Pressestelle des BAG

Erstellt vom Import-Prozess

Überlassungshöchstdauer – Betriebsübergang auf Entleiherseite (Pressemeldung des BAG)

Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet, um zu klären, wie die in § 1 Abs. 1b Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelte Überlassungshöchstdauer unionsrechtskonform zu berechnen ist, wenn auf Entleiherseite ein Betriebsübergang stattgefunden hat. | Die Beklagte gehört einer Unternehmensgruppe an, die ua. Sanitärarmaturen herstellt. Als Unternehmen für Logistik unterhält die Beklagte am Ort der Produktionsstätte einen Betrieb, in dem die Produkte verpackt, gelagert und für den Transport vorbereitet werden. Die vormals von dem Produktionsunternehmen als Betriebsteil selbst geführte Logistik ist zum 1. Juli 2018 auf die Beklagte übergegangen.

Arbeitgeberzuschuss zu Entgeltumwandlung – Tariföffnung (Pressemeldung des BAG)

Von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung
(§ 1a BetrAVG) einschließlich des Anspruchs auf einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG kann gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG* auch in Tarifverträgen abgewichen werden, die bereits vor Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 1. Januar 2018 geschlossen wurden. | Die Revision des Klägers war vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Die Auslegung von § 19 Abs. 1 BetrAVG ergibt, dass von § 1a BetrAVG abweichende Regelungen auch in vor dem Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes geschlossenen Tarifverträgen enthalten sein können. Mit den Regelungen des TV AV liegt eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG vor.

Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a. D. Dr. Mario Eylert verstorben (Pressemeldung des BAG)

Am 27. Juni 2024 ist der frühere Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Mario Eylert im Alter von 71 Jahren verstorben. | Mario Eylert wurde am 5. Februar 1953 in Berlin geboren. Er war nach Abschluss seiner juristischen Ausbildung als wissenschaftlicher Assistent an der Freien Universität Berlin tätig. Im April 1984 trat er in die Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Berlin ein. 1989 wurde er promoviert. Nach seinem Wechsel in die brandenburgische Arbeitsgerichtsbarkeit wurde er 1993 zum Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht berufen.

Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Arbeitsverhältnis – Medizinischer Dienst – Schadenersatz (Pressemeldung des BAG)

Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch einen Medizinischen Dienst, der von einer gesetzlichen Krankenkasse mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten beauftragt worden ist, kann nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DSGVO* auch dann zulässig sein, wenn es sich bei dem Versicherten um einen eigenen Arbeitnehmer des Medizinischen Dienstes handelt. Ein Arbeitgeber, der als Medizinischer Dienst Gesundheitsdaten eines eigenen Arbeitnehmers verarbeitet, ist nicht verpflichtet zu gewährleisten, dass überhaupt kein anderer Beschäftigter Zugang zu diesen Daten hat. | Der Kläger war zuletzt als Systemadministrator und Mitarbeiter „Helpdesk“ in der IT-Abteilung des Beklagten tätig. Seit November 2017 war er ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Ab Mai 2018 bezog er von seiner gesetzlichen Krankenkasse Krankengeld. Diese beauftragte im Juni 2018 den Beklagten mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Eine bei dem Beklagten angestellte Ärztin, die der Organisationseinheit „Spezialfall“ in Duisburg angehörte, fertigte ein Gutachten, das die Diagnose der Krankheit des Klägers enthielt. Vor Erstellung des Gutachtens holte die Ärztin bei dem behandelnden Arzt telefonisch Auskünfte über den Gesundheitszustand des Klägers ein. Nachdem der Kläger über seinen behandelnden Arzt von dem Telefonat Kenntnis erlangt hatte, kontaktierte er eine Kollegin aus der IT-Abteilung, die auf seine Bitten im Archiv nach dem Gutachten recherchierte, hiervon mit ihrem Mobiltelefon Fotos machte und anschließend die Fotos dem Kläger mittels eines Messenger-Dienstes übermittelte.

Werkshalle

Urlaubsanspruch bei Freistellung im Zusammenhang mit der sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht (Pressemeldung des BAG)

Hat ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der während der Geltungsdauer des vormaligen § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG aF) die in § 20a Abs. 1 IfSG aF aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllte, von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, sind die Zeiten dieser unbezahlten Freistellung bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen. Dem Arbeitnehmer steht nur ein anteilig kürzerer Urlaubsanspruch zu. | Der Feststellungsantrag auf das Bestehen des ungekürzten Urlaubsanspruchs hatte ebenfalls im Wesentlichen keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere 12,5 Urlaubtage für das Jahr 2022. Die Freistellung wegen Nichterfüllung der Anforderungen des § 20a IfSG aF rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Die aufgrund dieser Freistellung nicht geleisteten Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Der Erholungszweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub beruht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Lauf des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Etwas anderes gilt nur, wenn der Umstand, dass der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat, allein auf Entscheidungen des Arbeitgebers beruht. So lag es hier nicht, denn zum einen setzte die Beklagte mit der Freistellung lediglich die Regelungen des IfSG aF um und zum anderen hätte die Klägerin ihre Tätigkeit bei Vorlage der vom Gesetz vorgesehenen Nachweise wieder aufnehmen können. Dass sie dies nicht tat, beruhte auf ihrer freien und höchstpersönlichen Entscheidung, sich nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Dies unterscheidet die Freistellung wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen nach § 20a Abs. 1 IfSG aF von anderen Fällen einer einseitigen Freistellung durch den Arbeitgeber, zB nach einer von ihm ausgesprochenen Kündigung während des Laufs der Kündigungsfrist.

Einrichtungsbezogener Impfnachweis – unbezahlte Freistellung – Abmahnung wegen Nichtvorlage eines Impfnachweises (Pressemeldung des BAG)

Betreiber von Pflegeeinrichtungen iSd. vormaligen § 20a Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG aF) durften in der Zeit vom 16. März 2022 bis zum 31. Dezember 2022 nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpfte Mitarbeiter ohne Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freistellen. Zur Abmahnung dieser Arbeitnehmer waren die Arbeitgeber dagegen nicht berechtigt.

Werkshalle

Europarechtliches Symposion beim Bundesarbeitsgericht – Festakt 70 Jahre Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung des BAG)

Das Bundesarbeitsgericht veranstaltet gemeinsam mit dem Deutschen Arbeitsgerichtsverband e. V. am 6. und 7. Juni 2024 zum elften Mal ein Europarechtliches Symposion. Es steht unter dem Generalthema „Sieben Jahrzehnte europäische Einigung und Bundesarbeitsgericht – Europäisches Arbeitsrecht zwischen Vertiefung und Subsidiarität“. | Aus Anlass des 70-jährigen Bestehens des Bundesarbeitsgerichts im April 2024 beginnt das Europarechtliche Symposion mit einem Festakt. Nach einer Begrüßung der Teilnehmenden durch Frau Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Inken Gallner hält zunächst Frau Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Lilian Tschan die Festrede. Sie vertritt Herrn Bundesminister Hubertus Heil, MdB, der – wie alle Kabinettsmitglieder – am Vormittag des 6. Juni 2024 an der Regierungserklärung und Aussprache im Bundestag zur aktuellen Sicherheitslage teilnimmt. Der Festrede von Frau Staatssekretärin Tschan folgen zwei Festvorträge von Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Stephan Harbarth, LL.M. (Yale), und Herrn Präsidenten der Siebten Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union François Biltgen.

Kontrollpflichten eines Rechtsanwalts bei Fristsachen – Änderung der Rechtsprechung? (Pressemeldung des BAG)

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts beabsichtigt, sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen anzuschließen, wonach ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen hat, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. Dabei muss der Rechtsanwalt auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen, wobei er sich hierbei grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen (BGH 17. Mai 2023 – XII ZB 533/22 -; 19. Oktober 2022 – XII ZB 113/21 -).

Werkshalle

Nichtigkeitsklage ist kein statthafter Rechtsbehelf bei Rüge der Verletzung der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV (Pressemeldung des BAG)

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat über eine Nichtigkeitsklage entschieden, mit der eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerügt wurde, weil der Senat bei Erlass der angegriffenen Entscheidung vom 8. November 2022 seine Vorlageverpflichtung an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV verletzt habe.

Entgeltfortzahlung aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion und behördlicher Absonderungsanordnung (Pressemeldung des BAG)

Eine SARS-CoV-2-Infektion stellt auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt.

Auskunftsansprüche gegen gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien – Öffentlichkeitsarbeit (Pressemeldung des BAG)

Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, die gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (hier: die Gemeinnützige Urlaubskasse sowie die Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks) im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Aufgaben vornehmen, können keine Auskunftsansprüche nicht mitgliedschaftlich verbundener Dritter in Bezug auf die insoweit entstandenen Kosten begründen. | Die Revision der Kläger hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die geltend gemachten Auskunftsansprüche stehen ihnen nicht zu. Die von den Klägern kritisierten Handlungen der Beklagten verletzen sie schon nicht in ihrem durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Recht auf Koalitionsfreiheit, selbst wenn die Maßnahmen den die Beklagten tragenden Tarifvertragsparteien zuzurechnen wären. Insbesondere werden die Rechte des Klägers zu 1. als (potentielle) Tarifvertragspartei im Maler- und Lackierergewerbe nicht beeinträchtigt. Auch unter allen anderen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten sind Auskunftsansprüche nicht gegeben. Für das sog. Malerkassenlied gilt dies schon deshalb, weil es von den Beklagten weder beauftragt noch initiiert wurde. Im Übrigen liegt eine sach- und satzungsgemäße Öffentlichkeitsarbeit vor, die zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung der gemeinsamen Einrichtungen zählt. Soweit die Auskünfte zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen begehrt werden, fehlt es darüber hinaus an einem denkbaren Schaden der Kläger.

Jahrespressegespräch beim Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung des BAG)

Das heutige Jahrespressegespräch fand als Hybrid-Konferenz statt. Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Inken Gallner stellte den Jahresbericht 2023 vor. | Im vergangenen Jahr gingen 1.391 Sachen ein. Davon waren 23,72 Prozent (330 Sachen) Revisionen und Rechtsbeschwerden in Beschlussverfahren. Erledigt wurden 1.503 Sachen. Von den erledigten Revisionen und Rechtsbeschwerden waren 19,13 Prozent erfolgreich. Die Erfolgsquote bei den Nichtzulassungsbeschwerden belief sich auf 4,82 Prozent. Anhängig waren am Ende des Berichtsjahres noch 813 Sachen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer aller erledigten Verfahren betrug neun Monate und sechs Tage.