Verhandlungstermin am 10. Februar 2022, 9:00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 365/21, 396/21, 679/21, 692/21 und 717/21 („Dieselverfahren“; Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist, Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB) (Pressemeldung des BGH)

Verhandlungstermin am 10. Februar 2022, 9:00 Uhr, Saal E 101, in Sachen VII ZR 365/21, 396/21, 679/21, 692/21 und 717/21 („Dieselverfahren“; Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist, Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB)

Ausgabejahr2021
Erscheinungsdatum08.11.2021

Nr. 205/2021

Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in fünf gleichzeitig zur mündlichen Verhandlung anstehenden „Dieselverfahren“ darüber zu entscheiden, wann die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche des Fahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG begann und ob im Falle der Verjährung ein Anspruch auf sogenannten Restschadensersatz aus § 852 Satz 1 BGB besteht.

In den fünf Verfahren nimmt die jeweilige Klagepartei die beklagte Volkswagen AG auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch. Die – jeweils gebraucht erworbenen – Fahrzeuge sind mit Dieselmotoren der Baureihe EA189 (EU 5) ausgestattet. Diese verfügten zum Zeitpunkt des Kaufs über eine Software, welche erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselt.

Ab September 2015 wurde – ausgehend von einer Pressemitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 – über den sogenannten Abgasskandal betreffend Motoren des Typs EA189 ausführlich in den Medien berichtet. Im Oktober 2015 schaltete die Beklagte eine Website frei, auf der unter Eingabe einer Fahrzeugidentifizierungsnummer ermittelt werden konnte, ob ein Fahrzeug mit einem vom Abgasskandal betroffenen Motor ausgestattet war.

Die Kläger verlangen jeweils im Wesentlichen – unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung – die Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Die Beklagte hat jeweils die Einrede der Verjährung erhoben.

Zu den Verfahren VII ZR 365/21 und VII ZR 396/21

Sachverhalt:

Der Kläger im Verfahren VII ZR 365/21 erwarb im September 2015 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Sharan TDI zum Preis von 24.400 €. Er hat im Juni 2020 Klage eingereicht.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 396/21 erwarb im August 2011 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Tiguan TDI zum Preis von 25.150 €. Er hat im Dezember 2019 Klage eingereicht, die im Februar 2020 zugestellt wurde.

Bisheriger Prozessverlauf:

Die Klagen hatten in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht (Oberlandesgericht Stuttgart) hat jeweils im Wesentlichen ausgeführt:

Dem Anspruch aus § 826 BGB stehe die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Die Verjährung habe Ende des Jahres 2015 zu laufen begonnen. Bereits ab Oktober 2015 habe mindestens grob fahrlässige Unkenntnis der Kläger von den für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen vorgelegen. Der Sachverhalt des sogenannten Dieselskandals sei in der Medienberichterstattung omnipräsent gewesen. Dass die Kläger den Weg zur Ermittlung der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs nicht beschritten hätten, erscheine nach Lage des Falles geradezu unverständlich, da sie naheliegende und unschwer zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hätten. Ihnen stehe auch kein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB zu, da sie die Fahrzeuge als Gebrauchtwagen erworben hätten und die Beklagte nichts auf ihre Kosten erlangt habe.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

VII ZR 365/21

Landgericht Stuttgart – Urteil vom 30. Oktober 2020 – 18 O 173/20

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 30. März 2021 – 10 U 397/20

und

VII ZR 396/21

Landgericht Rottweil – Urteil vom 16. Dezember 2020 – 6 O 102/19

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 30. März 2021 – 10 U 16/21

Zu den Verfahren VII ZR 679/21, VII ZR 692/21 und VII ZR 717/21

Sachverhalt:

Die Klägerin im Verfahren VII ZR 679/21 erwarb im April 2015 einen gebrauchten, von einer Tochtergesellschaft der Beklagten hergestellten Pkw Audi A1 Ambition 1,6 l TDI zum Preis von 19.800 €. Sie hat im Juli 2020 Klage eingereicht.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 692/21 erwarb im Februar 2015 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Tiguan Sport & Style zum Preis von 19.400 €. Er hat im September 2020 Klage eingereicht.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 717/21 erwarb im März 2015 einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Passat zum Preis von 13.000 €. Er hat im September 2020 Klage eingereicht.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat den Klagen jeweils überwiegend stattgegeben, das Berufungsgericht (Oberlandesgericht Koblenz) hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen und hierzu jeweils im Wesentlichen ausgeführt:

Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus § 826 BGB seien verjährt. Die in zweiter Instanz (erneut) erhobene Einrede der Verjährung sei beachtlich, da in dem „Fallenlassen“ der Verjährungseinrede in erster Instanz nicht ohne Weiteres ein dauerhafter Verzicht auf dieses Verteidigungsmittel liege. Die Klageparteien hätten im Jahr 2015 die Veranlassung und Möglichkeit gehabt, von einem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte Kenntnis zu erlangen. Der Dieselskandal als solcher und die Betroffenheit von auch in Deutschland angebotenen Fahrzeugen der Beklagten könne ihnen schlechterdings nicht entgangen sein, selbst wenn sie nicht laufend die Pressemeldungen verfolgt hätten. Die Klageparteien hätten gegen die Beklagte auch keine Ansprüche aus § 852 Satz 1 BGB, da sie die Fahrzeuge als Gebrauchtwagen erworben hätten und die von ihnen entrichteten Kaufpreise der Beklagten nicht zugutegekommen seien.

Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klageparteien ihre Klagebegehren weiter.

Vorinstanzen:

VII ZR 679/21

Landgericht Trier – Urteil vom 30. Dezember 2020 – 5 O 148/20

Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 22. Juni 2021 – 4 U 146/21

und

VII ZR 692/21

Landgericht Trier – Urteil vom 22. Dezember 2020 – 5 O 268/20

Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 15. Juni 2021 – 3 U 105/21

und

VII ZR 717/21

Landgericht Trier – Urteil vom 3. Februar 2021 – 5 O 262/20

Oberlandesgericht Koblenz – Urteil vom 15. Juni 2021 – 3 U 290/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1. der Anspruch entstanden ist und

2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. […]

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

§ 852 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. […]

Karlsruhe, den 8. November 2021

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501