BGH 2. Zivilsenat, Urteil vom 22.09.2020, AZ II ZR 399/18, ECLI:DE:BGH:2020:220920UIIZR399.18.0
§ 24 Abs 1 WpHG vom 20.11.2015
Leitsatz
Die konzernrechtliche Verknüpfung eines Tochterunternehmens mit seinem Mutterunternehmen im Sinne des § 24 Abs. 1 WpHG aF wird durch einen schuld-rechtlichen Entherrschungsvertrag in der Kette der beteiligten Gesellschaften nicht aufgelöst.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Köln, 15. November 2018, Az: 18 U 182/17, Urteil
vorgehend LG Köln, 1. Dezember 2017, Az: 82 O 66/17
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. November 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Die Klägerin ist mit etwa 8 % der Aktien an der Beklagten beteiligt. Die im Hinblick auf ihren Aktienbesitz notwendige Stimmrechtsmitteilung gab nicht die Klägerin selbst, sondern Z. als Konzernmitteilung ab. Z. war mittelbar mehrheitlich an der V. AG beteiligt, die ihrerseits mehr als die Hälfte der Aktien der Klägerin hielt. Zwischen der Klägerin und der V. AG bestand seit Dezember 2009 ein Entherrschungsvertrag.
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An der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. Mai 2017 nahm neben der Klägerin und weiteren zum Konzern der Klägerin gehörenden Aktionären u.a. die M. GmbH (im Folgenden: M. GmbH) teil. Diese hatte ihre Beteiligung an der Beklagten im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus einem genehmigten Kapital im Herbst 2016 ausgebaut und hielt seither rund 20 % der Aktien. Bei dieser Kapitalerhöhung, bei der das Bezugsrecht der Aktionäre nicht ausgeschlossen war, war die M. GmbH aufgrund einer zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Vereinbarung als Backstop-Investorin aufgetreten.
3
Zur Abstimmung bei der Hauptversammlung der Beklagten am 24. Mai 2017 standen u.a. der Tagesordnungspunkt 2 über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2016 und der Tagesordnungspunkt 6 über die Ermächtigung des Vorstands zur Erhöhung des Grundkapitals mit der Möglichkeit zum Ausschluss des Bezugsrechts für Spitzenbeträge und entsprechend § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG. Die Beschlüsse kamen mit einer Mehrheit von jeweils mehr als drei Viertel der anwesenden Stimmen zustande.
4
Die Klägerin hat gegen beide Beschlüsse Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklage erhoben. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender Anfechtungsbefugnis der Klägerin abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beschlüsse für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Klägerin fehle nicht deshalb die Anfechtungsbefugnis, weil sie wegen einer unzutreffenden Konzernmitteilung nach dem Wertpapierhandelsgesetz einem Rechtsverlust unterlegen habe. Dabei könne offenbleiben, ob die Klägerin ihrer Meldepflicht durch die Konzernmitteilung nachgekommen sei oder sie wegen des zwischen ihr und der V. AG bestehenden Entherrschungsvertrags nicht als Tochterunternehmen zu behandeln gewesen sei, so dass sie eine eigene Mitteilung habe abgeben müssen. Denn der Klägerin fehle es an dem für den Rechtsverlust erforderlichen Verschulden. Ihr Vorgehen bzw. dasjenige ihrer Konzernmutter habe dem Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin), dem Deutschen Rechnungslegungsstandard, der ständigen, bis heute anhaltenden Praxis der BaFin und der obergerichtlichen Rechtsprechung zu der Frage der Nichtberücksichtigung eines schuldrechtlichen Entherrschungsvertrags bei der Abgabe einer Konzernmitteilung entsprochen. Zwar gebe es diesbezüglich abweichende Stimmen in der Literatur, aber keine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung drohender Zwangsmaßnahmen der BaFin auf deren Vorgaben und auf die obergerichtliche Rechtsprechung vertrauen dürfen.
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Der Beschluss über die Entlastung des Vorstands sei für nichtig zu erklären. Es liege ein eindeutiger und schwerwiegender Gesetzesverstoß im Entlastungszeitraum vor, da der Vorstand der Beklagten unter Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nicht sämtlichen Altaktionären dieselbe Chance gewährt habe, an der Durchführung einer Kapitalerhöhung im Herbst 2016 ebenfalls durch Abschluss einer Backstop-Vereinbarung mitzuwirken. Die Eindeutigkeit der Rechtsverletzung ergebe sich daraus, dass die maßgebliche Bestimmung des § 53a AktG in ihrer Bedeutung hinreichend klar sei und der entscheidungserhebliche Sachverhalt unstreitig sei.
9
Der Beschluss über die Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung sei für nichtig zu erklären. Mit der Beschlussfassung habe die Hauptversammlung der Beklagten die ihr gegenüber der Klägerin obliegende Treuepflicht verletzt. Wegen des vorangegangenen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot bei der Kapitalerhöhung im Herbst 2016 sei die Hauptversammlung gehalten gewesen, dafür zu sorgen, dass eine zukünftige gegen § 53a AktG verstoßende Benachteiligung von Aktionären unterbleibe. Dem sei sie nicht nachgekommen, da der Beschluss nicht mit entsprechenden, den Handlungsspielraum des Vorstands begrenzenden Bestimmungen verbunden gewesen sei.
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II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Im Ergebnis zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin keinem Rechtsverlust gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 WpHG in der Fassung des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2029) (im Folgenden: WpHG aF) unterlag und daher gemäß § 245 Nr. 1 AktG zur Anfechtung der auf der Hauptversammlung der Beklagten vom 24. Mai 2017 gefassten Beschlüsse befugt ist.
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Der in § 28 Abs. 1 WpHG aF angeordnete Rechtsverlust umfasst auch die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 1 AktG (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 – II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 7, 10 zu § 245 Nr. 2 AktG). Es kann dahinstehen, ob, wie das Berufungsgericht meint, die Klägerin an einem etwaigen Verstoß gegen eine Meldepflicht kein für den Rechtsverlust nach § 28 Abs. 1 WpHG aF erforderliches Verschulden traf. Denn die Klägerin war von der sie nach § 21 Abs. 1 WpHG aF treffenden Meldepflicht hinsichtlich der ihr gehörenden Aktien der Beklagten durch die Konzernmitteilung des Z. nach § 24 WpHG aF befreit. Daran änderte auch der zwischen der Klägerin und der V. AG bestehende Entherrschungsvertrag nichts. Die konzernrechtliche Verknüpfung eines Tochterunternehmens mit seinem(Groß-)Mutterunternehmen im Sinne des § 24 Abs. 1 WpHG aF wird durcheinen schuldrechtlichen Entherrschungsvertrag in der Kette der beteiligten Gesellschaften nicht aufgelöst.
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a) Gemäß § 24 Abs. 1 WpHG aF ist ein meldepflichtiges Tochterunternehmen von den Meldepflichten nach § 21 Abs. 1 und 1a, § 25 Abs. 1 und § 25a Abs. 1 WpHG aF befreit, wenn die Mitteilung von seinem Mutterunternehmen oder, falls das Mutterunternehmen selbst ein Tochterunternehmen ist, durch dessen Mutterunternehmen erfolgt. Nach § 22a Abs. 1 WpHG aF sind Tochterunternehmen vorbehaltlich des § 22a Abs. 2 bis 4 WpHG aF Unternehmen, die als Tochterunternehmen im Sinne des § 290 HGB gelten oder auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, ohne dass es auf die Rechtsform oder den Sitz ankommt. Nach § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB stehen zwei Unternehmen dann im Verhältnis von Mutterunternehmen und Tochterunternehmen, wenn das Mutterunternehmen auf das Tochterunternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Dieser beherrschende Einfluss wird nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB unwiderlegbar vermutet, wenn dem Mutterunternehmen in einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht.
14
b) Ob die aus § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB folgende unwiderlegbare Vermutung der Stimmrechtsmehrheit für einen beherrschenden Einfluss und damit zugleich für die Eigenschaft als Tochter- und Mutterunternehmen im Sinne der § 22a Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 WpHG aF auch dann besteht, wenn sich die über eine Stimmrechtsmehrheit verfügende natürliche oder juristische Person im Rahmen eines sogenannten Entherrschungsvertrags schuldrechtlich verpflichtet hat, von ihren Stimmrechten keinen Gebrauch zu machen, ist umstritten.
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Teilweise wird in der Literatur allein auf die formale Rechtsinhaberschaft abgestellt, weshalb Entherrschungsverträge unbeachtlich seien (zu § 22a WpHG aF bzw. § 35 WpHG: Burgard, BB 1995, 2069, 2074; Larisch/Bunz, NZG 2013, 1247, 1251; BeckOGK AktG/Petersen, Stand: 1. Juli 2020, § 22 Rn. 74; Sven H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, WpHG, 7. Aufl., § 35 Rn. 11; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Stand: Oktober 2010, § 22 WpHG Rn. 13; zu § 290 HGB; Kraft/Link, ZGR 2013, 514, 547; Middendorf/Zündorf, DB 2010, 2124, 2125 f.; Ulmer, Festschrift Goerdeler, 1987, S. 623, 641; BeckOGK HGB/Senger/Hoehne, Stand: 15. Februar 2020, § 290 Rn. 60 f.; Hinkelthein in Heymann, HGB, 3. Aufl., § 290 Rn. 22; Böcking/Gros/Schurbohm in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 290 Rn. 21; Staub/Kindler, HGB, 5. Aufl., § 290 Rn. 38; zu §§ 2 Abs. 6, 30 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG; OLG Frankfurt, ZIP 2007, 864, 866 f.; AG 2008, 87, 88; Santelmann in Steinmeyer, WpÜG, 4. Aufl., § 2 Rn. 34; Steinmeyer in Steinmeyer, WpÜG, 4. Aufl., § 30 Rn. 5; KK-WpÜG/Versteegen, 2. Aufl., § 2 Rn. 205; Uwe H. Schneider/Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 2 Rn. 127).
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Die Gegenauffassung stellt eine materielle Betrachtungsweise an, nach der bei einem wirksamen Entherrschungsvertrag eine Stimmrechtsmehrheit im Sinne des § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB verneint werden könne (Simon/Dobel, BB 2008, 1955, 1956; Schürnbrand/Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl., § 35 WpHG Rn. 6; von Hein in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Aufl., § 35 WpHG Rn. 6; Schilha in Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 22a WpHG Rn. 2; MünchKommAktG/Bayer, 5. Aufl., § 35 WpHG Rn. 6; KK-WpHG/von Bülow, 2. Aufl., § 22 Rn. 304; Gietl in Ernsthaler, Gemeinschaftskommentar zum HGB mit UN-Kaufrecht, 8. Aufl., § 290 HGB Rn. 25; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 290 Rn. 10).
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c) Die erstgenannte Auffassung ist richtig. Die Eigenschaft als Tochterunternehmen im Sinne des § 22a Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF und damit als befreiter Meldepflichtiger im Sinne des § 24 Abs. 1 WpHG aF wird durch einen schuldrechtlichen Entherrschungsvertrag in der Kette der nach § 24 Abs. 1 WpHG aF beteiligten Gesellschaften nicht beseitigt.
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aa) Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 290 HGB besteht bei Stimmrechtsmehrheit gemäß § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB ein beherrschender Einfluss im Sinne des § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB auch dann, wenn mit einem Tochterunternehmen ein schuldrechtlicher Entherrschungsvertrag geschlossen wurde.
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Der Wortlaut des § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB stellt allein darauf ab, ob dem Mutterunternehmen bei einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht, ohne dass es auf die konkrete Ausübungsmöglichkeit ankommt (BeckOGK HGB/Senger/Hoehne, Stand: 15. Februar 2020, § 290 Rn. 60 f.). Die schuldrechtliche Vereinbarung über ein bestimmtes Stimmverhalten bzw. über die Nichtausübung des Stimmrechts berührt nicht den Bestand der Rechte desjenigen, dem die Anteile gehören, sondern die für § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB nicht maßgebliche Ebene der tatsächlichen Ausübung der Rechte (KK-Rechnungslegungsrecht/Claussen/Scherrer, § 290 HGB Rn. 42). Eine materielle Betrachtungsweise liefe im Ergebnis darauf hinaus, § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB als widerlegliche Vermutung aufzufassen, obgleich nach dem Wortlaut des § 290 Abs. 2 HGB ein beherrschender Einfluss „stets“ gegeben ist, wenn einer der in den Nr. 1 bis 4 genannten Fälle vorliegt.
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Auch die gesetzliche Systematik der bilanzrechtlichen Konsolidierungsvorschriften spricht dafür, schuldrechtliche Beschränkungen der Stimmrechtsausübung im Rahmen des § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB unberücksichtigt zu lassen. Denn § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB sieht vor, dass ein Tochterunternehmen in den Konzernabschluss nicht einbezogen zu werden braucht, wenn erhebliche und andauernde Beschränkungen, wie ein Entherrschungsvertrag sie mit sich bringen kann, die Ausübung der Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung dieses Unternehmens nachhaltig beeinträchtigen. Der Verzicht auf die Einbeziehung nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB führt aber gerade nicht dazu, dass das Unternehmen kein Tochterunternehmen im Sinne des § 290 HGB mehr wäre (BeckOGK HGB/Senger/Hoehne, Stand: 15. Februar 2020, § 290 Rn. 61 f.; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Stand: Oktober 2010, § 22 WpHG Rn. 13). Dieses Einbeziehungswahlrecht des Mutterunternehmens entkräftet zugleich den Einwand der Gegenauffassung, durch eine rein formale Betrachtung könne es zur Pflicht zur Konsolidierung von Tochterunternehmen nach § 290 Abs. 2 Satz 1 HGB kommen, ohne dass der in § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB vorausgesetzte beherrschende Einfluss gegeben sei (Küting/Seel, BB 2010, 1459, 1461) bzw. zur Pflicht zur Konsolidierung in mehreren Muttergesellschaften (so Lüdenbach/Freiberg, BB 2009, 1230 f.; dagegen Middendorf/Zündorf, DB 2010, 2124, 2125 f.).
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Der Entstehungsgeschichte des § 290 HGB lässt sich nicht entnehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB ein materielles Begriffsverständnis zugrunde gelegt werden sollte. Die Formulierung des § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB geht zurück auf Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Durchführung der Vierten, Siebten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BilRiLiG) vom 19. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2355), mit dem Art. 1 Abs. 1 der Siebten Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss, ABl.EG Nr. L 193 S. 1 (Siebte Richtlinie), nahezu wortgleich übernommen wurde. Hierdurch sollte das der Richtlinie zugrundeliegende Control-Konzept angelsächsischen Ursprungs übernommen, aber zusätzlich mit Aufgreifen des Mitgliedstaatenwahlrechts des Art. 1 Abs. 2b der Richtlinie in § 290 Abs. 1 HGB aF das dem Aktiengesetz 1965 entsprechende Konzept der einheitlichen Leitung aufrechterhalten werden (Staub/Kindler, HGB, 5. Aufl., § 290 Rn. 1). Das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1102) ging von den bisherigen Konsolidierungskonzepten „einheitliche Leitung“ und „tatsächliche Kontrolle“ auf das international übliche Konsolidierungskonzept „mögliche Beherrschung“ über. Nach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, auf die dieser Konzeptwechsel und die spätere Gesetzesfassung zurückgehen, sollten allerdings die typisierenden Tatbestände nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 HGB beibehalten werden, um „die Rechtsanwendung zu erleichtern“ (BT-Drucks. 16/12407, S. 89). Daraus folgt, dass in Bezug auf § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB nicht von der hergebrachten formalen Betrachtungsweise, die anders als nach Absatz 1 den Konsolidierungskreis unabhängig von der tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeit bestimmt, abgerückt werden sollte (vgl. Middendorf/Zündorf, DB 2010, 2124, 2125; Staub/Kindler, HGB, 5. Aufl., § 290 Rn. 38; BeckOGK HGB/Senger/Hoehne, Stand: 15. Februar 2020, § 290 Rn. 61 f.).
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bb) Bei der Bestimmung eines Tochterunternehmens im Sinne des § 22a Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF und folglich des befreiten Meldepflichtigen im Sinne des § 24 Abs. 1 WpHG aF bleiben schuldrechtliche Entherrschungsverträge in gleicher Weise wie bei § 290 Abs. 1 Nr. 1 HGB außer Betracht.
23
Nach § 22a Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF sind Tochterunternehmen im Sinne des Abschnitts über die Überwachung des Verbots der Marktmanipulation vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Ausnahmen Unternehmen, die als Tochterunternehmen im Sinne des § 290 des Handelsgesetzbuchs gelten. § 22a Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF verweist nicht auf die §§ 291, 292, 293 und 296 HGB und damit auch nicht auf die Vorschrift des § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB, in deren Regelungsbereich gerade auch schuldrechtliche Entherrschungsverträge fallen (Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, 2. Aufl., Stand: Oktober 2010, § 22 WpHG Rn. 13). Die Entwicklung des Wertpapierhandelsgesetzes bietet ebenfalls keine Anhaltspunkte für ein materielles Begriffsverständnis. § 22 Abs. 3 WpHG in seiner ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 1994 (BGBl. I S. 1749) enthielt hinsichtlich der die Meldepflicht des Mutterunternehmens auslösenden Stimmrechtszurechnung nach § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 1 WpHG noch einen eigenständigen Begriff des „kontrollierten Unternehmens“, der Art. 8 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 88/627/EWG des Rates vom 12. Dezember 1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 348 S. 62 (Transparenzrichtlinie), entnommen war. Gleichzeitig verwies § 24 WpHG in seiner ursprünglichen Fassung hinsichtlich der Mitteilung durch Konzernunternehmen auf §§ 290, 340i HGB, was dem Verweis in Art. 6 RL 88/627/EWG auf Art. 1 RL 83/349/EWG entsprach. Durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822) wurde in § 22 Abs. 3 WpHG aF zur Angleichung an § 2 Abs. 6 WpÜG der Begriff des „kontrollierten Unternehmens“ durch den des „Tochterunternehmens“ ersetzt und der Verweis auf § 290 HGB übernommen. Nach den Gesetzesmaterialien sollte hierdurch die Definition des Tochterunternehmens über den Begriff des kontrollierten Unternehmens hinausgehen, indem das Control-Prinzip fortgeführt und um Elemente des Konzern-Konzepts erweitert werden sollte (Regierungsentwurf BT-Drucks. 14/7034, S. 70). Mit der Neufassung der Transparenz-Richtlinie durch die Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 S. 38 (Transparenz-Richtlinie II), entfiel der Verweis in Art. 12 Abs. 3 RL 2004/109/EG auf Art. 1 RL 83/349/EWG. Hierdurch erwies sich § 24 WpHG aF als zu eng, da es nach den §§ 290, 340i HGB aF auf einen Sitz des Mutterunternehmens in Deutschland ankam (vgl. Regierungsentwurf BT-Drucks. 18/5010, S. 46). Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG (Transparenz-Richtlinie III), ABl. EU Nr. L 294 S. 13, durch das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2029) wurde der Verweis auf die §§ 290, 340i HGB in § 24 WpHG gestrichen. Die Tochterunternehmenseigenschaft wurde in dem neu geschaffenen § 22a WpHG aF zentral geregelt. Der Verweis auf § 290 HGB wurde in § 22a Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF beibehalten. Dass der Gesetzgeber dabei im Rahmen der kapitalmarkrechtlichen Beteiligungstransparenz eine Änderung des Begriffsverständnisses im Anwendungsbereich des § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB hin zu einer materiellen Betrachtungsweise beabsichtigt hätte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl. Regierungsentwurf BT-Drucks. 18/5010, S. 45 f.).
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Ein materielles Verständnis des Begriffs Mehrheit der Stimmrechte ist auch nicht im Hinblick auf den Zweck der Zurechnungsvorschrift des § 22 Abs. 1 WpHG aF veranlasst. Soweit die Gegenauffassung, die bei Vorliegen eines Entherrschungsvertrags im Wege der teleologischen Reduktion die Eigenschaft als Tochterunternehmen verneinen möchte, damit argumentiert, es bestehe keine Umgehungsgefahr, der das Gesetz durch die Zurechnung des § 22 WpHG aF begegnen wolle (MünchKommAktG/Bayer, 5. Aufl., § 35 WpHG Rn. 6; von Hein in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechtskommentar, 5. Aufl., § 35 WpHG Rn. 6), übersieht sie, dass der Ausschluss der Stimmrechtausübung durch Vertrag nicht die tatsächliche Ausübung hindert, mag dies auch vertraglich unzulässig sein (OLG Frankfurt, ZIP 2007, 864, 866 f.; Sven H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, WpHG, 7. Aufl., § 35 Rn. 11; von Keitz/Ewelt-Knauer in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, Stand: August 2015, § 290 HGB Rn. 78). Dies gilt umso mehr, soweit es – wie vorliegend – nicht um die Zurechnung von Stimmrechten des Tochterunternehmens gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aF und damit die Begründung einer etwaig zu umgehenden Meldepflicht bei dem Mutterunternehmen geht, sondern um die Befreiung des Tochterunternehmens durch die Mitteilung des Mutterunternehmens nach § 24 Abs. 1 WpHG aF.
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Auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes folgt kein anderes Ergebnis. Mit den Mitteilungspflichten nach den §§ 21 ff. WpHG aF soll die Funktionsfähigkeit des deutschen Finanzmarkts gestärkt und dazu für die Anleger Transparenz über die wesentliche Eigentümerstruktur der börsennotierten Gesellschaft (Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6679, S. 1, 33) und die sonstigen Einwirkungsmöglichkeiten geschaffen werden (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 246/09, BGHZ 190, 291 Rn. 32; Urteil vom 25. September 2018 – II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 Rn. 36). Dieses Ziel wird durch eine Konzernmitteilung nach § 24 Abs. 1 WpHG aF in gleicher Weise erreicht wie durch eine Mitteilung durch das Tochterunternehmen selbst.
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Die formale Betrachtungsweise entspricht im Übrigen der bisherigen Bilanzierungspraxis nach dem Deutschen Rechnungslegungsstandard Nr. 19 Tz. 23 (BAnz. Nr. 28a vom 18. Februar 2011), wonach schuldrechtliche Entherrschungsverträge unbeachtlich sind, sowie dem Emittentenleitfaden der BaFin (Emittentenleitfaden 2013: VIII. 2.5; Emittentenleitfaden 2018: Modul B I. 2.5).
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d) Nachdem Z. für die Klägerin am 26. April 2016 eine Beteiligung von 8,28 % am Grundkapital der Beklagten gemeldet hatte, musste die Klägerin keine eigene Mitteilung nach § 21 Abs. 1 WpHG aF mehr abgeben. Die Mehrheit der Stimmrechte der Klägerin standen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der V. AG zu. Z. war nach der von der Revision nicht in Frage gestellten Feststellung des Berufungsgerichts mittelbar an der V. AG beteiligt und deren Mutterunternehmen im Sinne des § 24 Abs. 1, § 22a Abs. 1 WpHG aF.
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2. Nicht frei von Rechtsfehlern ist die angefochtene Entscheidung, soweit das Berufungsgericht den zu Tagesordnungspunkt 2 gefassten Beschluss über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2016 für nichtig erklärt hat. Es lag kein eindeutiger und schwerwiegender, die Entlastung verbietender Gesetzesverstoß vor, weil sich der Vorstand der Beklagten nicht über eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinweggesetzt hat. Das vom Berufungsgericht vor Abschluss einer Backstop-Vereinbarung für notwendig erachtete Ausschreibungs- und Angebotsverfahren wurde bis zu der angefochtenen Entscheidung weder im Schrifttum oder in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung vertreten noch gab es eine solche allgemeine Praxis bei Kapitalerhöhungen. Es kann daher dahinstehen, ob der Vorstand der Beklagten bei der Kapitalerhöhung im Jahr 2016 durch die Nichteinhaltung dieses Verfahrens gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen hat.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verstößt ein Beschluss der Hauptversammlung über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats gegen § 120 Abs. 2 Satz 1 AktG und ist deshalb nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar, wenn durch die Entlastung ein Verhalten gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt (BGH, Urteil vom 25. November 2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 51 – Macrotron; Urteil vom 18. Oktober 2004 – II ZR 250/02, BGHZ 160, 385, 388 – Thyssen-Krupp; Beschluss vom 9. November 2009 – II ZR 154/08, ZIP 2009, 2436 f.; Urteil vom 10. Juli 2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14 Rn. 9 – Fresenius; Beschluss vom 7. Februar 2012 – II ZR 253/10, ZIP 2012, 515). Ein solches Verhalten kann, wovon das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist, auch in einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG bestehen.
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b) Die Nichtigerklärung des Entlastungsbeschlusses kann nicht auf die Begründung gestützt werden, der Vorstand der Beklagten habe bei der Kapitalerhöhung im Herbst 2016 unter Verletzung des § 53a AktG mit der M. GmbH eine Backstop-Vereinbarung geschlossen, ohne sämtlichen Altaktionären durch das vom Berufungsgericht verlangte Angebots- bzw. Ausschreibungsverfahren dieselbe Möglichkeit einzuräumen. Ein zur Anfechtung berechtigender eindeutiger und schwerwiegender Gesetzesverstoß liegt nur vor, wenn der Vorstand sich über eine zweifelsfreie Gesetzeslage hinweggesetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2009 – II ZR 154/08, ZIP 2009, 2436 f.; Urteil vom 10. Juli 2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14 Rn. 23 – Fresenius; Beschluss vom 7. Februar 2012 – II ZR 253/10, ZIP 2012, 515).
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Eine zweifelsfreie Gesetzeslage liegt dann nicht vor, wenn die Rechtslage, die der Vorstand missachtet haben soll, umstritten ist. Gleiches gilt, wenn es sich bei der betreffenden Gesetzesbestimmung um einen offenen Tatbestand handelt, dessen abstrakt-begrifflicher Bedeutungsgehalt zwar geklärt sein mag, bei dessen Anwendung auf den konkreten Einzelfall sich jedoch Wertungsfragen stellen, zu deren Beantwortung verlässliche Maßstäbe in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht herausgearbeitet worden sind. Auch in diesem Fall kann von einer zweifelsfreien Gesetzeslage, über die sich die Verwaltung hinwegsetzt und bei der sich eine gleichwohl durch die Hauptversammlung getroffene Entlastungsentscheidung als Ermessensüberschreitung darstellen würde, jedenfalls dann keine Rede sein, wenn Anforderungen nicht eingehalten werden, die weder in der Rechtsprechung oder im Schrifttum aufgestellt werden noch einer gängigen Praxis entsprechen.
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So liegt es hier. Die Frage, ob der Vorstand der Beklagten bei der Kapitalerhöhung im Jahr 2016 gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen hat, war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht eindeutig zu beantworten. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Vorstand der Beklagten habe zum einen versäumt, vor dem Abschluss einer Backstop-Vereinbarung mit der M. GmbH das Interesse der Beklagten am Abschluss einer Backstop-Vereinbarung auch mit allen anderen Aktionären allgemein bekannt zu geben, eingehende Angebote abzuwarten, dieselben nach den angebotenen Konditionen zu bewerten und im erforderlichen Umfang anzunehmen (Ausschreibungsverfahren). Zum anderen habe der Vorstand der Beklagten vor dem Abschluss der Backstop-Vereinbarung mit der M. GmbH nicht allen Altaktionären den Abschluss einer Backstop-Vereinbarung und den damit verbundenen Erwerb nicht bezogener Aktien aus der Kapitalerhöhung zu den mit der M. GmbH vereinbarten Konditionen angeboten (gleichmäßiges Angebot einer bestimmten Backstop-Vereinbarung). Ob ein solches Verfahren im Hinblick auf § 53a AktG erforderlich und praktikabel ist, erscheint zweifelhaft, bedarf jedoch keiner Entscheidung. In der Nichtbeachtung dieses Verfahrens läge jedenfalls kein eindeutiger Gesetzesverstoß. Denn solche Anforderungen wurden bisher weder im Schrifttum noch in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung vertreten. Auch eine allgemeine Praxis, wonach üblicherweise ein Ausschreibungs- und Angebotsverfahren vor Abschluss einer Backstop-Vereinbarung durchgeführt würde, ist nicht ersichtlich. In der Literatur wird zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ausgabe nicht bezogener Aktien aus einer Bezugsrechtskapitalerhöhung an einen Altaktionär als Backstop-Investor an § 53a AktG zu messen ist (Schlitt/Schäfer, CFL 2011, 410, 416; Singhof, Festschrift Uwe H. Schneider, 2011, S. 1261, 1271; KK-AktG/Ekkenga, 3. Aufl., § 186 Rn. 255; Ekkenga/Jaspers in Ekkenga, Handbuch der AG-Finanzierung, 2. Aufl., Kap 4. Rn. 271; Herfs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl., § 5 Rn. 5.51, Rn. 5.112; MünchHdbGesR IV/Scholz, 5. Aufl., § 57 Rn. 110; vgl. auch BeckOGK AktG/Servatius, Stand: 1. Juli 2020, § 186 Rn. 28). Nicht verlangt wird indes, dass der Vorstand eine solche Vereinbarung regelmäßig allen Altaktionären in der vom Berufungsgericht beschriebenen Weise anzudienen habe.
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3. Der zu Tagesordnungspunkt 6 gefasste Beschluss über die Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung durfte nicht mit der Begründung für nichtig erklärt werden, die Hauptversammlung der Beklagten habe die ihr gegenüber der Klägerin obliegende Treuepflicht verletzt, weil sie nach dem Verstoß des Vorstands gegen das Gleichbehandlungsgebot bei der Kapitalerhöhung im Jahr 2016 keine Maßnahmen gegen einen erneuten Verstoß des Vorstands beschlossen habe. Eine Verletzung der Treuepflicht lag bereits deshalb nicht vor, weil die Hauptversammlung den vom Berufungsgericht angenommenen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals im Jahr 2016 nicht erkennen konnte.
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a) Der Beschluss über die Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung nach § 202 Abs. 2 AktG kann der Anfechtung nach § 243 Abs. 1 AktG wegen eines Verstoßes der Hauptversammlungsmehrheit gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 193 ff. – Linotype; Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142 ff. – Girmes; Urteil vom 5. Juli 1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167, 169 ff.). Eine treuepflichtwidrige Stimmrechtsausübung setzt voraus, dass die Aktionäre bei der Beschlussfassung die den Vorwurf der Treuepflichtwidrigkeit begründenden Umstände kennen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32, 43 f.). Betrachtet man die mitgliedschaftliche Treuepflicht in Richtung auf die Mitaktionäre, hat sie den Inhalt, dass auf die mitgliedschaftlichen Interessen anderer Gesellschafter angemessen Rücksicht zu nehmen ist (BGH, Urteil vom 1. Februar 1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 195 – Linotype; Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 143 f. – Girmes; Urteil vom 5. Juli 1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167, 170). Gegen das Rücksichtnahmegebot kann nur verstoßen, wer zumindest erkennen kann, dass er die Interessen der Mitgesellschafter beeinträchtigt.
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b) Eine Begrenzung des Ermessens der Hauptversammlung dahingehend, dass sie nach einem früheren Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals Schutzmaßnahmen gegen einen erneuten Verstoß vorsehen muss, scheidet vorliegend bereits deshalb aus, weil der vom Berufungsgericht angenommene Verstoß gegen § 53a AktG durch den Vorstand der Beklagten für die Teilnehmer der Hauptversammlung vom 24. Mai 2017 nicht erkennbar war. Die vom Berufungsgericht aufgestellten Anforderungen wurden weder im Schrifttum oder in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung vertreten noch bestand eine allgemeine Übung, das vom Berufungsgericht angenommene Ausschreibungs- und Angebotsverfahren vor Abschluss einer Backstop-Vereinbarung durchzuführen. War der vom Berufungsgericht angenommene Verstoß des Vorstands indes nicht erkennbar, bestand für die Hauptversammlung kein Anlass, Maßnahmen zur Vermeidung eines „neuerlichen“ Verstoßes zu treffen. Es kann daher dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es die Treuepflicht überhaupt gebieten kann, dass die Hauptversammlung nach einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals bei einer neuen Ermächtigung des Vorstands Schutzmaßnahmen gegen einen Verstoß vorsehen muss.
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III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Klägerin hat ihre Anfechtungsklage auf weitere Gründe gestützt, mit denen sich das Berufungsgericht bislang nicht auseinandergesetzt hat.
- Drescher
- Wöstmann
- Born
- Bernau
- V. Sander