Festsetzungen zur Verkaufsfläche in einem sonstigen Sondergebiet für ein Einkaufszentrum (Urteil des BVerwG 4. Senat)

BVerwG 4. Senat, Urteil vom 25.01.2022, AZ 4 CN 5/20, ECLI:DE:BVerwG:2022:250122U4CN5.20.0

Leitsatz

1. Ist die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben in einem sonstigen Sondergebiet unwirksam (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378), beantwortet sich die Frage nach der Wirksamkeit weiterer Bestimmungen des Bebauungsplans nach den in der Rechtsprechung zum Verhältnis von Teil- und Gesamtunwirksamkeit eines Plans entwickelten Maßstäben.

2. Anhand dieser Maßstäbe ist zu beurteilen, ob Regelungen zur Verkaufsfläche als vorhaben- oder grundstücksbezogene Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung Bestand haben, wenn eine mit ihnen verbundene Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren unwirksam ist.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 28. Oktober 2020, Az: 10 D 43/17.NE, Urteil

Tenor

Die Revisionen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 2020 werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers je zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich als Plannachbar gegen einen Bebauungsplan für ein Designer Outlet Center.

2

Der Bebauungsplan Nr. 657 („Gebiet: …-Stadion, J.platz und K.platz in R.“) überplant ein 11,5 ha großes Gebiet im Stadtteil L. der Antragsgegnerin und soll die Voraussetzungen für ein Einkaufszentrum schaffen. Die Beigeladene beabsichtigt, das Zentrum zu betreiben.

3

Zwischen der R. Straße und der M.straße im Norden und der Straße Am Stadion im Süden soll in einem als SO1 festgesetzten sonstigen Sondergebiet das Einkaufszentrum entstehen; kleinere Flächen am nördlichen Rand sind als Gewerbegebiete GE1 und GE2 festgesetzt. Die Verkaufsflächen sollen ganz überwiegend im Erdgeschoss, zu einem untergeordneten Anteil im ersten Geschoss angesiedelt werden („Village-Stil“). In dem Designer Outlet Center sollen ausschließlich heruntergesetzte Markenartikel verkauft werden.

4

Das etwa 5 ha große SO1 bestand bei Satzungsbeschluss weit überwiegend aus Grundstücken im Eigentum der Antragsgegnerin; dies sind die Flurstücke a, b, c, d sowie das 3,4 ha große Flurstück e. Das Eigentum an diesen Grundstücken hat die Antragsgegnerin der Beigeladenen aufschiebend bedingt übertragen. Die Beigeladene hat sich in einem städtebaulichen Vertrag gegenüber der Antragsgegnerin verpflichtet, auf dieser Fläche ein Designer Outlet Center zu errichten. Die Errichtung sonstiger Einzelhandelsbetriebe ist ausgeschlossen. Am 22. September 2020 und damit nach Satzungsbeschluss sind die im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Grundstücke vereinigt worden. Einige kleinere Grundstücke befinden sich im Eigentum Dritter. Die Beigeladene hat Optionsverträge geschlossen, um diese Grundstücke zu erwerben.

5

Der Bebauungsplan setzt für das Sondergebiet SO1 u.a. fest:

1.1.1 Im Sondergebiet SO1 ist ein Hersteller-Direktverkaufszentrum für Markenartikel (Designer Outlet Center) „DOC“ mit großflächigen und nicht großflächigen unselbstständigen Verkaufsstätten als Bestandteil eines Einkaufszentrums mit einer Gesamtverkaufsfläche von mindestens 12 000 qm und maximal 20 000 qm und mit einer höchstzulässigen durchschnittlichen Größe der Verkaufsstätten von 250 qm Verkaufsfläche sowie einer höchstzulässigen Größe der Verkaufsfläche je Verkaufsstätte von 1 200 qm zulässig. Verkaufsflächen sind nur im Erdgeschoss und auf maximal 20 % der zulässigen Gesamtverkaufsfläche im ersten Obergeschoss zulässig.

6

Auf dem Gebiet des jetzigen K.platzes ist ein sonstiges Sondergebiet SO2 für eine Hoch- und Tiefgarage festgesetzt. In dem Parkhaus sollen 1 500 Stellplätze entstehen. Außerhalb des Plangebiets, dem SO2 gegenüber, befindet sich das Wohngrundstück des Antragstellers.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Für die textliche Festsetzung Nr. 1.1.1 Satz 1 fehle eine Rechtsgrundlage. Die Beschränkung auf „ein“ Einkaufszentrum bestimme weder den Zweck des Sondergebiets noch eine Art der baulichen Nutzung. Die Regelungen über die Verkaufsfläche seien mit der nummerischen Beschränkung unlösbar verknüpft. Sie könnten nicht als vorhabenbezogene Festsetzung Bestand haben, weil in dem SO1 mehr als ein Einkaufszentrum errichtet werden könne. Städtebauliche Verträge und die Eigentumsverhältnisse spielten insoweit keine Rolle. Die Festsetzungen zur Verkaufsfläche seien selbst dann nicht wirksam, wenn man die Möglichkeit einer grundstücksbezogenen Beschränkung der Verkaufsfläche anerkenne. Denn das Einkaufszentrum solle nach den Vorstellungen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin auf allen Grundstücken verwirklicht werden und nicht nur auf dem möglicherweise allein vorhabengeeigneten Flurstück e.

8

Für die Festsetzung Nr. 1.1.1 Satz 2 fehle gleichfalls eine Rechtsgrundlage. Verkaufsflächen seien weder Arten der baulichen Nutzung noch bestimmte Anlagetypen, die vertikal auf Geschosse verteilt werden könnten. Die Festsetzungen sollten vielmehr eine konkrete Bauform gewährleisten. Dies sei keine im Sondergebiet zulässige Auffächerung der Nutzungsart des großflächigen Einzelhandels. Beide Festsetzungsfehler führten jeweils für sich zur Gesamtunwirksamkeit des Plans.

9

Mit ihren Revisionen begehren die Antragsgegnerin und die Beigeladene die Ablehnung des Normenkontrollantrags. Nach ihrer Auffassung stellt die Kombination einer Mindestverkaufsfläche von 12 000 qm und einer Höchstverkaufsfläche von 20 000 qm sicher, dass sich nur ein Einkaufszentrum ansiedele. Das Eigentum der Antragsgegnerin und die mit der Beigeladenen geschlossenen Verträge gewährleisteten, dass nur ein Einkaufszentrum errichtet werde. Schließlich sei bei Satzungsbeschluss nur das Flurstück e für das Vorhaben geeignet gewesen, sodass die Festsetzungen zur Verkaufsfläche als grundstücksbezogene Festsetzungen Bestand hätten. Die Verteilung der Verkaufsflächen auf die einzelnen Geschosse sei als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung zulässig, könne sich aber jedenfalls auf § 9 Abs. 3 Satz 2 BauGB stützen.

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Der Antragsteller verteidigt das vorinstanzliche Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Die Revisionen sind unbegründet. Das angegriffene Urteil steht mit dem nach § 137 Abs. 1 VwGO revisiblen Recht in Einklang.

12

A. Die textliche Festsetzung Nr. 1.1.1 Satz 1 des Bebauungsplans beschränkt die Zahl zulässiger Vorhaben im Sondergebiet SO1 und trifft Regelungen zur Verkaufsfläche. Die Bestimmungen sind unwirksam, weil es an einer Rechtsgrundlage fehlt. Dies führt zur Gesamtunwirksamkeit des Plans.

13

I. Nr. 1.1.1 Satz 1 gestattet nur ein Hersteller-Direktverkaufszentrum für Markenartikel im Sondergebiet SO1. Diese Beschränkung ist mangels Rechtsgrundlage unwirksam.

14

Nach § 11 Abs. 1 BauNVO sind als sonstige Sondergebiete solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO sind für sonstige Sondergebiete die Zweckbestimmung und die Art der baulichen Nutzung darzustellen und festzusetzen. Auf diese Vorschrift kann die nummerische Beschränkung auf ein Einkaufszentrum nicht gestützt werden. Die Zahl von Vorhaben bestimmt nicht den Zweck, dem das Sondergebiet dient. Die nummerische Beschränkung setzt auch nicht die Art der baulichen Nutzung fest. Denn sie qualifiziert nicht einen Anlagentyp, sondern quantifiziert Nutzungsoptionen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 13 ff.). Andere Rechtsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

15

II. Die Unwirksamkeit der Beschränkung der Vorhabenzahl führt zur Unwirksamkeit der Bestimmungen zur Mindest- und Höchstverkaufsfläche.

16

Ob der Mangel einzelner Festsetzungen zur Unwirksamkeit weiterer Bestimmungen eines Bebauungsplans führt, bestimmt sich nach den in der Rechtsprechung zum Verhältnis von Teil- und Gesamtunwirksamkeit entwickelten Maßstäben. Ein Mangel, der einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaftet, führt nur dann nicht zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn – erstens – die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1989 – 4 N 3.87 – BVerwGE 82, 225 <230> sowie Urteile vom 11. September 2014 – 4 CN 3.14 – Buchholz 406.12 § 10 BauNVO Nr. 5 Rn. 26 und vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 37).

17

Die – unwirksame – Festsetzung der Vorhabenzahl in Nr. 1.1.1 Satz 1 hätte gewährleistet, dass sich nur ein Einkaufszentrum mit einer bestimmten Verkaufsfläche und damit eine bestimmte Art der baulichen Nutzung ansiedelt. Die Antragsgegnerin wollte zudem die Verkaufsfläche insgesamt auf 20 000 qm beschränken, um negative Auswirkungen auf umliegende zentrale Versorgungsbereiche zu verhindern (UA S. 33). Diesen Festsetzungsinhalt und das damit verfolgte Ziel erreichen die Regelungen zur Verkaufsfläche nicht, wenn die nummerische Beschränkung entfällt.

18

1. Die Gemeinden können in einem sonstigen Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe und Einkaufszentren Regelungen über die Verkaufsfläche treffen. Sie können diese Fläche sowohl nach oben (Höchstverkaufsfläche) als auch nach unten (Mindestverkaufsfläche) begrenzen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 1990 – 4 C 36.87 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 17 S. 20, vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 16 und vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 10).

19

Rechtsgrundlage für solche Festsetzungen ist § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Auf dieser Grundlage kann die Gemeinde für ein sonstiges Sondergebiet die Art der baulichen Nutzung ungeachtet der Vorgaben des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 9 BauNVO näher konkretisieren und zu diesem Zweck die Merkmale bestimmen, die ihr am besten geeignet erscheinen, um das von ihr verfolgte Planungsziel zu erreichen. Insbesondere darf sie den Anlagentyp durch die von ihr bestimmte Begrenzung der Verkaufsflächen selbst festsetzen und so die auch vom Verordnungsgeber festgelegte Nutzungsart des großflächigen Einzelhandels weiter auffächern (BVerwG, Urteile vom 27. April 1990 – 4 C 36.87 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 17 S. 21 und vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 16). Dieser Gestaltungsspielraum geht über die Möglichkeiten in den Baugebieten nach den §§ 2 ff. BauNVO hinaus (vgl. zu § 1 Abs. 9 BauNVO BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 <322> sowie Beschlüsse vom 8. November 2004 – 4 BN 39.04 – Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 20 S. 13 und vom 7. Mai 2020 – 4 BN 44.19 – ZfBR 2020, 675 Rn. 7), ist aber nicht unbegrenzt. Die gemeindlichen Regelungen müssen stets auf die Befugnis zurückgeführt werden können, die Art der baulichen Nutzung zu regeln. Die Gemeinde ist daher etwa nicht befugt, die Verkaufsfläche in einem bestimmten Gebiet insgesamt und damit vorhabenunabhängig festzusetzen (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – a.a.O.).

20

2. Bei Unwirksamkeit der nummerischen Beschränkung ist nicht bauplanerisch gewährleistet, dass die Regelungen zur Verkaufsfläche nur für ein einziges Einkaufszentrum gelten.

21

a) Innerhalb der für das Sondergebiet SO1 festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche lässt sich mehr als ein Hersteller-Direktverkaufszentrum verwirklichen, das die Vorgaben zur Verkaufsfläche erfüllt (UA S. 21 f., 25). Diese Einschätzung mag von der Vorstellung der Antragsgegnerin bei Satzungsbeschluss abweichen, bindet aber das Revisionsgericht hinsichtlich der zugrundeliegenden tatsächlichen Annahmen nach § 137 Abs. 2 VwGO. Die Revisionen ziehen sie nicht in Zweifel, soweit Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur überbaubaren Grundstücksfläche oder zu den tatsächlichen Verhältnissen (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 28. April 2021 – 8 C 10535/19 – BauR 2021, 1415 <1418>) in Rede stehen.

22

b) Nach Auffassung der Antragsgegnerin erlaubt eine Höchstverkaufsfläche von 20 000 qm bei einer Mindestverkaufsfläche von 12 000 qm nur die Errichtung eines Einkaufszentrums. Dies trifft nicht zu.

23

Der Senat muss dem Einwand nachgehen. Zwar ist für die Revisionsentscheidung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO die Auslegung des Bebauungsplans durch das Oberverwaltungsgericht maßgebend. Diese Bindung entfällt aber, wenn die Vorinstanz eine einschlägige Vorschrift des irrevisiblen Rechts übersehen oder nicht angewandt hat und damit das Auslegungsergebnis unvollständig bleibt (BVerwG, Urteile vom 3. Juni 2014 – 4 CN 6.12 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 133 Rn. 25 und vom 19. Mai 2021 – 9 C 3.20 – ZfBR 2022, 64 Rn. 28). Einen solchen Fall macht die Revision geltend.

24

Ihr Einwand verfehlt aber den Festsetzungsinhalt. Nach seiner Lesart müsste die Mindestverkaufsfläche für das jeweilige Vorhaben gelten, die Höchstverkaufsfläche für das sonstige Sondergebiet SO1 insgesamt. Nr. 1.1.1 Satz 1 bezieht aber die Mindest- als auch die Höchstverkaufsfläche auf denselben Regelungsgegenstand, nämlich das Einkaufszentrum. Hiervon unabhängig scheidet die Festsetzung einer Verkaufsflächenobergrenze für das Sondergebiet von Rechts wegen aus. Denn die Baunutzungsverordnung bietet keine Rechtsgrundlage, die Verkaufsfläche für ein Gebiet insgesamt zu beschränken (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 16 und vom 24. März 2010 – 4 CN 3.09 – NVwZ 2010, 782 Rn. 23).

25

c) Die Festsetzungen zur Verkaufsfläche sind nicht deswegen auf ein einziges Einkaufszentrum bezogen, weil die Beigeladene sich in einem städtebaulichen Vertrag verpflichtet hat, nur ein solches Zentrum zu errichten.

26

Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB können die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere der Grundstücksnutzung, Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages sein. In den Fällen festsetzungsergänzender oder -ersetzender Vereinbarungen sollen die durch einen Bebauungsplan begründbaren Nutzungsmöglichkeiten aufgrund von legitimen gemeindlichen Planungszielen eingeschränkt oder unter zusätzliche Anforderungen gestellt werden (vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 11 Rn. 45). Verträge berechtigen und verpflichten indes nur die an ihnen Beteiligten. Sie können nicht mit allgemeiner Verbindlichkeit gewährleisten, dass nur ein Einkaufszentrum entsteht, auch wenn die Gemeinde – wie hier – davon ausgeht, dass jedenfalls ihr Vertragspartner nur einen einzigen solchen Betrieb errichten wird (BVerwG, Urteil vom 24. März 2010 – 4 CN 3.09 – NVwZ 2010, 782 Rn. 24 und Beschluss vom 2. Dezember 2009 – 4 B 74.09 – BauR 2010, 742 Rn. 2). Vielmehr bestimmt ein Angebotsbebauungsplan die bauliche Nutzung von Flächen unabhängig von vertraglichen Bindungen, denen ein Bauherr unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 2012 – 4 CN 3.11 – BVerwGE 143, 24 Rn. 10). Anders als die Beigeladene meint, gibt das Senatsurteil vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – (BVerwGE 166, 378) keinen Anlass, diese Rechtsprechung aufzugeben oder fortzuentwickeln.

27

d) Die Regelungen zur Verkaufsfläche haben nicht deswegen nur ein Einkaufszentrum zum Gegenstand, weil sich das Grundeigentum im sonstigen Sondergebiet SO1 weit überwiegend im Eigentum der Antragsgegnerin befand.

28

Der Bebauungsplan gewährleistet nicht, dass es bei den Eigentumsverhältnissen im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bleibt (BVerwG, Urteile vom 24. März 2010 – 4 CN 3.09 – NVwZ 2010, 782 Rn. 24 und vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 34). Er ist nicht eigentümerbezogen, sondern städtebaulich-bodenrechtlich zu betrachten (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2009 – 4 BN 63.09 – BauR 2010, 430 Rn. 3). Ob die Festsetzung eines Bebauungsplans in der Baunutzungsverordnung eine Rechtsgrundlage findet und das von der Gemeinde verfolgte planerische Ziel ausreichend sichert, hängt daher nicht davon ab, ob die geplante Nutzung dem Willen eines gegenwärtigen Eigentümers entspricht oder diesem zuwiderläuft (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. November 2016 – 4 CN 2.16 – BVerwGE 156, 336 Rn. 10 und Beschluss vom 5. November 2002 – 4 BN 8.02 – BRS 66 Nr. 54 <jeweils zur Erforderlichkeit>). Dies gilt auch, wenn das Eigentum in der Hand der Gemeinde liegt: Die von § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO eröffnete Verpflichtung und Befugnis, Zweckbestimmung und Art der baulichen Nutzung im sonstigen Sondergebiet festzusetzen, hat für gemeindeeigene Flächen denselben Inhalt wie für Flächen, die im Eigentum Dritter stehen.

29

e) Verbliebe es bei den Bestimmungen zur Mindest- und Höchstverkaufsfläche, ließen diese im SO1 die Ansiedlung einer nicht bestimmten oder bestimmbaren Zahl von Einkaufszentren zu, deren Art durch die Verkaufsfläche gekennzeichnet wird. Die Antragsgegnerin wollte indes zugleich die Gesamtverkaufsfläche auf 20 000 qm beschränken. Dieses Ziel verfehlen Festsetzungen, welche die Ansiedlung mehrerer Einkaufszentren mit mindestens 12 000 qm Verkaufsfläche gestatten.

30

3. Die Bestimmungen zur Verkaufsfläche in Nr. 1.1.1 Satz 1 sind nicht als Regelungen zur Nutzung eines Grundstückes wirksam.

31

a) Die Gemeinde ist befugt, die Verkaufsfläche in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Grundstücksgröße durch eine Verhältniszahl festgelegt wird, soweit dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelstypen und damit die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, Urteile vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 16 und vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 33). § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lässt es auch zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche für die Grundstücke im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – a.a.O.). Ist eine absolute Verkaufsfläche einem Grundstück mit einer bestimmten Grundstücksgröße zuzuordnen, so ist es nur eine Frage der Darstellung, ob der Bebauungsplan die Verkaufsfläche als Anteil oder durch eine absolute Zahl bestimmt. Eine Zuordnung ist möglich, wenn es in dem Sondergebiet nur ein Grundstück gibt, auf dem Vorhaben der bestimmten Art errichtet werden können und sollen; ein solcher Fall liegt nahe, wenn das jeweilige Sondergebiet ausschließlich oder doch im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht. Diese Rechtsprechung hat bei den Oberverwaltungsgerichten überwiegend Zustimmung gefunden (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 1. Juli 2020 – 8 C 11841/19 – ZfBR 2020, 871 <872>; VGH Mannheim, Beschluss vom 12. August 2020 – 3 S 1113/20 – ZfBR 2021, 70 <72>; OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 1 LB 43/17 – juris Rn. 45; VGH München, Urteil vom 3. März 2021 – 15 B 20.2075 – juris Rn. 53 ff. und OVG Bautzen, Urteil vom 14. Juli 2021 – 1 C 27/19 – juris Rn. 47). Der Senat hält an ihr auch angesichts der Kritik der Vorinstanz fest.

32

Die Verkaufsfläche kann Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebes typisierend erfassen (BVerwG, Urteil vom 9. November 2016 – 4 C 1.16 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 220 Rn. 12). Weil die Gemeinde die Nutzungsart des großflächigen Einzelhandels im sonstigen Sondergebiet auffächern darf, ohne auf bestimmte, von ihr in der Wirklichkeit vorgefundene Arten der baulichen Nutzung im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO beschränkt zu sein, dienen solche Festsetzungen auch – und nicht selten vorrangig – dazu, mittels eines quantitativen und damit in der Zulassungspraxis leicht handhabbaren Maßstabs bestimmte planerische Ziele zu erreichen, etwa umliegende Versorgungszentren zu schützen, Anforderungen der Raumordnung zu genügen, eine interkommunale Abstimmung zu erreichen oder ein städtebauliches Einzelhandelskonzept zu verwirklichen. Dagegen ist nichts zu erinnern, wenn die Festsetzung zugleich die Art der baulichen Nutzung steuert.

33

Eine grundstücksbezogene Festsetzung der Verkaufsfläche nähert sich Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung an. Denn sie beschränkt die quantitative Nutzung eines Grundstückes, in der Regel also des Buchgrundstücks (BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2021 – 4 B 14.21 – Rn. 7). Dies kann hingenommen werden, weil in der Baunutzungsverordnung eine Verbindung zwischen der Art der baulichen Nutzung, der Verkaufsfläche und dem Maß der baulichen Nutzung angelegt ist: Das die Art der baulichen Nutzung betreffende Merkmal der Großflächigkeit in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO wird zwar mittels der Verkaufsfläche definiert, der Senat hat sich aber nicht gehindert gesehen, zur Bestimmung der maßgeblichen Grenze die in § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO bestimmte Geschossfläche als „wichtigen Anhaltspunkt“ in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 – 4 C 10.04 – BVerwGE 124, 364 <366>).

34

b) Wie der Bezug zur Art der baulichen Nutzung bei einer grundstücksbezogenen Festsetzung der Verkaufsfläche im Einzelnen beschaffen sein muss, bedarf keiner Entscheidung. Denn die in absoluten Zahlen bestimmten Verkaufsflächen konnten bei Satzungsbeschluss keinem Grundstück zugeordnet werden.

35

Die Vorinstanz hat offengelassen, ob allein das Flurstück e geeignet war, auf diesem ein Vorhaben nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zu verwirklichen. Selbst wenn dies der Fall wäre, schiede eine Zuordnung der Verkaufsfläche zu diesem Grundstück aus. Denn nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin sollte das Vorhaben auf allen Grundstücken im Sondergebiet SO1 verwirklicht werden. Dieser Planungswille würde verfehlt, wenn Verkaufsflächen nur auf dem bei Satzungsbeschluss vorhandenen Flurstück 486 verwirklicht werden könnten.

36

c) Dass die Flurstücke a, b, c, d, und e nach dem Satzungsbeschluss im Grundbuch vereinigt worden sind, bleibt ohne Bedeutung. Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses. Eine grundstücksbezogene Festsetzung wird durch die Möglichkeit einer späteren Grundstücksteilung nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 34), eine vormals unzulässige Festsetzung wird – gleichsam spiegelbildlich – durch die spätere Vereinigung von Grundstücken nicht wirksam (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 – 4 CN 3.13 – BVerwGE 149, 229 Rn. 27).

37

4. Das Oberverwaltungsgericht hatte keinen Anlass zu prüfen, ob die Festsetzungen zur Verkaufsfläche als Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung Bestand haben könnten. Denn Festsetzungen zu Verkaufsflächen sind keine Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung, weil sie sich keiner der dafür nach § 16 Abs. 2 BauNVO zulässigen Größen bedienen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 1990 – 4 C 36.87 – Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 17 S. 20 und vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 14; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 19).

38

Nach Auffassung des Senats wäre es Sache des Gesetz- oder Verordnungsgebers, eine Rechtsgrundlage für die Festlegung von Verkaufsflächen zu schaffen. In der Praxis haben sich Verkaufsflächen als Parameter für die Planung von Einzelhandelsvorhaben und Einkaufszentren durchgesetzt. Indes fehlen im Baugesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung Regelungen, um die Ansiedlung dieser Vorhaben mittels Festsetzungen zur Verkaufsfläche rechtssicher zu steuern. Eine solche Rechtsgrundlage zu schaffen, ist nicht Aufgabe richterlicher Rechtsfortbildung. Das verbleibende Regelungsdefizit kann zum Scheitern kosten- und zeitintensiver Verfahren führen, ohne dass die mit einer Planung zu lösenden Sachfragen überhaupt zur Sprache kommen. Der Fall ist ein beredtes Beispiel.

39

5. Die Unwirksamkeit der Festsetzung zu den Verkaufsflächen führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt.

40

B. Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil selbstständig tragend auf die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung Nr. 1.1.1 Satz 2 gestützt, welche den Anteil von Verkaufsflächen im ersten Obergeschoss auf 20 % der maximal zulässigen Gesamtverkaufsfläche begrenzt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob auch dieser Fehler zur Gesamtunwirksamkeit des Plans geführt hätte, bleibt offen.

41

§ 1 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BauNVO ermächtigt die Gemeinde, besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung nach den §§ 10 und 11 BauNVO zu treffen. Die Regelungsbefugnis ist aber auf die Art der baulichen Nutzung begrenzt. Anders als die Beigeladene meint, ist trotz der Definitionsmacht der Gemeinde nicht jede an die Verkaufsfläche anknüpfende Festsetzung eine solche zur Art der baulichen Nutzung. Denn auch bei Ausübung ihrer Definitionsmacht muss die Gemeinde die vorhabenbezogene Typisierung beachten, die den §§ 2 bis 10 BauNVO zugrunde liegt (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 4 CN 8.18 – BVerwGE 166, 378 Rn. 10). Während sie mit Regelungen über mindestens zu errichtende oder höchstens zulässige Verkaufsflächen die nach der Betriebsgröße abgegrenzte besondere Nutzungsart „großflächiger Einzelhandel“ weiter auffächert und damit an die Baunutzungsverordnung anknüpft, verlässt sie diesen Zusammenhang, wenn sie die Verkaufsfläche geschossweise zuordnet. Denn die Verkaufsfläche als solche ist keine Art der baulichen Nutzung.

42

Die Festsetzung kann nicht auf § 9 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB gestützt werden. Danach können Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB für übereinanderliegende Geschosse gesondert getroffen werden. Eine solche Festsetzung ist die Verkaufsfläche nicht. Sie dient allein dazu, eine bestimmte Art der Nutzung zu kennzeichnen, ist aber selbst keine Art der baulichen Nutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB und lässt sich auch den anderen Festsetzungsinhalten des § 9 Abs. 1 BauGB nicht zuordnen.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, § 159 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat den in der mündlichen Verhandlung verkündeten Tenor wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 118 Abs. 1 VwGO berichtigt und auf die Kosten des Revisionsverfahrens beschränkt. Rechtspositionen der Beteiligten sind hiervon nicht berührt.