZPO 21. Aufl. § 516 Rn. 27, § 520 Rn. 25). Die fristgerechte Berufungsbegründung des Klägers erfüllt diese Voraussetzungen. Ein (teilweiser) Rechtsmittelverzicht ist auch seinem Schriftsatz vom 1. September 2021, mit dem er die Berechnung seiner Forderung an die zwischenzeitlich von der Beklagten erteilte Auskunft zum Sparbeitrag angepasst hat, nicht zu entnehmen.

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    III. Die Revision ist auch begründet. Die Berufungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 und 2 BGB kann dem Kläger nicht teilweise mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden.

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    1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass das Widerspruchsrecht des Klägers nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. grundsätzlich fortbestand, weil die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über dieses belehrt hat. Der Vertrag ist nicht nach dem Antragsmodell, sondern nach dem Policenmodell geschlossen worden, weil die Beklagte bei Antragstellung die nach § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) erforderliche Verbraucherinformation wegen des Fehlens der Angaben über die Antragsbindungsfrist nicht vollständig erteilt hat (vgl. Senatsurteile vom 29. November 2023 – IV ZR 117/22, VersR 2024, 230 Rn. 14; vom 18. Juli 2018 – IV ZR 68/17, VersR 2018, 1113 Rn. 14 f.; vom 23. September 2015 – IV ZR 179/14, r+s 2015, 539 Rn. 11). Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 29. November 2023 (aaO Rn. 19 f.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, muss bei einem beabsichtigten Vertragsschluss im Antragsmodell die nach § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG a.F. erforderliche Verbraucherinformation eine Angabe über die Antragsbindungsfrist auch dann enthalten, wenn der Versicherer den Antrag des Versicherungsnehmers binnen der vertraglich vereinbarten oder der gesetzlichen Antragsbindungsfrist (§ 147 Abs. 2 BGB) annimmt.

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    Die Beklagte hätte den Kläger daher über das ihm gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zustehende Widerspruchsrecht ordnungsgemäß belehren müssen (§ 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.). Eine wirksame Widerspruchsbelehrung hat sie nicht erteilt. Selbst wenn die Rücktrittsbelehrungen, die sie dem Kläger übergeben hat, als Widerspruchsbelehrungen ausgelegt würden, waren diese nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts bereits entgegen § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht hinreichend drucktechnisch hervorgehoben.

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    2. Weiter ohne revisionsrechtlich zu beanstandende Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht wegen des Vorliegens besonders gravierender Umstände nach § 242 BGB an der Ausübung seines Widerspruchsrechts durch den als Widerspruchserklärung auszulegenden Rücktritt gehindert war. Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Versicherer bei einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung zwar grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat. Aber auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung kann die Geltendmachung des Widerspruchsrechts ausnahmsweise Treu und Glauben widersprechen und damit unzulässig sein, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind (Senatsurteil vom 19. Juli 2023 – IV ZR 268/21, BGHZ 238, 32 Rn. 9 m.w.N.; st. Rspr.). Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlerhafte Belehrung der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Widerspruchsrechts entgegensteht, können nicht aufgestellt werden. Vielmehr obliegt die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall dem Tatrichter. Auch in Fällen eines fortbestehenden Widerspruchsrechts kann die Bewertung des Tatrichters in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senatsurteil vom 19. Juli 2023 aaO Rn. 10 m.w.N.). Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass dem Berufungsgericht das festgestellte Verhalten des Klägers nicht zur Annahme besonders gravierender Umstände ausgereicht hat, weil er sich damit jeweils lediglich auf Grundlage der Vertragsvereinbarungen bewegt habe.

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    3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch der Beklagten den Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB zugebilligt und dem Kläger den Ersatz weiterer Nutzungen versagt. Die positive Entwicklung des Fondswertes in der Zeit nach der Ausübung des Widerspruchs kommt dem Versicherungsnehmer als Bereicherungsgläubiger, nicht dagegen dem Versicherer als Bereicherungsschuldner zugute.

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    a) Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 und 2 BGB kann der Versicherungsnehmer, dessen wirksamer Widerspruch zur rückwirkenden (ex tunc) Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages und damit zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung führt (vgl. Senatsurteile vom 21. März 2018 – IV ZR 353/16, VersR 2018, 535 Rn. 23; vom 11. November 2015 – IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 37; vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 41 f.), grundsätzlich die Herausgabe sämtlicher seitens des Versicherers erlangten Prämien beziehungsweise deren Ersatz verlangen. Anders als das Berufungsgericht (unter Verweis auf BGH, Urteil vom 7. Oktober 1994 – V ZR 4/94, NJW 1995, 53 [juris Rn. 24]) (wohl) meint, entfällt der Rechtsgrund für die Prämienzahlung im Falle des Widerspruchs nach § 5a VVG a.F. nicht erst mit Ausübung des Widerspruchs und damit „später“ im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB, sondern rückwirkend auf den Zeitpunkt des (beabsichtigten) Vertragsschlusses (vgl. Senatsurteil vom 21. März 2018 aaO Rn. 16).

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    Die folglich anwendbaren § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB gewähren einen auf das Erlangte selbst sowie unter anderem auf die daraus gezogenen Nutzungen gerichteten Herausgabeanspruch. Im Falle der Unmöglichkeit der Herausgabe ist gemäß § 818 Abs. 2 BGB der Wert zu ersetzen. Dieser Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen endet – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – grundsätzlich auch nicht vor der Herausgabe des Erlangten (vgl. auch BGH, Urteile vom 5. Juli 2006 – VIII ZR 172/05, BGHZ 168, 220 Rn. 37 f., 45 f. zur Verpflichtung der Herausgabe bis zum Eintritt der Unmöglichkeit; vom 14. Juli 2000 – V ZR 82/99, BGHZ 145, 52, 54 f. [juris Rn. 1 f., 7]). Der Bereicherungsanspruch soll nicht eine Vermögensminderung im Vermögen des Benachteiligten, sondern einen grundlosen Vermögenszuwachs im Vermögen des Bereicherten ausgleichen (BGH, Urteile vom 7. Oktober 1994 – V ZR 4/94, NJW 1995, 53 [juris Rn. 24]; vom 8. Mai 1956 – I ZR 62/54, BGHZ 20, 345, 355 [juris Rn. 19]; st. Rspr.). Solange das Erlangte beziehungsweise dessen Surrogat (§ 818 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB) im Vermögen des Bereicherten vorhanden ist, er damit wirtschaftet und tatsächlich Nutzungen daraus zieht, und solange hierfür kein Rechtsgrund besteht, sind die Voraussetzungen der § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 und 2 BGB erfüllt.

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Der Bereicherungsgläubiger ist auch – anders als das Berufungsgericht meint – nicht darauf beschränkt, ab dem Zeitpunkt einer Zahlungsverweigerung des Bereicherungsschuldners einen bei sich eingetretenen (Verzugs-)Schaden geltend zu machen. Zwar kann der Bereicherungsgläubiger nicht für denselben Zeitraum nebeneinander die Herausgabe der gezogenen Nutzungen einerseits und Prozess- oder Verzugszinsen auf die Hauptforderung der Prämienrückzahlung andererseits verlangen (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2022 – IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 22; vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 58). Das bedeutet aber nicht, dass der – verschuldensunabhängige – bereicherungsrechtliche Nutzungsherausgabeanspruch durch die bloße Möglichkeit der Geltendmachung eines – etwaigen und verschuldensabhängigen – Schadensersatzanspruchs im Sinne einer Gesetzeskonkurrenz verdrängt wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 – V ZR 82/99, BGHZ 145, 52, 56 [juris Rn. 10]). Vielmehr steht es dem Gläubiger frei, den für ihn vorzugswürdigen Anspruch zu wählen. Die aus dem Bereicherungsgegenstand tatsächlich gezogenen Nutzungen stehen daher, solange ihn der Bereicherungsschuldner ohne Rechtsgrund erlangt hat und behält, allein dem Bereicherungsgläubiger zu. Ein Wertzuwachs der Fondsanteile, in die der Sparanteil seiner geleisteten Prämien investiert wurde, gebührt als aus dem Bereicherungsgegenstand gezogene Nutzung damit ausschließlich dem Kläger.

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    b) Die Beklagte kann sich mit der gegebenen Begründung des Berufungsgerichts auch nicht auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass eine Vermögensmehrung des Versicherers durch die Zahlungen des Versicherten nicht deshalb zu verneinen ist, weil er den Sparanteil nach den Vorgaben des Versicherten in einem Fonds angelegt hat (vgl. Senatsurteil vom 21. März 2018 – IV ZR 353/16, VersR 2018, 535 Rn. 12). Ebenfalls geklärt ist jedoch auch, dass der Versicherer, der die Sparanteile der Prämien vereinbarungsgemäß in einem Fonds angelegt hat, sich bei Fondsverlusten auf die Einrede der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen kann (Senatsurteile vom 21. März 2018 aaO Rn. 13 ff.; vom 11. November 2015 – IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 35 ff.; jeweils m.w.N.). Eine Entreicherung der Beklagten kann hier nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung angenommen werden. Für die Beurteilung der noch vorhandenen Bereicherung der Beklagten kommt es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen und angesichts der in der Folge eingetretenen Fondsgewinne nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs des Widerspruchs an.

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    Nach der im Rahmen der Abwicklung gegenseitiger nichtiger Verträge anwendbaren sogenannten Saldotheorie besteht nur ein einheitlicher Anspruch auf Herausgabe des Überschusses der Aktiv- über die Passivposten, der dem Teil zusteht, zu dessen Gunsten sich ein Saldo errechnet (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 2000 – V ZR 82/99, BGHZ 145, 52, 54 f. [juris Rn. 7] m.w.N.; vom 11. März 1988 – V ZR 27/87, NJW 1988, 3011 [juris Rn. 16]; st. Rspr.). Dabei kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Herausgabe- bzw. Ersatzanspruchs an (vgl. Martinek/Heine in jurisPK-BGB, 10. Aufl. § 818 Rn. 69). Das ergibt sich bereits aus dem gegenwartsbezogenen Wortlaut des § 818 Abs. 3 BGB, der die Herausgabe- bzw. Ersatzverpflichtung nur ausschließt, soweit der Bereicherungsschuldner nicht mehr bereichert ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 164/14, WM 2015, 733 Rn. 12: „noch vorhanden“). Auch ist es der Grundgedanke des Bereicherungsrechts, den redlichen Bereicherungsschuldner insoweit zu privilegieren, als bei ihm keine Vermögensminderung über den Betrag seiner wirklichen Bereicherung hinaus eintreten darf (vgl. Senatsurteil vom 15. März 1978 – IV ZR 77/77, WM 1978, 708, 711; Staudinger/Lorenz, BGB [2007] § 818 Rn. 33). Entfällt eine zwischenzeitlich eingetretene Entreicherung wieder – etwa durch die Ziehung weiterer, wie oben ausgeführt dem Bereicherungsgläubiger zustehender, Nutzungen aus dem Bereicherungsgegenstand -, besteht kein Anlass, den Bereicherungsschuldner insoweit zu entlasten.

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    III. Die Sache ist mangels konkreter Feststellungen zum Wert der Fondsanteile des Klägers, für den es – vorbehaltlich einer verschärften Haftung der Beklagten – auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ankommt (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. November 2018 – IX ZR 229/17, VersR 2019, 556 Rn. 29), noch nicht entscheidungsreif. Das angefochtene Urteil ist daher im Umfang des Unterliegens des Klägers aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung sowie zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Prof. Dr. Karczewski                Harsdorf-Gebhardt                Dr. Brockmöller

                               Dr. Bußmann                          Dr. Bommel

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