BVerwG 6. Senat, Vorlagebeschluss vom 31.05.2022, AZ 6 C 2/20, ECLI:DE:BVerwG:2022:310522B6C2.20.0
Leitsatz
§ 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. sind mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
Verfahrensgang
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 16. Dezember 2019, Az: 5 A 1809/16
vorgehend VG Düsseldorf, 11. Juli 2016, Az: 18 K 2389/16, Urteil
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW S. 441), in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 2010 (GV. NRW S. 132), sowie § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW S. 441), in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen und des Polizeiorganisationsgesetzes vom 21. Juni 2013 (GV. NRW S. 375), mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar sind.
Gründe
I
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine auch sie betreffende Datenerhebung durch längerfristige Observation sowie den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen, die vom Polizeipräsidium X am … gegenüber Herrn B. angeordnet worden war.
2
Das Polizeipräsidium X führte Herrn B. als sogenannten Gefährder – PMK – Rechts (Politisch motivierte Kriminalität Rechts), weil er sich bereits als Jugendlicher der sogenannten Skinhead-Szene angeschlossen und wiederholt schwere Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit begangen hatte. Nach mehrfachen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen verbüßte Herr B. die Strafhaft zuletzt in der JVA Y. Seine Entlassung stand für den … an. In Vorbereitung der Haftentlassung ordnete die Behördenleitung des Polizeipräsidiums X am … auf Antrag ihrer für Staatsschutz zuständigen Abteilung an, den neuen Aufenthaltsort des Herrn B. ab dem Zeitpunkt seiner Entlassung für einen Monat durch eine längerfristige Observation gemäß § 16a Abs. 2 PolG NRW a. F. und den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen gemäß § 17 Abs. 2 PolG NRW a. F. zu ermitteln. Die observierenden Polizeibeamten gewannen in der Folge zahlreiche Herrn B. betreffende Daten und fertigten verschiedene Lichtbilder an. Sowohl die Observationen als auch die angefertigten Fotos bezogen teilweise Dritte mit ein, u. a. die Klägerin. Diejenigen Observationsdaten, welche die Klägerin mitbetreffen, entstanden am … Bei diesen Observationen wurden insgesamt fünf Lichtbilder gefertigt, die auch die Klägerin abbilden. Die ersten beiden Bildaufnahmen stammen vom Tag der Haftentlassung, an dem die Klägerin Herrn B. mit weiteren Personen von der Haftanstalt abholte; anschließend fuhr die gesamte Personengruppe in einem Pkw gemeinsam zur Wohnung der Klägerin in Y. In der Folge übernachtete Herr B. regelmäßig in dieser Wohnung und verbrachte auch persönliche Gegenstände dorthin. Am … meldete er sich beim Einwohnermeldeamt Y melderechtlich an und ließ hierbei – der dortigen Praxis für Wohnungssuchende entsprechend – die Adresse des Rathauses eintragen. Daraufhin verzichtete das Polizeipräsidium ab diesem Tag auf Observationen mit Personaleinsatz und stellte die Maßnahmen nach einigen sporadischen Verbleibkontrollen am … insgesamt ein. Das Polizeipräsidium X informierte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Januar 2016 – ihr am 2. Februar 2016 persönlich ausgehändigt – über die durchgeführten Maßnahmen und die Möglichkeit, nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
3
Die Klägerin hat am 29. Februar 2016 Klage mit dem Ziel erhoben, die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung feststellen zu lassen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Juli 2016 mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für eine Erhebung von Daten auch der Klägerin seien nach den herangezogenen polizeirechtlichen Normen, gegen die keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden, erfüllt gewesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise geändert und festgestellt, dass die Observation der Klägerin am … sowie die Anfertigung von drei Lichtbildern ihrer Person nach dem Tag der Haftentlassung des Herrn B. rechtswidrig gewesen seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Feststellungsklage zulässig und teilweise begründet. Die die Klägerin betreffende Datenerhebung sei zum Teil rechtswidrig gewesen. Die heranzuziehenden § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. bildeten eine tragfähige Grundlage für die angeordneten Maßnahmen gegenüber Herrn B. Diese Befugnisnormen seien verfassungsgemäß. Sie griffen zwar in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Der Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, weil die Regelungen verhältnismäßig seien und dem Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit genügten. § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. dienten der Verhinderung von Straftaten von erheblicher Bedeutung und somit einem legitimen Ziel. Die Befugnisse seien hierfür geeignet und erforderlich. Die Vorschriften seien unter Berücksichtigung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu heimlichen Datenerhebungen auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
4
Es gehe um den Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter. Ziel der heimlichen Maßnahmen sei die Verhinderung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i. S. d. § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. Die Verhinderung der dort benannten Straftaten diene überwiegend dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit sowie der Freiheit der Person. Soweit Eigentums- und Vermögensdelikte erfasst seien, müssten diese gewerbs- oder bandenmäßig begangen werden. In dieser Form ließen sich die Delikte, die den Rechtsfrieden erheblich störten und geeignet seien, das Gefühl der Rechtssicherheit in der Bevölkerung zu beeinträchtigen, jedenfalls der mittelschweren Kriminalität zuordnen. Dem stünden geringe bis allenfalls mittlere Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber. Der Tatbestand der Eingriffsnormen sei zwar sehr weit formuliert, könne aber verfassungskonform ausgelegt werden. Der Begriff der Tatsachen in den Ermächtigungsgrundlagen sei dahingehend zu verstehen, dass diese den Schluss zum einen auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen und zum anderen darauf zulassen müssten, dass an diesem Geschehen bestimmte Personen beteiligt sein würden, über deren Identität zumindest so viel bekannt sei, dass die Überwachungsmaßnahmen gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden könnten. Diese Auslegung überschreite nicht die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung, weil sie im tatbestandlichen Begriff „Tatsachen“ angelegt sei. Sie widerspreche auch nicht dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers.
5
Der fehlende Richtervorbehalt für längerfristige Observationen und die Anfertigung von Lichtbildern führe gleichfalls nicht zur Verfassungswidrigkeit, da keine besonders schweren Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Rede stünden. Es gehe um Maßnahmen in der Öffentlichkeit, durch die Vertraulichkeitsinteressen lediglich in geringerem Maße betroffen seien. Die Anordnung längerfristiger Observationen sowie der Anfertigung von Lichtbildern führe ferner nicht typischerweise zur Erhebung kernbereichsrelevanter Daten. Auch aus der Erstreckung der Datenerhebung auf Dritte als Mitbetroffene in § 16a Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F. folge keine Unangemessenheit der Eingriffsgrundlagen. Würden die Ermächtigungsgrundlagen in der beschriebenen Weise ausgelegt, entsprächen sie dem Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit.
6
Allerdings lägen die Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisse nur zum Teil vor. Nicht zu beanstanden seien die Observationen am … sowie die Anfertigung von zwei Lichtbildern am … Insoweit sei die Datenerhebung gegenüber Herrn B. in rechtmäßiger Weise erfolgt. Sie könne auf § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PolG NRW a. F. gestützt werden. Bei Anordnung der Maßnahmen hätten Tatsachen die Annahme gerechtfertigt, dass Herr B. in absehbarer Zeit Straftaten von erheblicher Bedeutung habe begehen wollen. Die Datenerhebung sei zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich gewesen. Denn den Polizeibeamten sei es um die Ermittlung des zukünftigen Wohnorts von Herrn B. gegangen, um weitere Präventivmaßnahmen vor Ort ergreifen zu können. Die Erforderlichkeit sei auch für die beiden an dem Tag der Haftentlassung gefertigten Lichtbilder zu bejahen, da sie der Identifizierung der abgebildeten Personen gedient hätten, aus der sich Rückschlüsse für den zukünftigen Aufenthaltsort des Herrn B. hätten ergeben können. Die Datenerhebung gegenüber der Klägerin beruhe auf § 16a Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F.; sie sei in rechtmäßiger Weise als „andere Person“ miterfasst worden. Die Datenerhebung sei im genannten Umfang auch im Übrigen rechtmäßig gewesen. Hingegen fehlten die Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisse für einen Tag der die Klägerin miterfassenden Observationen (…) sowie für die übrigen sie mitbetreffenden Lichtbilder.
7
Das Berufungsgericht hat die Revision, soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, welche Anforderungen das Bundesverfassungsrecht an die hier zugrundeliegenden landesrechtlichen Vorschriften stellt. Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen den nicht rechtskräftigen Teil des Berufungsurteils und begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der betroffenen polizeilichen Maßnahmen. Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
II
8
Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen i. d. F. der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW S. 441), in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 2010 (GV. NRW S. 132), sowie § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen i. d. F. der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW S. 441), in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen und des Polizeiorganisationsgesetzes vom 21. Juni 2013 (GV. NRW S. 375), – PolG NRW a. F. – mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar sind.
9
§ 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PolG NRW a. F. ermächtigt zur Erhebung personenbezogener Daten durch eine durchgehend länger als 24 Stunden oder an mehr als an zwei Tagen vorgesehene oder tatsächlich durchgeführte und planmäßig angelegte Beobachtung (längerfristige Observation) über Personen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wollen, sowie über deren Kontakt- oder Begleitpersonen, wenn die Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich ist. Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F. dürfen auch personenbezogene Daten über andere Personen erhoben werden, soweit dies erforderlich ist, um eine Datenerhebung nach Satz 1 der Vorschrift durchführen zu können. § 16a Abs. 2 Satz 1 PolG NRW a. F. bestimmt, dass eine längerfristige Observation lediglich durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter angeordnet werden darf.
10
§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PolG NRW a. F. ermöglicht darüber hinaus die Erhebung personenbezogener Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen (Var. 1) und Bildaufzeichnungen (Var. 2) sowie zum Abhören (Var. 3) und Aufzeichnen (Var. 4) des gesprochenen Wortes über Personen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wollen, sowie über deren Kontakt- oder Begleitpersonen, wenn die Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich ist. Auch hier dürfen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F. personenbezogene Daten über andere Personen erhoben werden, soweit dies erforderlich ist, um eine Datenerhebung nach Satz 1 durchführen zu können. § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 PolG NRW a. F. sieht vor, dass der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen nur durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter angeordnet werden darf. Die Anordnung bedarf der Schriftform und ist auf höchstens einen Monat zu befristen.
11
1. Auf die Gültigkeit von § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. kommt es für die Entscheidung des Senats über die Revision der Klägerin an (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der behördlichen Maßnahmen. Zugrunde zu legen ist damit das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW S. 441) mit den Änderungen des Siebten Gesetzes zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW S. 622).
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a) Erweisen sich § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. in der für den Senat nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO im Revisionsverfahren bindenden Auslegung durch die Vorinstanz als mit dem durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar, verletzt das berufungsgerichtliche Urteil revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Der Datenerhebung durch die längerfristige Observation des Herrn B., in deren Rahmen am … Daten der Klägerin miterfasst wurden, sowie den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von zwei Bildaufnahmen von der Klägerin am … fehlte es dann an einer Rechtsgrundlage, die zulässige Feststellungsklage der Klägerin hätte in der Sache Erfolg.
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b) Hingegen bleibt die Revision ohne Erfolg, wenn § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. in der Auslegung des Berufungsgerichts verfassungsgemäß sind. Die Feststellungsklage der Klägerin wäre dann unbegründet. Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, die gegenüber Herrn B. am … angeordnete Datenerhebung durch längerfristige Observation mit verdecktem Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen, die die Klägerin als Dritte unvermeidbar mitbetraf, ließe sich auf diese Befugnisnormen stützen, wäre revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden:
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Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage seines Verständnisses der landesrechtlichen Normen angenommen, dass die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und des § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 PolG NRW a. F. in Bezug auf Herrn B. erfüllt sind. Es stellt keinen Verstoß gegen Bundesrecht dar, dass es den von der Behördenleitung am … gleichfalls angeordneten verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 Nr. 2 PolG NRW a. F. nicht ebenfalls einer Überprüfung unterzogen hat. Denn insoweit haben die Polizeibeamten von der Anordnung keinen Gebrauch gemacht. Die Datenerhebungen, die die Klägerin mit ihrer Feststellungsklage zur gerichtlichen Überprüfung stellt, resultieren allein aus der längerfristigen Observation sowie dem verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen. Nur diese Maßnahmen sind im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Individualrechtsschutzes zu überprüfen.
15
Das Oberverwaltungsgericht hat die von der Behördenleitung des Polizeipräsidiums X getroffene Prognose, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten von besonderer Bedeutung i. S. d. § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. durch Herrn B. in absehbarer Zeit vorlagen, nachvollzogen und für tragfähig erachtet. Unter Auswertung des Inhalts der beigezogenen Strafakten sowie des Verwaltungsvorgangs, namentlich des darin enthaltenen Antrags und der Anordnung der Maßnahmen, hat es in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass aus der für maßgeblich erachteten ex ante-Sicht am … entsprechende Anhaltspunkte bestanden haben. Das Berufungsgericht hat hierfür die bisherige strafrechtliche Vita des Herrn B. und dessen unverändert bestehende rechtsextreme Gesinnung als Motivlage gewürdigt sowie die bisher stets spontan erfolgte Tatbegehung in Rechnung gestellt. Es hat weiter berücksichtigt, dass Herr B. seit der Haftentlassung erstmals wieder die Möglichkeit der Begehung entsprechender Straftaten hatte, die etwa als Tötungsdelikt oder schwere Körperverletzung Straftaten von erheblicher Bedeutung dargestellt hätten. Darüber hinaus hat das Gericht auch festgestellt, dass die Datenerhebung der Ermittlung des neuen Wohnorts des Herrn B. nach der Haftentlassung diente und damit insofern zur Verhinderung künftiger Straftaten erforderlich war, als weitere – weniger eingriffsintensive – Präventionsmaßnahmen hieran anknüpfen konnten. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Hiergegen gerichtete Verfahrensrügen hat die Klägerin nicht erhoben.
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Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Erhebung der Daten der Klägerin ihre Rechtfertigung in § 16a Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F. findet. Sie ist als unvermeidbar betroffene Dritte eine andere Person im Sinne dieser Normen.
17
Das Berufungsgericht hat zudem die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen auch im Übrigen bejaht, ohne dass hiergegen aus revisionsgerichtlicher Sicht etwas einzuwenden ist. Namentlich die auf der Rechtsanwendungsebene vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung lässt als solche keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Wirken mehrere Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen zusammen, müssen die Behörden als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unmittelbar von Verfassungs wegen im Rahmen ihrer Befugnisse von sich aus beachten, ob sich eine Überwachung über einen längeren Zeitraum erstreckt und derart umfassend ist, dass nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen der Betroffenen registriert und zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können. Beim Einsatz moderner, insbesondere dem Betroffenen verborgener Ermittlungsmethoden muss mit Rücksicht auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotenzial darauf Bedacht genommen werden, dass das Ausmaß der Überwachung insgesamt beschränkt bleibt (BVerfG, Urteile vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 287 sowie vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 130 m. w. N.). Die längerfristige Observation durfte zusammen mit dem verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen bei Anordnung der Maßnahmen ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für einen Monat ab Haftentlassung für erforderlich gehalten werden, um den neuen Wohnsitz des Herrn B. in Erfahrung bringen zu können. Es war zu diesem Zeitpunkt anzunehmen, dass Herr B. mit Personen Kontakt aufnehmen würde, die nur anhand der Bilder zuverlässig identifiziert werden könnten. Sobald die Polizeibeamten erkannt hatten, dass Herr B. bei der Klägerin eingezogen war und seinen melderechtlichen Verpflichtungen nachkam, haben sie die Maßnahmen eingestellt. Auch mit Blick auf die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Überprüfung der polizeilichen Ermessensentscheidung gibt es revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.
18
2. Der Senat ist überzeugt davon, dass § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sind.
19
Bei der Datenerhebung durch längerfristige Observationen und dem verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen handelt es sich um heimliche Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen, die in das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Dieses Grundrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (grundlegend BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u. a. – BVerfGE 65, 1 <41 ff.>; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u. a. – BVerfGE 103, 21 <32 f.>, vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 – BVerfGE 115, 320 <341> sowie vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 – BVerfGE 156, 63 Rn. 198). Die Polizei wird aufgrund der landesrechtlichen Eingriffsbefugnisse zur heimlichen Erhebung personenbezogener Daten ermächtigt, um die Begehung künftiger Straftaten zu verhindern. Derartige Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen, die ohne Kenntnis der Betroffenen verdeckt durchgeführt werden, können tief in die Privatsphäre eingreifen. Daraus ergeben sich spezifische verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlagen, die das Bundesverfassungsgericht in langjähriger Rechtsprechung näher ausgeformt und konturiert hat. Danach sind die gesetzlichen Befugnisnormen in Abhängigkeit von ihrem Eingriffsgewicht am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie am Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit zu messen (vgl. BVerfG, Urteile vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <375 ff.>, vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 – BVerfGE 120, 274 <315 ff.> und vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 90 ff., Beschlüsse vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 – BVerfGE 115, 320 <344 ff.> sowie vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 – BVerfGE 156, 63 Rn. 191 ff.).
20
Den hieraus folgenden Anforderungen genügen die § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. nicht. In den Blick zu nehmen sind dabei allein die gesetzlichen Regelungen zur Datenerhebung durch längerfristige Observationen und den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen (a)). Die Schwere der Eingriffe ist aus dem Zusammenwirken dieser beiden Befugnisse zu bestimmen. Ihre Bündelung ist zur Überzeugung des Senats – anders als das Berufungsgericht meint – mit schweren, tiefgreifenden Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden (b)). Gemessen hieran erweisen sich die gesetzlichen Regelungen als unverhältnismäßig, weil sie in Bezug auf die geschützten Rechtsgüter auch unangemessene Eingriffe zulassen (c)). Darüber hinaus verstoßen sie gegen das Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit (d)). Ihre verfassungskonforme Auslegung ist ausgeschlossen (e)).
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a) Allein die Normen, deren Rechtsfolgen die Klägerin konkret beanstandet, sind am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen und müssen dem Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit genügen. Dies sind hier § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. Etwaige weitere Rechtsfolgen, die diese gesetzlichen Vorschriften unter denselben materiell-rechtlichen Voraussetzungen zulassen, von denen aber im konkreten Fall kein Gebrauch gemacht worden ist, haben dabei außer Betracht zu bleiben. Insbesondere erweist sich der Regelungsgehalt des § 17 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW a. F. mit seinen vier Varianten als teilbar, da die Regelung jedes einzelnen normierten technischen Mittels für den verdeckten Einsatz auch ohne die Regelungen der anderen Mittel sinnvoll bleibt und davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Norm auch ohne die jeweils anderen Varianten erlassen hätte (vgl. zu den Voraussetzungen der Teilbarkeit nur: BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 8 CN 1.17 – BVerwGE 164, 64 Rn. 15 m. w. N.).
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b) Die Eingriffsschwere muss aus dem Zusammenwirken dieser beiden polizeilichen Befugnisse bestimmt werden, die der Landesgesetzgeber unter identische materielle Voraussetzungen gestellt hat (aa)). In der Kombination bewirken die Datenerhebung durch längerfristige Observation und die Erhebung von Daten durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen schwere Eingriffe in das von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (bb)).
23
aa) Sowohl die Datenerhebung durch längerfristige Observation nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PolG NRW a. F. als auch diejenige durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 PolG NRW a. F. dürfen nur gegen Personen gerichtet werden, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wollen, und dürfen deren Kontakt- oder Begleitpersonen nur betreffen, wenn die Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich ist. Auch in Bezug auf die Erhebung personenbezogener Daten über andere Personen unterscheiden sich die Normen in ihren Voraussetzungen nicht, vgl. § 16a Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F. einerseits und § 17 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F. andererseits. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat daher für die Datenerhebung durch längerfristige Observationen sowie den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen identische materiell-rechtliche Voraussetzungen normiert. Er hat damit gebilligt, dass bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale sowohl die Rechtsfolgen der einen als auch diejenigen der anderen Norm oder sogar beide Befugnisse gebündelt zum Einsatz kommen können. Regelungen, die eine solche Kombination ausschließen oder sie unter gesonderte Voraussetzungen stellen, fehlen im Landesrecht. In dieser Konstellation würde die Betrachtung der Eingriffsschwere, die mit den jeweiligen Befugnissen isoliert verbunden ist, das nach den normativen Regelungen mögliche Eingriffsspektrum nur unvollständig erfassen. Gerade die spezifische Eingriffstiefe kombiniert angewandter Befugnisse nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. bliebe hierbei unberücksichtigt. Um dies zu vermeiden, ist zur Bestimmung der Schwere der nach diesen Normen zulässigen Eingriffe auf eine Datenerhebung durch eine längerfristige Observation mit gleichzeitigem verdecktem Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen abzustellen. Denn dem Gesetzgeber steht es frei, je nach Schwere des konkreten Eingriffsgewichts normativ unterschiedlich strenge Eingriffsvoraussetzungen festzulegen. Tut er dies nicht, muss er sich daran festhalten lassen und die Regelung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung des schwerstmöglichen – hier des gebündelten – Eingriffs genügen (in diesem Sinne BVerfG, Urteil vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 359 zu Art. 19a BayVSG).
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bb) Das Eingriffsgewicht von Observationen kann sehr unterschiedlich sein. Es reicht von eher geringeren bis mittleren Eingriffen, wie dem Erstellen einzelner Fotos oder der zeitlich begrenzten schlichten Beobachtung, bis zu schweren Eingriffen, wie dem langfristig-dauerhaften heimlichen Aufzeichnen von Wort und Bild einer Person. Insbesondere wenn diese Maßnahmen gebündelt durchgeführt werden und dabei unter Nutzung technischer Mittel darauf zielen, möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich wie akustisch festzuhalten, können sie tief in die Privatsphäre eindringen und ein besonders schweres Eingriffsgewicht erlangen (BVerfG, Urteile vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 151 und vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 357).
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Hiervon ausgehend greifen die gebündelten Befugnisse nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. tief in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Denn § 16a Abs. 2 Satz 1 PolG NRW a. F. setzt der längerfristigen Observation keine zeitlichen Grenzen, eine Befristung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Befugnisnorm des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. ermöglicht damit ein zeitlich unbegrenztes Beobachten von Personen, was schon für sich genommen mit tiefgreifenden Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden ist, weil hierdurch ein lückenloses Bewegungs- und Persönlichkeitsbild einer Person erstellt werden kann. Diese Eingriffsschwere wird zusätzlich noch verstärkt durch die gleichzeitige Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen, die für einen Monat angeordnet und bei Bedarf mehrmals monatsweise verlängert werden kann, § 17 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW a. F. Der Umstand, dass die heimlichen Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen außerhalb von Wohnungen in der Öffentlichkeit stattfinden, vermag die Schwere des Eingriffs nicht abzumildern. Auch dort muss der Einzelne nicht damit rechnen, zeitlich unbegrenzt in all seinen privaten Bewegungsabläufen – darunter mit einiger Wahrscheinlichkeit höchstvertrauliche Situationen etwa abseits in einem Restaurant oder zurückgezogen bei einem Spaziergang – heimlich beobachtet und zusätzlich fotografiert zu werden.
26
c) Die zu schweren Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ermächtigenden Befugnisnormen genügen zur Überzeugung des Senats nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sie dienen zwar einem legitimen Ziel und sind zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich (aa)). Allerdings fehlt es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (bb)) sowie an geeigneten Absicherungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in verfahrensmäßiger Hinsicht (cc)).
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aa) Die in Frage stehenden Ermittlungs- und Überwachungsbefugnisse müssen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einem legitimen Ziel dienen und zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (stRspr, vgl. BVerfG, Urteile vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 93 und vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 149 sowie Beschluss vom 20. Juni 1984 – 1 BvR 1494/78 – BVerfGE 67, 157 <173> – jeweils m. w. N.). Geeignet sind sie, wenn die Möglichkeit besteht, dass der mit ihnen angestrebte Zweck erreicht werden kann (BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 – 2 BvL 45/92 – BVerfGE 96, 10 <23>). Erforderlich ist eine Regelung dann, wenn dem Gesetzgeber kein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel zur Verfügung steht (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1984 – 1 BvR 1494/78 – BVerfGE 67, 157 <176> m. w. N.). Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie den in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzungen und Prognosen steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, der nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann (BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 – BVerfGE 156, 63 Rn. 192 m. w. N.).
28
Diesen Anforderungen genügen § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. ohne Weiteres. Ihr Zweck besteht in der Verhinderung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, die in § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. legaldefiniert werden. Den Polizeibeamten heimliche Ermittlungs- und Überwachungsbefugnisse einzuräumen, stellt ein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels dar. Auch an der Erforderlichkeit bestehen keine Zweifel, zumal der Gesetzgeber in beiden Vorschriften ausdrücklich normiert hat, dass die Datenerhebung jeweils zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich sein muss.
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bb) Vor allem aus den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ergeben sich Begrenzungen. Danach ist erforderlich, dass die Schwere der Grundrechtsbeschränkung bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. Zwischen dem Eingriffsgewicht der Regelung und dem verfolgten gesetzgeberischen Ziel, zwischen Individual- und Allgemeininteresse ist ein angemessener Ausgleich herzustellen (vgl. BVerfG, Urteile vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 – BVerfGE 133, 277 Rn. 109 und vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 98). Diese Aufgabe kommt dem Gesetzgeber zu. Er hat in dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum wirksamen Schutz der Grundrechte und Rechtsgüter der Bürger und dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner von der Verfassung verbürgten Rechte in abstrakter Weise einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen vorzunehmen (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 – BVerfGE 120, 274 <326> sowie Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 – BVerfGE 115, 320 <346> m. w. N.). Tief in die Privatsphäre eingreifende Ermittlungs- und Überwachungsbefugnisse sind hiernach mit der Verfassung nur vereinbar, wenn sie zum einen dem Schutz oder der Bewehrung von hinreichend gewichtigen Rechtsgütern dienen, für deren Gefährdung oder Verletzung im Einzelfall belastbare tatsächliche Anhaltspunkte bestehen. Sie setzen zum anderen grundsätzlich voraus, dass der Adressat der Maßnahme in die mögliche Rechtsgutverletzung aus Sicht eines verständigen Dritten den objektiven Umständen nach verfangen ist (BVerfG, Urteile vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 u. a. – BVerfGE 125, 260 <329 ff.>, vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 104 f., 108 f. und vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 158 sowie Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11 – BVerfGE 156, 63 Rn. 203). Hierdurch wird sichergestellt, dass die auf die Befugnisnormen gestützten Maßnahmen durch einen hinreichenden Grund – die sogenannte Eingriffsschwelle – veranlasst sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 160).
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Nach diesen Grundsätzen ermächtigen § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. die Polizei zu unangemessenen Eingriffen. Sie knüpfen mit dem Ziel der Straftatenverhütung im Vorfeldbereich an und lassen schwere Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu, sind aber nicht auf den Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter begrenzt ((1)). Zudem erfordern sie keine hinreichend absehbare Gefahrenlage als Eingriffsschwelle ((2)).
31
(1) Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit sind tiefgreifende Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen nur zum Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter zulässig. Für Maßnahmen, die der Strafverfolgung dienen und damit repressiven Charakter haben, kommt es auf das Gewicht der verfolgten Straftaten an. Bei präventiven Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ist unmittelbar das Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter entscheidend (BVerfG, Urteile vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 u. a. – BVerfGE 125, 260 <329> und vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 106 ff. m. w. N. sowie Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 – BVerfGE 156, 63 Rn. 204). Zu den besonders gewichtigen Rechtsgütern gehören Leib, Leben und Freiheit der Person sowie der Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, wohingegen der Schutz von Sachwerten für solche Maßnahmen nicht ausreichend gewichtig ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 – BVerfGE 120, 274 <328> und Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 – BVerfGE 156, 63 Rn. 204 m. w. N.). Ein generelles staatliches Tätigwerden im Vorfeld konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahrensituationen zum Schutz von Sach- oder Vermögenswerten rechtfertigt sich weder aus der objektivrechtlichen Pflicht der Staatsorgane zum Schutz der von der Rechtsordnung gesicherten Individualgüter noch aus dem allgemeinen Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung (in diesem Sinne Sächsischer VerfGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – Vf. 44-II-94 – juris Rn. 225).
32
Gemessen hieran sind die Befugnisse des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und des § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. nicht auf den Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter beschränkt. Die Rechtsgüter, um deren Schutz es in § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 PolG NRW a. F. geht, sind nicht bezeichnet, sondern ergeben sich nur indirekt aus den Straftatbeständen, die von § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. in Bezug genommen werden. Nach dem Wortlaut dieser Norm sind Straftaten von erheblicher Bedeutung insbesondere Verbrechen sowie die in § 138 StGB genannten Vergehen, Vergehen nach § 129 StGB und gewerbs- oder bandenmäßig begangene Vergehen nach den §§ 243, 244, 260, 261, 263 bis 264a, 265b, 266, 283, 283a, 291 oder 324 bis 330 StGB (Nummer 1), § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) oder d) WaffG (Nummer 2), §§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 oder 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Nummer 3) sowie §§ 96 und 97 AufenthG (Nummer 4).
33
Eine Begrenzung auf Straftatbestände, die überwiegend dem Schutz von Leben, körperlicher Unversehrtheit und Freiheit der Person dienen, vermag der Senat in diesem Regelungsgefüge nicht zu erkennen. Heranzuziehen ist hierbei nicht der von der Vorinstanz zugrunde gelegte Maßstab, der an strafprozessuale Eingriffsbefugnisse anzulegen ist, wenn diese auf „Straftaten mit erheblicher Bedeutung“ abstellen. Insoweit ist anerkannt, dass es um Taten gehen muss, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind, den Rechtsfrieden empfindlich stören und dazu geeignet sein müssen, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, weshalb schon das Merkmal der „erheblichen Bedeutung“ Grundrechtseingriffe einer hinreichend bestimmten Begrenzung unterwirft (dazu BVerfG, Urteil vom 12. April 2005 – 2 BvR 581/01 – BVerfGE 112, 304 <315 f.> sowie Beschluss vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u. a. – BVerfGE 103, 21 <34> m. w. N.). Vielmehr ist im Bereich der Gefahrenabwehr unmittelbar das Gewicht der von den Befugnisnormen geschützten Rechtsgüter maßgeblich.
34
Die Straftatbestände, die von § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. einbezogen werden, sind nach der den Senat bindenden Auslegung des Berufungsgerichts nicht auf den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter beschränkt, sondern erfassen neben Eigentum und Vermögen weitere Rechtsgüter, die schwere Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht rechtfertigen können. Ein gesetzgeberisches Konzept (zu diesem Erfordernis: BVerfG, Urteile vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <387> und vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 – BVerfGE 120, 274 <334>) ist nicht ersichtlich. Die Bezugnahme auf sämtliche Verbrechen erlaubt schon keine Rückschlüsse auf die Art der geschützten Rechtsgüter, sondern knüpft allein an die Höhe der Mindeststrafe an (§ 12 Abs. 1 und 2 StGB). Nicht nur wichtige individuelle Rechtsgüter wie das Leben und die Freiheit der Person werden über die Verweisung auf den Katalog der in § 138 StGB genannten Tatbestände erfasst, sondern beispielsweise auch – ungeachtet einer gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung – das Eigentum und Vermögen Einzelner (§ 138 Abs. 1 Nr. 7 StGB). Die geschützten Rechtsgüter der Brandstiftungsdelikte und der weiteren in § 138 Abs. 1 Nr. 8 StGB genannten gemeingefährlichen Straftaten unterscheiden sich gleichfalls stark voneinander und reichen von bloßem Eigentumsschutz beispielsweise durch § 306 StGB („qualifizierte Sachbeschädigung“, vgl. die Nachweise bei Heine/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 306 Rn. 1 und bei Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, § 306 Rn. 1) über den Schutz vor allem der Verkehrssicherheit als Universalrechtsgut (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 – 4 StR 213/14 – NStZ 2015, 263 <263>; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 315 Rn. 1 m. w. N.; zum Streitstand Pegel, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, § 315 Rn. 3 ff.) bis hin zum Schutz – zumindest auch – des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit von Menschen etwa in § 306b und § 306c StGB (siehe Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, § 306b Rn. 1 sowie § 306c Rn. 1 – jeweils m. w. N.) oder in den §§ 307 – 310 StGB (dazu Krack, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, §§ 307 – 310 jeweils Rn. 1). Nicht weniger vielfältig sind die in § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 PolG NRW a. F. beispielhaft angegebenen Vergehen, die gewerbs- oder bandenmäßig begangen werden müssen. Sie erfassen etwa Verstöße gegen das Betäubungsmittel-, Waffen- und Aufenthaltsgesetz, die ebenfalls dem Schutz unterschiedlichster Rechtsgüter dienen. Es ist im Übrigen nicht zu erkennen, dass die nach dem Wortlaut der Norm ersichtlich zur Eingrenzung geforderte besondere Art und Weise der Begehung dieser Straftaten – die Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit – Einfluss auf das Gewicht der geschützten Rechtsgüter hat.
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Nach alledem ist eine Begrenzung auf bestimmte besonders schützenswerte, gewichtige Rechtsgüter nicht zu erkennen; die Aufzählung der Straftatbestände in § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. wirkt vielmehr beliebig. Geht es aber um den Schutz sonstiger Rechtsgüter Einzelner oder der Allgemeinheit in Situationen, in denen eine existentielle Bedrohungslage nicht besteht, ist eine staatliche Maßnahme grundsätzlich nicht angemessen, durch die die Persönlichkeit des Betroffenen einer weitgehenden Ausspähung durch die Ermittlungsbehörde preisgegeben wird. Vielmehr hat sich der Staat zum Schutz solcher Rechtsgüter auf andere Ermittlungsbefugnisse zu beschränken, die ihm das jeweils anwendbare Fachrecht im präventiven Bereich einräumt (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595,07 – BVerfGE 120, 274 <328>). Dies gilt erst recht dann, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die auch unbeteiligte Dritte – wie hier die Klägerin – mitbetreffen können, sofern dies für die Durchführung der Datenerhebung erforderlich ist (vgl. § 16a Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F.). Diese Personen rechnen nicht mit einer verdeckten Überwachung durch Polizeibeamte und der Preisgabe ihrer persönlichen Daten.
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(2) Die Erhebung von Daten durch heimliche Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen mit hoher Eingriffsintensität ist im Bereich der Gefahrenabwehr außerdem selbst zum Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter grundsätzlich nur dann verhältnismäßig, wenn deren Gefährdung im Einzelfall hinreichend konkret absehbar ist und der Adressat der Maßnahmen aus Sicht eines verständigen Dritten den objektiven Umständen nach in sie verfangen ist (BVerfG, Urteile vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 u. a. – BVerfGE 125, 260 <329 ff.>, vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 109 und vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 158). Die Anforderungen an eine solche hinreichend absehbare Gefahrenlage hängen von der Art und dem Gewicht des Eingriffs ab und müssen für die Rechtsgüter im Verhältnis zur Belastung des Betroffenen bestimmt werden (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 110 f.). Hierbei handelt es sich um ein unverzichtbares Kernelement rechtsstaatlicher Anforderungen an staatliches Handeln (so BVerfG, Urteil vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 160).
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Gerade für Eingriffstatbestände, die – wie hier – mit dem Ziel schon der Straftatenverhütung im Vorfeld konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren für die relevanten Schutzgüter ansetzen, müssen die gesetzlichen Regelungen eine hinreichend konkretisierte Gefahr in dem Sinne verlangen, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter bestehen müssen. Allgemeine Erfahrungssätze reichen insoweit allein nicht aus. Vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Schutzgutsverletzung führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon dann bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, sofern bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. Die Tatsachen müssen dafür zum einen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, zum anderen darauf, dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann (BVerfG, Urteile vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 u. a. – BVerfGE 125, 260 <330 f.>, vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 112 und vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 158 sowie Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 – BVerfGE 156, 63 Rn. 205 m. w. N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Juni 2020 – 3 ZB 1/20 – BGHSt 66, 1 Rn. 41 m. w. N.).
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Eine solche hinreichend absehbare Gefahrenlage bezeichnen § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. nicht, wie auch das Berufungsgericht ausgehend von seinem Verständnis der landesrechtlichen Regelungen festgestellt hat. Die geforderte Eingriffsschwelle, die die Vorinstanz im Wege der verfassungskonformen Auslegung in den Normen angelegt sieht, genügt indes nicht den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen an die Gefahrenlage bei polizeilichen Vorfeldmaßnahmen. Sie setzen voraus, dass Gefahren für ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut abgewehrt werden; es müssen gerade „bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen“ (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 112 m. w. N.). Nur unter dieser Voraussetzung können Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen gerechtfertigt sein, sobald die Tatsachen zum einen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, zum anderen darauf schließen lassen, dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann. Da aber die polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen in § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. – wie gezeigt – nicht auf den Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter bezogen sind, kann diese Eingriffsschwelle von vornherein nicht herangezogen werden. Die gegenteilige Sichtweise des Oberverwaltungsgerichts beruht maßgeblich auf der abweichenden Würdigung der hier in Rede stehenden Eingriffstiefe.
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cc) Übergreifende Anforderungen ergeben sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Geht es um eingriffsintensive Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen, bei denen damit zu rechnen ist, dass sie auch höchstprivate Informationen erfassen, und die gegenüber den Betroffenen heimlich durchgeführt werden, bedürfen diese grundsätzlich einer vorherigen Kontrolle durch eine unabhängige Stelle. Dies folgt – außerhalb von Maßnahmen der Wohnraumüberwachung, vgl. Art. 13 Abs. 3 und 4 GG – unmittelbar aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BVerfG, Urteile vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 117 und vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 214 – jeweils m. w. N.). Im Übrigen kann sich auch aus der Dauer der heimlichen Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer unabhängigen Vorabkontrolle ergeben. Dauern Maßnahmen länger an, kann selbst eine anfangs weniger eingriffsintensive Maßnahme mit der Zeit ein solches Gewicht erlangen, dass eine zunächst verzichtbare externe Kontrolle erforderlich wird. Länger andauernde Maßnahmen, die von Beginn an ein solches Eingriffsgewicht haben, dass sie einer unabhängigen Vorabkontrolle zu unterwerfen sind, müssen befristet oder einer erneuten Kontrolle unterzogen werden. Denn die Kontrolle, die stets eine vorausschauende Beurteilung der Effektivität der Maßnahme einschließen muss, kann im Hinblick auf den einschneidenden Eingriff einerseits und die hochrangigen Rechtsgüter andererseits hinreichend verantwortungsvoll lediglich für einen überschaubaren Zeitraum vorgenommen werden (BVerfG, Urteil vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 220, 361 m. w. N.). Der Gesetzgeber hat das Gebot vorbeugender unabhängiger Kontrolle in spezifischer und normenklarer Form mit strengen Anforderungen an den Inhalt und die Begründung der gerichtlichen Anordnung zu verbinden (BVerfG, Urteile vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 u. a. – BVerfGE 125, 260 <338> und vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 118). Die unabhängige Stelle muss eigenverantwortlich prüfen können, ob die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen beachtet werden. Durch geeignete Formulierungen in der Anordnung ist im Übrigen sicherzustellen, dass die Eingriffe in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleiben (BVerfG, Urteile vom 20. Februar 2001 – 2 BvR 1444/00 – BVerfGE 103, 142 <151> und vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 u. a. – BVerfGE 125, 260 <338>).
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Die landesrechtlichen Regelungen in § 16a Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 2 Sätze 1 und 2 PolG NRW a. F. sehen für die Datenerhebung durch längerfristige Observationen und den verdeckten Einsatz technischer Mittel zum Anfertigen von Bildaufnahmen eine Anordnung durch die Behördenleitung vor. Überdies gilt nur für die Datenerhebung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. ein Schriftform- und Befristungserfordernis (§ 17 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW a. F.). Längerfristige Observationen können dagegen zeitlich unbefristet angeordnet werden, ohne dass eine nochmalige Kontrolle durch eine unabhängige Stelle vorgesehen ist; auch eine Verschriftlichung ist nicht verpflichtend angeordnet. Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung bleibt deutlich hinter den verfassungsrechtlichen Erfordernissen zur Absicherung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zurück. Die gegenteilige Sichtweise des Berufungsgerichts ist wiederum Folge seiner abweichenden Bestimmung der Eingriffsschwere.
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In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass für polizeiliche Datenerhebungen durch längerfristige Observationen eine unabhängige Vorabkontrolle unverzichtbar ist (BVerfG, Urteile vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 174 und vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 219). Denn diese Maßnahmen können tief in die Privatsphäre eindringen und haben ein schweres Eingriffsgewicht, das durch die gleichzeitige Möglichkeit, Daten durch die Anfertigung von Bildaufnahmen zu erheben, zusätzlich verstärkt wird. Infolge dieses Eingriffsgewichts gelten überdies besondere Anforderungen hinsichtlich der Dauer der polizeilichen Maßnahmen. Sie sind zu befristen oder aber einer erneuten unabhängigen Kontrolle zuzuführen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 220, 361). Dazu enthält § 16a Abs. 2 Satz 1 PolG NRW a. F. – anders als § 17 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW a. F. – keine Regelungen. Außerdem ist die vorherige Kontrolle von einer außerhalb der Polizeibehörde angesiedelten Person – beispielsweise von einem Richter – wahrzunehmen, weil dies eine größere Unabhängigkeit erwarten lässt. Die hier in § 16a Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 PolG NRW a. F. als Kontrollstelle vorgesehene Behördenleitung ist zu eng mit ihren antragstellenden Abteilungen verbunden und bietet keine Gewähr für eine effektive und neutrale Vorabkontrolle, die angesichts der tiefgreifenden Grundrechtseingriffe, zu denen die Normen insbesondere in der Bündelung ermöglichen, unerlässlich ist. Darüber hinaus fehlt es an dem gesetzlichen Erfordernis einer schriftlichen und hinreichend begründeten Anordnung der Datenerhebung in § 16a Abs. 2 Satz 1 PolG NRW a. F. Der Zweck der Dokumentations- und Begründungspflichten liegt in der Vergewisserung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Es ist eine Erfahrungstatsache, dass der Zwang zur Verschriftlichung nicht nur mäßigend wirkt, sondern auch eine größere Richtigkeitsgewähr bietet. Zudem ermöglicht erst die Verschriftlichung eine eventuell nachfolgende aufsichtsrechtliche, datenschutzrechtliche oder gerichtliche Prüfung (in diesem Sinne Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, E Rn. 699 f.). Das in § 16a Abs. 2 Satz 1 PolG NRW a. F. normierte Verfahren lässt letztlich eine Erörterung mit der Behördenleitung und eine mündliche Anordnung der Datenerhebung durch längerfristige Observationen gleichsam zwischen Tür und Angel zu. Demgegenüber enthält § 17 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW a. F. immerhin die Pflicht zur schriftlichen Anordnung der Maßnahme und ein Befristungserfordernis.
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Mit Blick auf die durch die genannten Befugnisnormen eröffneten tiefgreifenden Eingriffe sind auch die sonstigen Verfahrensrechte zur Absicherung der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend gehaltvoll normiert. Namentlich verpflichtet das Landesrecht den nordrhein-westfälischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit bei seiner aufsichtlichen Kontrolle gemäß § 22 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten in Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 2000 (GV. NRW S. 542), im hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes über die Unabhängigkeit des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 5. Juli 2011 (GV. NRW S. 338) – DSG NRW a. F., weder zur Protokollierung, noch ist vorgesehen, dass dessen Kontrolle in angemessenen Abständen – deren Dauer ein gewisses Höchstmaß, etwa zwei Jahre, nicht überschreiten darf – durchzuführen ist (zu diesen Anforderungen: BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 134 ff., 140 f.). Angesichts der Kompensationsfunktion der aufsichtlichen Kontrolle für den bei heimlichen Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen nur sehr eingeschränkten nachträglichen Individualrechtsschutz und ihrer besonderen Bedeutung für den Grundrechtsschutz (dazu BVerfG, Urteil vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 200) wiegen diese Defizite schwer. Auch Berichtspflichten gegenüber dem Landtag oder der Öffentlichkeit sieht das hier maßgebliche Landesrecht für die Befugnisse nach § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. zum hier maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht vor (zu den Anforderungen erneut: BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 142 ff.).
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d) Die gesetzlichen Befugnisse sind zudem am Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit zu messen. Bei der Bestimmtheit geht es vornehmlich darum, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle vornehmen können. Bei der Normenklarheit steht hingegen die inhaltliche Verständlichkeit der Regelungen im Vordergrund, insbesondere damit sich Bürgerinnen und Bürger auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können (BVerfG, Urteil vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 272 m. w. N.). Für die Befugnisse zur heimlichen Ermittlung und Überwachung, die tief in die Privatsphäre hineinwirken können, stellt dieser Grundsatz besonders strenge Anforderungen. Da ihre Handhabung von den Betroffenen weitgehend nicht wahrgenommen und angegriffen werden kann, kann ihr Gehalt – anders als etwa durch Verwaltungsakt zu vollziehende auslegungsbedürftige Begriffe des Verwaltungsrechts sonst – nur sehr eingeschränkt im Wechselspiel von Anwendungspraxis und gerichtlicher Kontrolle konkretisiert werden. Im Einzelnen unterscheiden sich hierbei die Anforderungen maßgeblich nach dem Gewicht des Eingriffs und sind insoweit mit den jeweiligen materiellen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit eng verknüpft (BVerfG, Urteile vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 94 und vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 200 – jeweils m. w. N.). Der Schutz durch die Verwaltung begrenzende Maßstäbe erhält zusätzlich besondere Bedeutung dadurch, dass auch betroffene Dritte – wie hier die Klägerin – mit einer staatlichen Überwachung nicht rechnen und sich deshalb vor einem Einblick in ihren Privatbereich nicht schützen können (dazu BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <376> m. w. N.).
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Hiervon ausgehend genügen die in Rede stehenden Befugnisnormen weder dem Grundsatz der Bestimmtheit (aa)) noch sind sie normenklar geregelt (bb)).
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aa) Für Ermächtigungen zu heimlichen Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen verlangt das Bestimmtheitsgebot zwar nicht, dass die konkrete Maßnahme vorhersehbar ist, wohl aber, dass die betroffene Person grundsätzlich erkennen kann, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der Überwachung verbunden ist. Gerade dann, wenn der Gesetzgeber Vorsorge im Hinblick auf in der Zukunft eventuell zu erwartende Straftaten und die damit verbundenen Rechtsgutgefährdungen treffen will, muss er die Bestimmtheitserfordernisse spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausrichten, die sich durch eine große Ambivalenz auszeichnet. Sieht er in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, sind die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar zu demjenigen schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <376 ff.> sowie Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvF 3/92 – BVerfGE 110, 33 <55 f.>).
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Diese spezifischen Grundsätze gelten nicht nur für polizeiliche Informationserhebungen im Rahmen des Art. 10 GG, sondern auch für andere heimliche Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen, sofern sie – wie es hier der Fall ist – zu vergleichbar intensiven Grundrechtseingriffen führen (vgl. Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, E Rn. 687 in Fn. 1634 sowie Shirvani, VerwArch 2010, 86 <98 f> m. w. N.). Dafür spricht die sachliche Nähe der Gewährleistungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Art. 10 GG, die auf den diesen Grundrechten immanenten Gedanken der freien Entfaltung der Persönlichkeit und des Schutzes der Menschenwürde zurückzuführen ist (in diesem Sinne Shirvani, VerwArch 2010, 86 <99> m. w. N.). Die Grundrechte aus Art. 10 GG stellen spezielle Ausprägungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar, weshalb die dort anzulegenden Maßstäbe auch auf das allgemeinere Grundrecht anwendbar sind, soweit sie nicht – wofür hier nichts ersichtlich ist – durch die für die speziellen Gewährleistungen geltenden Besonderheiten geprägt sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 – BVerfGE 115, 320 <347 und 365>).
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In Anwendung dieser Maßgaben erweisen sich die Tatbestände des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und des § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. als nicht hinreichend bestimmt. Die gegenteilige Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, für die Bestimmung einer Eingriffsschwelle könne maßgeblich an den Tatsachenbegriff in den Befugnisnormen angeknüpft werden, überfrachtet diesen. Ohne Weiteres grenzt der Begriff der Tatsachen bloße Vermutungen, Spekulationen und Hypothesen aus (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2020 – 6 C 11.18 – BVerwGE 171, 59 Rn. 23 m. w. N.). Ihm aber zugleich eine das polizeiliche Handeln begrenzende Bedeutung dahingehend beizumessen, dass die Tatsachen zum einen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen müssen, zum anderen darauf, dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann, geht zu weit. Diese Deutung ist im Tatsachenbegriff nicht angelegt und wird auch sonst im Wortlaut der Ermächtigungsgrundlagen nicht hinreichend erkennbar; mit ihr verlöre der Tatbestand vielmehr seine handlungsbegrenzende Funktion. Die in Rede stehenden Normen sehen weder hinsichtlich möglicher Indikatoren oder Verhaltensweisen und des Grades der Wahrscheinlichkeit eines solchen Ablaufs noch in zeitlicher Hinsicht Beschränkungen vor. Die im Vorfeld künftiger Straftaten bestehenden Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatenbegehung mündenden Verhaltens werden in der Ermächtigung nicht durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt. Die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs obliegt vielmehr der Polizei. Sie entscheidet ohne nähere gesetzliche Vorgaben über die Grenzen der Freiheit des Bürgers und muss sich die Maßstäbe dafür selbst zurechtlegen. Sie wird insoweit gewissermaßen tatbestandsergänzend tätig. Die Schaffung eingriffsbeschränkender Maßstäbe ist aber Aufgabe des Gesetzgebers (in diesem Sinne BVerfG, Urteile vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <379> zu § 33a Abs. 1 Nr. 2 NdsSOG a. F. sowie vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 – BVerfGE 141, 220 Rn. 165 zu § 20g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BKAG a. F.). Er müsste diejenigen Tatsachen, die auf die Begehung von Straftaten hindeuten, klar beschreiben. Es ist in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich, im Wesentlichen darauf zu vertrauen, dass eine unbestimmte Eingriffsermächtigung durch Auslegung seitens der Behörde, deren Verhalten gerade beschränkt werden soll, in gebotener Weise eingeengt wird (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <381>).
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Auch die Ausrichtung der Befugnisse auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ im Sinne des § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. vermindert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht das Risiko der Fehlprognose. Dieses Tatbestandsmerkmal bietet keine Anhaltspunkte dafür, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeutet. Die vom Gesetz in Bezug genommenen Straftatbestände sind in diesem Stadium, in dem der künftige Geschehensablauf noch offen ist, nur wenig geeignet, den maßgeblichen Sachverhalt so einzugrenzen, dass er Indizien für eine zukünftige Straftatenbegehung bietet (so BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <379> zu § 33a Abs. 1 Nr. 2 NdsSOG a. F.; vgl. jedoch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 30. Juni 1999 – 3/98 – juris Rn. 71: Bestimmtheit werde hierdurch in der vergleichbaren Norm § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BbgPolG „verstärkt“).
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Im Übrigen ist die Bezugnahme auf die Begehung von „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ selbst schon nicht hinreichend bestimmt. Allerdings sieht der Senat in der Verwendung eines Straftatenkatalogs im Bereich der gefahrenabwehrrechtlichen Befugnisse für sich genommen noch keinen Bestimmtheitsverstoß, obschon dies in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gelegentlich anklingt (siehe BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 u. a. – BVerfGE 125, 260 <329 f.> „keine geeignete Regelungstechnik“, in diesem Sinne schon BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 28. Oktober 2008 – 1 BvR 256/08 – BVerfGE 122, 120 <142> und erneut BVerfG, Urteil vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2835/17 – BVerfGE 154, 152 Rn. 221; anders hingegen Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 30. Juni 1999 – 3/98 – juris Rn. 84 f. sowie Sächsischer VerfGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – Vf. 44-II-94 – juris Rn. 231 ff.) und auch im Schrifttum Straftatenkataloge im Bereich des Gefahrenabwehrrechts abgelehnt werden (etwa Kießling, VerwArch 2017, 282 <291>). Allein deswegen ist § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. jedoch nicht zu beanstanden. Wären die dort vom Gesetzgeber aufgeführten Delikte auf einen abschließenden Kanon von Rechtsgütern bezogen, ließe sich deren Gewicht, auf das es nach der Zielrichtung des Gefahrenabwehrrechts ankommt, im Wege der Auslegung bestimmen. Nicht aus der Verwendung von Straftatbeständen resultiert somit die Unbestimmtheit einer solchen Norm, sondern aus der Weite der von ihnen geschützten Rechtsgüter mit höchst unterschiedlichem Gewicht. So verhält es sich bei § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F.
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Die Norm bemüht sich zwar um die Bezeichnung der Straftaten von erheblicher Bedeutung. Sie benennt dafür eine Vielzahl konkreter Straftatbestände, die hierunter fallen. Die in der Vorschrift benannten Delikte schützen allerdings verschieden gewichtige Rechtsgüter – individuelle wie Leben und Gesundheit Einzelner, deren Vermögen und Eigentum sowie kollektive wie die Verkehrssicherheit – und unterscheiden sich auch im Strafrahmen erheblich. Vor allem bezieht der Wortlaut über „insbesondere“ weitere Delikte ein. Es handelt sich nicht um einen abschließenden Katalog bestimmter Tatbestände. Ob allein dies schon zur Unbestimmtheit der Vorschrift führt, kann offen bleiben (vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 u. a. – BVerfGE 125, 260 <329> für strafprozessuale Befugnisnormen; zu gefahrenabwehrrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen siehe Sächsischer VerfGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – Vf. 44-II-94 – juris Rn. 231 ff.). Jedenfalls lässt sich dem Regelungsgefüge in § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. nicht entnehmen, welche weiteren Tatbestände einbezogen werden sollen. Da es kein bestimmtes gesetzgeberisches Konzept bei der Auswahl der benannten Delikte gibt, ist nicht erkennbar, woran für die Bestimmung vergleichbarer unbenannter Straftaten angeknüpft werden könnte.
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Auch kann der Begriff der „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ nicht als ein zusätzliches, die Bezugnahme auf die Straftatbestände des Katalogs ergänzend beschränkendes Merkmal verstanden werden, etwa dahingehend, dass die Straftat nicht nur allgemein, sondern auch im konkreten Fall, beispielsweise aufgrund des Grades der Bedrohung für die Allgemeinheit, besonderes Gewicht haben muss. Dem Wortlaut des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und des § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. nach handelt es sich um einen Oberbegriff für die aufgezählten Straftaten, nicht aber um ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal (in diesem Sinne BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <388> zu § 33a Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 10 NdsSOG a. F.).
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Das Bestimmtheitsdefizit wird auch nicht durch die Anforderungen in § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. behoben, dass die Datenerhebung „zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich“ sein muss. Es fehlt ein handhabbarer Maßstab für die Prüfung, ob eine Überwachungsmaßnahme zur Vorsorge für die Verfolgung oder die Verhütung einer Straftat erforderlich ist, wenn es sich um ein Verhalten im Vorfeld der Begehung einer künftigen Straftat handelt und damit regelmäßig noch nicht absehbar ist, ob bei späteren Maßnahmen der Verhütung oder Verfolgung andere hinreichende Aufklärungsmöglichkeiten bestehen werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 – BVerfGE 113, 348 <381> im Zusammenhang mit § 33a Abs. 1 Nr. 3 NdsSOG a. F., der forderte, die Überwachung müsse „unerlässlich“ sein).
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bb) Das Gebot der Normenklarheit setzt der Verwendung gesetzlicher Verweisungsketten Grenzen. An einer normenklaren Rechtsgrundlage fehlt es zwar nicht schon deshalb, weil in einer Norm auf eine andere verwiesen wird. Doch müssen Verweisungen begrenzt bleiben und dürfen nicht durch die Inbezugnahme von Vorschriften, die andersartige Spannungslagen bewältigen, ihre Klarheit verlieren. Auch darf es durch solche Verweisungen in der Praxis nicht zu übermäßigen Schwierigkeiten bei der Anwendung kommen. Unübersichtliche Verweisungskaskaden sind mit den grundrechtlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren (BVerfG, Urteile vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2835/17 – BVerfGE 154, 152 Rn. 215 sowie vom 26. April 2022 – 1 BvR 1619/17 – NJW 2022, 1583 Rn. 272).
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Von diesen Maßstäben ausgehend genügt die von § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. in Bezug genommene Regelung in § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. nicht dem Gebot der Normenklarheit. Bereits der Umstand, dass die Tatbestandselemente sämtlicher benannter Straftatbestände des § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. auf ein Verhalten zu beziehen sind, das sich noch im Vorfeld einer Straftat und damit der Verwirklichung der Tatbestandselemente befindet, ist mit einem besonders hohen Risiko für Fehlanwendungen verbunden (vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvF 3/92 – BVerfGE 110, 33 <61 f.>).
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Darüber hinaus weist die Regelungstechnik des § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. mit ihren Verweisungen und Weiterverweisungen auf Strafrechtsnormen in verschiedenen Gesetzen eine große Streubreite und Verschachtelung der in Bezug genommenen Tatbestände auf. Darunter leidet die Normenklarheit erheblich. Die Behörde und das Gericht können auf eine Vielzahl unterschiedlicher Tatbestandselemente zugreifen, die zum Teil – beispielsweise im Waffen- und Aufenthaltsgesetz – ein Handeln ohne entsprechende Erlaubnis voraussetzen und damit umfangreiche Wertungen erfordern, die zu großen Schwierigkeiten in der Anwendung führen. Hinzukommt, dass die Erlaubnisse teilweise im behördlichen Ermessen stehen. Durch dieses Regelungssystem mit in der Breite alternativ gefächerten und in der Tiefe weit verzweigten Verweisungsketten auf immer weitere Vorschriften oder Anlagen verlieren die Verweisungen ihre Klarheit.
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e) Die Vorlage von für unvereinbar gehaltenen Normen an das Bundesverfassungsgericht ist dann nicht erforderlich, wenn die Vorschriften verfassungskonform ausgelegt werden können. Diese Auslegung hat Vorrang (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Februar 1992 – 1 BvL 21/88 – BVerfGE 85, 329 <333 f.>, vom 17. April 2008 – 2 BvL 4/05 – BVerfGE 121, 108 <117> sowie vom 27. Oktober 2021 – 2 BvL 12/11 – juris Rn. 60; Dollinger, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2. Aufl. 2022, § 80 Rn. 58). Sie ist allerdings dort ausgeschlossen, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte. Andernfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen. Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch dessen prinzipielle Zielsetzung wahren (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 – BVerfGE 138, 64 Rn. 86 sowie vom 19. September 2007 – 2 BvF 3/02 – BVerfGE 119, 247 <274> m. w. N.)
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In Ansehung dieser Grenzen lässt der weite Wortlaut eine verfassungskonforme Auslegung des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 und des § 17 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 PolG NRW a. F. nicht zu. Sie wäre nicht mit den Bestimmtheits- und Klarheitserfordernissen vereinbar. Vielmehr obliegt dem Gesetzgeber die Entscheidung, wie er einen verfassungskonformen Zustand herstellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 1 BvR 2226/94 u. a. – BVerfGE 100, 313 <386, 396>). Damit lässt sich – wie dargelegt – weder eine Eingriffsschwelle in den Tatbestand der Vorschriften hineininterpretieren noch kann die festgestellte Weite des Kreises der von den gesetzlichen Befugnissen erfassten Rechtsgüter eingegrenzt werden. Es ist ausgeschlossen, den von § 8 Abs. 3 PolG NRW a. F. in Bezug genommenen Straftatenkatalog einengend so auszulegen, dass nur bestimmte und voneinander abgrenzbare Strafrechtsnormen zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter als Anlass für die heimlichen Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen ausreichen; das Defizit an Bestimmtheit und Normenklarheit würde dadurch verschärft (vgl. jedoch Sächsischer VerfGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – Vf. 44-II-94 – juris Rn. 224 ff., 227).
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Ungeachtet dessen ließe sich die mangelnde Absicherung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in verfahrenstechnischer Hinsicht durch den Gesetzgeber – insbesondere die nicht hinreichend normierte unabhängige vorherige Kontrolle bei Anordnung der in Rede stehenden polizeilichen Befugnisse – nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung beseitigen.