Vorverwendung mit Führungsfunktion (Beschluss des BVerwG 2. Senat)

BVerwG 2. Senat, Beschluss vom 24.07.2024, AZ 2 VR 5/23, ECLI:DE:BVerwG:2024:240724B2VR5.23.0

Leitsatz

Stellt der Dienstherr Anforderungen auf, die zwingend für die weitere Berücksichtigung im Auswahlverfahren sind, müssen diese Vorgaben den Maßstäben aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechen. Bei der „förderlichen“ Vergabe eines Dienstpostens mit Führungsaufgaben für mehrere Sachgebiete (hier: Referatsleiter beim Bundesnachrichtendienst) kann die Forderung nach einer ausreichenden Verwendungsbreite gerechtfertigt sein (hier: mindestens zwei Sachgebietsleiter-Dienstposten mit einer Gesamtzeit von vier Jahren).

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 24 234,66 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Antragsteller beansprucht vorläufigen Rechtsschutz gegen die „förderliche“ Vergabe eines höherwertigen, der Besoldungsgruppe A 16 BBesO zugeordneten, Dienstpostens im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND).

2

Der 1976 geborene Antragsteller, ein Diplom-Physiker im höheren naturwissenschaftlichen Dienst, ist Beamter der Antragsgegnerin und wird seit dem 1. Dezember 2005 beim BND verwendet; mit Wirkung zum 31. Januar 2018 wurde er zum Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 15 BBesO) ernannt.

3

Ende August 2022 schrieb der BND am Dienstort Berlin den mit der Besoldungsgruppe A 16 BBesO bewerteten Dienstposten des Leiters des Referats … ausschließlich für Beamte in einem Statusamt der Besoldungsgruppe A 15 BBesO „förderlich“ aus (…). Die Ausschreibung nennt als konstitutive Anforderungen u. a. die „Bewährung in mindestens zwei unterschiedlichen, jeweils regelbeurteilten A 15-Führungsverwendungen, mindestens als Sachgebietsleiter mit einer Gesamtdauer von mindestens vier Jahren oder in mindestens einer regelbeurteilten A 15-Führungsverwendung mindestens als Sachgebietsleiter mit einer Mindestdauer von zwei Jahren und einer weiteren (regel)beurteilten A 15-Verwendung von mindestens zwei Jahren in einer obersten Bundesbehörde oder einer A 15-Verwendung als Residenturleiter“.

4

Mit der Begründung, der Antragsteller erfülle nicht die konstitutiven Anforderungen im Hinblick auf die Verwendungsbreite, wurde seine Bewerbung im Auswahlverfahren nicht weiter betrachtet. Da er die Leitung des Sachgebiets bei … lediglich für den Zeitraum vom 15. November 2020 bis zum 14. April 2021 wahrgenommen habe, handele es sich nicht um eine regelbeurteilte A 15-Führungsverwendung über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Vom 15. April 2021 bis zum 31. Mai 2022 habe der Antragsteller eine A 15-Referententätigkeit im … wahrgenommen, seit dem 1. Juni 2022 sei er Leiter des Sachgebiets … Da die Aufnahme dieser Tätigkeit als Sachgebietsleiter erst nach dem letzten Regelbeurteilungsstichtag am 1. Juni 2021 erfolgt sei, könne der Antragsteller noch keine regelbeurteilte A 15-Führungsverwendung vorweisen.

5

Unter den drei Bewerbern, die nach Ansicht des BND den konstitutiven Anforderungen im Hinblick auf die Verwendungsbreite genügen, wurde der Beigeladene im Auswahlvermerk als der am besten geeignete Kandidat ausgewählt; der Präsident des BND stimmte dem Vorschlag am 25. April 2023 zu. Nachdem der BND den Auswahlvermerk im Hinblick auf Einwände des Bundeskanzleramtes, die weder den Antragsteller noch den Beigeladenen betrafen, überarbeitet hatte, stimmte das Bundeskanzleramt der Auswahlentscheidung am 26. Juli 2023 zu.

6

Gegen die Auswahlentscheidung hat der Antragsteller Widerspruch erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung trägt er vor: Mit dem Erfordernis von regelbeurteilten Vorverwendungen über vier Jahre und auf zwei verschiedenen, der Besoldungsgruppe A 15 zugeordneten Dienstposten habe die Antragsgegnerin ihr Organisationsermessen überschritten. Zulässig sei lediglich das Erfordernis eines für eine Regelbeurteilung vorgesehenen Zeitraums, d. h. ein Zeitraum von drei Jahren, inzwischen nur noch zwei Jahre. Denn dieser Zeitraum reiche aus, um das Leistungsvermögen des Bewerbers im angestrebten Amt beurteilen zu können. Auch sei es für Bewerber kaum möglich, innerhalb der zeitlichen Grenzen auf zwei verschiedenen Führungspositionen der Besoldungsgruppe A 15 verwendet zu werden. Der Nachweis, die mit dem höheren Statusamt verbundenen Führungsfunktionen wahrnehmen zu können, könne auch durch eine Tätigkeit auf nur einem entsprechenden Dienstposten erbracht werden. Unvereinbar mit Art. 33 Abs. 2 GG sei auch das Erfordernis, dass die Führungsfunktionen bereits bei einer Regelbeurteilung berücksichtigt worden seien. Da eine Regelbeurteilung bis zu drei Jahre aktuell sei, bestehe die Gefahr, dass die nach der letzten Regelbeurteilung ausgeübten Führungsfunktionen nicht berücksichtigt würden. Hierdurch könne sich die geforderte Verwendungszeit von vier Jahren um bis zu drei weitere Jahre verlängern.

7

Die vom Antragsteller ausgeübte Tätigkeit als Projektleiter müsse der geforderten A 15-Führungsverwendung als Sachgebietsleiter gleichgestellt werden. In den beiden letzten Regelbeurteilungen sei dem Antragsteller attestiert worden, dass seine Tätigkeit als Projektleiter der eines Sachgebietsleiters entspreche. Der Gleichstellung mit einer A 15-Führungsverwendung als Sachgebietsleiter stehe nicht entgegen, dass der Antragsteller keine disziplinarrechtlichen Befugnisse gehabt habe. Trotz der fehlenden Disziplinarbefugnis seien bei den Regelbeurteilungen zahlreiche Aspekte der Führungsfähigkeit des Antragstellers bewertet worden. Ihm seien bis zu 13 Mitarbeiter zugewiesen gewesen. Wie ein Sachgebietsleiter habe er gegenüber diesen Mitarbeitern Leitungs- und Koordinierungsaufgaben wahrgenommen und er habe diese Mitarbeiter des gehobenen Dienstes bei zwei Regelbeurteilungsrunden beurteilt. Für die Annahme, dass er nicht lediglich Fachvorgesetzter gewesen sei, spreche auch der Umstand, dass er im Dezember 2019 an einer Fortbildung zu den neuen Beurteilungsrichtlinien teilgenommen habe. Als Sachgebietsleiter sei er für einen Zeitraum von einem Jahr und elf Monaten (1. April 2019 bis 28. Februar 2021) und für einen weiteren Zeitraum von 12 Monaten (1. Juni 2022 bis zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung) tätig gewesen. Der BND verhalte sich auch widersprüchlich, weil dem Antragsteller in einem anderen Auswahlverfahren bei der Ablehnung seiner Bewerbung Ende September 2023 implizit die ausreichende Führungserfahrung bescheinigt und ein Notenvergleich durchgeführt worden sei. Die Abordnung zu einer Bundesanstalt ab dem 1. Dezember 2023 stehe seiner Berücksichtigung nicht entgegen. Denn es stehe nicht fest, dass er tatsächlich an diese Bundesanstalt versetzt werde.

8

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, den Dienstposten Referatsleitung … in der Wertigkeit A 16 BBesO einer anderen Person zu übertragen, bis über die Bewerbung des Antragstellers vom 19. September 2022 erneut bzw. über den Widerspruch des Antragstellers gegen die Ablehnung seiner Bewerbung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden wurde und eine weitere Rechtsschutzfrist von wenigstens 14 Tagen abgelaufen ist.

9

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

10

Die Forderung nach einer ausreichenden Verwendungsbreite sei geradezu Ausdruck des Leistungsgrundsatzes, weil insoweit nicht auf spezielle Anforderungen des zu besetzenden Dienstpostens abgestellt werde. Das Erfordernis zweier dienstlicher Beurteilungen biete die Gewähr, eine A 16-Referatsleitung nur an Bewerber zu übertragen, die in verschiedenen Verwendungen ihre Eignung über einen längeren Zeitraum kontinuierlich nachgewiesen hätten. Da der Antragsteller noch nicht die geforderte Verwendungsbreite aufgewiesen habe, habe er aus dem weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossen werden können. Dienstposten als Sachgebietsleiter habe er nur vom 15. November 2020 bis zum 14. April 2021 und vom 1. Juni 2022 bis zum 1. Dezember 2023 innegehabt. Diese beiden Verwendungen umfassten lediglich einen Zeitraum von 13 Monaten und damit weit weniger als die geforderten vier Jahre. Darüber hinaus liege die Tätigkeit als Sachgebietsleiter ab dem 1. Juni 2022 nach Abfassung des der Auswahlentscheidung zugrundeliegenden Auswahlvermerks, sodass diese Tätigkeit für die Entscheidung nicht relevant sein könne. Die Tätigkeit als Sachgebietsleiter vom 15. November 2020 bis zum 14. April 2021 umfasse lediglich fünf Monate und nicht wie in der Förderungsrichtlinie-BND vorgegeben einen Zeitraum von sechs Monaten.

11

Die Leitung einer Projektgruppe im Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis Ende Februar 2021 sei insoweit nicht zu berücksichtigen, weil der Antragsteller gerade nicht als Sachgebietsleiter eingesetzt gewesen sei. Ähnlich einer Teamleitung habe es sich lediglich um eine Führungsverwendung unterhalb der Funktionsebene der Sachgebietsleitung gehandelt. Der Antragsteller habe lediglich fachliche Führungsaufgaben gehabt, aber keine disziplinarischen Befugnisse eines Dienstvorgesetzten. Damit sei der Antragsteller lediglich Fachvorgesetzter gewesen, eine Organisationseinheit habe er allerdings nicht geleitet. Seinem organisatorischen Dienstposten als herausgehobener Referent entsprechend habe er lediglich als „primus inter pares“ fungiert. Gegen die Berücksichtigung dieser Tätigkeit spreche auch, dass der Antragsteller diesen Dienstposten bereits 2016 im Statusamt eines Oberregierungsrats übernommen habe. Die Projektgruppe sei 2016 ohne Beteiligung der im BND für Organisation und Dienstpostenbewertung zuständigen Referate eingerichtet worden. Dementsprechend lasse die Übertragung der Tätigkeit durch den Leiter der ehemaligen Unterabteilung nicht den Schluss zu, es handele sich bei der Leitung der Projektgruppe um eine A 15-bewertete Führungsverwendung. Die Tätigkeit als Projektleiter sei auch nicht als gleichwertig anzuerkennen. Selbst wenn die bisherige Auswahlentscheidung rechtswidrig sein sollte, sei der Antrag unbegründet, weil die zukünftige Berücksichtigung des Antragstellers ausgeschlossen sei. Voraussetzung des Anspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG sei es, dass der Bewerber für die im Beförderungsamt zu erbringenden Leistungen auch tatsächlich zur Verfügung stehe. Dies sei hier aber ausgeschlossen, weil der Antragsteller ab dem 1. Dezember 2023 mit dem Ziel der Versetzung an eine Bundesanstalt abgeordnet worden sei.

12

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

13

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II

14

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den der Senat gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Zwar hat der Antragsteller den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (1.), nicht aber den Anordnungsanspruch (2.).

15

1. Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund i. S. v. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO für den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite.

16

Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller seit dem 1. Dezember 2023 an eine Bundesanstalt mit dem Ziel der Versetzung abgeordnet ist (derzeit bis Ende August 2024). Denn es steht nicht fest, dass der Antragsteller den Geschäftsbereich des BND verlassen und zukünftig anderweitig im Bundesdienst tätig sein wird.

17

Mit der Vergabe des streitbefangenen Dienstpostens an den Beigeladenen ist auch die Gefahr verbunden, dass die Rechte des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnten. Zwar ist Gegenstand des Verfahrens nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amts, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte, wenn der unterlegene Bewerber unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an der Ausschöpfung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 – BVerwGE 138, 102 Rn. 27 und vom 13. Dezember 2018 – 2 A 5.18 – BVerwGE 164, 84 Rn. 22 ff.). Ausschreibung und Auswahlentscheidung sind vielmehr ausdrücklich nur auf die Vergabe eines Dienstpostens bezogen. Diese kann nachträglich aufgehoben und der Dienstposten anderweitig besetzt werden, sodass dem Antragsteller nachgelagerter Rechtsschutz zur Verfügung steht (BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011 – 2 VR 3.11 – Buchholz 232.1 § 48 BLV Nr. 1 Rn. 19).

18

Mit der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens ist auch keine „Anwartschaft“ oder in sonstiger Weise rechtlich gesicherte Position im Hinblick auf die Vergabe des höherwertigeren Statusamts verbunden (BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2023 – 2 VR 3.23 – NVwZ 2024, 236 Rn. 12). Die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens begründet keinen Anspruch auf Beförderung (BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 1970 – 6 C 55.68 – BVerwGE 36, 218 <222> und vom 11. Dezember 2014 – 2 C 51.13 – BVerwGE 151, 114 Rn. 16). Die Einstufung und Wertigkeit des Dienstpostens, den der Beamte innehat, ist vielmehr kein den Vorgaben des Grundsatzes der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Kriterium (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 – 2 C 37.04 – BVerwGE 124, 99 <103>; Beschluss vom 24. September 2008 – 2 B 117.07 – DÖD 2009, 99 <100>; ebenso BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. März 2013 – 2 BvR 2582/12 – NVwZ 2013, 1603 Rn. 22 f.).

19

Die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe vermag die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG aber dennoch zu beeinträchtigen, weil sie Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe von Statusämtern entfalten kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20 Rn. 14 ff. m. w. N.). Der von der Antragsgegnerin zur Nachbesetzung vorgesehene und mit der Besoldungsgruppe A 16 BBesO bewertete Dienstposten stellt für den Antragsteller, der ein Amt der Besoldungsgruppe A 15 BBesO innehat, einen höherwertigen Dienstposten dar. Die Übertragung schafft daher die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung (§ 22 Abs. 2 BBG; vgl. zur ämtergleichen Umsetzung dagegen BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 A 6.13 – BVerwGE 153, 246 Rn. 18). Diese Vorwirkung ist mit der bewusst „förderlichen“ Besetzung des Dienstpostens durch Beamte mit einem Statusamt der niedrigeren Besoldungsgruppe A 15 BBesO von der Antragsgegnerin auch beabsichtigt.

20

2. Dem Antragsteller steht aber der Anordnungsanspruch für die beantragte einstweilige Anordnung nicht zu. Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass durch die Besetzung des ausgeschriebenen Dienstpostens mit dem Beigeladenen die Verwirklichung eigener Rechte vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin zu Gunsten des Beigeladenen verletzt nicht den aus § 9 Satz 1 BBG und Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Antragstellers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch).

21

a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dies bedeutet, dass öffentliche Ämter nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauswahl zu besetzen sind. Der Grundsatz gilt unbeschränkt und vorbehaltlos. Er dient primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Ämter des öffentlichen Dienstes und daneben auch dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Dem trägt er dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2008 – 2 BvR 2571/07 – NVwZ 2009, 389 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20 Rn. 20). Art. 33 Abs. 2 GG gibt die entscheidenden Maßstäbe für die Bewerberauswahl abschließend vor. Eine Auswahlentscheidung kann grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Dabei erfasst die Eignung im engeren Sinne insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. Der in Ausfüllung des Begriffs der Eignung ebenso wie der Begriffe Befähigung und fachliche Leistung dem Dienstherrn eröffnete Beurteilungsspielraum unterliegt von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Mai 2013 – 2 BvR 462/13 – IÖD 2013, 182 <183> m. w. N.).

22

b) Ausgehend hiervon ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsteller nicht in die abschließende Auswahlentscheidung einbezogen worden ist.

23

Die Antragsgegnerin ist zwar nicht gezwungen, die von ihr als sachdienlich angesehene Vorverwendung bereits im Rahmen der Ausschreibung als zwingendes Anforderungsmerkmal auszubringen. Die Verwendungsbreite könnte im Hinblick auf die sachgebietsübergreifende Aufgabe eines Referatsleiters beim BND vielmehr auf die in § 9 Satz 1 BBG und Art. 33 Abs. 2 GG benannten Maßstäbe gestützt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2023 – 2 VR 3.23 – NVwZ 2024, 236 Rn. 31) und im Rahmen der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden. Angesichts der beim BND bestehenden Atypik, dass die Laufbahnbefähigung für sich genommen aufgrund der Besonderheit der Aufgaben noch keinen hinreichenden Schluss darauf zulässt, dass der Beamte geeignet ist, die Aufgaben eines seinem Statusamt zugeordneten Dienstpostens ordnungsgemäß zu erfüllen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 2024 – 2 VR 10.23 – NVwZ 2024, 827 Rn. 35), ist die Antragsgegnerin aber auch nicht daran gehindert, die zur Aufgabenwahrnehmung erforderliche Vorverwendung bereits zum Gegenstand eines zwingenden Anforderungsmerkmals zu machen.

24

Zur Konkretisierung des Bedeutungsgehalts der Merkmale des Art. 33 Abs. 2 GG darf der Dienstherr einzelne, von den Anforderungen eines konkreten Dienstpostens unabhängige Kriterien benennen, an denen er die Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers ausrichtet. Diese abstrakte Festlegung dient der Förderung eines transparenten Beförderungssystems, in dem sie den Bediensteten im Voraus die Voraussetzungen und damit auch die eigenen Möglichkeiten aufzeigt, unter denen berufliches Fortkommen gelingen kann. Die vorliegend herangezogene Richtlinie zur Durchführung von Verfahren zur internen förderlichen Besetzung von Dienstposten und Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern im Bundesnachrichtendienst (FöRL-BND) vom 1. Juli 2021 verfolgt die Zielsetzung, durch eine zusammengefasste Offenlegung und Erläuterung der für interne förderliche Auswahlverfahren maßgeblichen formalen und inhaltlichen Kriterien diese für die Mitarbeiter möglichst transparent und nachvollziehbar zu machen. Stellt der Dienstherr – wie hier der BND – in Anwendung derartiger Richtlinien Anforderungen auf, die zwingend für die weitere Berücksichtigung im Auswahlverfahren sind, müssen diese Vorgaben den Maßstäben aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20 Rn. 27 m. w. N.). Dies setzt zum einen voraus, dass die Anforderungen eine sachliche Rechtfertigung aufweisen, insbesondere also geeignet sind, eine zuverlässigere Beurteilung des Leistungsvermögens und eine besser fundierte Prognose über die Bewährung in einem höheren Amt zu gewährleisten. Zum anderen müssen die Voraussetzungen grundsätzlich von jedem entsprechend qualifizierten Bediensteten erfüllt werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 – juris Rn. 35).

25

Diesen Anforderungen entspricht die hier geforderte qualifizierte Verwendungsbreite. Eine Bewährung in unterschiedlichen Sachgebieten steht grundsätzlich jedem Mitarbeiter des BND offen. Aus einer Vielzahl von Verfahren ist dem Senat bekannt, dass beim BND die Dienstposten im Bereich des höheren Dienstes in einem regelmäßigen und kurzen Rhythmus gewechselt werden. Die für das Fortkommen erforderlichen beruflichen Verwendungen werden regelmäßig – wie auch im vorliegenden Verfahren – ausgeschrieben (vgl. III.4. der FöRL-BND).

26

Die Anforderung einer vorangegangenen Bewährung auf mindestens zwei Führungspositionen ist auch sachlich gerechtfertigt. Je größer die Zahl der Dienstposten ist, auf denen der betreffende Bewerber jeweils eine ausreichende Zeit als Führungskraft tätig war, umso besser können seine Fähigkeiten zur Führung eines größeren Bereichs des Dienstes beurteilt werden. Bei der grundsätzlichen Forderung nach zwei unterschiedlichen Verwendungen mit einer Führungsfunktion mindestens als Sachgebietsleiter (regelmäßig in einem Statusamt der Besoldungsgruppe A 15 BBesO) kann sich der BND auch auf die Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BLV stützen. Danach können abweichend von § 17 Abs. 3 bis 5 BBG geeignete Dienstposten mit besonders leistungsstarken Beamten besetzt werden, die u. a. seit mindestens drei Jahren das Endamt ihrer bisherigen Laufbahn erreicht und sich in mindestens zwei Verwendungen bewährt haben. Der Verordnungsgeber sieht die Bewährung in lediglich einer Verwendung demnach als nicht ausreichend an, um den betreffenden Beamten als „besonders leistungsstark“ einstufen zu können.

27

Auch die vom BND für die „förderliche“ Vergabe eines Dienstpostens der Besoldungsgruppe A 16 BBesO grundsätzlich geforderte Gesamtzeit von vier Jahren zum Nachweis einer ausreichenden Vorverwendungsbreite überschreitet nicht die Grenzen des dem Dienstherrn auch insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums. Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen derartige Warte- oder Stehzeiten grundsätzlich nicht länger bemessen sein, als es typischerweise erforderlich ist, um für die anzustellende Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Bewährung des Bewerbers in dem höheren Statusamt die erforderliche Grundlage zu schaffen. Dabei wird der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum regelmäßig als Obergrenze angesehen (für die Laufbahn des mittleren Dienstes, BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 2 C 23.03 – BVerwGE 122, 147 <151 f.> und Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 – juris Rn. 35).

28

Im Gegensatz zu früheren Beurteilungsbestimmungen sieht die derzeit geltende Beurteilungsrichtlinie des BND vom 18. Dezember 2019 für eine Regelbeurteilung nicht mehr den Zeitraum von drei, sondern lediglich den Zeitraum von zwei Jahren vor. Der für die Vorverwendungsbreite grundsätzlich geforderte Gesamtzeitraum von vier Jahren entspricht daher dem Zeitraum von zwei Regelbeurteilungen. Diese Vorgabe ist angesichts der beim BND wahrzunehmenden Aufgaben noch gerechtfertigt. Beim BND existieren eine Vielzahl von Dienstposten mit sehr unterschiedlichen Anforderungen. In der hier relevanten Laufbahngruppe des höheren Dienstes sind die Dienstposten in den nachrichtendienstlichen Kernbereichen Auswertung und Beschaffung sowie in Stabsfunktionen regelmäßig mit mehreren Laufbahnen unterlegt. Die Dienstposten können dementsprechend mit Angehörigen der Laufbahn des nichttechnischen Verwaltungsdienstes, der Laufbahn des technischen Verwaltungsdienstes, der Laufbahn des sprach- und kulturwissenschaftlichen Dienstes, der Laufbahn des naturwissenschaftlichen Dienstes sowie der Laufbahn des ärztlichen und des gesundheitswissenschaftlichen Dienstes besetzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2021 – 2 A 1.21 – Buchholz 232.1 § 50 BLV Nr. 8 Rn. 27 ff.). Dementsprechend vielfältig ist die akademische Ausbildung der Bewerber (etwa Mediziner, Elektroingenieur, Soziologe, Volkswirt, Physiker oder Jurist). Allein die Qualifikation der Laufbahnbefähigung gewährleistet deshalb keine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung.

29

Das Erfordernis einer breiten Vorverwendung ergibt sich dabei insbesondere für die Aufgabe des Referatsleiters, die beim BND den Statusämtern der Besoldungsgruppe A 16 BBesO zugeordnet ist. Denn der Referatsleiter trägt die Verantwortung für mehrere Sachgebiete und muss daher in der Lage sein, diese zu führen. Demgegenüber ist die Tätigkeit auf einem Dienstposten als Sachgebietsleiter (in der Laufbahngruppe des höheren Dienstes beim BND den Statusämtern der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zugeordnet) davon geprägt, dass der jeweilige Inhaber des Dienstpostens neben der Führungsfunktion auch Fachaufgaben zu erledigen hat. Für die Tätigkeit als Sachgebietsleiter setzt der BND deshalb als vorherige Verwendung eine zweijährige Tätigkeit im nachrichtendienstlichen Kernbereich voraus, die die bereits bei Dienstantritt als Sachgebietsleiter vorausgesetzte vertiefte Fachkompetenz belegen soll. Ist die Tätigkeit auf dem Dienstposten eines Referatsleiters dagegen auf die ausschließliche Wahrnehmung von Führungsaufgaben des Referats ausgerichtet, ist die Einschätzung des BND, die Bewertung der Eignung eines Bewerbers für die Wahrnehmung von Führungsaufgaben eines Referatsleiters beruhe erst dann auf einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage, wenn der Betreffende auf zwei Sachgebietsleiter-Dienstposten verschiedener Referate für eine ausreichend lange Zeit tätig gewesen ist und sich bewährt hat, nicht zu beanstanden. Denn die Wahrnehmung von Führungsfunktionen, auf die es für die Referatsleitung entscheidend ankommt, macht nur einen Teil der Tätigkeit eines Sachgebietsleiters aus. Die Forderung, dass die Vorverwendung „regelbeurteilt“ ist, stellt sicher, dass diese Tätigkeit von ausreichender Dauer war, sodass sie bei der dienstlichen Beurteilung zu berücksichtigen ist (mindestens sechs Monate). Das weitere Merkmal der „Bewährung“ macht deutlich, dass es nicht lediglich auf die bloße Tätigkeit auf dem Dienstposten ankommt (bloße Stehzeit), sondern eine bestimmte Note (mindestens Normalleistung) vorausgesetzt ist.

30

Es kann den Vorgaben des BND hinsichtlich der Verwendungsbreite von Bewerbern auch nicht entgegengehalten werden, diese seien in sich widersprüchlich, weil für die der Referatsleitung übergeordnete Ebene (Direktor beim Bundesnachrichtendienst, Besoldungsgruppe B3 BBesO) als Vorverwendung lediglich die Bewährung in einer regelbeurteilten „A 16-Führungsverwendung“ mindestens auf der Funktionsebene der Referatsleitung mit einer Mindestdauer von zwei Jahren vorausgesetzt wird. Denn die Reduzierung der Anforderungen gegenüber der Ebene der Besetzung des Dienstpostens der Referatsleitung ist dadurch gerechtfertigt, dass bereits die Tätigkeit auf diesem Dienstposten durch die ausschließliche Wahrnehmung von Führungsaufgaben geprägt ist und deshalb die Verwendung für die Dauer von zwei Jahren eine ausreichende Grundlage für die Prognose hinsichtlich der Eignung für das nächsthöhere Statusamt ausreicht.

31

c) Die danach zulässigen Anforderungen an die Vorverwendung erfüllt der Antragsteller nicht.

32

Nach Aktenlage war der Antragsteller lediglich vom 14. November 2020 bis zum 28. Februar 2021, vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 2022 sowie vom 1. November 2022 bis Anfang Juni 2023 (Auswahlentscheidung) als Sachgebietsleiter eingesetzt. Dies erfüllt die Voraussetzungen einer mindestens vierjährigen Vorverwendung als Sachgebietsleiter nicht. Die davon abweichende Darstellung des Antragstellers, er sei vom 1. April 2019 bis zum 28. Februar 2021 als „Sachgebietsleitung T…“ tätig gewesen, beruht auf einem entsprechenden Eintrag in der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Juni 2021. Dies betrifft allerdings die Bewertung der Tätigkeit als Leiter der in der damaligen Unterabteilung eingerichteten Projektgruppe … Die Leitung dieser „Projektgruppe“ im Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 28. Februar 2021 ist im Hinblick auf die Anforderungen allerdings nicht zu berücksichtigen. Die Projektgruppe ist vom Leiter der früheren Unterabteilung des BND lediglich kraft seines Direktionsrechts eingerichtet worden; dieser hat den Antragsteller mit der Leitung dieser Gruppe beauftragt. Unerheblich ist, dass die dienstliche Tätigkeit des Antragstellers in dieser „Projektgruppe“ in dienstlichen Beurteilungen von den Beurteilern stellenweise der Leitung eines Sachgebiets („quasi Sachgebietsleiter“) gleichgestellt worden ist. Denn die genannte Förderrichtlinie des BND kann ihre Funktion nur erfüllen, wenn sie im Geschäftsbereich des BND einheitlich angewendet wird und die dortigen Kategorien für die dienstliche Verwendung der Bediensteten beachtet werden (Leitung eines Sachgebiets als kleinste Organisationseinheit des Dienstes, Referatsleitung, Dienst in einer obersten Bundesbehörde oder Dienst als Leiter einer Residentur).

33

Zudem macht das vom Antragsteller herausgehobene Zitat aus der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Juni 2021 deutlich, dass diese „Projektgruppe“ der förmlichen Einstufung als Sachgebiet … vorausging („Der Antragsteller hat … das ihm unterstellte Projektteam bis hin zur Aufstellung des Sachgebietes geleitet“). Auch sonstige Einschätzungen von Mitarbeitern des BND gegenüber dem Antragsteller außerhalb von dienstlichen Beurteilungen, die „Projektgruppe“ sei einem Sachgebiet vergleichbar (S. 185 des Verwaltungsvorgangs), reichen für eine Gleichbehandlung nicht aus.

34

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, hat er keine Kosten zu tragen (§ 154 Abs. 3 VwGO), kann aber billigerweise auch keine Kostenerstattung beanspruchen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und in Orientierung an § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG. Da der Antragsteller mit dem streitgegenständlichen Eilverfahren nur eine vorläufige Freihaltung der Stelle erreichen kann und nicht eine Vergabe an sich selbst, ist eine weitere Halbierung des Betrags geboten, sodass der Wert auf ein Viertel des sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG berechneten Betrags festzusetzen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2020 – 2 VR 2.19 – Buchholz 232.0 § 9 BBG Nr. 9 Rn. 43).

Kategorien: Allgemein