BVerwG 6. Senat, Beschluss vom 17.05.2022, AZ 6 B 19/21, ECLI:DE:BVerwG:2022:170522B6B19.21.0
Verfahrensgang
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 3. August 2021, Az: 9 S 568/19, Urteil
vorgehend VG Sigmaringen, 29. Januar 2019, Az: 4 K 1377/17
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 3. August 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1
Der Kläger, ein eingetragener Verein zur Förderung des „dezentralen Lernens“ bzw. des „Lernens von zu Hause aus“, begehrt die Genehmigung einer Bildungseinrichtung nach dem sog. „Uracher Plan“ als Ersatzschule.
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Im Februar 2014 beantragte der Kläger die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer privaten Haupt- und Werkrealschule als Ersatzschule. Die Einrichtung in freier Trägerschaft soll das reformpädagogische Schulkonzept des sog. „Uracher Plans“ verwirklichen. Das hierauf bezogene Eckpunktepapier sieht u. a. die Durchführung schulischen Präsenzunterrichts einmal pro Woche, zwei wöchentliche Veranstaltungen im Rahmen eines „virtuellen Klassenzimmers“, Hausbesuche der Lehrer („Lernbegleiter“) in Abhängigkeit vom jeweiligen pädagogischen Bedarf sowie die individuelle Betreuung im Rahmen audiovisueller Kontakte über das Internet und telefonischer Erreichbarkeit der Lernbegleiter vor. Das Regierungspräsidium hat den Antrag nicht verbeschieden.
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Die daraufhin im März 2017 erhobene Untätigkeitsklage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat entschieden, dass die beabsichtigte Beschulung nicht den Anforderungen an eine Ersatzschule entspreche. Selbst wenn die Bildungseinrichtung als Schule im Sinne des Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 GG anzusehen sein sollte, erfülle sie nicht das weitere Kriterium der Ersatzfunktion für öffentliche Schulen.
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Ersatzschulen im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG seien solche Privatschulen, die nach ihrem Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollten. Zwar sei dem Landesgesetzgeber der durch Art. 7 Abs. 4 GG normierte Ersatzschulbegriff vorgegeben. Das Landesrecht beeinflusse jedoch die praktische Reichweite des verfassungsrechtlichen Ersatzschulbegriffs, da es festlege, welche öffentlichen Schulen es gebe, denen eine Privatschule überhaupt entsprechen könne. Die Ersatzschuleigenschaft bestimme sich primär anhand äußerer Strukturmerkmale wie insbesondere der Schulform sowie der Art und Dauer des Bildungsgangs. Mangels Erfüllung des Ersatzschulbegriffs nicht genehmigungsfähig seien deshalb Privatschulen, die in so gravierender Weise von den im öffentlichen Schulwesen verbreiteten Typen abwichen, dass es aus dem Blickwinkel der staatlichen Schulhoheit (Art. 7 Abs. 1 GG) von vornherein nicht vertretbar wäre, ihren Besuch dem Besuch einer öffentlichen Schule gleichzustellen und als Erfüllung der Schulpflicht zu werten.
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Im Fokus der Ersatzfunktion für öffentliche Schulen stehe daher – ausgehend von der gegenwärtigen Ausgestaltung des öffentlichen Schulwesens in Baden-Württemberg im Rahmen der Bildungshoheit der Länder – die Erfüllung der durch Art. 14 Abs. 1 der Landesverfassung vorgegebenen und im Landesschulgesetz einfachgesetzlich normierten allgemeinen Schulpflicht. Die sich aus dieser Pflicht ergebende Eigenständigkeit staatlicher Einwirkungsbefugnisse im Schulbereich beziehe ihre innere Legitimation gegenüber dem verfassungsrechtlich verbürgten elterlichen Erziehungsrecht aus der Bedeutung der Schule auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Schule solle nicht nur Bildung vermitteln, sondern einen Grundstein für eine selbstbestimmte Teilhabe junger Menschen am gesellschaftlichen Leben legen, die Einzelnen zu dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewussten Bürgern heranbilden und dadurch eine für das Gemeinwesen unerlässliche Integrationsfunktion erfüllen.
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Dem diene die Verpflichtung jedes Schülers zur Teilnahme an sämtlichen Schulveranstaltungen, weil nur die obligatorische Teilhabe am Schulunterricht unter Hintanstellung aller individuellen Präferenzen jenen gemeinschaftsstiftenden Effekt zu erzeugen vermöge, der mit der Schule bezweckt werde und der die staatliche Schulpflicht im Wesentlichen legitimiere. Die gemeinsame Unterrichtung und Beschulung der Kinder diene auch dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Erlernen des Umgangs miteinander; sie reiche über die bloße Wissensvermittlung hinaus und schaffe soziale Begegnungsräume. In diesen seien die Schüler gezwungen, die von Eltern und Lehrern vermittelten und vorgelebten sozialen Verhaltensweisen außerhalb unmittelbarer elterlicher Kontrolle und unter lediglich begleitender Aufsicht der Lehrer selbstständig und eigenverantwortlich zu erproben und einzuüben. Soziale Kompetenz im Umgang auch mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung mit einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung könnten effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichen Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfänden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung seien.
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Das dem zur Genehmigung gestellten Schulvorhaben zugrundeliegende Bildungskonzept weiche in so gravierender Weise von den im öffentlichen Schulwesen verbreiteten Schultypen ab, dass es aus dem Blickwinkel der staatlichen Schulhoheit von vornherein nicht vertretbar wäre, seinen Besuch dem Besuch einer öffentlichen Schule gleichzustellen. Die Förderung dezentralen Lernens bzw. des Lernens von zu Hause aus ziele nicht lediglich auf eine stärkere Einbindung der Eltern in schulische Bildungs- und Erziehungsprozesse. Vielmehr werde eine weitgehende Verschmelzung elterlicher und schulischer Einflusssphären angestrebt, die die unmittelbarer Kontrolle der Eltern entzogenen sozialen Begegnungsräume zwischen den Kindern im Rahmen der Bildungseinrichtung minimiere und auch die schulische Entwicklung der Schüler stetigen und unmittelbaren Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten ihrer Eltern unterwerfe.
8
Die Schüler sollten weitgehend selbstständig und von zu Hause aus lernen. Schulische Präsenzveranstaltungen seien regelmäßig nur einmal pro Woche vorgesehen; dabei sei die Anwesenheit der Eltern üblich. Infolge des aus den vorgelegten Planunterlagen ersichtlichen Fehlens von Pausen- oder sonstigen Aufenthaltsräumen könne ein soziales Miteinander der Schüler außerhalb der für den Unterricht vorgesehenen Zeiten – zumal ohne unmittelbare Beaufsichtigung durch die Eltern – kaum stattfinden. Hinreichende soziale Begegnungsräume bzw. einer Kontrolle der Eltern entzogene Räume ermöglichten auch die vorgesehenen Unterrichtsveranstaltungen im „virtuellen Klassenzimmer“ nicht. In ihrer konkreten Ausrichtung stehe die angestrebte Unterrichtung den zentralen Anliegen, die das Landesrecht mit der allgemeinen Schulpflicht verfolge, diametral entgegen.
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Zwar dürfe der notwendige Abgleich mit Belangen der staatlichen Schulhoheit im Hinblick auf pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten grundsätzlich nicht auf der begrifflichen Ebene der Ersatzschuleigenschaft erfolgen, um die Gewährleistung des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG nicht leerlaufen zu lassen. Im Hinblick auf die gesetzlich vorgegebenen Ziele der Erziehung zu Eigenverantwortung und zu sozialer Bewährung sowie der Förderung der Entfaltung der Persönlichkeit oder Begabung sei jedoch nicht ersichtlich, dass die beabsichtigte Beschulung nach dem „Uracher Plan“ diese tatsächlich verfolge. Denn sie minimiere gezielt den sonst durch den Besuch einer (öffentlichen) Schule eröffneten Zugang zu sozialen Räumen, in denen die Erprobung und Einübung sozialer Verhaltensweisen und Interaktionsmuster eigenverantwortlich stattfinden könne. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, dass die angestrebte Beschulung hinreichende soziale Entwicklungsräume eröffne, in denen für die Persönlichkeitsentwicklung unerlässliche Prozesse der Abnabelung als notwendiger Schritt der Emanzipation angestoßen und altersangemessen vollzogen werden könnten.
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Unabhängig davon eröffne der zumindest in Ausnahmefällen zulässige Rückgriff auf pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten bereits bei Prüfung der Ersatzschuleigenschaft Privatschulen dann keine Genehmigungsperspektive, wenn bestimmte strukturbezogene Abweichungen die Grundlinien der staatlichen Schulpolitik konterkarierten und Belange der staatlichen Schulhoheit in ausschlaggebender Weise beeinträchtigten. Das sei vorliegend der Fall, denn die Beschulung nach dem „Uracher Plan“ ziele darauf ab, den Gleichrang des staatlichen Erziehungsauftrags mit dem elterlichen Erziehungsrecht zu relativieren und konterkariere so die mit der allgemeinen Schulpflicht verfolgten Zwecke.
11
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, der der Beklagte entgegentritt.
II
12
Die auf das Vorliegen einer Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 3. August 2021 hat keinen Erfolg. Die Divergenzrügen entsprechen nur teilweise den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; im Übrigen ist das Berufungsgericht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen. Die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen rechtfertigen keine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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1. Die Darlegung einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten, tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Die Beschwerde muss aufzeigen, dass zwischen den beiden Gerichten ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtssatzes besteht. Dafür ist die Herausarbeitung und Gegenüberstellung sich widersprechender Rechtssätze unverzichtbar (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712 <713>). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nur zum Teil.
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a) Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Ersatzschulbegriff des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG abgewichen. Das Bundesverfassungsgericht habe im Urteil vom 8. April 1987 – 1 BvL 8, 16/84 – BVerfGE 75, 40 <76 f.> ausgeführt:
„Die Qualifizierung einer Schule als Ersatzschule hängt auch nicht davon ab, ob sie schulpflichtige Schüler aufnimmt. Schon bei Art. 147 WRV kam es für den Ersatzschulcharakter ausschließlich darauf an, ob die öffentlichen Körperschaften für die Errichtung entsprechender Schulen ’nach jeweils geltendem Recht … planmäßig sorgen oder sorgen sollen‘ … Dabei war klar, daß es für den Ersatzschulcharakter nicht etwa auf die Erfüllung der in Art. 145 WRV geregelten ‚allgemeinen Schulpflicht‘ ankam …
An dieser Begriffsbestimmung hat sich mit Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG nichts Entscheidendes geändert. … Zur Erfüllung des ersten Kriteriums ‚Schule‘ kommt weder dem Bestehen oder Nichtbestehen einer Schulpflicht noch ganz allgemein dem Lebensalter der Schüler irgendeine Bedeutung zu …“
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Daraus folge, dass das (Nicht-)Bestehen einer Schulpflicht und deren Erfüllung für die Begriffsbestimmung der Ersatzschule als solche ohne Bedeutung sei. Dem widersprächen die Rechtssätze des Berufungsgerichts, dass im Fokus der Ersatzfunktion für öffentliche Schulen – ausgehend von der gegenwärtigen Ausgestaltung des öffentlichen Schulwesens in Baden-Württemberg im Rahmen der Bildungshoheit der Länder – die Erfüllung der durch Art. 14 Abs. 1 der Landesverfassung vorgegebenen und durch §§ 72 ff. SchG BW auch einfachgesetzlich normierten allgemeinen Schulpflicht stehe. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass die – die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht rechtfertigenden – Gründe maßgeblich auch die Voraussetzungen für die Anerkennung als Ersatzschule prägten.
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Mit diesem Vorbringen belegt die Beschwerde keine Abweichung des Verwaltungsgerichtshofs von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Ersatzschulbegriff des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG. Denn auch nach der Auffassung des Berufungsgerichts, das die Schuleigenschaft des von dem Kläger zur Genehmigung gestellten Konstrukts zugunsten der Beschwerde unterstellt hat, hängt die Ersatzschuleigenschaft nicht davon ab, ob die zur Genehmigung gestellte Schule schulpflichtige Schüler aufnimmt. Die Vorinstanz hat lediglich im Rahmen der Prüfung, ob eine Privatschule die Ersatzfunktion für öffentliche Schulen zu erfüllen vermag, mit Blick auf die von einer Schule u. a. zu erfüllende gesellschaftliche Integrationsfunktion auf die allgemeine Schulpflicht, genauer: auf die hinter ihr stehenden, sie rechtfertigenden Gründe abgestellt. Damit wird auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs die Aufnahme schulpflichtiger Kinder oder das Bestehen oder Nichtbestehen einer Schulpflicht nicht zum Definitionselement einer Ersatzschule.
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b) Die Beschwerde räumt ein, auch das Berufungsgericht gehe davon aus, dass der notwendige Abgleich mit den Belangen der staatlichen Schulhoheit im Hinblick auf pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten grundsätzlich nicht auf der begrifflichen Ebene der Ersatzschuleigenschaft erfolgen dürfe. Eine Abweichung von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987 – 1 BvL 8, 16/84 – BVerfGE 75, 40 <76 f.> sieht sie jedoch darin, dass das Berufungsgericht in Ausnahmefällen bereits bei der Prüfung der Ersatzschuleigenschaft den Rückgriff auf konzeptionelle Eigenheiten zulasse. Denn das Bundesverfassungsgericht kenne bei der Prüfung der Ersatzschulqualität kein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Der Ersatzschulbegriff des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG sei ausschließlich von den Kriterien „Schule“ und „Ersatzfunktion“ abhängig, die nur auf der Begriffsebene, nicht jedoch auf der Genehmigungsebene des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG anzuwenden seien.
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Mit diesem Vorbringen verschließt sich die Beschwerde der Erkenntnis, dass auch das Bundesverfassungsgericht bei Prüfung der Ersatzfunktion auf den mit der Errichtung der Privatschule verfolgten Gesamtzweck abstellt (BVerfG, Beschluss vom 14. November 1969 – 1 BvL 24/64 – BVerfGE 27, 195 <201>; Urteil vom 8. April 1987 – 1 BvL 8, 16/84 – BVerfGE 75, 40 <76>; Beschlüsse vom 9. März 1994 – 1 BvR 682, 712/88 – BVerfGE 90, 107 <122>; vom 9. März 1994 – 1 BvR 1369/90 – BVerfGE 90, 128 <139> und vom 8. Juni 2011 – 1 BvR 759/08, 733/09 – NVwZ 2011, 1384 Rn. 21). Dieses Kriterium liegt auch der Rechtsprechung des beschließenden Senats zugrunde, nach der der Rückgriff auf pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten bereits bei Prüfung der Ersatzschuleigenschaft den Privatschulen dann eine Genehmigungsperspektive eröffnet, wenn bestimmte strukturbezogene Abweichungen die Grundlinien der staatlichen Schulpolitik letztlich nicht konterkarieren und daher Belange der staatlichen Schulhoheit nicht in ausschlaggebender Weise beeinträchtigen (Urteil vom 30. Januar 2013 – 6 C 6.12 – BVerwGE 145, 333 Rn. 15). Die auf die Akzessorietät der Ersatzschulen zu den öffentlichen Schulen abstellende wertende Einzelfallbetrachtung erfasst nur die Übereinstimmung in äußeren Strukturmerkmalen, selbst wenn im Einzelfall evidente Abweichungen in pädagogisch-konzeptioneller Hinsicht erkennbar sind (BVerwG a. a. O.). Diesen Maßstab hat auch das Berufungsgericht seiner Prüfung der Ersatzfunktion der zur Genehmigung gestellten Schule des Klägers zugrunde gelegt (UA S. 20, 32) und deren Genehmigungsfähigkeit angesichts der die gesellschaftliche Integrationsfunktion der Schule konterkarierenden Beschulung nach der Konzeption des „Uracher Plans“ abgelehnt (UA S. 25 ff., S. 32).
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Selbst wenn man zugunsten der Beschwerde eine Abweichung unterstellen wollte, würde das Berufungsurteil darauf nicht beruhen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat – unabhängig von der abgelehnten Ersatzfunktion – auf der Grundlage des bindungsschwächeren Prüfungsmaßstabs der verfolgten „Lehrziele“ i. S. v. Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, der sich mit einer bloßen Ergebnisäquivalenz begnügt, nicht feststellen können, dass die beabsichtigte Beschulung nach dem „Uracher Plan“ die landesrechtlich in § 1 Abs. 2 Satz 2 SchG BW bindend vorgegebenen Ziele der Erziehung zu Eigenverantwortung und zu sozialer Bewährung sowie der Förderung der Entfaltung ihrer Persönlichkeit oder Begabung tatsächlich verfolgt. Aufgrund seiner tatrichterlichen Würdigung ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die beabsichtigte Unterrichtung den ansonsten durch den Besuch einer (öffentlichen) Schule eröffneten Zugang zu sozialen Räumen, in denen die Erprobung und Einübung sozialer Verhaltensweisen und Interaktionsmuster eigenverantwortlich stattfinden kann, gezielt minimiert bzw. in außerschulische Bereiche verlagert. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, dass die Beschulung nach dem „Uracher Plan“ hinreichende soziale Entwicklungsräume eröffne, in denen für die Persönlichkeitsentwicklung unerlässliche Prozesse der „Abnabelung“ angestoßen und altersangemessen vollzogen werden könnten (UA S. 31).
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c) Die gerügte Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Januar 2013 (BVerwG 6 C 6.12 – BVerwGE 145, 333 Rn. 13, 15) liegt nicht vor. Denn der beschließende Senat hat den notwendigen Abgleich pädagogisch-konzeptioneller Gegebenheiten gegen Belange der staatlichen Schulhoheit nur
grundsätzlich auf dieser begrifflichen Ebene ausgeschlossen und in der Regel auf der systematisch nachgelagerten Ebene der Genehmigungsvoraussetzung des Nicht-Zurückstehens hinsichtlich der Lehrziele gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG verortet. Er hat weiter ausgeführt, der Rückgriff auf pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten eröffne Privatschulen bereits bei Prüfung der Ersatzschuleigenschaft eine Genehmigungsperspektive dann, wenn bestimmte strukturbezogene Abweichungen die Grundlinien der staatlichen Schulpolitik letztlich nicht konterkarierten und daher Belange der staatlichen Schulhoheit nicht in ausschlaggebender Weise beeinträchtigten (a. a. O. Rn. 15).
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Dieser Rechtssatz des beschließenden Senats lässt Raum für das Vorliegen einer Ausnahme. Das Berufungsgericht sieht diese im vorliegenden Fall darin, dass die hier konstatierten strukturellen Abweichungen der Beschulung nach dem „Uracher Plan“ die Grundlinien der staatlichen Schulpolitik konterkarieren und daher Belange der staatlichen Schulhoheit in ausschlaggebender Weise beeinträchtigen. Das Vorbringen der Beschwerde liefert keinen Beleg dafür, dass der Verwaltungsgerichtshof das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt hat; vielmehr zeigen die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils unter 2. d) („Der Senat verliert dabei nicht aus dem Blick, …“) (UA S. 31), dass die Vorinstanz sich des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bewusst war.
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d) Die weiteren Divergenzrügen verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Zum Teil betreffen sie die einzelfallbezogene Rechtsanwendung des Berufungsgerichts (Abweichung des streitgegenständlichen Schulvorhabens von dem im öffentlichen Schulwesen verbreiteten Schultypen), beziehen sich auf Aussagen, die die Vorinstanz so nicht getroffen hat (… Rechtssatz, dass die landes<verfassungs->rechtlich begründete Schulpflicht im Rahmen der Privatschulgarantie des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 – 3 GG bundesverfassungsrechtlich vorausgesetzt sei) oder decken sich weitgehend mit dem oben unter c) abgehandelten Vorbringen.
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2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Insoweit genügen die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese verlangen neben der Herausarbeitung einer fallübergreifenden konkreten Rechtsfrage, die für die erstrebte Revisionsentscheidung erheblich sein wird, einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2001 – 6 B 35.00 – WissR 2001, 377 Rn. 2 und vom 9. Juli 2019 – 6 B 2.18 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 31 Rn. 7); dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit – falls vorhanden – der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem aufgeworfenen Problemkreis (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2022 – 6 B 1.22 – juris Rn. 13).
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a) Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam folgende Fragen auf:
Trifft die Annahme des aU (u. a. S. 23) zu, dass die – „letztlich landes(verfassungs)rechtlich begründete“ – Schulpflicht durch Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 GG bundesverfassungsrechtlich vorausgesetzt ist? Ergibt sich damit das Bestehen der Schulpflicht neben den landesrechtlichen Regelungen direkt aus dem Grundgesetz? Lassen sich damit insbesondere aus Art. 7 Abs. 4 Sätze 1 – 3 GG Anforderungen der Schulpflicht für die Erfüllung des Ersatzschulbegriffs gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG ableiten?
Bejaht man die soeben gestellte Grundsatzfrage, betreffen dann die – aus dem GG abgeleiteten – Anforderungen an die Schulpflicht (auch) „äußere Strukturmerkmale“ der Ersatzschuleigenschaft, die zum Ausschluss der Genehmigungsfähigkeit einer Privatschule mangels Erfüllung des Ersatzschulbegriffs im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG (insbesondere Urteil vom 30.01.2013 – 6 C 6.12) führen können?
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Diese Fragestellungen erweisen sich nicht als entscheidungserheblich, da das angefochtene Urteil – entgegen dem Vorbringen der Beschwerde – nicht davon ausgeht, die Schulpflicht sei durch Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 GG bundesverfassungsrechtlich vorausgesetzt. Die Vorinstanz hat vielmehr die rechtliche Quelle der allgemeinen Schulpflicht in der nicht-revisiblen Vorschrift des Art. 14 Abs. 1 LV BW verortet (UA S. 21). Bundesverfassungsrechtlich durch Art. 7 GG vorausgesetzt hat das Berufungsgericht im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 21. April 1989 – 1 BvR 235/89 – juris Rn. 3) den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag.
26
b) Die unter der Überschrift „Erfüllung der Schulpflicht als Genehmigungsausschluss gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. Satz 2 GG im Hinblick auf das Zurückstehen der Lehrziele“ aufgeworfenen, an der Erfüllung der Schulpflicht anknüpfenden Fragen verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Soweit sie sich überhaupt unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles fallübergreifend beantworten lassen, gehen sie an der das angefochtene Urteil tragenden Begründung für die Versagung der Genehmigung vorbei. Das Berufungsgericht hat den Genehmigungsanspruch abgelehnt, da die Beschulung nach dem „Uracher Plan“ darauf abziele, den Gleichrang des staatlichen Erziehungsauftrags mit dem Elternrecht zu relativieren und damit die mit der allgemeinen Schulpflicht verfolgten Zwecke zu konterkarieren und auf diese Weise die Belange der staatlichen Schulhoheit in ausschlaggebender Weise zu beeinträchtigen (UA S. 32).
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Damit haben sich der Vorinstanz in der primären Begründungslinie Maßstabsfragen zum Nicht-Zurückstehen der Lehrziele und Einrichtungen gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG als systematisch nachgelagerter Genehmigungsvoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 – 6 C 6.12 – BVerwGE 145, 333 Rn. 13) nicht gestellt. Die Angriffe der Beschwerde gegen die das angefochtene Urteil in erster Linie tragende Begründung, die Ersatzfunktion der zur Genehmigung gestellten Schule scheitere angesichts der die gesellschaftliche Integrationsfunktion der Schule konterkarierenden Beschulung nach der Konzeption des „Uracher Plans“, führen nicht zur Revisionszulassung (s. o.). Damit erweisen sich die angeführten Fragestellungen zum Nicht-Zurückstehen der Lehrziele und Einrichtungen für das erstrebte Revisionsverfahren als nicht entscheidungserheblich.
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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.