BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 10.02.2022, AZ IX ZR 148/19, ECLI:DE:BGH:2022:100222UIXZR148.19.0
§ 17 Abs 2 InsO, § 18 Abs 2 InsO, § 133 Abs 1 InsO
Leitsatz
1. Wird die Verbindlichkeit, welche die Annahme einer Zahlungseinstellung des Schuldners trägt, erfüllt oder gestundet, und will der Verwalter die Vermutung der Fortdauer der Zahlungseinstellung für sich in Anspruch nehmen, kann er unter dem Gesichtspunkt der sekundären Darlegungslast gehalten sein, zum Zahlungsverhalten des Schuldners im Übrigen, insbesondere zu weiterhin nicht bedienten Verbindlichkeiten des Schuldners vorzutragen.
2. Bezieht sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.
3. Einem Anfechtungsgegner, der nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber kennt, fehlt in der Regel der für die Beurteilung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderliche Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Köln, 29. Mai 2019, Az: 2 U 1/19
vorgehend LG Köln, 18. Dezember 2018, Az: 16 O 7/18
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden der die Berufung zurückweisende Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Mai 2019 aufgehoben und das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18. Dezember 2018 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin ist Verwalterin in dem auf Eigenantrag vom 31. Juli 2015 am 30. Oktober 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Die Beklagte betreibt eine Spedition und erbrachte für die Schuldnerin in ständiger, schon seit 2004 laufender Geschäftsbeziehung Transportleistungen. Unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nimmt die Klägerin die Beklagte auf Rückgewähr von 36 Einzelzahlungen der Schuldnerin an die Beklagte in Höhe von insgesamt 52.929,50 € in Anspruch, mit denen diese in der Zeit vom 7. April 2014 bis zum 9. September 2015 Transportleistungen der Beklagten vergütete.
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Bereits Anfang 2013 hatten ein Krankenversicherer wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 23.141 € und das Finanzamt wegen Steuerschulden von 49.073,38 € Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt. Den Anträgen waren fruchtlose Vollstreckungsversuche vorausgegangen. Gegenüber dem Finanzamt hatte die Schuldnerin erklärt, zahlungsunfähig zu sein. Zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kam es seinerzeit nicht. Die offenen Forderungen wurden durch Zahlungen Dritter beglichen und die Insolvenzanträge in der Folge für erledigt erklärt.
3
Die Beklagte war über die Insolvenzanträge nicht informiert und wusste auch sonst nichts über Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber Dritten. Sie kannte nur das Zahlungsverhalten der Schuldnerin ihr gegenüber. Das Zahlungsverhalten war durch eine dauerhaft und im Wesentlichen gleichbleibend schleppende Begleichung der aus den Transportleistungen entstandenen Forderungen zumindest seit Anfang 2012 geprägt. Das führte zu Mahnungen seitens der Beklagten, welche die Klägerin für den Zeitraum vom 6. November 2013 bis zum 2. September 2015 vorgelegt hat. Die Beklagte mahnte in vier Stufen. Ab der ersten Mahnung berechnete sie eine Gebühr in Höhe von 4 €. Ab der zweiten Mahnung wurden Verzugszinsen in Höhe von 10 % jährlich geltend gemacht. Ab der dritten Mahnung wurden die Beantragung eines gerichtlichen Mahnbescheids oder „rechtliche Schritte“ angedroht. Tatsächlich eingeleitet wurden rechtliche Schritte zu keinem Zeitpunkt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin meldete die Beklagte Forderungen in Höhe von insgesamt 3.717,90 € zur Tabelle an, die Rechnungen für Transportleistungen ab dem 12. August 2015 betrafen.
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Die Klägerin behauptet, die Schuldnerin habe sich seit spätestens 2012 in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten befunden. Spätestens seit Mitte 2013 sei die Schuldnerin nicht mehr in der Lage gewesen, die aus den Leistungen der Beklagten resultierenden Forderungen zu erfüllen. Sie meint, daraus folge, dass die angefochtenen Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geleistet worden seien. Die Beklagte habe den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz aufgrund der schleppenden Zahlungsweise der Schuldnerin gekannt.
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Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
6
Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat den nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin daraus abgeleitet, dass die Schuldnerin erkanntermaßen zahlungsunfähig gewesen sei. Die Zahlungsunfähigkeit sei gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO zu vermuten, weil die Schuldnerin ihre Zahlungen eingestellt gehabt habe. Die Zahlungseinstellung sei ab Stellung der Insolvenzanträge durch Krankenversicherer und Finanzamt aufgrund der seinerzeit offenen Sozialversicherungsbeiträge und Steuerverbindlichkeiten zutage getreten. Die Zahlungseinstellung habe fortgewirkt. Eine allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Die Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ergebe sich aus dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin ihr gegenüber. Da die Schuldnerin unternehmerisch tätig gewesen sei, habe die Beklagte damit rechnen müssen, dass auch gegenüber anderen Gläubigern Verbindlichkeiten entstünden, welche die Schuldnerin nicht bedienen könne.
II.
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Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Der streitgegenständliche Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 InsO kann nur aus § 133 Abs. 1 InsO in der gemäß Art. 103j EGInsO auf den Streitfall noch anwendbaren, bis zum 4. April 2017 geltenden Fassung folgen. Andere Anfechtungstatbestände scheiden von vornherein aus. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen weder die Annahme eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin noch einer Kenntnis der Beklagten von einem solchen Vorsatz.
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1. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Die Kenntnis des anderen Teils wird vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO).
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a) Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners ist ebenso wie die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz eine innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsache. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung können daher in aller Regel nur mittelbar aus objektiven (Hilfs-)Tatsachen hergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – IX ZR 188/15, ZIP 2016, 1686 Rn. 12; vom 6. Mai 2021 – IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 11; st. Rspr.).
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Es ist Aufgabe des Tatrichters, die ihm unterbreiteten Hilfstatsachen auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme umfassend und widerspruchsfrei zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2016, aaO). Dabei hat er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den für und gegen den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis von diesem sprechenden Beweisanzeichen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 6. Mai 2021, aaO Rn. 12).
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b) Zu den Beweisanzeichen, die für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sprechen, zählt die erkannte Zahlungsunfähigkeit. Nach zwischenzeitlich geänderter Rechtsprechung des Senats handelte ein Schuldner, der zahlungsunfähig war und seine Zahlungsunfähigkeit erkannt hatte, in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2017 – IX ZR 3/16, WM 2017, 2319 Rn. 8; Beschluss vom 5. März 2020 – IX ZR 171/18, ZInsO 2020, 893 Rn. 10). Dementsprechend hat der Senat vormals entschieden, dass der Anfechtungsgegner regelmäßig den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners erkennt, wenn er um dessen Zahlungsunfähigkeit weiß (BGH, Urteil vom 14. Juli 2016, aaO Rn. 14; Beschluss vom 5. März 2020, aaO).
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c) Nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts hat der Senat erkannt, dass im – auch hier anzunehmenden – Fall der Gewährung einer kongruenten Deckung der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ebenso wie der Vollbeweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz nicht mehr allein darauf gestützt werden können, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig ist. Es reicht für den Benachteiligungsvorsatz nicht aus, dass der Schuldner weiß, dass er im Moment der Rechtshandlung nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann. Hinzukommen muss, dass der Schuldner weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, seine anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. Entsprechendes gilt für den Vollbeweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2021, aaO Rn. 30 ff). Insoweit kann sich der Insolvenzverwalter allerdings mit der Darlegung und dem Nachweis des Vermutungstatbestands des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO begnügen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2021, aaO Rn. 9, 49 ff).
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d) Auch nach neuer Rechtsprechung des Senats bleibt demnach die erkannte Zahlungsunfähigkeit ein vom Tatrichter in die vorzunehmende Gesamtwürdigung (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2021 – IX ZR 64/20, NZI 2021, 387 Rn. 16; vom 6. Mai 2021, aaO Rn. 12) einzubeziehendes Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO. Im Falle der Gewährung einer kongruenten Deckung reicht die erkannte Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung allerdings nicht mehr aus, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners oder den Vollbeweis der Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz zu begründen.
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2. Voraussetzung für die Einbeziehung der erkannten Zahlungsunfähigkeit als Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung in die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist, dass die Zahlungsunfähigkeit in dem nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt vorlag und erkannt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2021, aaO Rn. 22). Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
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a) Das Berufungsgericht hat den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin im maßgeblichen Anfechtungszeitraum vom 7. April 2014 bis zum 9. September 2015 auf eine Zahlungseinstellung Anfang 2013 und die daraus gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO folgende Vermutung der Zahlungsunfähigkeit gestützt. Hierzu hat es sich auf die vom Bundesgerichtshof entwickelte Vermutung der Fortdauer einer einmal eingetretenen Zahlungseinstellung berufen. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirkt eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung fort, bis der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wiederaufnimmt (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 33; vom 25. Februar 2016 – IX ZR 109/15, NZI 2016, 266 Rn. 24; vom 24. März 2016 – IX ZR 242/13, ZInsO 2016, 910 Rn. 11). Im Allgemeinen wiederaufgenommen sind die Zahlungen nicht schon dann, wenn die Verbindlichkeit, deren Nichtbedienung die Feststellung der Zahlungseinstellung trägt, nicht mehr herangezogen werden kann, weil sie etwa erfüllt oder gestundet worden ist. Zusätzlich erforderlich ist, dass der Schuldner (jedenfalls) den wesentlichen Teil seiner übrigen Verbindlichkeiten bedient (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2016, aaO mwN). Mit Urteil vom 6. Mai 2021 (IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 43 ff) hat der Senat den Anwendungsbereich der Fortdauervermutung beschränkt. Stärke und Dauer der Vermutung hängen nunmehr davon ab, in welchem Ausmaß die Zahlungsunfähigkeit zutage getreten ist.
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c) Greift die Fortdauervermutung ein, hat nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Anfechtungsgegner die allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO; vom 25. Februar 2016, aaO Rn. 24; vom 24. März 2016, aaO). Damit wird dem Anfechtungsgegner in vielen Fällen Unmögliches abverlangt. Der Anfechtungsgegner kennt häufig nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber. Fehlen ihm weitergehende Erkenntnisse über die wirtschaftliche Lage des Schuldners, weiß der Anfechtungsgegner nicht, ob der Schuldner auch den wesentlichen Teil seiner übrigen Verbindlichkeiten wieder bedient hat. Dem Anfechtungsgegner ist dann schon die Darlegung der allgemeinen Wiederaufnahme der Zahlungen unmöglich.
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d) Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angezeigt, die Anforderungen an den für die Entkräftung der Fortdauervermutung erforderlichen Vortrag durch eine sekundäre Darlegungslast des Insolvenzverwalters zu beschränken. Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19, ZIP 2021, 799 Rn. 27; st. Rspr.). Unter diesen Voraussetzungen obliegt es danach dem Verwalter, zum Zahlungsverhalten des Schuldners im Übrigen, insbesondere zu weiterhin nicht bedienten Verbindlichkeiten des Schuldners vorzutragen. Hierfür genügt es jedoch nicht schon, dass der Anfechtungsgegner sich auf eine allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen beruft. Erforderlich, um eine sekundäre Darlegungslast auszulösen, ist vielmehr, dass der Anfechtungsgegner einen Umstand beweist oder ein solcher unstreitig ist, der eine Wiederaufnahme der Zahlungen im Allgemeinen als möglich erscheinen lässt. Dies ist etwa anzunehmen, wenn die Verbindlichkeit, deren Nichtbedienung die Feststellung der Zahlungseinstellung trägt, nicht mehr herangezogen werden kann und dem Anfechtungsgegner Kenntnisse über das Zahlungsverhalten des Schuldners im Übrigen fehlen. Dem Verwalter obliegt es dann regelmäßig, zum Zahlungsverhalten des Schuldners im Übrigen vorzutragen. Dies betrifft jedoch nur den Zeitraum, in dem die Wiederaufnahme der Zahlungen erfolgt sein soll.
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3. Nach diesen Grundsätzen trägt die vom Berufungsgericht zur Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin vermutete Fortdauer der Anfang 2013 zutage getretenen Zahlungseinstellung nicht.
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a) Keinen Bedenken begegnet es allerdings aus revisionsrechtlicher Sicht, dass vom Berufungsgericht auf eine Anfang 2013 zutage getretene Zahlungseinstellung geschlossen worden ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Senat mit Urteil vom 6. Mai 2021 (IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 41 f) vorgenommenen Konkretisierung des durch den Tatrichter bei der Feststellung der Zahlungseinstellung anzulegenden Maßstabs.
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aa) Entscheidend für die Feststellung der Zahlungseinstellung ist die am Beweismaß des § 286 ZPO zu messende, in umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffs zu gewinnende Überzeugung, der Schuldner könne aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen. Eine besonders aussagekräftige Grundlage für diese Überzeugung ist die eigene Erklärung des Schuldners. Erklärt der Schuldner, eine fällige und nicht unbeträchtliche Verbindlichkeit binnen drei Wochen nicht – und zwar auch nicht nur ratenweise – begleichen zu können, wird in aller Regel von einer Zahlungseinstellung des Schuldners im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auszugehen sein. Dies gilt erst recht, wenn der Schuldner darüber hinaus ausdrücklich erklärt, zahlungsunfähig zu sein. Fehlt es an einer (ausdrücklichen) Erklärung des Schuldners, müssen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Umstände ein der Erklärung entsprechendes Gewicht erreichen. Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn sie wiederholt auftreten, reichen dafür häufig nicht. Es müssen dann Umstände hinzutreten, die mit hinreichender Gewissheit dafürsprechen, dass die Zahlungsverzögerung auf fehlender Liquidität des Schuldners beruht (BGH, Urteil vom 6. Mai 2021, aaO Rn. 41).
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Die zusätzlich erforderlichen Umstände können darin zu sehen sein, dass der Schuldner Forderungen solcher Gläubiger nicht begleicht, auf deren (weitere) Leistungserbringung er zur weiteren Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs angewiesen ist. Ferner kann der Mahn- und/oder Vollstreckungsdruck des Gläubigers der Zahlungsverzögerung ein größeres Gewicht verleihen. Ein schematisches Vorgehen verbietet sich auch hier. Maßgebend ist, dass die zusätzlichen Umstände im konkreten Einzelfall ein Gewicht erreichen, das der Erklärung des Schuldners entspricht, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können (BGH, Urteil vom 6. Mai 2021, aaO Rn. 42 mwN).
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bb) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs lässt die Würdigung des Berufungsgerichts keinen Rechtsfehler erkennen. Die Schuldnerin schuldete im Januar 2013 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 23.141 € und Steuern in Höhe von 49.073,38 €. Vollstreckungsmaßnahmen des Krankenversicherers und des Finanzamts waren fruchtlos verlaufen. Gegenüber dem Finanzamt hatte die Schuldnerin erklärt, nicht zahlen zu können. Dem entsprach es, dass nach Stellung der Insolvenzanträge durch Krankenversicherer und Finanzamt die Anlassforderungen nicht durch die Schuldnerin, sondern durch Dritte erfüllt worden waren.
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b) Mit der Begleichung der Sozialversicherungsbeitrags- und Abgabenforderungen waren allerdings die Verbindlichkeiten erfüllt, die nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Annahme der Zahlungseinstellung trugen. Vor diesem Hintergrund wäre die Klägerin gehalten gewesen, bezogen auf den Zeitpunkt der Drittzahlungen zu den weiterhin nicht bedienten Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber anderen Gläubigern vorzutragen. Nur so wäre die Beklagte, die mit Ausnahme des Zahlungsverhaltens der Schuldnerin ihr gegenüber keine Kenntnisse über deren wirtschaftliche Lage hatte, in die Lage versetzt worden, die Fortdauervermutung (nach Möglichkeit) zu entkräften. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass es im maßgeblichen Zeitpunkt der Drittzahlungen offene Forderungen der Beklagten gegenüber der Schuldnerin gegeben haben mag. Ohne Vortrag zu den weiterhin nicht bedienten Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern ließ sich nicht bestimmen, ob mögliche Forderungen der Beklagten einen nicht unwesentlichen Teil der Verbindlichkeiten der Schuldnerin ausmachten.
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4. Die vom Berufungsgericht für den gesamten Anfechtungszeitraum vom 7. April 2014 bis zum 9. September 2015 angenommene Zahlungseinstellung der Schuldnerin lässt sich nicht auf andere Umstände stützen. Insbesondere das Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten begründet nach dem anzuwendenden Maßstab (vgl. oben Rn. 22 f) nicht die Annahme einer Zahlungseinstellung für einen bestimmten Zeitpunkt. Die Schuldnerin hat weder erklärt, nicht zahlen zu können, noch erreichen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Umstände ein der Erklärung entsprechendes Gewicht (vgl. oben Rn. 22 f).
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Nach dem Vortrag der Klägerin soll sich die Schuldnerin spätestens seit 2012 in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten befunden haben. Spätestens seit Mitte 2013 sei die Schuldnerin nicht mehr in der Lage gewesen, die aus den Leistungen der Beklagten resultierenden Forderungen zu erfüllen. Hierzu hat sich die Klägerin auf verspätete Zahlungen berufen, die in der Zeit vom 6. November 2013 bis zum 2. September 2015 zu Mahnungen geführt haben. Dem lässt sich nicht mit hinreichender Gewissheit (§ 286 ZPO) entnehmen, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen zu einem bestimmten Zeitpunkt eingestellt hatte. Die Mahnungen weisen neben überfälligen Forderungen auch solche aus, die noch gar nicht fällig waren. Keine der Mahnungen weist einen höheren Gesamtbetrag als 8.100 € aus. Betrachtet man die Mahnungen in ihrer Gesamtheit, ergibt sich, dass die Schuldnerin stets gezahlt hat, wenn auch mit Verzögerung. Zu einem Anwachsen der Verbindlichkeiten als Ausdruck einer sich verschärfenden Krise ist es nicht gekommen. Mit einem Betrag von 3.717,90 € hat die Beklagte eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet, die hinter dem Betrag der letzten, von der Klägerin zu den Akten gereichten Mahnung zurückbleibt. Auch dies bestätigt das konstant schleppende Zahlungsverhalten der Schuldnerin. Es kommt hinzu, dass nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten das schleppende Zahlungsverhalten schon länger, nämlich seit Anfang 2012 andauerte. Dass die Schuldnerin bereits zu diesem Zeitpunkt ihre Zahlungen eingestellt gehabt hatte, behauptet die Klägerin nicht. Nach dem Vortrag der Klägerin soll sich die Schuldnerin lediglich in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten befunden haben. Da sich das Zahlungsverhalten der Schuldnerin in der Folge nicht wesentlich verändert hat, verliert es seine Bedeutung für die Annahme einer später zutage getretenen Zahlungseinstellung. Bezieht sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners auch auf einen Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen unstreitig noch nicht eingestellt hatte, kann aus dem Zahlungsverhalten nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung geschlossen werden.
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5. Da aus dem Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten nicht mit hinreichender Gewissheit auf eine Zahlungseinstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt geschlossen werden kann, kann auch nicht von einer Kenntnis der Beklagten von einem (unterstellten) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin ausgegangen werden. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Vermutungstatbestands des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO in der hier zu berücksichtigenden alten Fassung.
29
Zwar reicht es danach auch im Falle kongruenter Deckungen aus, wenn der Anfechtungsgegner neben der gläubigerbenachteiligenden Wirkung der Rechtshandlung die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt. Dem Anfechtungsgegner, der nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber kennt, fehlt es indes in der Regel an den Kenntnissen, die zur Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderlich sind (vgl. Schultz, ZIP 2018, 1527, 1531 f).
30
Gemäß § 18 Abs. 2 InsO droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Erforderlich ist danach eine in die Zukunft gerichtete Prognose, in welche die gesamte Finanzlage des Schuldners bis zur Fälligkeit aller im Prognosezeitraum fällig werdenden Verbindlichkeiten einzubeziehen ist. Der vorhandenen Liquidität und den Einnahmen, die bis zum Ende des Prognosezeitraums zu erwarten sind, müssen die Verbindlichkeiten gegenübergestellt werden, die bereits fällig sind oder bis zum Ende des Prognosezeitraums voraussichtlich fällig werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – IX ZR 93/11, ZInsO 2014, 77 Rn. 10). Die für eine solche Prognose erforderlichen Kenntnisse hat regelmäßig nicht, wer nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber kennt. Es fehlt an dem notwendigen, in die Zukunft gerichteten Überblick über die Vermögensverhältnisse des Schuldners. So liegt es auch im Streitfall. Anders als im Falle der Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) wird die Annahme der drohenden Zahlungsunfähigkeit auch nicht durch eine gesetzliche Vermutung erleichtert.
III.
31
Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Beklagte nur das Zahlungsverhalten der Schuldnerin ihr gegenüber kannte, insoweit keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind und aus dem Zahlungsverhalten die nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht abgeleitet werden kann, ist die Klage abzuweisen.
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