Beschluss des BGH 11. Zivilsenat vom 09.07.2024, AZ XI ZR 344/22

BGH 11. Zivilsenat, Beschluss vom 09.07.2024, AZ XI ZR 344/22, ECLI:DE:BGH:2024:090724BXIZR344.22.0

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 25. November 2021, Az: 20 U 1088/20
vorgehend LG Berlin, 27. Mai 2020, Az: 2 O 404/18

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 25. November 2021 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Es stellt sich insbesondere keine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts, die durch ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu klären wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2015 – 1 BvR 1320/14, juris Rn. 13 mwN). Zwar obliegt es dem Gerichtshof der Europäischen Union, die Maßstäbe für die Anwendung der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) (ABl. L 199 S. 40, ber. 2012 L 310 S. 52) [im Folgenden: Rom-II-Verordnung] zu konkretisieren (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 – C-133/08, juris Rn. 53 ff. – ICF). Bei der Prüfung, ob eine offensichtlich engere Verbindung besteht, verfügt das Gericht aber über einen Beurteilungsspielraum (vgl. EuGH, Urteil vom 10. März 2022 – C-498/20, ZRI 2022, 321 Rn. 65 – BMA Nederland; BGH, Beschluss vom 18. April 2023 – II ZR 184/21, ZRI 2023, 486, 487). Das Berufungsgericht hat die Gesamtheit der Umstände des Streitfalls im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums gewürdigt.

Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob Art. 4 Abs. 3 Satz 1 bzw. Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Rom-II-Verordnung im Fall einer Prospekthaftung dahingehend auszulegen ist, dass, wenn ein Anleger mit gewöhnlichem Aufenthaltsort in einem Mitgliedstaat mit einer Kryptowährung bezahlt, die auf einer Blockchain als Distributed-Ledger-Technologie beruht, eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht, in dem die Emittentin ihren Sitz hat, vorausgesetzt, dass sich das prospektierte Angebot nicht an Anleger mit Aufenthaltsort in dem erstgenannten Mitgliedstaat [im Folgenden: Mitgliedstaat 1], jedoch an Anleger mit Aufenthaltsort in dem Sitzstaat der Emittentin richtet, ist nicht entscheidungserheblich. Die Nichtzulassungsbeschwerde berücksichtigt nicht, dass – gemäß der Auslegung des Berufungsgerichts – die Token „nach dem Prospekt“ nicht nur Bürgern in der Schweiz, sondern auch in den USA angeboten wurden, dass aber zudem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seitens der Prospektverantwortlichen nichts unternommen wurde, um Anleger aus anderen Ländern [und somit auch aus Mitgliedstaat 1] von einer Zeichnung auf der Grundlage des Prospekts abzuhalten, sondern auch solche Beteiligungen anstandslos akzeptiert wurden.

Die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Auslegung von Art. 4 und 12 der Rom-II-Verordnung sind nicht entscheidungserheblich.

Das Berufungsgericht hat die Stellung der Beklagten als „Hintermann“ (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 24 mwN) aufgrund einer Würdigung der ihm vorliegenden Umstände und Erklärungen bejaht. Dabei hat es auch die von der Nichtzulassungsbeschwerde als übergangen gerügten Gesichtspunkte berücksichtigt und ihnen lediglich nicht die von der Beklagten gewünschte Bedeutung beigemessen. Dies begründet keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2019 – 2 BvR 2579/17, juris Rn. 23). Dass ein anderer Senat desselben Gerichts nach der vorliegenden Entscheidung in einem Urteil die Stellung der Beklagten als „Hintermann“ verneint hat, begründet keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Berufungsgericht eine offensichtlich einseitige Würdigung zulasten der Beklagten vorgenommen hätte.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis 30.000 €.

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