Verhandlungstermin am 8. Juli 2021 um 10.00 Uhr in Sachen I ZR 96/20 (Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts)
Ausgabejahr2021
Erscheinungsdatum31.03.2021
Nr. 073/2021
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob Verbrauchern ein Widerrufsrecht zusteht, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts abschließen.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Verbraucherzentrale. Die Beklagte vertreibt Kurventreppenlifte. Dabei handelt es sich um Treppenlifte mit Schienen, die individuell an die im Treppenhaus zu befahrenden Kurven angepasst werden. Die Beklagte teilt Verbrauchern bezüglich der Kurventreppenlifte mit, dass – außer für ein bestimmtes Modell – kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Der Kläger ist der Ansicht, dass ein Widerrufsrecht bestehe und sieht in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Er nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 312d Abs. 1 Satz 1, § 312g Abs. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB zu. Zwar sei ein Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über das Widerrufsrecht zu informieren, das dieser bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen habe. Nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB bestehe jedoch kein Widerrufsrecht bei einem Vertrag zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt seien und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich sei oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten seien. So liege der Fall hier. Bei den Verträgen über die Lieferung und Montage der Kurventreppenlifte handle es sich um Werklieferungsverträge, die in den Anwendungsbereich des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB fielen, und nicht um Werkverträge, auf die diese Ausnahmevorschrift keine Anwendung finde. Nach der Verkehrsanschauung stünden die Lieferung des individuell angefertigten Treppenlifts und die Übertragung des Eigentums daran im Vordergrund und nicht die Planung und Montage des Liftsystems.
Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Vorinstanzen:
LG Köln – Urteil vom 3. Dezember 2019 – 81 O 72/19
OLG Köln – Beschluss vom 13. Mai 2020 – 6 U 300/19
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu informieren.
(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.
(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:
1. Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind, […]
Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB
Steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu, ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher zu informieren
1. über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2,
2. gegebenenfalls darüber, dass der Verbraucher im Widerrufsfall die Kosten für die Rücksendung der Waren zu tragen hat, und bei Fernabsatzverträgen zusätzlich über die Kosten für die Rücksendung der Waren, wenn die Waren auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht auf dem normalen Postweg zurückgesendet werden können, und
3. darüber, dass der Verbraucher dem Unternehmer bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen oder über die nicht in einem bestimmten Volumen oder in einer bestimmten Menge vereinbarte Lieferung von Wasser, Gas, Strom oder die Lieferung von Fernwärme einen angemessenen Betrag nach § 357 Absatz 8 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die vom Unternehmer erbrachte Leistung schuldet, wenn der Verbraucher das Widerrufsrecht ausübt, nachdem er auf Aufforderung des Unternehmers von diesem ausdrücklich den Beginn der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hat.
Karlsruhe, den 31. März 2021
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
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