Urteil des BPatG München 7. Senat vom 19.05.2022, AZ 7 Ni 87/19 (EP)

BPatG München 7. Senat, Urteil vom 19.05.2022, AZ 7 Ni 87/19 (EP), ECLI:DE:BPatG:2022:190522U7Ni87.19EP.0

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

gegen

betreffend das europäische Patent 1 269 898

(DE 502 12 094)

hat der 7. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung am 19. Mai 2022 durch die Vorsitzende Richterin Kopacek, die Richterin Püschel sowie die Richter Dipl.-Ing. Wiegele, Dipl.-Ing. Univ. Gruber und Dipl.-Chem. Dr. rer. nat. Deibele

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 269 898 wird teilweise, nämlich im Umfang des Patentanspruchs 1, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 1.000.000,- € festgesetzt.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die teilweise Nichtigerklärung des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 269 898 (im Folgenden: Streitpatent) im Umfang des Patentanspruchs 1. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des Streitpatents, das am 27. Juni 2002 als europäische Patentanmeldung (Nr. 02014300.4) angemeldet worden ist und die Prioritäten zweier deutscher Patentanmeldungen in Anspruch nimmt (DE 10131483 vom 29. Juni 2001 und DE 10226941 vom 17. Juni 2002). Es trägt die Bezeichnung „Küchenmaschine“ und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 502 12 094.0 geführt. Das in deutscher Verfahrenssprache abgefasste Streitpatent, das im Umfang seines Patentanspruchs 1 angegriffen wird, umfasst in seiner erteilten Fassung 8 Patentansprüche mit einem unabhängigen Vorrichtungsanspruch und die auf diesen rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 8.

2

Der Patentanspruch 1 hat in seiner erteilten Fassung folgenden Wortlaut:

3

1. Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (2), einem Deckel (3) und einem Gehäuse (4) wobei das Rührgefäß (2) und der Deckel (3) derart verriegelbar sind, dass ein Eingriff in das Rührgefäß (2) während des Betriebes nicht möglich ist, wobei weiter das Rührgefäß (2) und/oder der Deckel (3) durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln, wobei aufgrund der Verdrehung des Rührgefäßes (2) und/oder des Deckels (3) ein elektrischer Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine (42) freigibt,
dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerungsplatine zumindest einen das Rührwerk beeinflussenden Schaltkreis aufweist und einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis, und wobei weiter der das Rührwerk betreffende Schaltkreis aufgrund der Schalterbetätigung freigegeben ist, aber der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis von einer Schalterbetätigung unabhängig ist.

4

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8, die nicht angegriffen sind, wird auf die Streitpatentschrift EP 1 269 898 B1 Bezug genommen.

5

Die Klägerin macht mit ihrer Teilnichtigkeitsklage im Umfang des Anspruchs 1 die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 54, 56 EPÜ) geltend.

6

Sie verweist u.a. im Hinblick darauf, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ihrer Auffassung nach über den Inhalt der europäischen Patentanmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung hinausgehe, auf die Streitpatentschrift sowie die zugehörige Offenlegungsschrift,

7

NiK1 EP 1 269 898 B1

8

NiK3 EP 1 269 898 A1.

9

Zu der nach ihrer Auffassung bestehenden mangelnden Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Streitpatents hat die Klägerin die Dokumente D1 bis D8 eingereicht.

10

Die Klägerin macht geltend, hinsichtlich des einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreises sei der Patentanspruch 1 gegenüber NiK3 unzulässig erweitert. In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sei die Wägeeinrichtung nicht im Zusammenhang mit einem Schaltkreis offenbart. Darüber hinaus vertritt die Klägerin die Auffassung, in der ursprünglichen Anmeldung sei an keiner Stelle offenbart, dass das Rührgefäß und/oder der Deckel durch Verdrehen zu verriegeln sei. Es sei nur offenbart, dass durch Verdrehen des Rührgefäßes und/oder des Deckels ein Freigabeelement betätigt/verlagert werde. Die Verriegelung könne erst anschließend erfolgen, nach Erreichen der Verdrehstellung (Sp. 2, Z. 7), nämlich durch Verlagerung eines Verriegelungselements in die Verriegelungsstellung. Diese Verlagerung des Verriegelungselements erfolge allerdings erst dann, wenn der Benutzer eine weitere Handlung vornehme. Damit liege ein Aliud vor, das zwingend zur Nichtigerklärung des Patentanspruchs 1 des Streitpatents führen müsse.

11

Zudem sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber dem genannten Stand der Technik nicht patentfähig, denn er sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit.

12

Die Klägerin beantragt,

13

das europäische Patent 1 269 898 im Umfang des Patentanspruchs 1 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen,

16

hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen den Patentanspruch 1 in der Fassung der in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge I bis VI vom 10. Januar 2022 richtet.

17

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet den Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) nicht für unzulässig erweitert und auch für patentfähig, zumindest aber in einer der Fassungen nach den zuletzt vorgelegten Hilfsanträgen I bis VI vom 10. Januar 2022.

18

In der Fassung nach
Hilfsantrag I hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut (Abweichungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):

19

1. Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (2), einem Deckel (3) und einem Gehäuse (4) wobei das Rührgefäß (2) und der Deckel (3) derart verriegelbar sind,

20

dass ein Eingriff in das Rührgefäß (2) während des Betriebes nicht möglich ist, wobei weiter das Rührgefäß (2) und/oder der Deckel (3) durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln, wobei aufgrund der Verdrehung
des Rührgefäßes (2) und/oder des Deckels (3) ein elektrischer Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine (42) freigibt,

21

dadurch gekennzeichnet, dassin dem Gehäuse (4) eine Verriegelungsvorrichtung (5) vorgesehen ist, welche mit dem Deckelabschnitt (6) des Deckels (3) zusammenwirkt, dass aufgrund der Verdrehung des Deckels (3) und gegebenenfalls des Rührgefäßes (2) der elektrische Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine freigibt (42), wobei die Steuerungsplatine zumindest einen das Rührwerk beeinflussenden Schaltkreis aufweist
,undeinen Schaltkreis einer Heizung und einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis, und wobei weiter der das Rührwerk betreffende Schaltkreis aufgrund der Schalterbetätigung freigegeben ist,
der die Heizung betreffende Schaltkreis entsprechend durch den Schalter betätigbar ist, aber der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis von einer Schalterbetätigung unabhängig ist
und dass die Wägeeinrichtung unabhängig von einer Beaufschlagung des Schalters (46) arbeitet.

22

In der Fassung nach
Hilfsantrag II hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut (Abweichungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):

23

1. Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (2), einem Deckel (3) und einem Gehäuse (4) wobei das Rührgefäß (2) und der Deckel (3) derart verriegelbar sind,

24

dass ein Eingriff in das Rührgefäß (2) während des Betriebes nicht möglich ist, wobei weiter das Rührgefäß (2) und/oder der Deckel (3) durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln, wobei aufgrund der Verdrehung
des Rührgefäßes (2) und/oder des Deckels (3) ein elektrischer Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine (42) freigibt,

25

dadurch gekennzeichnet, dassin dem Gehäuse (4) eine Verriegelungsvorrichtung (5) vorgesehen ist, welche mit dem Deckelabschnitt (6) des Deckels (3) zusammenwirkt, dass die Steuerungsplatine zumindest einen das Rührwerk beeinflussenden Schaltkreis aufweist und einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis, und wobei weiter der das Rührwerk betreffende Schaltkreis aufgrund der Schalterbetätigung freigegeben ist, aber der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis von einer Schalterbetätigung unabhängig ist
, dass die Wägeeinrichtung unabhängig von einer Beaufschlagung des Schalters (46) arbeitet, dass die Verdrehstellung des Deckels (3) durch ein Verriegelungselement verriegelt ist und dass durch das Verriegelungselement in der einen oder anderen Endstellung der Schalter (46) beaufschlagt ist.

26

In der Fassung nach
Hilfsantrag III hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut (Abweichungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):

27

1. Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (2), einem Deckel (3) und einem Gehäuse (4) wobei das Rührgefäß (2) und der Deckel (3) derart verriegelbar sind, dass ein Eingriff in das Rührgefäß (2) während des Betriebes nicht möglich ist, wobei weiter das Rührgefäß (2) und/oder der Deckel (3) durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln, wobei aufgrund der Verdrehung
des Rührgefäßes (2) und/oder des Deckels (3) ein elektrischer Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine (42) freigibt,
dadurch gekennzeichnet, dassin dem Gehäuse (4) eine Verriegelungsvorrichtung (5) vorgesehen ist, welche mit dem Deckelabschnitt (6) des Deckels (3) zusammenwirkt, dass die Steuerungsplatine zumindest einen das Rührwerk beeinflussenden Schaltkreis aufweist
,undeinen Schaltkreis einer Heizung und einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis, und wobei weiter der das Rührwerk betreffende Schaltkreis aufgrund der Schalterbetätigung freigegeben ist,
der die Heizung betreffende Schaltkreis entsprechend durch den Schalter betätigbar ist, aber der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis von einer Schalterbetätigung unabhängig ist
, dass die Wägeeinrichtung unabhängig von einer Beaufschlagung des Schalters (46) arbeitet, dass die Verdrehstellung des Deckels (3) durch ein Verriegelungselement verriegelt ist und dass durch das Verriegelungselement in der einen oder anderen Endstellung der Schalter (46) beaufschlagt ist.

28

In der Fassung nach
Hilfsantrag IV hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut (Abweichungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):

29

1. Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (2), einem Deckel (3) und einem Gehäuse (4) wobei das Rührgefäß (2) und der Deckel (3) derart verriegelbar sind,

30

dass ein Eingriff in das Rührgefäß (2) während des Betriebes nicht möglich ist, wobei weiter das Rührgefäß (2) und/oder der Deckel (3) durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln, wobei aufgrund der Verdrehung
des Rührgefäßes (2) und/oder des Deckels (3) ein elektrischer Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine (42) freigibt,

31

dadurch gekennzeichnet, dassin dem Gehäuse (4) eine Verriegelungsvorrichtung (5) vorgesehen ist, welche mit dem Deckelabschnitt (6) des Deckels (3) zusammenwirkt, dass die in einer Verstecktlage in dem Gehäuse (4) angeordnete Verriegelungsvorrichtung (5) durch den Deckelabschnitt (6) beaufschlagbar ist, indem durch Drehen des Deckels (3) bzw. durch Drehen des Rührgefäßes (2) mit dem Deckel um die Gefäßachse (x) der Deckelabschnitt (6) eine entsprechend angeordnete, schlitzartige Gehäuseöffnung (7) durchtretend in den Wirkungsbereich der Verriegelungsvorrichtung (5) einfährt, dass aufgrund der Verdrehung des Deckels (3) und gegebenenfalls des Rührgefäßes (2) der elektrische Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine freigibt (42), wobei die Steuerungsplatine zumindest einen das Rührwerk beeinflussenden Schaltkreis aufweist
,undeinen Schaltkreis einer Heizung und einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis, und wobei weiter der das Rührwerk betreffende Schaltkreis aufgrund der Schalterbetätigung freigegeben ist,
der die Heizung betreffende Schaltkreis entsprechend durch den Schalter betätigbar ist, aber der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis von einer Schalterbetätigung unabhängig ist
und dass die Wägeeinrichtung unabhängig von einer Beaufschlagung des Schalters (46) arbeitet.

32

In der Fassung nach
Hilfsantrag V hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut (Abweichungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):

33

1. Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (2), einem Deckel (3) und einem Gehäuse (4) wobei das Rührgefäß (2) und der Deckel (3) derart verriegelbar sind,

34

dass ein Eingriff in das Rührgefäß (2) während des Betriebes nicht möglich ist, wobei weiter das Rührgefäß (2) und/oder der Deckel (3) durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln, wobei aufgrund der Verdrehung
des Rührgefäßes (2) und/oder des Deckels (3) ein elektrischer Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine (42) freigibt,

35

dadurch gekennzeichnet, dassin dem Gehäuse (4) eine Verriegelungsvorrichtung (5) vorgesehen ist, welche mit dem Deckelabschnitt (6) des Deckels (3) zusammenwirkt, dass die in einer Verstecktlage in dem Gehäuse (4) angeordnete Verriegelungsvorrichtung (5) durch den Deckelabschnitt (6) beaufschlagbar ist, indem durch Drehen des Deckels (3) bzw. durch Drehen des Rührgefäßes (2) mit dem Deckel um die Gefäßachse (x) der Deckelabschnitt (6) eine entsprechend angeordnete, schlitzartige Gehäuseöffnung (7) durchtretend in den Wirkungsbereich der Verriegelungsvorrichtung (5) einfährt, dass die Steuerungsplatine zumindest einen das Rührwerk beeinflussenden Schaltkreis aufweist und einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis, und wobei weiter der das Rührwerk betreffende Schaltkreis aufgrund der Schalterbetätigung freigegeben ist, aber der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis von einer Schalterbetätigung unabhängig ist
, dass die Wägeeinrichtung unabhängig von einer Beaufschlagung des Schalters (46) arbeitet, dass die Verdrehstellung des Deckels (3) durch ein Verriegelungselement verriegelt ist und dass durch das Verriegelungselement in der einen oder anderen Endstellung der Schalter (46) beaufschlagt ist.

36

In der Fassung nach
Hilfsantrag VI hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut (Abweichungen gegenüber der erteilten Fassung gekennzeichnet):

37

1. Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (2), einem Deckel (3) und einem Gehäuse (4) wobei das Rührgefäß (2) und der Deckel (3) derart verriegelbar sind, dass ein Eingriff in das Rührgefäß (2) während des Betriebes nicht möglich ist, wobei weiter das Rührgefäß (2) und/oder der Deckel (3) durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln, wobei aufgrund der Verdrehung
des Rührgefäßes (2) und/oder des Deckels (3) ein elektrischer Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine (42) freigibt,
dadurch gekennzeichnet, dassin dem Gehäuse (4) eine Verriegelungsvorrichtung (5) vorgesehen ist, welche mit dem Deckelabschnitt (6) des Deckels (3) zusammenwirkt, dass die in einer Verstecktlage in dem Gehäuse (4) angeordnete Verriegelungsvorrichtung (5) durch den Deckelabschnitt (6) beaufschlagbar ist, indem durch Drehen des Deckels (3) bzw. durch Drehen des Rührgefäßes (2) mit dem Deckel um die Gefäßachse (x) der Deckelabschnitt (6) eine entsprechend angeordnete, schlitzartige Gehäuseöffnung (7) durchtretend in den Wirkungsbereich der Verriegelungsvorrichtung (5) einfährt, dass die Steuerungsplatine zumindest einen das Rührwerk beeinflussenden Schaltkreis aufweist
,undeinen Schaltkreis einer Heizung und einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis, und wobei weiter der das Rührwerk betreffende Schaltkreis aufgrund der Schalterbetätigung freigegeben ist,
der die Heizung betreffende Schaltkreis entsprechend durch den Schalter betätigbar ist, aber der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis von einer Schalterbetätigung unabhängig ist
, dass die Wägeeinrichtung unabhängig von einer Beaufschlagung des Schalters (46) arbeitet, dass die Verdrehstellung des Deckels (3) durch ein Verriegelungselement verriegelt ist und dass durch das Verriegelungselement in der einen oder anderen Endstellung der Schalter (46) beaufschlagt ist.

38

Die Beklagte argumentiert, zwar werde im ursprünglichen Anspruch 1 eine konkretere Ausgestaltung angegeben, wonach das Rührgefäß und/oder der Deckel durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ein Freigabeelement verlagerten, das (dann) den Weg für ein Verriegelungselement freigebe. Jedoch sei in dem Absatz [0008] der NiK3 allgemein beschrieben, dass eine Verriegelung vorgesehen sei, die einen Eingriff in das Rührgefäß erst nach Stillstand des Rührwerks ermögliche. Hiervon ausgehend sei dann in Absatz [0011] der NiK3 ausgeführt, dass die Verriegelungsvorrichtung durch Drehen des Deckels bzw. durch Drehen des Rührgefäßes mit dem Deckel um die Gefäßachse gegeben sei, nämlich bspw. durch einen Deckelabschnitt im Einzelnen zur Verriegelung beaufschlagbar sei. Damit sei offenbart, dass ein Ver- bzw. Entriegeln des Rührgefäßes und/oder des Deckels durch Verdrehen um die Gefäßachse (Vertikalachse) des Rührgefäßes gegeben ist. Insbesondere enthalte dieses Merkmal kein Aliud. Ein solches liege nur dann vor, wenn ein hinzugefügtes Merkmal einen technischen Aspekt betreffe, der den ursprünglich eingereichten Unterlagen weder in seiner konkreten Ausgestaltung noch zumindest in seiner abstrakten Form als zur Erfindung gehörend zu entnehmen sei (vgl. BGH, Urt. v. 20. Oktober 2020, X ZR 158/18). Aufgrund der auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Entscheidung BGH, Urteil vom 21. April 2016, X ZR 2/14 seien Verallgemeinerungen unter der Voraussetzung zulässig, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammen genommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich seien, nur eines oder einzelne in den Anspruch aufgenommen worden seien; hingegen sei die Aufnahme von Verallgemeinerungen unzulässig, wenn einzelne Merkmale in untrennbarem Zusammenhang stünden, vom Patentanspruch aber nicht in ihrer Gesamtheit vorgesehen seien. Um eines von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, das auch nur einzeln zulässig aufgenommen werden könne, handele es sich vorliegend.

39

Die jeweiligen Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß den zuletzt gestellten Hilfsanträgen I bis VI seien zulässig und auch patentfähig.

40

Durch Beschluss vom 3. Dezember 2019 hat der Senat den Streitwert des vorliegenden Patentnichtigkeitsverfahrens entsprechend der Angabe in der Klageschrift vorläufig auf 1.000.000,- € festgesetzt.

41

Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 2. September 2021 erteilt sowie einen weiteren rechtlichen Hinweis vom 26. November 2021 gegeben, nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. November 2021 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. November 2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben.

42

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf deren Schriftsätze mit sämtlichen Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

43

Die Teilnichtigkeitsklage ist zulässig und in der Sache begründet.

44

In der erteilten Fassung und in den Fassungen nach den Hilfsanträgen I bis VI erweist sich Patentanspruch 1 des Streitpatents als nicht ursprungsoffenbart (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c, Art. 54, 56 EPÜ); Anspruch 1 ist daher für nichtig zu erklären.

45

Aufgrund des Einverständnisses der Parteien konnte der Senat über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 82 Abs. 3 Satz 2, § 84 Abs. 1 Satz 1 PatG).

I.

46

1. Das Streitpatent betrifft eine Küchenmaschine mit einem Rührgefäß, einem Deckel und einem Gehäuse, wobei das Rührgefäß und der Deckel derart verriegelbar sind, dass ein Eingriff in das Rührgefäß während des Betriebes nicht möglich ist. Das Rührgefäß und/oder der Deckel ver- bzw. entriegeln weiter durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes, wobei aufgrund der Verdrehung des Rührgefäßes und/oder des Deckels ein elektrischer Schalter betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine freigibt (vgl. Streitpatentschrift NiK1, Abs. [0001], Patentanspruch 1).

47

In der Streitpatentschrift ist angegeben, dass Küchenmaschinen der in Rede stehenden Art bekannt seien, wobei ein Rührgefäß mit zuordbarem Deckel in einer in dem Gehäuse ausgebildeten Aufnahme einsetzbar sei. Diesbezüglich sei weiter bekannt, das Rührgefäß mit einem über die Küchenmaschine antreibbaren Rührwerk und gegebenenfalls mit einer zumindest den Bodenbereich des Rührgefäßes beaufschlagenden Heizung zu versehen. So könnten nicht nur Speisen durch Mixen bzw. Zermahlen zubereitet werden, sondern darüber hinaus sei auch eine zusätzliche Garbehandlung durchführbar. Um während des Betriebes, insbesondere während des Rührwerkbetriebes ein Eingreifen in das Rührgefäß zu verhindern, sei es weiter bekannt, das Rührgefäß und/oder den Deckel des Rührgefäßes zu verriegeln, welche Verriegelung erst nach einem Stillstand des Rührwerkes aufhebbar sei. Hier seien Lösungen bekannt, bei welchen über den Deckel eine bajonettartige Festlegung von Rührgefäß und Deckel an dem Gehäuse erfolge, wobei im Zuge der Schließbewegung des Deckels durch Verdrehen um die Vertikalachse desselben ein an dem Deckel angeformtes Freigabeelement den Weg zur Verlagerung eines gehäuseseitigen Verriegelungselementes freigebe. Letzteres verbleibe während des Betriebes unverrückbar in der Verriegelungsstellung, so dass ein Zurückziehen des Deckels in die Lösestellung nicht ermöglicht sei. Diese Verriegelungsstellung des Verriegelungselementes sei erst nach einem Ausschalten des Rührwerkes überlaufbar (vgl. NiK1, Abs. [0002]).

48

Bei einer aus der Druckschrift EP 0 638 273 A1 bekannten Küchenmaschine werde mit der Verdrehung des Deckels ein elektrischer Schalter betätigt, der die elektrische Versorgung insgesamt an- oder abstelle (vgl. NiK1, Abs. [0003]).

49

Im Hinblick auf den genannten Stand der Technik stelle sich die Erfindung die Aufgabe, eine Küchenmaschine anzugeben, die in der bekannten Weise betriebssicher sei, aber gleichwohl vorteilhaft ausgestaltet sei (vgl. NiK1, Abs. [0004]).

50

2. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) gelöst werden.

51

Dessen Merkmale sieht der Senat – wie auch von der Klägerin entsprechend vorgeschlagen – wie folgt gegliedert:

52

M1.1 Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (2),

53

M1.2 einem Deckel (3) und

54

M1.3 einem Gehäuse (4)

55

M1.4 wobei das Rührgefäß (2) und der Deckel (3) derart verriegelbar sind,

56

dass ein Eingriff in das Rührgefäß (2) während des Betriebes nicht möglich ist,

57

M1.5 wobei weiter das Rührgefäß (2) und/oder der Deckel (3) durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln,

58

M1.6 wobei aufgrund der Verdrehung des Rührgefäßes (2) und/oder des Deckels (3) ein elektrischer Schalter (46) betätigt wird, der die Stromversorgung einer Steuerungsplatine (42) freigibt,

59

dadurch gekennzeichnet, dass

60

M1.7 die Steuerungsplatine zumindest einen das Rührwerk beeinflussenden Schaltkreis aufweist und

61

M1.8 einen eine Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis, und

62

M1.9 wobei weiter der das Rührwerk betreffende Schaltkreis aufgrund der Schalterbetätigung freigegeben ist,

63

M1.10 aber der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis von einer Schalterbetätigung unabhängig ist.

64

3. Als maßgeblicher Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist ein Maschinenbauingenieur mit Hochschulabschluss oder mit einem vergleichbaren akademischen Grad anzusehen, der über eine mehrjährige Erfahrung in der Konstruktion von Küchengeräten, insbesondere von Küchenmaschinen mit Rühr- und Wiegefunktion verfügt. Dieser Fachmann kennt die bei solchen Küchenmaschinen zur Sicherstellung deren Bediensicherheit Verwendung findenden mechanischen und elektrischen Sicherheitssysteme, insbesondere entsprechende Verriegelungssysteme. Bei Fragestellungen zu elektrischen Komponenten zieht er gegebenenfalls auch einen Elektroingenieur mit hinzu.

65

4. Die Merkmale der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 gemäß der erteilten Fassung (Hauptantrag) bedürfen der Erläuterung.

66

Patentanspruch 1 ist auf eine Küchenmaschine mit einem Rührgefäß (M1.1), einem Deckel (M1.2) und einem Gehäuse (M1.3) gerichtet, wobei die Küchenmaschine neben einem Rührwerk (Teilmerkmal von M1.7) auch eine Wägeeinrichtung umfassen soll (Teilmerkmal von M1.8). Für die Küchenmaschine ist des Weiteren gegenständlich eine Steuerungsplatine gefordert (Teilmerkmal von M1.6), die zumindest zwei Schaltkreise, nämlich einen das Rührwerk beeinflussenden sowie einen die Wägeeinrichtung betreffenden Schaltkreis aufweist (Teilmerkmale von M1.7, M1.8).

67

Das Rührgefäß und der Deckel sind derart verriegelbar, dass ein Eingriff in das Rührgefäß während des Betriebes, bspw. bei eingeschaltetem Rührwerk, nicht möglich ist (M1.4). Diese Funktion wird über das Merkmal M1.5 dahingehend konkreter gefasst, dass durch Verdrehen um die Vertikalachse das Rührgefäß und/oder der Deckel verriegeln bzw. entriegeln. Die Verdrehung an sich soll somit zur Ver- bzw. Entriegelung von Rührgefäß und Deckel führen.

68

Zum Verständnis des Begriffs der Verriegelung ist zunächst in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents im Absatz [0002] beschrieben, dass bei Küchenmaschinen der in Rede stehenden Art Rührgefäß und/oder Deckel verriegelt würden, indem ein gehäuseseitiges Verriegelungselement unverrückbar eine Verriegelungsstellung einnehme, die erst nach dem Ausschalten des Rührwerks überlaufbar sei. Diese Ausführungen stehen mit denen aus dem allgemeinen Teil der Beschreibung (vgl. Absatz [0008], Zeilen 3 bis 8) im Einklang. Die beiden im Streitpatent beschriebenen Ausführungsbeispiele (vgl. Absatz [0024] i.V.m. Figuren 5, 8 bzw. Absätze [0033], [0044] i.V.m. Figuren 12, 13) betreffen Ausgestaltungen einer Küchenmaschine, bei denen jeweils ein Verriegelungselement ein Freigabeelement verriegelt, wobei das derart blockierte Freigabeelement seinerseits dann das Rührgefäß und/oder den Deckel verriegelt.

69

Demnach ist unter einer Verriegelung im Sinne des Streitpatents eine mechanische Verriegelung unter Verwendung eines gegenständlichen Verriegelungselements zu verstehen. Dem Fachmann ebenfalls bekannte elektrische oder lediglich programmtechnisch umgesetzte Verriegelungen werden daher nicht von dem Anspruchswortlaut umschlossen.

70

Das Merkmal M1.6 fordert i.V.m dem Merkmal M1.9, dass aufgrund der Verdrehung des Rührgefäßes und/oder des Deckels ein elektrischer Schalter betätigt wird, der die Stromversorgung der Steuerungsplatine hinsichtlich des das Rührwerk betreffenden Schaltkreises freigibt.

71

Der die Wägeeinrichtung betreffende Schaltkreis (M1.8) der Steuerungsplatine soll unabhängig von der Schalterbetätigung sein (M1.10), so dass bspw. auch bei nicht betätigtem Schalter, also bei stromlosem und demnach nicht einschaltbarem Rührwerk, die Wägeeinrichtung betrieben werden kann.

72

Der merkmalsgemäße Schalter dient demnach dazu, dass erst nach dem Verdrehen des Rührgefäßes und/oder des Deckels der Betrieb des Rührwerks bspw. bei Betätigung eines Drehzahlstellers möglich ist. Diesbezüglich wird auf Absatz [0008] und hier die Zeilen 6 bis 17 in Spalte 4 der Streitpatentschrift verwiesen. Dort ist beschrieben, dass neben der merkmalsgemäßen elektrischen Betätigung bzw. Unterbrechung der Stromversorgung des Rührwerks über den Schalter alternativ oder in Kombination auch eine mechanische Blockierung des zum Einschalten des Rührwerks zu betätigenden Drehzahlstellers möglich sei.

73

Das dahingehende Verständnis der Beklagten, wonach der Schalter nur notwendig sei, um die Küchenmaschine zum Laufen zu bringen, wird demnach seitens des Senats geteilt. Diese
elektrische Blockade des Rührwerks ist unabhängig und zusätzlich zu der über die Merkmale M1.4 und M1.5 definierten
mechanischen Verriegelung von Rührgefäß und Deckel gefordert.

II.

74

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung ist gegeben und führt zur Nichtigerklärung des angegriffenen Patentanspruchs 1.

75

1. Das Merkmal M1.5 des Gegenstands des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents (Hauptantrag) ist nicht unmittelbar und eindeutig in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen (NiK3) offenbart.

76

Dieses erst im Verlauf des europäischen Erteilungsverfahrens in den Patentanspruch 1 aufgenommene Merkmal fordert, dass das Rührgefäß und/oder der Deckel bei der Verdrehung um die Vertikalachse des Rührgefäßes ver- bzw. entriegeln.

77

Die Verdrehung an sich soll, wie schon unter I.4 ausgeführt, somit eine Verriegelung- bzw. Entriegelung von Rührgefäß und Deckel derart bedingen, dass ein Eingriff in das Rührgefäß während des Betriebes nicht (vgl. Merkmal M1.4) bzw. erst nach dem Betrieb wieder möglich ist.

78

a) Die Beklagte verweist hinsichtlich der Offenbarung dieses Merkmals auf Absatz [0008] der Offenlegungsschrift (NiK3) und gibt an, dort sei allgemein beschrieben, dass eine Verriegelung vorgesehen sei, die den Eingriff in das Rührgefäß erst nach Stillstand des Rührwerks ermögliche. Hiervon ausgehend sei dann auch weiter im Absatz [0011] der NiK3 ausgeführt, dass die Verriegelungsvorrichtung durch Drehen des Deckels bzw. durch Drehen des Rührgefäßes mit dem Deckel um die Gefäßachse gegeben sei, nämlich bspw. durch einen Deckelabschnitt im Einzelnen zur Verriegelung beaufschlagbar sei. Damit sei nach Meinung der Beklagten offenbart, dass ein Ver- bzw. Entriegeln des Rührgefäßes und/oder des Deckels durch Verdrehen um die Gefäßachse (Vertikalachse) des Rührgefäßes gegeben sei.

79

Dem kann der Senat nicht folgen. Zwar ist im Absatz [0008] der NiK3 zunächst allgemein eine Verriegelung von Rührgefäß und Deckel gemäß Merkmal M1.4 beschrieben. Die spezifische über das Merkmal M1.5 geforderte Ver- bzw. Entriegelung bei der Verdrehung um die Vertikalachse des Rührgefäßes ist dort, ebenso wie im Absatz [0011] der NiK3 allerdings nicht offenbart.

80

Der Absatz [0011] der NiK3 lautet wörtlich:

81

„[0011] Die in Verstecktlage in dem Gehäuse 4 angeordnete Verriegelungsvorrichtung 5 ist durch diesen Deckelabschnitt 6 beaufschlagbar, indem durch Drehen des Deckels 3 bzw. durch Drehen von Rührgefäß 2 mit dem Deckel 3 um die Gefäßachse x der Deckelabschnitt 6, eine entsprechend angeordnete, schlitzartige Gehäuseöffnung 7 durchtretend, in den Wirkungsbereich der Verriegelungsvorrichtung 5 einfährt.“

82

Verallgemeinernd ist dort angegeben, dass eine Verriegelungsvorrichtung durch Drehen des Deckels beaufschlagbar ist. Nicht offenbart ist aber, dass mit der Beaufschlagung der Verriegelungsvorrichtung auch bereits die merkmalsgemäße Verriegelung von Rührgefäß und/oder Deckel erfolgen könnte. Auch zu einer Entriegelung, ggfs. bei Wegfall der Beaufschlagung der Verriegelungsvorrichtung durch ein Zurückdrehen des Deckels, ist dort nichts angegeben.

83

Das Merkmal M1.5 ist somit entgegen der Auffassung der Beklagten an den von ihr genannten Stellen der Offenlegungsschrift NiK3 nicht offenbart.

84

b) Das Merkmal M1.5 kann der Offenlegungsschrift auch nicht an anderer Stelle entnommen werden.

85

aa) Im ursprünglichen Patentanspruch 1 sowie im allgemeinen Teil der Beschreibung (vgl. NiK3 Absatz [0004], Spalte 2, Zeilen 1 bis 12), ist diesbezüglich angegeben, dass Rührgefäß und Deckel derart verriegelbar sind, dass ein Eingriff in das Rührgefäß während des Betriebes nicht möglich ist. Es ist demnach zunächst die allgemeine Funktion bzw. Befähigung zur Verriegelung gemäß M1.4 offenbart. Hierzu wird im ursprünglichen Patentanspruch 1 sowie im Absatz [0004], Spalte 2, Zeilen 11 bis 16 der NiK3 weiter angegeben, dass das Rührgefäß und/oder der Deckel durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ein Freigabeelement verlagern, das nach erfolgter Verlagerung den Weg für ein Verriegelungselement freigibt. Zu einer merkmalsgemäßen Verriegelung kommt es somit aber durch die Verdrehung von Rührgefäß und/oder Deckel noch nicht. Die eigentliche Verriegelung erfolgt erst durch die Betätigung eines Drehzahlstellers und die dadurch initiierte Verlagerung des Verriegelungselements zur Verriegelung des Freigabeelements (vgl. auch ursprüngliche Patentansprüche 3, 4, 6, 7, 9, NiK3 Absatz [0004], Spalte 2, Zeilen 17 bis 23). Angaben zur Entriegelung bei Verdrehung von Rührgefäß und/oder Deckel finden sich in den ursprünglichen Patentansprüchen und im allgemeinen Beschreibungsteil vom Anmeldetag ebenfalls nicht.

86

Das Merkmal M1.5 ist demnach weder dem ursprünglichen Anspruchssatz noch der ursprünglichen Beschreibungseinleitung zu entnehmen.

87

bb) In dem von der Beklagten genannten Absatz [0008] der NiK3 ist lediglich einleitend für die sich daran anschließenden Detailausführungen zu dem ersten Ausführungsbeispiel des Streitpatents beschrieben, dass eine Verriegelung vorgesehen ist, die einen Eingriff in das Rührgefäß erst nach Stillstand des Rührwerks ermöglicht (M1.4).

88

Ein mechanisches Ver- bzw. Entriegeln von Rührgefäß und/oder Deckel speziell durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes ist im ersten Ausführungsbeispiel des Streitpatents nicht ausgebildet (vgl. NiK3, Absatz [0006] bis [0028], Figuren 1 bis 9). Denn dort nimmt ein als kippbeweglich gelagerte Wippe ausgebildetes Verriegelungselement 10 eine Verriegelungsstellung erst durch die bei Betätigung des Drehzahlstellers erfolgende Beaufschlagung eines Elektromagneten 19 ein. Die zuvor erfolgte Verdrehung von Rührgefäß und Deckel um die Vertikalachse bewirkt lediglich, dass ein Freigabeelement in eine Freigabestellung für das anschließend noch separat zu betätigende Verriegelungselement bewegt wird.

89

cc) Bei dem zweiten, auch den merkmalsgemäßen Schalter 46 (M1.6) betreffenden Ausführungsbeispiel des Streitpatents (vgl. NiK3, Absatz [0029] bis [0042], Figuren 10 bis 18) erfolgt die Verriegelung in Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Anspruchssatz nach Betätigung des Drehzahlstellers 41 durch den Bediener, wodurch das mit dem Drehzahlsteller drehfest gekoppelte etwa kreiselförmig ausgebildete Verriegelungselement 10 einen Eingriffszahn 40 des Freigabeelements 9 gegen eine Rückverlagerung sperrt. Somit wird sichergestellt, dass der Deckel bei eingeschaltetem Rührwerk nicht entfernt werden kann (vgl. Absatz [0040] der NiK3).

90

Demnach offenbaren auch die in den Ursprungsunterlagen des Streitpatents beschriebenen Ausführungsformen kein Verriegeln und auch kein Entriegeln durch Verdrehen gemäß Merkmal M1.5.

91

Den ursprünglich eingereichten Unterlagen in Gänze lässt sich verallgemeinernd lediglich entnehmen, dass das Rührgefäß und/oder der Deckel durch Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes
verriegelbar werden bzw. anschließend verriegelbar sind.

92

2. Die unzulässige Erweiterung liegt vorliegend nicht nur in der Einfügung eines in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbarten Merkmals, sondern darin, dass das Merkmal M1.5 des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents zu einer anderen Lehre, zu einem Aliud, geführt hat; der Fall eines nicht ursprungsoffenbarten bloß einschränkenden Merkmals, das nicht zwingend die Nichtigerklärung zur Folge hat (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 11. Aufl., § 21 Rn. 72 m.w.N.), liegt vorliegend nicht vor.

93

Ob es sich bei der Einfügung eines Merkmals um eine bloße Einschränkung oder um ein Aliud handelt, kann nicht allein nach formalen Kriterien entschieden werden. Ein Aliud liegt vor, wenn der Gegenstand des Streitpatents zum ursprünglich offenbarten Gegenstand in einem Ausschließlichkeitsverhältnis steht, oder wenn das hinzugefügte Merkmal einen technischen Aspekt betrifft, der den ursprünglich eingereichten Unterlagen weder in seiner konkreten Ausgestaltung noch zumindest in abstrakter Form als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist (BGH GRUR 2011, 40 – Winkelmesseinrichtung; GRUR 2011, 1003 – Integrationselement; GRUR 2015, 573, Rn. 53 – Wundbehandlungsvorrichtung; GRUR 2021, 571, Rn. 41 m.w.N. – Zigarettenpackung). Vorliegend besteht in der erteilten Fassung des Anspruchs 1 zum ursprünglich offenbarten Gegenstand ein Ausschließlichkeitsverhältnis.

94

Die ursprüngliche Lehre betrifft ausschließlich (vgl. obenstehende Ausführungen zur Ursprungsoffenbarung im Abschnitt II.1) eine Küchenmaschine, bei der Rührgefäß und/oder Deckel
erst nach Verdrehen um die Vertikalachse des Rührgefäßes verriegelbar sind. Demgegenüber gibt das Merkmal M1.5 an, dass Rührgefäß und/oder Deckel
bereits durch bzw. beim Verdrehen verriegeln bzw. entriegeln. Durch das Merkmal M1.5 wird demnach die ursprüngliche Lehre nicht weiter konkretisiert, vielmehr schließen sich der Gegenstand des Streitpatents und der ursprünglich offenbarte Gegenstand gegenseitig aus. Demnach liegt ein Aliud vor, das zwingend zur Nichtigerklärung des Streitpatents führen muss.

95

Entgegen dem Vortrag der Beklagten, zu dessen Stütze sie auf die BGH-Entscheidung X ZR 2/14 vom 21. April 2016 verweist, ist in der Aufnahme des Merkmals M1.5 auch keine zulässige Verallgemeinerung zu sehen, da die nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 1990, 432, 434 – Spleißkammer; BGH GRUR 2002, 49, 51 – Drehmomentübertragungseinrichtung) für eine verallgemeinernde Aufnahme eines Einzelmerkmals aus einem Ausführungsbeispiel zu erfüllenden Voraussetzungen nicht gegeben sind. Das strittige Merkmal stellt keine Ausgestaltung der ursprünglichen allgemein technischen Lehre des Streitpatents und keine Verallgemeinerung dar, da es dieser, wie voranstehend ausgeführt, entgegensteht. Durch Aufnahme des Merkmals M1.5 ergibt sich daher vielmehr eine Merkmalskombination, die in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre beschreibt, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen konnte. Demnach wird etwas beansprucht, das gegenüber der angemeldeten Erfindung ein Aliud darstellt.

96

3. Der Patentanspruch 1 des Streitpatents ist auch in sämtlichen mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen für nichtig zu erklären. Denn die aus den Absätzen [0013] und [0015] der Streitpatentschrift in diesen Fassungen aufgenommenen Merkmale betreffen das Zusammenwirken der Verriegelungsvorrichtung mit dem Deckel und konkretisieren demnach den ursprünglich offenbarten Gegenstand bzw. die diesbezügliche Lehre. Der das Streitpatent in sämtlichen Fassungen betreffende Offenbarungsmangel hinsichtlich des Merkmals M1.5 kann durch die Aufnahme dieser Merkmale aber nicht behoben werden. Die Zulässigkeit der in den Hilfsanträgen I bis VI vorgenommenen Änderungen kann demnach dahinstehen.

97

4. Es kann bei dieser Sachlage dahinstehen, ob auch der weitere Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Streitpatents begründet ist. Eine Betrachtung des im Verfahren befindlichen Stands der Technik erübrigt sich (vgl. BGH a.a.O. – Integrationselement).

III.

98

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

99

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.

IV.

100

Die Festsetzung des Streitwerts für das Patentnichtigkeitsverfahren erfolgt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i.V.m. § 51 Abs. 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG nach billigem Ermessen. Nach ständiger Rechtsprechung ist hierfür im Allgemeinen der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Nichtigkeitsklage zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich (vgl. Schulte/Schell, PatG, 11. Aufl., § 2 PatKostG Rn. 43 m.w.N.). Der Senat hält den in der Klageschrift genannten Betrag in Höhe von 1.000.000,- €, worauf auch in den Hinweisschreiben des Senats vom 2. September 2021 und 26. November 2021 hingewiesen worden ist, für angemessen. Die Beklagte hat hiergegen keine Einwände erhoben. Durchgreifende Anhaltspunkte, die eine Abweichung von dem angegebenen Wert rechtfertigen könnten, sind – auch in Ermangelung eines auf Grundlage des Streitpatents geführten Verletzungsverfahrens – nicht ersichtlich. Der Streitwert ist daher – wie auch bereits vorläufig – in dieser Höhe festzusetzen.