Beschluss des BGH 13. Zivilsenat vom 20.10.2025, AZ XIII ZB 78/22

BGH 13. Zivilsenat, Beschluss vom 20.10.2025, AZ XIII ZB 78/22, ECLI:DE:BGH:2025:201025BXIIIZB78.22.0

Verfahrensgang

vorgehend LG Amberg, 27. September 2022, Az: 32 T 727/22
vorgehend AG Schwandorf, 13. September 2022, Az: 8 XIV 13/22 B

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Amberg – 3. Zivilkammer – vom 27. September 2022 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Schwandorf vom 13. September 2022 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Freistaat Bayern auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

1

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Anordnung des Ausreisegewahrsams hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil das Amtsgericht von dem ihm nach § 62b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zustehenden Anordnungsermessen keinen Gebrauch gemacht hat.

2

Die Anordnung von Ausreisegewahrsam ist nach dieser Vorschrift nur rechtmäßig, wenn das Haftgericht nicht nur das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 62b Abs. 1 Satz 1 AufenthG festgestellt, sondern auch sein Anordnungsermessen pflichtgemäß ausgeübt und eine Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen und dem staatlichen Interesse an der zügigen Durchführung der Abschiebung vorgenommen hat, wobei die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe – wenn auch in knapper Form – in der Entscheidung darzulegen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2025 – XIII ZB 7/24, juris Rn. 10; vom 9. September 2025 – XIII ZB 2/23, juris Rn. 1, jew. mwN).

3

Diesen Anforderungen haben weder Amts- noch Landgericht erkennbar Rechnung getragen. Den Ausführungen des Amtsgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass es sich der Notwendigkeit einer Ermessensausübung bewusst war. Der Beschluss enthält weder eine Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen und dem staatlichen Interesse an der zügigen Durchführung seiner Abschiebung noch Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Gewahrsamsanordnung. Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 62b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Satz 2 AufenthG vorliegen und ausgeführt, dass deshalb Ausreisegewahrsam anzuordnen war (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2023 – XIII ZB 7/21, juris Rn. 11). Auch dem tags zuvor ergangenen und in Bezug genommenen Beschluss über die einstweilige Anordnung der Freiheitsentziehung lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Ermessensausübung entnehmen. Der Mangel ist im Beschwerdeverfahren nicht geheilt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2023, aaO Rn. 12 mwN).

4

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Roloff                                Tolkmitt                                Holzinger

                Kochendörfer                             Pastohr

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