BVerfG

Stattgebender Kammerbeschluss: Unzureichende gerichtliche Überprüfung einer Behördenentscheidung (standesrechtliche Sanktion wegen Verletzung infektionsrechtlicher Vorgaben für Arztpraxen) verletzt Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) – Verfassungsbeschwerde iÜ mangels hinreichender Begründung unzulässig (Stattgebender Kammerbeschluss des BVerfG 1. Senat 1. Kammer)

Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.11.2022, AZ 1 BvR 2263/21, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20221109.1bvr226321Art 19 Abs 4 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 1 ÄBerufsO RP

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Verpflichtung der Polizeivollzugsbediensteten in Brandenburg zum Tragen eines Namensschildes an der Dienstkleidung – Unzulässigkeit mangels hinreichender Substantiierung (Nichtannahmebeschluss des BVerfG 2. Senat 3. Kammer)

Nichtannahmebeschluss vom 04.11.2022, AZ 2 BvR 2202/19, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20221104.2bvr220219Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 51 BMG

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobener personenbezogener Daten (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Übermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar sind. Dies gilt, soweit sie zur Übermittlung personenbezogener Daten verpflichten, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden. Die betreffenden Vorschriften verstoßen gegen die Normenklarheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem fehlt es an einer spezifisch normierten Protokollierungspflicht. Die angegriffenen Normen gelten – mit Blick auf die betroffenen Grundrechte jedoch nach einschränkenden Maßgaben – bis zum 31. Dezember 2023 vorübergehend fort.

Erfolgreicher Eilantrag im Verfassungsbeschwerdeverfahren: Einstweilige Untersagung einer Auslieferung an die Türkei zur Strafvollstreckung – unzureichende fachgerichtliche Aufklärung der Gewährung prozessualer Mindestrechte bei Verurteilung des Betroffenen in Abwesenheit – Folgenabwägung (Einstweilige Anordnung des BVerfG 2. Senat 1. Kammer)

Einstweilige Anordnung vom 31.10.2022, AZ 2 BvR 1838/22, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20221031.2bvr183822Art 19 Abs 4 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 12 IRG, § 32 IRG

Nichtannahme einer völlig unzureichend begründeten Verfassungsbeschwerde – Verwerfung offensichtlich unzulässiger Ablehnungsgesuche – Ablehnung der Gewährung von PKH – Hinweis auf Möglichkeit der Auferlegung einer Missbrauchsgebühr (Nichtannahmebeschluss des BVerfG 2. Senat 2. Kammer)

Nichtannahmebeschluss vom 28.10.2022, AZ 2 BvR 1473/22, ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20221028.2bvr147322§ 19 Abs 1 BVerfGG, § 19 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 34 Abs 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG

Bundesregierung hätte den Bundestag frühzeitig über das Krisenmanagementkonzept für die Militäroperation „EUNAVFOR MED Operation SOPHIA“ informieren müssen (Pressemeldung des BVerfG)

Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Bundesregierung die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) verletzt hat. Zum einen hat sie diesen nicht umfassend und frühestmöglich über den Entwurf eines Krisenmanagementkonzepts für die Militäroperation
„EUNAVFOR MED Operation SOPHIA“ im Mittelmeerraum informiert. Zum anderen hat die Bundesregierung nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ein an die damalige Bundeskanzlerin gerichtetes Schreiben des türkischen Ministerpräsidenten vom 23. September 2015 nicht der Unterrichtungspflicht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG unterfällt.

Pflicht der Bundesregierung zur Unterrichtung des Bundestags gem Art 23 Abs 2 S 2 GG gilt auch in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) bzw der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) – Begriff der „Angelegenheiten der Europäischen Union“ ist weit zu verstehen – hier: Unterrichtung über das Krisenmanagementkonzept für die Militäroperation „EUNAVFOR MED Operation SOPHIA“ – Anträge im Organstreitverfahren teilweise unzulässig, iÜ jedoch begründet (Urteil des BVerfG 2. Senat)

Urteil vom 26.10.2022, AZ 2 BvE 3/15, 2 BvE 7/15, ECLI:DE:BVerfG:2022:es20221026.2bve000315Art 23 Abs 2 S 1 GG, Art 23 Abs 2 S 2 GG, Art 24 Abs 2 GG, Art 12 EU, Art 21 Abs 3 UAbs 2 EU