Beschluss des BVerwG 10. Senat vom 04.07.2024, AZ 10 B 31/23

BVerwG 10. Senat, Beschluss vom 04.07.2024, AZ 10 B 31/23, ECLI:DE:BVerwG:2024:040724B10B31.23.0

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 20. Juni 2023, Az: 2 C 251/21, Urteil

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20. Juni 2023 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan der Beigeladenen zum Heben und Einleiten von Grubenwasser als Folge des Ansteigenlassens des Grubenwasserspiegels. Der Planfeststellungsbeschluss umfasst als weitere Entscheidungen auch die wasserrechtlichen Erlaubnisse für das Ansteigenlassen des Grubenwasserspiegels, die Umleitung des Gruben- bzw. Grundwassers, dessen Zutagefördern in einer näher bestimmten Menge und seine anschließende Einleitung in die Saar. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

II

2

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hiergegen hat keinen Erfolg.

3

Der von der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung aufgeworfenen Frage:

„Erstreckt sich die Zuständigkeit der Bergbehörde bei einem nach § 52 Abs. 2a BBergG i. V. m. der UVP-V Bergbau planfeststellungsbedürftigen Vorhaben, das mit mehreren, aufeinander aufbauenden erlaubnispflichtigen Gewässerbenutzungen verbunden ist, von denen eine die Planfeststellungsbedürftigkeit des Vorhabens begründet, auch auf die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnisse, die die Planfeststellungsbedürftigkeit des Vorhabens nicht begründen?“

kommt die von ihr geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht zu.

4

Die Frage wäre im angestrebten Revisionsverfahren schon nicht klärungsfähig, weil es auf sie nicht entscheidungserheblich ankäme. Denn die zusammen mit dem bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss erteilten wasserrechtlichen Erlaubnisse sind ausweislich des angegriffenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts und des Planfeststellungsbeschlusses (PFB Ziff. 2.1.1) im Einvernehmen mit dem damaligen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz des Beklagten als zuständiger Wasserbehörde im Sinne von § 19 Abs. 3 WHG erteilt worden, welche insbesondere auch die auf die Erlaubnisse bezogenen Auflagen formuliert hat. Zuständigkeitsregelungen zählen im weiteren Sinne zu den Vorschriften über das Verwaltungsverfahren, die nach ständiger Rechtsprechung nicht um ihrer selbst willen drittschützend sind, sondern nur im Hinblick auf eine dem Verfahrensrecht zugrundeliegende materiell-rechtliche Rechtsposition des Betroffenen. Ein Verfahrensfehler kann nur dann gerügt werden, wenn er die Sachentscheidung beeinflusst haben kann (vgl. § 46 VwVfG). Dafür muss nach den Umständen des Einzelfalls nicht nur die abstrakte, sondern die konkrete Möglichkeit bestehen, dass die Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2008 – 9 B 64.07 – NVwZ 2008, 795 Rn. 7 ff., 10 m. w. N.). Daran fehlt es hier wegen des erteilten Einvernehmens der zuständigen Wasserbehörde offenkundig.

5

Unabhängig hiervon könnte die von der Klägerin formulierte Frage auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig im bejahenden Sinne beantwortet werden (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2024 – 10 BN 4.23 – juris Rn. 10).

6

Bei einem Vorhaben, das nach der Verordnung nach § 57c BBergG (UVP-V Bergbau vom 13. Juli 1990, BGBl. I S. 1420, zuletzt geändert durch Art. 1 VO zur Änd. der UVP-V Bergbau vom 18. Dezember 2023, BGBl. 2024 I Nr. 2) in Verbindung mit den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, ist – obligatorisch – ein Rahmenbetriebsplan aufzustellen und für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 57a und 57b BBergG durchzuführen (§ 52 Abs. 2a Satz 1 BBergG). Die Planfeststellungsbehörde entscheidet für ein Vorhaben, mit dem die Benutzung eines Gewässers verbunden ist und für das ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird, nach § 19 Abs. 1 und 3 WHG im Einvernehmen mit der zuständigen Wasserbehörde auch über die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung. § 19 Abs. 1 WHG stellt insoweit die für planfestzustellende Vorhaben speziellere Regelung gegenüber der grundsätzlich für alle Arten von bergrechtlichen Betriebsplänen geltenden Regelung des § 19 Abs. 2 WHG dar, welcher das Oberverwaltungsgericht hier die Zuständigkeit der Bergbehörde für die wasserrechtlichen Erlaubnisse entnommen hat. Die wasserrechtliche Entscheidung tritt nach § 19 Abs. 1 WHG neben die Planfeststellung, auch wenn sie in demselben Beschluss getroffen wird, und bleibt rechtlich selbstständig (BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 – 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 450, vom 18. März 2009 – 9 A 39.07 – BVerwGE 133, 239 Rn. 32 und vom 23. Juni 2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 Rn. 56). Es kommt zu einer reinen Zuständigkeits- und Verfahrenskonzentration, nicht jedoch zu einer Entscheidungskonzentration (BVerwG, Urteil vom 18. März 2009 – 9 A 39.07 – BVerwGE 133, 239 Rn. 32). Die gegenüber § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vorrangige Spezialregelung des § 19 Abs. 1 WHG ordnet somit eine lediglich eingeschränkte Konzentrationswirkung an (vgl. Keienburg/​Wiesendahl, in: Kühne/​von Hammerstein/​Keienburg/​Kappes/​Wiesendahl, BBergG, 3. Aufl. 2023, § 57a Rn. 44).

7

Schon aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 WHG ergibt sich, dass sich die Zuständigkeit der planfeststellenden Bergbehörde für wasserrechtliche Erlaubnisse auf sämtliche mit dem planfestzustellenden Vorhaben verbundene Benutzungen eines Gewässers bezieht. Sie beschränkt sich entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht auf bestimmte Benutzungen, aufgrund derer eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben durchzuführen ist. Die Regelung knüpft an das gesamte Vorhaben an, wenn mit ihm Gewässerbenutzungen verbunden sind, und überträgt die Zuständigkeit für alle diesbezüglichen wasserrechtlichen Erlaubnisse der für das Planfeststellungsverfahren zuständigen Behörde. Das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren für einen UVP-pflichtigen obligatorischen Rahmenbetriebsplan befasst sich seinerseits mit dem – wesentlich von dem Antrag des Bergbauunternehmens bestimmten – Gesamtvorhaben. Auch aus Sinn und Zweck der UVP-Richtlinie folgt, dass ein Vorhaben für die Beurteilung der Umweltauswirkungen als Ganzes in den Blick genommen und Gegenstand des Verfahrens sein soll, wenn es einer Prüfung seiner Umweltverträglichkeit bedarf. Deshalb ist ein obligatorischer Rahmenbetriebsplan im Sinne des § 52 Abs. 2a Satz 1 BBergG nur für ein Bergbauvorhaben als Ganzes (Gesamtvorhaben) aufzustellen und in einem Planfeststellungsverfahren mit eingeschlossener Umweltverträglichkeitsprüfung zuzulassen. Einem Planfeststellungsverfahren mit eingeschlossener Umweltverträglichkeitsprüfung sind hingegen nicht gegenständlich oder zeitlich begrenzte Teilabschnitte eines Bergbauvorhabens unterworfen (BVerwG, Beschluss vom 21. November 2005 – 7 B 26.05 – ZfB 2006, 27 Rn. 16; vgl. auch Piens/​Schulte/​Graf Vitzthum, BBergG, 3. Aufl. 2020, § 52 Rn. 147).

8

Sind also mit dem Gesamtvorhaben, für das der Rahmenbetriebsplan aufzustellen ist, wie hier vom Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, mehrere Gewässerbenutzungen verbunden, ist die Bergbehörde nach § 19 Abs. 1 WHG für die Entscheidung über deren Erlaubnis unabhängig davon zuständig, welche konkreten Benutzungstatbestände die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für den Rahmenbetriebsplan nach sich ziehen.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

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