BGH 12. Zivilsenat, Beschluss vom 11.05.2022, AZ XII ZB 543/20, ECLI:DE:BGH:2022:110522BXIIZB543.20.0
Art 15 EGV 4/2009, Art 3 Abs 1 UhPflProt Haag, Art 5 UhPflProt Haag, Art 8 UhPflProt Haag
Leitsatz
1. Ob für eine engere Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP Anhaltspunkte von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als in der Regel maßgeblicher Anknüpfungspunkt zurücktritt, ist eine Frage der bei der vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Einzelfallumstände.
2. Zur engeren Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP bei aufgrund beruflicher Verhältnisse eines Ehegatten („Expatriate“) jeweils befristeten Aufenthalten in verschiedenen Ländern.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Karlsruhe, 26. November 2020, Az: 2 UF 3/20, Beschluss
vorgehend AG Karlsruhe, 28. November 2019, Az: 6 F 1165/18
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. November 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) begehrt vom Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) nachehelichen Unterhalt.
2
Die Beteiligten, die beide deutsche Staatsangehörige sind, lebten mit ihrer 1992 geborenen Tochter seit dem Jahr 1994 gemeinsam in Schottland, wo der Ehemann eine Doktorandenstelle innehatte. Im Jahr 1999 ging der Ehemann ein Arbeitsverhältnis mit einem weltweit tätigen Mineralölunternehmen ein, wonach er als so genannter Expatriate für eine jeweils befristete Zeit von in der Regel vier Jahren an einem internationalen Standort des Unternehmens tätig sein sollte. Daraus ergab sich – unter zwischenzeitlicher Verlängerung – zunächst ein Aufenthalt der Familie in den Niederlanden von 1999 bis 2008, wo die Beteiligten im Jahr 2006 einen Partnerschaftsvertrag nach niederländischem Recht schlossen und im Juli 2008 heirateten. Anschließend lebten sie im Zuge einer befristeten Tätigkeit des Ehemanns im Sultanat Brunei. Seit Juni 2012 hielt sich die Familie im US-Bundesstaat Texas auf, wo der Ehemann für das Unternehmen im Rahmen eines zunächst auf längstens fünf Jahre befristeten Einsatzes zu den Bedingungen eines „Local Non-National“ arbeitete.
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Im Anschluss an die Trennung der Beteiligten im Februar 2015 wurde ihre Ehe auf ihren beiderseitigen Antrag durch Urteil des Bezirksgerichts des 505. Gerichtsbezirks, Fort Bend County, Texas, vom 8. Dezember 2017 rechtskräftig geschieden. Im Rahmen einer Mediation hatten sie am 6. Oktober 2017 eine – durch das Urteil bestätigte – Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, die im Wesentlichen Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung einschließlich der vom Ehemann erworbenen Anrechte auf Altersvorsorge enthielt. Seit der Scheidung hält sich die Ehefrau bei ihren Eltern in Deutschland auf, während der Ehemann weiterhin in Texas lebt.
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Das Amtsgericht hat den Antrag der Ehefrau, den Ehemann zur Zahlung eines rückständigen nachehelichen Ehegattenunterhalts für den Zeitraum von April 2018 bis Juni 2018 in Höhe von insgesamt 15.546,09 € und eines laufenden Unterhalts ab Juli 2018 in Höhe von monatlich insgesamt 5.182,03 € zu verpflichten, auf der Grundlage des nach seiner Auffassung anwendbaren texanischen Unterhaltsrechts zurückgewiesen. Die Beschwerde der Ehefrau hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Hiergegen wendet sie sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie weiterhin ihren Antrag auf nachehelichen Unterhalt nach deutschem Recht verfolgt.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
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1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner in FamRZ 2021, 1030 veröffentlichten Entscheidung Folgendes ausgeführt:
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Entgegen der Auffassung der Ehefrau beurteile sich der von ihr geltend gemachte Anspruch in Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls vom 23. November 2007 (HUP) nach texanischem Unterhaltsrecht. Da die Beteiligten im Zuge des Scheidungsverfahrens keine Rechtswahl im Sinne des Art. 8 HUP getroffen hätten, komme es nach Art. 3 Abs. 1 HUP zwar grundsätzlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt der berechtigten Person an. Anstelle des danach einschlägigen deutschen Rechts sei hier jedoch gemäß Art. 5 HUP texanisches Recht maßgeblich, weil sich der Ehemann gegen die Anwendung deutschen Rechts wende und vorliegend das Recht des Bundesstaats Texas eine engere Verbindung zur Ehe der Beteiligten aufweise. Im Rahmen der hierbei gebotenen Beurteilung komme es auf alle Verbindungen der Ehe zu den verschiedenen betroffenen Ländern an. Außer Betracht blieben hingegen Umstände, die vor der Eheschließung oder nach der Ehescheidung eingetreten seien.
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Im vorliegenden Fall spreche für eine engere Verbindung zum texanischen Recht, dass die Beteiligten bezogen auf die gesamte Ehezeit am längsten in Texas gelebt hätten. Dass es sich hierbei auch um den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten handele, indiziere eine enge Verbindung zu der dortigen Rechtsordnung. Der Umstand, dass für die Beteiligten die Dauerhaftigkeit ihres Aufenthalts in Texas nicht festgestanden habe, stehe einer engeren Verbindung deshalb nicht entgegen, weil diese durch weitere Umstände untermauert werde. Die Beteiligten hätten sich bewusst zur Durchführung ihrer Scheidung in Texas entschlossen und sich damit für die dortige Rechtsordnung entschieden, auch wenn diese Ortswahl letztlich aus Gründen der Praktikabilität erfolgt sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Ehemann dort weiterhin seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe und dieser im Hinblick auf seinen Antrag zur Erteilung einer „Green Card“ nun auf Dauer angelegt sei.
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Die Verbindung der Beteiligten zu Deutschland bestehe demgegenüber im Wesentlichen in ihrer gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit. Dieses Kriterium sei jedoch im Rahmen des Art. 5 HUP grundsätzlich zurückhaltend zu bewerten. Darüber hinaus seien die Beteiligten nur durch gelegentliche Besuche mit Deutschland verbunden gewesen; eine Rückkehr dorthin habe während der Ehezeit nicht in Frage gestanden. Auch der Umstand, dass die Beteiligten in den Niederlanden einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen und geheiratet hätten, verdeutliche, dass sie Deutschland gerade nicht als gemeinsame Basis angesehen hätten. Es bestehe allerdings auch keine engere Verbindung der Ehe zu den Niederlanden, da der Ort der Eheschließung in der Regel keine engere Verbindung als der Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts begründen könne und die Beteiligten nach der Heirat nicht mehr in den Niederlanden gelebt hätten.
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Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bestehe nach dem hier maßgeblichen § 8.051 Abs. 2 des texanischen Family Code nur, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert habe und zudem weitere Voraussetzungen der Bedürftigkeit des Berechtigten erfüllt seien. Im vorliegenden Fall scheitere ein Anspruch bereits an der nicht gegebenen Mindestdauer. Deshalb könne auch dahinstehen, ob die Geltendmachung von Unterhalt schon aufgrund eines auch insoweit abschließenden Charakters des Scheidungsurteils ausgeschlossen sei.
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2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
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a) Zutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht, die unbeschadet des Wortlauts des § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsbeschluss vom 31. März 2021 – XII ZB 516/20 – FamRZ 2021, 1050 Rn. 9 mwN). Sie ergibt sich im vorliegenden Fall aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUntVO), weil die Ehefrau ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
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b) Ohne Erfolg macht der Ehemann geltend, dem Unterhaltsantrag der Ehefrau stehe entgegen, dass über diesen Streitgegenstand eine rechtskräftige Entscheidung in dem in Texas durchgeführten Scheidungsverfahren ergangen sei. Soweit er sich insoweit auf ein Verfahrenshindernis beruft, ist dessen Vorliegen allerdings in jedem Rechtszug von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2014 – XII ZB 662/13 – FamRZ 2015, 479 Rn. 16 mwN) und kann – anders als vom Oberlandesgericht angenommen – wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Zulässigkeitsprüfung (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2012 – XII ZR 139/09 – FamRZ 2012, 525 Rn. 44 mwN) nicht im Hinblick auf eine etwaige Unbegründetheit des Antrags dahinstehen. Ausreichend tragfähige Anhaltspunkte, wonach in dem Scheidungsverfahren eine Sachentscheidung über die Frage des nachehelichen Unterhalts getroffen wurde, sind jedoch weder dem Scheidungsurteil vom 8. Dezember 2017 noch der ihm zugrundeliegenden, auf solche Ansprüche ebenfalls nicht Bezug nehmenden Mediationsvereinbarung vom 6. Oktober 2017 zu entnehmen; sie sind auch nicht anderweitig vorgetragen oder ersichtlich.
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c) Indes ist es rechtsfehlerhaft, dass das Oberlandesgericht texanisches Unterhaltsrecht angewendet und auf dieser Grundlage einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau verneint hat.
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aa) Wie das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt zutreffend annimmt, bestimmt sich das auf den hier geltend gemachten Unterhaltsanspruch anwendbare Recht gemäß Art. 15 EuUntVO nach dem Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (ABl. EG Nr. L 331 vom 16. Dezember 2009 S. 19; Haager Unterhaltsprotokoll – HUP). Wegen der in Art. 2 HUP angeordneten Allseitigkeit kommt es aus deutscher Sicht nicht darauf an, dass die Vereinigten Staaten von Amerika kein Vertragsstaat sind (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Februar 2020 – XII ZB 358/19 – FamRZ 2020, 918 Rn. 12 mwN).
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bb) Frei von Rechtsbedenken ist auch die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die Beteiligten im Zuge ihres Scheidungsverfahrens keine Rechtswahl bezüglich des anwendbaren Unterhaltsrechts getroffen haben. Nimmt man an
, dass eine Rechtswahl im Sinne des Art. 8 Abs. 1 HUP nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent getroffen werden kann (Grüneberg/Thorn BGB 81. Aufl. Art. 8 HUntProt Rn. 31 mwN), bedarf es hierfür jedenfalls eines anhand der Gesamtumstände festzustellenden Rechtswahlwillens der Beteiligten (Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 8 HUntStProt Rn. 6; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 119, 392 = FamRZ 1993, 289, 291 f.). Einen solchen, hier auf die Frage des nachehelichen Unterhalts bezogenen Willen musste das Oberlandesgericht nicht aus den gegebenen Umständen folgern, zumal sich aus der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 6. Oktober 2017 kein erkennbarer Bezug zu dieser Frage ergibt.
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cc) Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch erfolgreich die Anwendung des Art. 5 HUP durch das Oberlandesgericht.
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(1) Nach der Grundregel des Art. 3 Abs. 1 HUP ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Allerdings findet diese Anknüpfung in Fällen des Ehegattenunterhalts gemäß Art. 5 HUP keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. Hintergrund der als Einrede zu qualifizierenden Regelung ist das Vertrauen eines Ehegatten in diejenige Rechtsordnung, der sich beide Eheleute während des Bestehens der Ehe unterstellt haben (Senatsurteil vom 26. Juni 2013 – XII ZR 133/11 – FamRZ 2013, 1366 Rn. 44 mwN). Ein Ehegatte soll nicht die Möglichkeit haben, das Bestehen und den Inhalt der Unterhaltspflicht durch einen einseitigen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltsorts auf unfaire Weise zu beeinflussen (Bonomi Erläuternder Bericht zum HUP Rn. 78, veröffentlicht bei www.hcch.net
).
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Art. 5 HUP stellt die Ausnahme zu der in Art. 3 HUP niedergelegten Grundanknüpfung dar. Lässt sich daher keine andere Rechtsordnung feststellen, zu der die Ehe der Beteiligten eine engere Verbindung aufweist, bleibt es nach – soweit ersichtlich – allgemeiner Meinung aufgrund dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei der allgemeinen Regel des Art. 3 HUP für das anzuwendende Recht (vgl. BeckOK BGB/Heiderhoff [Stand: 1. Februar 2022] HUP 2007 Art. 5 Rn. 5; Klinkhammer in Budzikiewicz/Heiderhoff/Klinkhammer/Niethammer-Jürgens Neue Impulse im europäischen Familienkollisionsrecht S. 163, 181; MünchKommBGB/Staudinger 8. Aufl. Art. 5 HUP Rn. 21; Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 5 HUntStProt Rn. 18; Staudinger/Mankowski BGB [2021] Art. 5 HUP Rn. 41; vgl. auch OGH Wien ZfRV 2015, 226; zur Beweislast: BeckOGK/Yassari [Stand: 1. Dezember 2020] Art. 5 HUP Rn. 25; Hausmann Internationales und Europäisches Familienrecht 2. Aufl. C Rn. 616; MünchKommBGB/Staudinger 8. Aufl. Art. 5 HUP Rn. 9; Uecker FF 2014, 185, 190; OGH Wien ZfRV 2015, 226; hierzu wohl aA Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 5 HUntStProt Rn. 13b).
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(2) Art. 5 HUP verlangt eine wertende Gesamtbetrachtung. Ob für eine engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates Anhaltspunkte von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als in der Regel maßgeblicher Anknüpfungspunkt zurücktritt, ist eine Frage der Einzelfallumstände (vgl. Bonomi Erläuternder Bericht zum HUP Rn. 82, 85; Hausmann Internationales und Europäisches Familienrecht 2. Aufl. C Rn. 617; NK-BGB/Bach 3. Aufl. Art. 5 HUP Rn. 15; jurisPK-BGB/Ludwig [Stand: 1. März 2020] Art. 5 HUP Rn. 15; vgl. auch OGH Wien ZfRV 2020, 289). Als solche kommen neben dem vom Normgeber in Art. 5 HUP ausdrücklich genannten und mit „insbesondere“ besonders hervorgehobenen letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten weitere Gesichtspunkte in Betracht, etwa ein früherer gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten während der Ehe, ihre Staatsangehörigkeit, der Ort der Eheschließung sowie der Ort der Trennung oder Scheidung (vgl. Bonomi Erläuternder Bericht zum HUP Rn. 85; OGH Wien ZfRV 2020, 289; vgl. auch Senatsurteil vom 26. Juni 2013 – XII ZR 133/11 – FamRZ 2013, 1366 Rn. 45).
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Die Abwägung der für die Beurteilung einer engeren Verbindung im Sinne des Art. 5 HUP in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2019 – XII ZB 299/18 – FamRZ 2019, 1535 Rn. 30 mwN).
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(3) Auch bei Anlegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält die Annahme einer engeren Verbindung der Ehe der Beteiligten zum Recht des Bundesstaates Texas durch das Oberlandesgericht den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Dessen Würdigung, wonach der – im Wesentlichen durch den nicht auf Dauer angelegten gemeinsamen Aufenthalt in Texas vermittelte – Bezug zum Recht des Bundesstaates Texas ein höheres Gewicht als die zur Anwendung deutschen Unterhaltsrechts führende Grundanknüpfung des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehefrau (Art. 3 Abs. 1 HUP) hat, ist von Rechtsfehler beeinflusst. Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Oberlandesgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen zu den Lebensumständen der Beteiligten, insbesondere zu den Umständen ihres Aufenthalts in Texas, dem Gesichtspunkt des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts im hier zu beurteilenden Einzelfall einen unvertretbar hohen Stellenwert eingeräumt hat.
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(a) Allerdings erwähnt Art. 5 HUP als einzigen Staat ausdrücklich denjenigen des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten als einen in Betracht kommenden anderen Staat, zu dem die Ehe eine engere Verbindung als zum Aufenthaltsstaat des Unterhaltsberechtigten (Art. 3 Abs. 1 HUP) haben kann. Damit wird das Gewicht des letzten gemeinsamen Aufenthalts insoweit fraglos betont. Gleichwohl wird diesem Kriterium, wie bereits aus dem Normtext mit der durch die „insbesondere“-Einleitung ersichtlich nur beispielhaft erfolgten Nennung ohne weiteres folgt, kein absoluter Charakter beigegeben. Vielmehr handelt es sich um einen bedeutsamen, jedoch nicht notwendig um den ausschlaggebenden Umstand, weil es stets einer Gesamtabwägung bedarf (vgl. Bonomi Erläuternder Bericht zum HUP Rn. 81, 86; OGH Wien FamRZ 2018, 342, 345; Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 5 HUntStProt Rn. 17 f. mwN).
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(b) Für die hier zu beurteilende Fallgestaltung ist die Bedeutung des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten jedoch entwertet. Der gemeinsame Aufenthalt in Texas ab dem Jahr 2012 war nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen nicht auf Dauer angelegt, sondern reihte sich in eine – durch die beruflichen Verhältnisse des Ehemanns bedingte – regelmäßige Abfolge jeweils befristeter Aufenthalte in verschiedenen Ländern ein. Die entsprechenden Ortswechsel waren demnach wesentlich durch die betrieblichen Erfordernisse des Arbeitgebers, nicht aber durch eine Bindung der Beteiligten zum jeweiligen Einsatzort begründet. Für die auf längstens fünf Jahre begrenzte Tätigkeit des Ehemannes in Texas gilt nichts anderes, auch wenn er in diesem Zusammenhang vom Arbeitgeber nicht als „Expatriate“, sondern zu den Bedingungen eines „Local Non-National“ beschäftigt wurde.
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Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend hervorhebt, kann bei solcherart regelmäßig wechselnden gewöhnlichen Aufenthalten aus dem jeweiligen, von vornherein lediglich vorübergehend angelegten Aufenthaltsort nicht ohne weiteres auf einen Bezug der Ehe zu dessen Rechtsordnung geschlossen werden, der eine Anwendung von Art. 5 HUP rechtfertigen könnte. Vielmehr hätte es zufälligen Charakter, welches Recht in Anknüpfung an den jeweils letzten gemeinsamen Aufenthalt anstelle des sonst berufenen Rechts zur Anwendung gelangt.
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(c) Anders kann es nur dann liegen, wenn die im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallabwägung zu berücksichtigenden weiteren Tatsachen für eine im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 1 HUP engere Verbindung gerade zum Ort des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten sprechen. Das ist hier jedoch nicht der Fall.
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Das Oberlandesgericht sieht insoweit vor allem als wesentlich an, dass die Beteiligten sich bewusst für die Durchführung der Ehescheidung in Texas entschieden haben. Dies wird aber durch die ebenfalls getroffene Feststellung relativiert, dass diese Entscheidung seitens der Ehefrau vor allem auf Praktikabilitätserwägungen beruhte und damit nicht Ausdruck einer Bindung der Ehe an die texanische Rechtsordnung ist. Der vom Oberlandesgericht weiter angeführte Umstand, dass der Aufenthalt des Ehemanns in Texas nunmehr – entgegen den Verhältnissen während bestehender Ehe – auf Dauer angelegt ist, hat für die Frage einer engeren Verbindung der Ehe im Sinne von Art. 5 Satz 1 HUP unabhängig von der umstrittenen Rechtsfrage, ob insoweit generell nur Umstände während des Bestands der Ehe Berücksichtigung finden können (so etwa OGH Wien FamRZ 2018, 342, 345 und ZfRV 2020, 289; Rauscher/Andrae EuZPR/EuIPR 4. Aufl. Art. 5 HUntStProt Rn. 15 mwN; MünchKommBGB/Staudinger 8. Aufl. Art. 5 HUP Rn. 17 mwN; aA jurisPK-BGB/Ludwig [Stand: 1. März 2020] Art. 5 UntProt Rn. 16; anders auch Bonomi Erläuternder Bericht zum HUP Rn. 86), keine Aussagekraft. Denn er besagt allein etwas über die Wahl des Aufenthaltsorts eines Ehegatten, die dieser gerade in Anbetracht des Scheiterns der Ehe getroffen hat, nicht aber über die Verbindung der Ehe selbst zu der betreffenden Rechtsordnung.
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(d) Mangels Einzelfallaspekten, die eine engere Verbindung der von den Beteiligten geführten Ehe zur texanischen Rechtsordnung begründen, bedarf es keines weiteren Eingehens darauf, welche Rolle die Rückkehr der Ehefrau nach dem Scheitern der Ehe in ihr Heimatland Deutschland und die mit diesem Aufenthaltsort übereinstimmende Staatsangehörigkeit der Beteiligten im Rahmen der Gesamtabwägung spielen können.
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d) Es bedarf keiner Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. Juni 2013 – XII ZR 133/11 – FamRZ 2013, 1366 Rn. 37). Die Grundsätze für die sich im vorliegenden Fall stellenden Auslegungsfragen im Zusammenhang mit dem Haager Unterhaltsprotokoll sind derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt und mithin für eine Verfahrensweise nach Art. 267 Abs. 3 AEUV kein Anlass besteht („acte clair“, vgl. Senatsbeschluss vom 27. November 2019 – XII ZB 311/19 – FamRZ 2020, 272 Rn. 11 mwN; vgl. zu den Voraussetzungen der Vorlagepflicht EuGH EuZW 2018, 1038 Rn. 110 – Kommission/Frankreich mwN). Das gilt sowohl dafür, dass Art. 5 HUP eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände erfordert, als auch für die Möglichkeit, dass der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im Rahmen dieser Gesamtwürdigung abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung erlangt. Die sich demnach allein stellende Frage, zu welchem Ergebnis die Gesamtwürdigung im konkret zu entscheidenden Fall führt, kann hingegen nicht zum Gegenstand eines Vorlageverfahrens gemacht werden.
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3. Die angefochtene Entscheidung kann aus den genannten Gründen keinen Bestand haben und ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Zwar sind zur Frage des nach dem Haager Unterhaltsprotokoll anwendbaren Unterhaltsrechts keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen, weshalb der Senat selbst befinden kann, dass vorliegend eine Anwendung von Art. 5 HUP ausscheidet und es daher grundsätzlich bei der Grundregel des Art. 3 Abs. 1 HUP verbleibt. Denn dem Kriterium des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten kommt vorliegend wegen der von vorneherein auf einen beständigen Wechsel des Aufenthaltsorts angelegten ehelichen Lebensverhältnisse keine besondere Bedeutung zu, und es fehlt auch an anderweitigen Umständen, die die Annahme einer engeren Verbindung der Ehe der Beteiligten zur texanischen Rechtsordnung begründen können.
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Die Sache ist gleichwohl nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Dieses wird sich nun mit der von ihm bislang – aus seiner Sicht folgerichtig – offen gelassenen Frage zu befassen haben, ob die Ehefrau mit der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 6. Oktober 2017 auf nachehelichen Unterhalt verzichtet hat. Sollte dies nicht der Fall sein, wird das Oberlandesgericht zudem über Dauer und Höhe des von der Ehefrau geltend gemachten Unterhaltsanspruchs zu entscheiden haben.
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