BGH 8. Zivilsenat, Beschluss vom 05.07.2022, AZ VIII ZR 137/21, ECLI:DE:BGH:2022:050722BVIIIZR137.21.0
Art 103 Abs 1 GG, § 139 ZPO, § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 520 Abs 3 S 2 Nr 3 ZPO
Leitsatz
1. Eine Berufungsbegründung muss geeignet sein, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Anfechtung in Frage zu stellen. Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand hat sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (im Anschluss an BGH, Urteile vom 23. Juni 2015 – II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11; vom 14. März 2017 – VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 14; vom 7. Januar 2021 – III ZR 127/19, BGHZ 228, 115 Rn. 12; Beschlüsse vom 29. November 2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 9 und vom 15. März 2022 – VIII ZB 43/21, juris Rn. 13).
2. Hat ein Rechtsmittelführer einen – erstinstanzlich zu seinem Nachteil entschiedenen – Streitgegenstand mit seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen und ist dieser damit nicht zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt worden, kann das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) des Rechtsmittelgegners verletzt sein, wenn das Berufungsgericht, ohne hierauf hinzuweisen (§ 139 ZPO), dennoch in der Sache – zum Nachteil des Rechtsmittelgegners – über diesen Streitgegenstand entscheidet.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Hamm, 4. Mai 2021, Az: I-28 U 237/18
vorgehend LG Hagen (Westfalen), 7. November 2018, Az: I-6 O 69/18
Tenor
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf bis 95.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Klägerin handelt mit Gebrauchtwagen, der Beklagte vertreibt Lastkraftwagen und verkauft privat Oldtimer. Im Jahr 2017 verkaufte der Beklagte an die Klägerin einen Oldtimer M. , Modell Coupé, Erstzulassung am 1. Juli 1970, zum Preis von 89.500 €. Das Fahrzeug wurde im November 2017 an die Klägerin übergeben. Zu diesem Zeitpunkt funktionierte die Klimaanlage des Fahrzeugs nicht.
2
Ein von der Klägerin mit der Veräußerung des Fahrzeugs betrautes Drittunternehmen stellte fest, dass dieses einen schweren Unfall erlitten habe und „höchstwahrscheinlich“ der komplette Vorderbau ausgetauscht worden sei. Der Beklagte lehnte die daraufhin von der Klägerin geforderte Rücknahme des Fahrzeugs ab und bot lediglich den Austausch des Motors an. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 12. März 2018 den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und beanstandete „u.a. (…) folgende Positionen: Fahrgestellnummer auf dem Längsträger vorne rechts unsachgemäß nachgeschlagen, Motornummer unkenntlich gemacht, fehlende Hydraulik an der Hinterachse“.
3
Die auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, auf Zahlung von Aufwendungsersatz (Transport- und Unterstellkosten) in Höhe von 2.800 €, jeweils nebst Zinsen, auf Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten, auf Feststellung, dass der Beklagte wegen des erstgenannten Zahlungsantrags auch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung hafte, sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen.
4
Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Beklagten verurteilt, an die Klägerin den Kaufpreis (89.500 € nebst Zinsen), Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des erworbenen Fahrzeugs nebst zugehöriger Originaldokumente (Bordbuch, Wartungsnachweis [Scheckheft], Bedienungsanleitung und Datenkarte), zu zahlen. Weiter hat es den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 2.800 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu leisten. Im Übrigen – bezüglich eines Teils der Zinsforderung, der Feststellung der Haftung des Beklagten aus unerlaubter Handlung sowie bezüglich der Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten – hat es die Berufung zurückgewiesen.
5
Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten, mit der er sein auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiterverfolgt. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Abweisung ihres Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten sowie dagegen, dass ihrem Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises – neben ihrer Zug um Zug zu erfüllenden Verpflichtung auf Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs – nur zusätzlich Zug um Zug gegen die – ihrer Behauptung nach nicht mögliche – Rückgabe und Rückübereignung von zu dem Fahrzeug gehörenden Originaldokumenten stattgegeben wurde.
II.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für die Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerden von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7
Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 89.500 €, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs nebst den Originaldokumenten, aus §§ 346, 437 Nr. 2, §§ 440, 323, 434, 433 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
8
Das Fahrzeug sei bei Übergabe bis zur Rücktrittserklärung mangelhaft gewesen, da sein Zustand negativ von der vereinbarten Beschaffenheit abweiche. Die Parteien seien bei Vertragsschluss übereingekommen, der Beklagte werde die defekte Klimaanlage reparieren lassen. Dieser habe die Behauptung der Klägerin nicht bestritten, dass zwischen ihrem ehemaligen Geschäftsführer, dem Zeugen M. , sowie dem Beklagten vereinbart worden sei, der Beklagte solle das Fahrzeug mit einer funktionstüchtigen Klimaanlage, angebrachten Emblemen am Fahrzeugheck sowie einer reparierten, dichten Auspuffanlage übergeben, er dieser Absprache aber allein bezüglich der Auspuffanlage nachgekommen sei. Der Beklagte habe lediglich behauptet, offen gelegt zu haben, dass die Klimaanlage nicht funktioniere, was allerdings bekannt und unstreitig gewesen sei. Auch bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Berufungssenat habe der Beklagte nur angegeben, er habe gegenüber dem für die Klägerin handelnden Zeugen offen gelegt, die Klimaanlage funktioniere nicht, und er habe nachfragen sollen, ob das nicht mehr zugelassene Kühlmittel noch irgendwo erhältlich sei.
9
Davon abgesehen habe der für die Klägerin handelnde Zeuge M. diese Behauptung der Klägerin in seiner Vernehmung glaubhaft bestätigt. Danach sei anlässlich des Vertragsschlusses über die mangelnde Funktionsfähigkeit der Klimaanlage sowie über die Verpflichtung des Beklagten, das hierfür benötigte Kühlmittel zu beschaffen, gesprochen worden. Der Beklagte habe die Klimaanlage nicht repariert; diese sei bei Übergabe und Rücktrittserklärung weiter defekt gewesen.
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Zwar fehle es an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. Diese sei jedoch entbehrlich gewesen, da der Beklagte eine Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert habe. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin sei ihr Vertreter vom Beklagten kurz nach der Übergabe mit den Worten „abgekanzelt“ worden, dass sie sich um die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage selbst kümmern müsse.
11
Die Klägerin habe mit Schreiben vom 12. März 2018 nach § 349 BGB den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Es sei unbeachtlich, dass sie diesen nicht auf den Verstoß gegen die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug auf die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage gestützt habe. Eine Rücktrittserklärung bedürfe zu ihrer Wirksamkeit keiner Begründung. Es könnten auch Gründe nachgeschoben werden, soweit diese im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bereits vorgelegen hätten.
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Der Rücktritt sei auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) ausgeschlossen. Der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziere in der Regel die Erheblichkeit der dem Verkäufer anzulastenden Pflichtverletzung. Es könne dahinstehen, ob die Parteien, wie vom Beklagten behauptet, einen Ausschluss der Gewährleistung vereinbart hätten. Denn dieser erfasse die vereinbarte Beschaffenheit nicht. Im Übrigen habe der Beklagte einen Gewährleistungsausschluss nicht bewiesen.
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Im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses habe die Klägerin einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs nebst den dazugehörenden Dokumenten.
14
Vor diesem Hintergrund könne dahinstehen, ob die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Mängel bestünden.
15
Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der (unbestrittenen) Kosten in Höhe von 2.800 € folge für die Unterstellung des Fahrzeugs aus § 347 Abs. 2 BGB und für die Fahrtkosten von D. zu dem Unternehmen, welches das Fahrzeug für die Klägerin habe veräußern sollen, aus den Vorschriften der § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB.
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Der Antrag der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzugs sei unbegründet. Gemäß § 295 BGB reiche diesbezüglich zwar ein wörtliches Angebot der Klägerin zur Abholung des Fahrzeugs aus, was in ihrem auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Rücktrittsschreiben vom 12. März 2018 liege. Jedoch gehörten zu einem ordnungsgemäßen Leistungsangebot auch die Fahrzeugpapiere und die Begleitdokumente, wie etwa das Serviceheft. Die Klägerin habe dem Beklagten die Übergabe dieser Begleitdokumente (Datenkarte, Scheckheft, Bordbuch und Bedienungsanleitung) jedoch nicht angeboten.
17
Nach eigenen Angaben sei sie dazu auch nicht in der Lage. Diesbezüglich habe sie erstinstanzlich nicht behauptet, diese Dokumente vom Beklagten nicht erhalten zu haben, sondern lediglich ausgeführt, der Beklagte habe die Dokumente nicht in das Handschuhfach gelegt oder sie seien bei einer Motorshow, bei welcher das Fahrzeug nach der Übergabe an die Klägerin von dieser ausgestellt worden sei, entwendet worden. Letztlich habe ein Zeuge glaubhaft bekundet, der für die Klägerin handelnde Zeuge M. habe ihm zur Last gelegt, dass das Scheckheft und die Bedienungsanleitung, die im auf der Motorshow ausgestellten Fahrzeug gelegen hätten, abhandengekommen seien. Voraussetzung eines solchen Vorwurfs durch den Zeugen M. sei aber, dass die Klägerin die Unterlagen (zuvor) erhalten habe.
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Der Antrag auf Feststellung, dass der Beklagte für die Rückzahlung des Kaufpreises auch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung hafte, sei zwar zulässig, aber unbegründet. Nach der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Berufungssenats nicht fest, dass der Beklagte die Klägerin arglistig getäuscht habe, indem er im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen zwar erklärt habe, an dem Fahrzeug sei bis auf die Lackierung und einen Teil des rechten Stehblechs alles „original“, es lägen sogenannte „matching numbers“ vor, jedoch nicht darauf hingewiesen habe, dass das Fahrzeug einen schweren Unfallschaden erlitten habe, Schweißarbeiten ausgeführt, die Fahrzeugidentifikationsnummer nachgeschlagen, der Motor ausgetauscht und die Motornummer ausgeschliffen worden seien.
III.
19
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Sie hat auch in der Sache Erfolg (§ 544 Abs. 9 ZPO), weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Denn es hat, ohne den Beklagten hierauf hinzuweisen, allein gestützt auf einen Mangel der Klimaanlage des Fahrzeugs der auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Klage stattgegeben sowie der Klägerin die beantragten Kosten für die Unterstellung und den Transport des Fahrzeugs zuerkannt, obwohl die Klägerin diesen Streitgegenstand nicht wirksam zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt hatte. Vielmehr war ihre Berufung insoweit unzulässig.
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1. Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie und der Justizgewährungspflicht des Staates (vgl. BVerfGE 81, 123, 129). Danach gebietet Art. 103 Abs. 1 GG, dass sowohl die normative Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Maß an rechtlichem Gehör eröffnen, das sachangemessen ist, um dem in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden, und das den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl. BVerfGE 74, 228, 233 f.; BVerfG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 BvR 1528/14, juris Rn. 9). Diese sollen vor einer Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Da dies nicht nur durch tatsächliches Vorbringen, sondern auch durch Rechtsausführungen geschehen kann, gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (vgl. BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG, ZInsO 2021, 1612 Rn. 28; Senatsbeschluss vom 25. Januar 2022 – VIII ZR 359/20, juris Rn. 53 mwN).
21
Das Äußerungsrecht ist eng verknüpft mit dem Recht auf Information und dem Schutz vor Überraschungsentscheidungen. Die genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Zwar normiert Art. 103 Abs. 1 GG keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts. Jedoch kann es in besonderen Fällen geboten sein, die Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Denn es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt beziehungsweise einen Sachverhalt oder ein Vorbringen in einer Weise würdigt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerfGE 86, 133, 144 f.; BVerfG, NJW 2017, 3218 Rn. 51; NJW-RR 2018, 694 Rn. 18; NJW 2021, 2581 Rn. 13; BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2020 – VIII ZR 171/19, NJW 2020, 2730 Rn. 13; vom 7. April 2022 – V ZR 165/21, juris Rn. 12 f.).
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2. Gemessen an diesen Maßstäben ist dem Berufungsgericht eine Gehörsverletzung nach Art. 103 Abs. 1 GG anzulasten. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde der Sache nach zutreffend rügt, stellt die Entscheidung des Berufungsgerichts eine nach Vorstehendem unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Denn das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin deren in erster Instanz in vollem Umfang abgewiesener Klage in der Hauptsache (weitestgehend) stattgegeben und dies mit einem Mangel des Fahrzeugs in Form der – abweichend vom Vereinbarten – nicht funktionierenden Klimaanlage begründet, obwohl die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO diesen – erstinstanzlich zu ihrem Nachteil entschiedenen – Streitgegenstand nicht wirksam zur Überprüfung gestellt hat. Da ihre Berufung insoweit unzulässig ist, musste der Beklagte diesbezüglich mit einer Entscheidung in der Sache nicht rechnen.
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a) Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiterverfolgt hat, ist bezüglich des Streitgegenstands, auf welchen das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten gestützt hat (Klimaanlage), unzulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung ungeachtet des unbeschränkten Berufungsantrags in einem geringeren Umfang hätte eingelegt und das erstinstanzliche Urteil bezüglich des auf die fehlende Funktionsfähigkeit der Klimaanlage gestützten Mangels nicht hätte angegriffen werden sollen, sind dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2020 – VIII ZR 31/18, NJW 2020, 2884 Rn. 17).
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aa) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO muss die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Die gesetzliche Regelung bezweckt, formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch auf die Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug hinzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 – II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11). Die Rechtsmittelbegründung muss zudem geeignet sein, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang der Anfechtung in Frage zu stellen. Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand hat sie sich daher grundsätzlich auf alle Teile des Urteils zu erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (vgl. BGH, Urteile vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 228/05, NJW-RR 2007, 414 Rn. 10; vom 23. Juni 2015 – II ZR 166/14, aaO; vom 14. März 2017 – VI ZR 605/15, VersR 2017, 822 Rn. 14; vom 7. Januar 2021 – III ZR 127/19, BGHZ 228, 115 Rn. 12; Beschlüsse vom 29. November 2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 9; vom 15. März 2022 – VIII ZB 43/21, juris Rn. 13).
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bb) Hiernach ist die Berufung bezogen auf den Mangel der Klimaanlage unzulässig.
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(1) Denn in dem Fall, in welchem ein Käufer – wie vorliegend – seinen Rücktritt vom Kaufvertrag auf unterschiedliche Mängel der Kaufsache stützt, fehlt es an einem einheitlichen Lebensvorgang und sind deshalb mehrere Streitgegenstände gegeben (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 77/15, NJW 2016, 2493 Rn. 23). Dies folgt daraus, dass bei einem einheitlichen Klagebegehren dann verschiedene Streitgegenstände vorliegen, wenn die materiellrechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BGH, Urteile vom 11. Oktober 2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 Rn. 12; vom 24. Februar 2022 – VII ZR 13/20, juris Rn. 45; Beschluss vom 16. September 2008 – IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 Rn. 9). Dies ist bei einem auf mehrere Mängel der Kaufsache gestützten Rücktritt der Fall, da grundsätzlich bezüglich jedes einzelnen Mangels geprüft werden muss, ob die Voraussetzungen der § 434 Abs. 1 BGB (in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung, vgl. Art. 229 § 58 EGBGB), § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 348 BGB vorliegen. So ist beispielsweise für jeden Mangel in der Regel eine eigene Nacherfüllungsaufforderung notwendig (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 2016 – VIII ZR 77/15, aaO Rn. 14).
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(2) Somit war die Klägerin gehalten, ihre Berufungsbegründung auch auf den – von ihr behaupteten – Mangel der Klimaanlage des erworbenen Fahrzeugs zu erstrecken. Dies hat sie nicht getan, so dass dieser Streitgegenstand nicht der materiellen Überprüfung durch das Berufungsgericht unterliegt.
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(a) Im Gegensatz zu ihrem unbeschränkten Änderungsbegehren hat die Klägerin, worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend verweist, in der Berufungsbegründung Ausführungen zum Streitgegenstand der Klimaanlage nicht gemacht. Vielmehr hat sie bereits bei der Wiedergabe des Sachverhalts lediglich unfachmännisch ausgeführte Schweißarbeiten, eine Unkenntlichmachung der Motornummer und ein Nachschlagen der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) angeführt, auf eine an sie gerichtete Mitteilung über einen wahrscheinlichen schweren Unfallschaden des Fahrzeugs sowie darauf abgestellt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, der eingebaute Motor sei gestohlen. Hiernach führt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung weiter aus, sie sei „aufgrund dieser Mängel“ vom Kaufvertrag zurückgetreten.
29
Auch bei der Wiedergabe der Entscheidung des Landgerichts in der Berufungsbegründung der Klägerin findet die defekte Klimaanlage keine Erwähnung. Das Landgericht ist auf insgesamt zehn behauptete Mängel des Fahrzeugs eingegangen. Bezüglich der Klimaanlage hat es offen gelassen, ob deren Nichtfunktionieren einen Mangel des Fahrzeugs begründet, und hat einen hierauf gestützten Rücktritt am Fehlen der aus seiner Sicht erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung scheitern lassen. In der Berufungsbegründung erwähnt die Klägerin lediglich die Ausführungen des Landgerichts zur Originalität des Motors und des Fahrzeugs im Übrigen, insbesondere zu dem ersetzten Vorbau und der nachgeschlagenen FIN, sowie zum Fehlen eines arglistigen Verhaltens des Beklagten. Die Erwägungen des Landgerichts zur Klimaanlage werden dagegen nicht wiedergegeben.
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(b) Diese greift die Klägerin im Folgenden auch nicht an. Sie benennt keine Umstände, aus denen sich in Bezug auf den von ihr behaupteten Mangel der Klimaanlage eine Rechtsverletzung ergeben könnte (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO), und zeigt insoweit auch keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen auf (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Die Ausführungen des Landgerichts, wonach die Klägerin ihren Rücktritt nicht auf einen Mangel der Klimaanlage stützen könne, da sie eine Frist zur Nacherfüllung nicht gesetzt habe und diese auch nicht entbehrlich sei, werden in der Berufungsbegründung der Klägerin nicht angegriffen. Vielmehr wendet sie sich – lediglich – gegen den vom Landgericht angenommenen teilweisen Gewährleistungsausschluss und die von ihm bejahte Kenntnis der Klägerin von Mängeln, rügt weiter das Übergehen eines Beweisantritts zum Wert des Pkw und verweist schließlich auf die Kenntnis des Beklagten von der fehlenden Unfallfreiheit des Fahrzeugs, dem Einbau eines Motors, welcher nicht zur Baureihe dieses Oldtimers gehöre, und auf einen Mangel wegen der herausgeschliffenen Motornummer.
31
(c) Auch im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens – innerhalb laufender Berufungsbegründungsfrist – hat die Klägerin ihren Berufungsangriff nicht auf den Gesichtspunkt der Klimaanlage erstreckt. Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass dieser Streitgegenstand erst im Rahmen der informatorischen Anhörung des Beklagten sowie einer Zeugenvernehmung angesprochen wurde. Selbst wenn man davon ausginge, die Klägerin habe sich diese Zeugenaussagen, soweit für sie günstig, zu eigen machen wollen, läge hierin keine wirksame Erweiterung des Berufungsangriffs, da die Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war und nach dem Verstreichen der Rechtsmittelbegründungsfrist eine unzulängliche Rechtsmittelbegründung nicht mehr geheilt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2017 – XII ZB 414/17, NJW-RR 2018, 386 Rn. 11; vom 7. Oktober 2021 – III ZB 50/20, ZInsO 2022, 114 Rn. 28; jeweils mwN).
32
b) Indem das Berufungsgericht dennoch über die insoweit unzulässige Berufung in der Sache zum Nachteil des Beklagten entschieden und allein auf diesen Streitgegenstand gestützt der Klage (teilweise) stattgegeben hat, obgleich dieser Streitstoff nicht wirksam zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wurde, hat es das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt.
33
aa) Zwar stellt nicht jeder Verstoß gegen zivilprozessuale Verfahrensvorschriften zugleich eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dar (vgl. BVerfGE 60, 305, 310; BVerfG, NJW 2012, 2262 Rn. 19; NJW 2017, 3218 Rn. 50; ZInsO 2021, 1612 Rn. 22). Jedoch hat das Berufungsgericht die Vorschrift des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO in einer Art und Weise ausgelegt und angewandt, mit welcher der Beklagte nach dem Prozessverlauf nicht rechnen musste. Es hat, ohne hierauf hinzuweisen (§ 139 ZPO), über einen Streitstoff entschieden, der mit der Berufung nicht in zulässiger Weise angegriffen worden war, so dass eine unzulässige Überraschungsentscheidung im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt.
34
Da es an einem Hinweis des Berufungsgerichts fehlt, wonach dieses mögliche (Gewährleistungs-)Ansprüche der Klägerin auch unter Zugrundelegung der behaupteten Beschaffenheitsvereinbarung bezüglich der Funktionsfähigkeit der Klimaanlage prüfen werde, war dem Beklagten nicht die Möglichkeit eröffnet, in sachlicher und rechtlicher Hinsicht zu diesem Streitstoff vorzutragen. Ihm war es der Sache nach verwehrt, hinsichtlich des Mangels „defekte Klimaanlage“ sowohl zur teilweisen Unzulässigkeit der Berufung als auch (hilfsweise) zur materiellen Rechtslage Vortrag zu halten. Denn selbst wenn der Beklagte nicht davon ausgegangen sein sollte, jeder Mangel der Kaufsache stelle einen eigenen und damit einen selbständigen Berufungsangriff erfordernden Streitgegenstand dar, durfte er jedoch – worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend verweist – eine Teilbarkeit des Streitgegenstands dergestalt annehmen, dass diejenigen Mängel des Fahrzeugs, zu denen die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung keine Ausführungen (mehr) gemacht hat, nicht Grundlage der Sachentscheidung des Berufungsgerichts werden, und damit darauf vertrauen, das Berufungsgericht werde das Berufungsvorbringen der Klägerin (zutreffend) dahingehend würdigen, diese richte ihre Angriffe auf die angeführten Mängel.
35
bb) Mit einer abweichenden Bewertung der Berufungsangriffe der Klägerin durch das Berufungsgericht konnte der Beklagte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nach dem Prozessverlauf von sich aus nicht rechnen.
36
(1) Er musste nicht deshalb davon ausgehen, das Berufungsgericht bewerte die Berufung der Klägerin insgesamt als zulässig, weil ein Hinweis an die Klägerin auf die Unzulässigkeit (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2010 – XII ZB 168/08, NJW-RR 2010, 1075 Rn. 7; vom 4. Dezember 2012 – VIII ZB 25/12, NJW-RR 2013, 255 Rn. 5; vom 7. Oktober 2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 6) und eine (Teil-)Verwerfung ihres Rechtsmittels nach § 522 Abs. 1 ZPO vor Erlass der Endentscheidung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 6. Mai 1987 – IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264 unter I; Beschluss vom 9. Mai 2018 – IV ZR 264/17, FamRZ 2018, 1248 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 5. Aufl., § 522 Rn. 32; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 19. Aufl., § 522 Rn. 11) unterblieben sind. Denn zum einen war das Berufungsgericht nicht zu einer Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Berufung verpflichtet und zum anderen musste der Beklagte aus dem Unterbleiben eines solchen Hinweises an die Rechtsmittelführerin nicht den Schluss ziehen, das Berufungsgericht gehe auch hinsichtlich der Mängel an der Klimaanlage von einem zulässigen Berufungsangriff aus.
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(2) Aus dem übrigen Verfahrensablauf war für den Beklagten ebenfalls nicht ersichtlich, das Berufungsgericht werde auch den – in der Berufungsbegründung nicht angeführten – Streitstoff der Klimaanlage seiner Entscheidung zu Grunde legen.
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Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt im Berufungsverfahren. Allein diesbezügliche Fragen an den Beklagten und an Zeugen im Rahmen der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme lassen einen Rückschluss hierauf nicht zu. Dies gilt in gleicher Weise bezüglich der seitens des Berufungsgerichts mitgeteilten voraussichtlichen Beweisthemen im Zuge der Ladung von Zeugen zum Termin. Dort waren lediglich folgende Themen benannt: „Vertragsschluss und Vereinbarungen zur Beschaffenheit des streitbefangenen M. Coupé“; „Eigentum/Besitz des Zeugen C. an dem streitbefangenen M. in der Zeit vor Übernahme durch den Beklagten (…)“; „Kenntnis des Zeugen M. vom Neuaufbau des Vorderaufbaus an dem streitbefangenen Fahrzeug vor dem 21.02.2018“. Unter Berücksichtigung des bis dahin gehaltenen Parteivortrags in der Berufungsinstanz, der sich – entsprechend der eher untergeordneten Bedeutung, welche die Klägerin einem Mangel an der Klimaanlage im Streit der Parteien beigemessen hatte – maßgeblich auf die Unfallfreiheit des Fahrzeugs sowie dessen Originalität – vor allem bezüglich des Motors – bezog und wozu die Zeugen benannt wurden, kann allein aus einer beabsichtigten Beweisaufnahme zu möglichen Beschaffenheitsvereinbarungen nicht darauf geschlossen werden, das Berufungsgericht sehe auch den Streitstoff bezüglich der Klimaanlage als bei ihm zur Überprüfung gestellt an.
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Somit durfte beim Beklagten ein prozessuales Vertrauen in das Vorliegen einer lediglich teilweise zulässigen Berufung bestehen, so dass das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, ihn auf eine abweichende Rechtsansicht hinzuweisen, da er nur hierdurch in die Lage versetzt worden wäre, zur Rechtslage bezüglich der Zulässigkeit der Berufung sowie – hilfsweise – zur Sach- und Rechtslage bezüglich des auf den (behaupteten) Mangel der Klimaanlage gestützten Klagebegehrens der Klägerin vorzutragen.
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(3) Schließlich durfte der Beklagte selbst bei Zugrundelegung der – unzutreffenden – Rechtsansicht des Berufungsgerichts in der Sache einen Hinweis auf die beabsichtigte Klagestattgabe aufgrund eines Mangels des Fahrzeugs wegen der nicht funktionierenden Klimaanlage erwarten, da er in erster Instanz auch insoweit obsiegt hat. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis erteilt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (vgl. BGH, Urteile vom 19. August 2010 – VII ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rn. 18; vom 3. Dezember 2010 – V ZR 200/09, juris Rn. 10; vom 25. Juni 2015 – IX ZR 142/13, NZI 2015, 799 Rn. 24; jeweils mwN; Beschlüsse vom 29. März 2017 – IV ZR 510/15, NJW-RR 2017, 672 Rn. 8; vom 21. Januar 2020 – VI ZR 346/18, NJW-RR 2020, 574 Rn. 9; vom 12. Januar 2022 – XII ZR 26/21, ZInsO 2022, 963 Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteile vom 21. Dezember 2004 – XI ZR 17/03, juris Rn. 11; vom 25. September 2020 – V ZR 300/18, WuM 2021, 59 Rn. 7; Beschluss vom 10. Dezember 2019 – VIII ZR 377/18, NJW-RR 2020, 284 Rn. 14; jeweils mwN).
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Das Landgericht hat einen, auf den – von ihm offen gelassenen – Mangel der Klimaanlage gestützten Rücktritt der Klägerin deshalb scheitern lassen, weil es an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung gefehlt habe. Eine solche sei auch nicht entbehrlich gewesen. Dies hat das Berufungsgericht anders beurteilt, ist von einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Beklagten und damit von einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung ausgegangen. Hierauf hätte es nach Vorstehendem den Beklagten hinweisen müssen. Ein solcher Hinweis hätte ihm nicht nur die Möglichkeit gegeben, zur materiellen Rechtslage vorzutragen, sondern auch die teilweise Unzulässigkeit der Berufung geltend zu machen.
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cc) Die Nichtzulassungsbeschwerde stellt zu Recht darauf ab, dass die dennoch erfolgte Sachentscheidung des Berufungsgerichts über die (teilweise) unzulässige Berufung ohne einen entsprechenden Hinweis mit einem Fall vergleichbar ist, in dem das Gericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO einer Klage stattgibt. Ein solcher Verstoß begründet – ebenfalls – eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2014 – XI ZR 126/13, juris; vom 16. Mai 2017 – VI ZR 25/16, NJW 2017, 2561 Rn. 11; vom 13. September 2016 – VII ZR 17/14, NJW 2017, 1180 Rn. 13).
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(1) Gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Die Bindung an den Antrag betrifft nicht nur den Urteilsausspruch, sondern auch den Grund des erhobenen Anspruchs, mit der Folge einer Bindung des Gerichts an den geltend gemachten prozessualen Anspruch (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der prozessuale Anspruch (Streitgegenstand) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 2006 – I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn. 15; vom 5. Juli 2016 – XI ZR 254/15, WM 2016, 1831 Rn. 24; vom 7. Dezember 2017 – IX ZR 45/16, NJW 2018, 608 Rn. 9). Das Gericht ist zwar verpflichtet, den vorgetragenen Lebenssachverhalt umfassend rechtlich daraufhin zu überprüfen, ob danach der Klageantrag begründet ist. Es muss dabei aber die Grenzen des vom Kläger bestimmten Streitgegenstands beachten (BGH, Urteile vom 29. Juni 2006 – I ZR 235/03, aaO Rn. 15 f. mwN; vom 22. Februar 2022 – VI ZR 934/20, BB 2022, 722 Rn. 11).
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Legt ein Gericht seinem Urteilsausspruch einen anderen Klagegrund zugrunde als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Klageantrag begründet hat, verstößt es gegen § 308 Abs. 1 ZPO. Das Gericht darf sein Urteil nicht auf einen Klagegrund stützen, welchen der Kläger nicht geltend gemacht hat, mithin einen verlangten Geldbetrag nicht aus einem anderen als dem erhobenen Anspruch zusprechen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2016 – IX ZR 142/14, WM 2016, 2091 Rn. 17; vom 7. Dezember 2017 – IX ZR 45/16, aaO).
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(2) Hiermit ist der vorliegende Fall vergleichbar. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Klägerin zu Unrecht als zulässig angesehen und im Rahmen der – ihm an sich verwehrten – Sachprüfung die Klageforderung auf der Grundlage eines Anspruchs zuerkannt, den die Klägerin in dieser Form nicht mehr zur Sachentscheidung gestellt hatte. Denn auf einen Defekt der Klimaanlage hatte sie ihre Begehren in der Berufungsinstanz nicht mehr gestützt.
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c) Da der Beklagte nicht mit einer Sachentscheidung bezüglich des Streitgegenstands der Klimaanlage rechnen musste, ist er auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität (vgl. hierzu nur Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 36 ff. mwN) daran gehindert, diesen Gehörsverstoß (erstmals) im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen.
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d) Die dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 Abs. 9 ZPO).
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Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, hätte es erkannt, dass die Berufung bezüglich des behaupteten Mangels der Klimaanlage unzulässig ist, im Ergebnis anders entschieden hätte. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt auch hinreichend dar, was der Beklagte bei ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts vorgebracht hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – I ZR 243/16, NJW-RR 2018, 1003 Rn. 13). Er hat sowohl Einwände gegen die Zulässigkeit der Berufung erhoben als auch zur materiell-rechtlichen Lage Vortrag gehalten.
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Zu den mit der Berufung gerügten (übrigen) Mängeln des Fahrzeugs hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Klage im Ergebnis ohne Erfolg geblieben wäre. Dies gilt auch hinsichtlich des der Klägerin zuerkannten Anspruchs auf Ersatz ihrer Aufwendungen beziehungsweise Verwendungen in Höhe von 2.800 € nebst Zinsen. Fehlte es an einem Sachmangel des Fahrzeugs, hätte die Klägerin nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten und damit auch keine notwendigen Verwendungen (§ 347 Abs. 2 BGB) geltend machen können. Ebenso fehlte es dann an einer Pflichtverletzung des Beklagten im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB, worauf das Berufungsgericht – auf dessen Rechtsansicht insoweit abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 – V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 unter II 1 a bb; Beschlüsse vom 25. Juni 2013 – XI ZR 210/12, juris Rn. 14; vom 8. Dezember 2021 – VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 31) – den Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten gestützt hat.
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3. Die weiteren von der Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich der Entscheidung in der Sache erhobenen Rügen sind nicht entscheidungserheblich.
IV.
51
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO abgesehen.
V.
52
Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).
- Dr. Bünger
- Kosziol
- Dr. Schmidt
- Dr. Matussek
- Dr. Reichelt