BGH 5. Strafsenat, Beschluss vom 02.07.2024, AZ 5 StR 273/24, ECLI:DE:BGH:2024:020724B5STR273.24.0
Verfahrensgang
vorgehend LG Chemnitz, 19. Februar 2024, Az: 4 KLs 850 Js 33863/19 (2)
vorgehend BGH, 29. März 2023, Az: 5 StR 346/22, Urteil
vorgehend LG Chemnitz, 17. Mai 2022, Az: 5 KLs 850 Js 33863/19
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 19. Februar 2024 mit den Feststellungen, ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
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Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 17. Mai 2022 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, mit Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherung und mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung anderer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, Einziehungsentscheidungen getroffen und die Fahrerlaubnisbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen; zudem hatte es wegen vermeintlicher Erfüllung einer Bewährungsauflage aus einer einbezogenen Entscheidung acht Tage der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt erklärt. Der Senat hatte dieses Urteil auf zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft mit den Feststellungen aufgehoben (BGH, Urteil vom 29. März 2023 – 5 StR 346/22).
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Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, mit Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherung und mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung anderer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, Einziehungsentscheidungen getroffen und die Fahrerlaubnisbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten führt wegen einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung zur weitgehenden Aufhebung des Urteils.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der unter anderem wegen Betäubungsmittel- und Verkehrsdelikten mehrfach vorbestrafte und langjährig Drogen konsumierende Angeklagte am 1. Oktober 2019 gegen 0.30 Uhr mit einem Leichtkraftrad, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein. Das Kraftrad war weder für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen noch versichert. An ihm war ein für ein anderes Motorrad ausgegebenes amtliches Kennzeichen angebracht, um den Anschein ordnungsgemäßer Zulassung zu erwecken. Er führte einen Rucksack mit sich, der ihm von unbekannten Dritten mit dem Auftrag übergeben worden war, ihn nach L. zu einer weiteren Person zu bringen.
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Im Rucksack befanden sich knapp 215 g Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von etwa 16 g THC und 7,5 g Crystal mit einer Wirkstoffmenge von 4,6 g Metamphetaminbase, die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Zudem waren darin eine schwarze Ledertasche mit knapp 600 Euro Bargeld, ein Pfefferspray und ein – vom Angeklagten selbst dort platziertes – Bajonett mit einer Klingenlänge von 14 cm. Der Angeklagte rechnete mit der Möglichkeit und nahm billigend in Kauf, dass er im Rucksack zum Weiterverkauf bestimmte Drogen in einer nicht geringen Menge transportierte und damit deren Verkauf unterstützte. Für seine Kurierfahrt sollte er Geld oder einen kleinen Anteil der Drogen erhalten. In seinem Gürtel führte der Angeklagte griffbereit ein Klappmesser mit einer feststellbaren Klinge von 8,5 cm Länge mit sich. Messer, Bajonett und Pfefferspray waren zur Verletzung von Menschen geeignet und bestimmt. Eine gegen 2 Uhr am Tattag entnommene Blutprobe ergab, dass der Angeklagte vor Fahrtantritt Crystal und Marihuana zu sich genommen hatte.
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2. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB die hier zu einer milderen Beurteilung führenden Änderungen durch das am 1. April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (BGBl. I 2024 Nr. 109) zu beachten hat. Dies geht einer möglichen Bindungswirkung seiner Rechtsausführungen in dem aufhebenden Urteil nach § 358 Abs. 1 StPO vor (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 358 Rn. 8 mwN).
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a) Das bewaffnete Sichverschaffen des Marihuanas unterfällt nunmehr lediglich der Strafvorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG (vgl. zur nicht geringen Menge dort BGH, Beschluss vom 29. April 2024 – 6 StR 132/24), die einen milderen Strafrahmen als der von der Kammer angewandte Strafrahmen des § 30a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BtMG aufweist. Soweit sich der Angeklagte bewaffnet das Betäubungsmittel Crystal verschafft hat, übersteigt der Wirkstoffanteil die Grenze zur nicht geringen Menge (5 g Metamphetaminbase, vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2023 – 4 StR 125/23 mwN) nicht. Eine Addition von Wirkstoffanteilen der dem Konsumcannabisgesetz unterfallenden Cannabisprodukte mit denjenigen von dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden Drogen ist nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 – 6 StR 73/24).
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b) Auch der Schuldspruch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kann keinen Bestand haben. Das Handeltreiben mit Cannabis (in nicht geringer Menge) ist nunmehr nach dem im Vergleich zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG hier milderen § 34 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zu bestrafen, hinsichtlich des Crystals ist der Grenzwert zur nicht geringen Menge nicht überschritten (siehe oben).
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c) Dies führt zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Schuldsprüche. Die vom Generalbundesanwalt beantragte Schuldspruchänderung entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO hat der Senat nicht vorgenommen. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen erscheint zwar möglich, dass sich der Angeklagte wegen des Versuchs eines bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln schuldig gemacht hat. Dies vermag der Senat den bislang nicht nach Drogenarten differenzierenden Feststellungen des Landgerichts zur subjektiven Seite aber nicht sicher zu entnehmen.
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d) Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen haben Bestand, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Insoweit bleibt die Revision ohne Erfolg. Um dem zur neuen Entscheidung berufenen Tatgericht in sich widerspruchsfreie neue Feststellungen zur subjektiven Seite zu ermöglichen, hebt der Senat die dazu bisher getroffenen auf.
- Gericke
- Mosbacher
- Resch
- von Häfen
- Werner