Beschluss des BGH 3. Zivilsenat vom 19.12.2024, AZ III ZR 53/23

BGH 3. Zivilsenat, Beschluss vom 19.12.2024, AZ III ZR 53/23, ECLI:DE:BGH:2024:191224BIIIZR53.23.0

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 23. Februar 2023, Az: 8 U 39/21, Urteil
vorgehend LG Berlin, 4. März 2021, Az: 95a O 43/20

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Kammergerichts – 8. Zivilsenat – vom 23. Februar 2023 – 8 U 39/21 – wird in Bezug auf die mit der Beschwerde weiterverfolgten Klaganträge zu 1 und 2 zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte, soweit die Beschwerde zurückgewiesen wurde (§ 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO).

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf insgesamt 20.616,32 € festgesetzt. Soweit die Beschwerde zurückgewiesen wurde, wird der Streitwert auf 14.616,32 € festgesetzt.

Gründe

(zur Wirksamkeit der Verfahrensaufnahme):

1

1.    Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 1. September 2023 – 36b IN 3237/23 – ist über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Hierdurch ist das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahren gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden. Der in dem Insolvenzverfahren bestellte Insolvenzverwalter hat mit Schreiben vom 12. September 2024 die Aufnahme des Beschwerdeverfahrens gemäß § 86 Abs. 1 InsO erklärt.

2

2.    Durch die Erklärung des Insolvenzverwalters vom 12. September 2024 ist das Verfahren im Hinblick auf die – mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgten – Klageanträge zu 1 und 2, nicht jedoch im Hinblick auf die Klageanträge zu 3, 4 und 5 wirksam aufgenommen worden.

3

    a) Nach § 86 Abs. 1 InsO können Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig sind, sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn sie die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse, die abgesonderte Befriedigung oder eine Masseverbindlichkeit betreffen. Vorliegend kommt allein eine Aufnahme nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Aussonderung) in Betracht.

4

    Die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse betrifft ein Prozess, wenn er (aus Sicht des eröffneten Insolvenzverfahrens) dazu dient, ein Recht des Gegners gegen die Verwertung zugunsten der Insolvenzgläubiger zu schützen (MüKoInsO/Schumacher, 4. Aufl., § 86 Rn. 6). Der Aussonderung des Eigentums dient zum Beispiel eine Klage gegen den Schuldner beziehungsweise die Masse auf Herausgabe gemäß § 985 BGB oder auf Feststellung des Eigentums (Kayser in Kayser/Thole, InsO, 11. Aufl., § 86 Rn. 7; Schumacher aaO). Anwendbar ist § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch bei Klagen auf Feststellung des Nichtbestehens eines sonstigen vom Schuldner in Anspruch genommenen Rechts (Cymutta in BeckOK Insolvenzrecht, § 86 InsO Rn. 8 [Stand: 01.11.2024]; Uhlenbruck/Mock, InsO, 15. Aufl., § 86 Rn. 8).

5

    b) aa) Danach betreffen die Klageanträge zu 1 und 2 die Aussonderung des Grundstücks der Kläger im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Mit dem Klageantrag zu 1 begehren die Kläger die Feststellung, dass in Bezug auf in dem Antrag näher bezeichnete Flächen dem Beklagten ihnen gegenüber kein Recht zum Besitz zusteht und kein Zwischenpachtverhältnis des Beklagten zu ihnen besteht. Mit dem Klageantrag zu 2 begehren sie die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung, die vorgenannten Flächen Dritten zu überlassen und sich in Bezug auf die vorgenannten Flächen als Zwischen(ver-)pächter auszugeben. Diese Klageanträge dienen mithin dem Schutz des Grundstückseigentums der Kläger. Der Klageantrag zu 1 dient darüber hinaus der Feststellung des Nichtbestehens eines vom Schuldner in Anspruch genommenen (Pacht-)Rechts. Letztlich dient auch der Unterlassungsklageantrag zu 2 diesem Ziel.

6

    Soweit die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Schriftsatz vom 4. November 2024 vorgetragen haben, dass im Nachgang zu dem – mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenen – Urteil des Kammergerichts vom 23. Februar 2023 das Zwischenpachtverhältnis von den Klägern erneut und diesmal wirksam am 22. April 2023 fristlos gekündigt, das Zwischenpachtverhältnis damit beendet worden und die Herausgabe des Grundstücks an die Kläger in Form der Herausgabe aller Verträge mit den Unterpächtern erfolgt sei, berührt dies nicht die Wirksamkeit der vom Insolvenzverwalter gemäß § 86 Abs. 1 InsO erklärten Aufnahme des Beschwerdeverfahrens. Denn hierfür ist nicht maßgeblich, ob ein Aussonderungsrecht i.S.v. § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO tatsächlich (noch) besteht, sondern allein, ob das vorliegende Beschwerdeverfahren ein solches Recht betrifft. Dies ist in Anbetracht der von den Klägern nach wie vor mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgten Klageanträge zu 1 und 2 der Fall.

7

    bb) Mit den – ebenfalls mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgten – Klageanträgen zu 3 und 4 begehren die Kläger in Bezug auf die vorgenannten Flächen Auskunft über bestehende Einzelpachtverträge und über aus der Verpachtung vereinnahmte Entgelte. Diese Anträge betreffen nicht die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie die abgesonderte Befriedigung oder eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO betreffen. Gleiches gilt für den Klageantrag zu 5, mit dem die Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begehren, die ihnen entstanden sind.

Herrmann                              Arend

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