Beschluss des BVerwG 1. Wehrdienstsenat vom 23.10.2025, AZ 1 WB 59.24

BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 23.10.2025, AZ 1 WB 59.24, ECLI:DE:BVerwG:2025:231025B1WB59.24.0

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung eines Wechsels von einer Laufbahn der Reserve in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes.

2

Der Antragsteller ist Leutnant der Reserve. Vom 1. Oktober 2018 bis 30. September 2021 diente er als Soldat auf Zeit in der Laufbahn der Reserveoffizieranwärter der Bundeswehr.

3

Im Januar 2021 beantragte er den Wechsel in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Fliegerischen Dienst, bei Nichtbestehen der Phasen für den Logistischen Dienst. Im März 2021 bot ihm das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt) eine Übernahme im Werdegang Logistischer Dienst an. Er nehme zusätzlich an der Eignungsfeststellung für den Fliegerischen Dienst teil. Eine Umplanung in den Fliegerischen Dienst sei erst nach erfolgreicher fliegerischer Eignungsfeststellung (Phase II und III) möglich. Diese Entscheidung sei jedoch abhängig vom Bedarf in der gewünschten Verwendung und vom Gesamtergebnis der Fliegerischen Eignungsfeststellung. Wenn er diese Einteilungsmöglichkeit in Anspruch nehmen wolle, sei dies bis zum 31. Mai 2021 mitzuteilen. Danach verfalle das Angebot zur Übernahme und der Antrag werde abgelehnt.

4

Gegen dieses hier nicht streitgegenständliche Schreiben legte der Antragsteller Beschwerde ein. Sein primäres Ziel sei die Übernahme in den Fliegerischen Dienst gewesen. Eine Übernahme in den Technischen Dienst sei kein attraktives Angebot. Die dafür angekündigte Rückstufung in der Offizierausbildung sei nicht akzeptabel.

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Mit Ablauf des 30. September 2021 schied der Antragsteller aus dem aktiven Dienst aus.

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Mit Bescheid vom 29. März 2022 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde gegen das hier nicht streitgegenständliche Schreiben als unzulässig zurück. Es handele sich schon nicht um eine truppendienstliche Maßnahme. Auch dienstaufsichtlich sei das Vorgehen des Bundesamts nicht zu beanstanden. Einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte der Antragsteller insoweit nicht.

7

Mit Schreiben vom 13. Juli 2022 teilte das Bundesamt dem Antragsteller mit, dass die im März 2021 angebotene Einplanungsmöglichkeit aufgrund des Verstreichens der Meldefrist und des Ablaufs der Dienstzeit des Antragstellers erloschen sei. Seinem Antrag könne deshalb nicht zugestimmt werden.

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Gegen dieses Schreiben legte der Antragsteller mit Schreiben vom 5. September 2022 Beschwerde ein. Das Bundesamt gehe von einer Bewerbung „für die Luftwaffe“ aus, was nicht der Fall gewesen sei. Auch habe es 18 Monate für eine Entscheidung gebraucht. Er sei durch die Ereignisse laufbahntechnisch benachteiligt worden, im schlimmsten Fall sei sogar die Option verwehrt, jemals diese Laufbahn zu durchlaufen.

9

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2023 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde als unzulässig zurück. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienstverhältnis sei der beantragte Laufbahnwechsel objektiv unmöglich. Insofern sei Erledigung bereits vor Einlegung der Beschwerde im September 2022 eingetreten. Es liege auch kein Feststellungsinteresse vor, insbesondere genüge der pauschale Verweis auf Laufbahnnachteile nicht den Substantiierungsanforderungen. Auch ein Anlass für dienstaufsichtliches Einschreiten bestehe nicht.

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Mit Schreiben vom 10. Januar 2024 legte der Antragsteller „Beschwerde“ gegen diesen Beschwerdebescheid ein. Zur Begründung wiederholte und vertiefte er seinen Vortrag aus der Beschwerde aus dem September 2022.

11

Das Bundesministerium der Verteidigung hat das Schreiben vom 10. Januar 2024 als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und diesen mit einer Stellungnahme vom 27. November 2024 vorgelegt.

12

Der Antragsteller hat keinen ausdrücklichen Sachantrag gestellt. Im gerichtlichen Verfahren hat er sich nicht geäußert.

13

Das Bundesministerium der Verteidigung bittet, den Antrag zurückzuweisen. Dieser sei zulässig, aber unbegründet. Zur Begründung wird auf den Beschwerdebescheid verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

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1. Der Antragsteller hat keinen ausdrücklichen Sachantrag gestellt. Sein Sachvortrag ist dahingehend auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3, § 88 VwGO), dass er unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Juli 2022 und des Beschwerdebescheids vom 13. Dezember 2023 die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung begehrt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über seine Zulassung in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zu entscheiden. Im Sinne einer Gewährung umfassenden Rechtsschutzes ist zudem davon auszugehen, dass der Antragsteller hilfsweise für den Fall der Erledigung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der ablehnenden Entscheidung beantragt.

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2. Der in der Hauptsache erhobene Verpflichtungsantrag ist unzulässig. Er ist unstatthaft, weil sich das Begehren des Antragstellers erledigt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2025 – 1 WB 19.24 – juris Rn. 23 m. w. N.).

17

Ein Laufbahnwechsel setzt ein aktives Wehrdienstverhältnis im Status eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 2018 – 1 WB 37.17 – juris Rn. 12 <zu einem Wechsel eines Reservisten in die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes>). In einem solchen befindet sich der Antragsteller seit dem 1. Oktober 2021 unstreitig nicht mehr. Für Reservisten ist eine andere Laufbahnzuordnung im Übrigen nur unter den Voraussetzungen von § 9 Abs. 8 Satz 2 SLV vorgesehen, die hier nicht gegeben sind.

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2. Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig.

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a) Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die – wie hier – keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, oder die Ablehnung einer solchen Maßnahme vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO verlangt zwar nicht mehr die Stellung eines förmlichen Feststellungsantrags; der Antragsteller muss aber das Feststellungsinteresse substantiiert geltend machen (stRspr, z. B. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 – 1 WB 42.09 – NZWehrr 2010, 161 <161>). Daran fehlt es hier. Der Antragsteller hat trotz des wiederholten Hinweises des Bundesministeriums der Verteidigung auf das Fehlen eines Feststellungsinteresses hierzu nichts weiter vorgetragen. Der bloße Verweis im Beschwerdeverfahren auf angebliche Laufbahnnachteile genügt den Substantiierungsanforderungen nicht.

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b) Zudem ist die mit dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst am 1. Oktober 2021 verbundene Erledigung bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung am 28. November 2024 eingetreten. Wird das Feststellungsinteresse auf die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, gestützt (was hier allein in Betracht käme), so gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; nur in einem solchen Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für das nachfolgende Schadensersatzverfahren zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juli 2011 – 1 WB 13.11 – Rn. 21 und vom 27. Mai 2014 – 1 WB 54.13 – juris Rn. 19, jeweils m. w. N.). Ist die Erledigung dagegen bereits vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist der Beschwerdeführer gehalten, seine Schadensersatzklage im Streitfall unmittelbar beim zuständigen (Verwaltungs- oder ordentlichen) Gericht zu erheben, das – neben den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs – inzident die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme überprüft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2024 – 1 WB 23.24 – juris Rn. 29). So liegt der Fall hier.

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3. Soweit der Antrag auch gegen die dienstaufsichtlichen Ausführungen am Ende des Beschwerdebescheids gerichtet sein sollte, ist er ebenfalls unzulässig. Dienstaufsichtliches Tätigwerden kann nicht zum Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 2 WBO) gemacht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2019 – 1 WB 8.19 – juris Rn. 19 m. w. N.).

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