BSG 1. Senat, Urteil vom 25.03.2021, AZ B 1 KR 16/20 R, ECLI:DE:BSG:2021:250321UB1KR1620R0
Verfahrensgang
vorgehend SG Berlin, 5. März 2020, Az: S 56 KR 2033/19, Urteil
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2020 und der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2019 werden aufgehoben.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 108 977,63 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Widerlegung einer Mindestmengenprognose.
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Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen (KKn) zugelassenen Krankenhauses. In diesem wurden 2017 insgesamt 52 Patienten mit einer Kniegelenks-Totalendoprothese (Knie-TEP) versorgt. Mit Schreiben vom 8.7.2019 übermittelte die Krankenhausträgerin den beklagten Landesverbänden der KKn und den Ersatzkassen (im Folgenden: Kassenverbände) die Prognose zur Erreichung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) festgesetzten jährlichen Mindestmenge von 50 Knie-TEP für das Jahr 2020. Sie gab an, im Jahr 2018 insgesamt 40, im 2. Halbjahr 2018 und 1. Halbjahr 2019 insgesamt 43 Versorgungen mit Knie-TEP durchgeführt zu haben. Für das Jahr 2020 prognostizierte sie mehr als 50 Versorgungsfälle. Zu den die Mindestmengenerwartung begründenden personellen Veränderungen gab sie an: „Chefarzt-Wechsel zum 3. Quartal 2018“. Als weitere Umstände führte sie an: „2019 bereits 25 Kniegelenkstotaleingriffe zu HJ erreicht. Kooperation ab 2020 fokus[s]iert mit niedergelassenem Zuweiser“. Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 20.8.2019, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, widerlegten die Kassenverbände die Mindestmengenprognose der Krankenhausträgerin: Aus dem Verlauf der Leistungszahlen seit 2017 werde deutlich, dass das Problem des sukzessiven Leistungsabfalles bereits über einen längeren Zeitraum bestehe und mit einem Chefarztwechsel, „der erst zum 01.08.2019 erfolgt ist“, nicht begründet werden könne. Zudem dürfe dieser Umstand nicht erneut zur Begründung der Prognose herangezogen werden. Soweit auf eine in der Zukunft liegende Kooperation abgestellt werde, seien keine weiteren Erläuterungen erfolgt, ob und in welcher Form diese Kooperation avisiert sei oder ob bereits vertragliche Bindungen bestünden. Ob die unzureichend konkretisierte Kooperation mit einem nicht näher benannten niedergelassenen Zuweiser hinreichende und dauerhafte Zuweisungen gewährleiste, sei nicht dargelegt.
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Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG abgewiesen. Die gegen die Widerlegungsentscheidung statthafte Anfechtungsklage sei zulässig aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Einer vorherigen Anhörung habe es nicht bedurft. Die Kassenverbände hätten die formell wirksame Prognose der Krankenhausträgerin zu Recht wegen begründeter erheblicher Zweifel an deren Richtigkeit widerlegt. Die mitgeteilten Umstände trügen nicht den Schluss, die aus den Zahlen der letzten Halbjahre ableitbare Untererfüllung könnte ausreichend kompensiert werden. Die Krankenhausträgerin habe in der Prognose nicht mitgeteilt, welcher Chefarzt eingestellt worden sei und inwieweit dessen Renommee zum Erreichen der Mindestmenge werde beitragen könne. Die beabsichtige Zusammenarbeit mit einem einzelnen, nicht benannten Zuweiser lasse nicht auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erreichens der Mindestmenge schließen. Dem Umstand, dass im ersten Halbjahr 2019 bereits 25 Knie-TEP erreicht worden seien, sei nur geringes Gewicht beizumessen, da er schon bei der Bewertung der Leistungsmenge berücksichtigt werde. Erst nach Darlegung der Prognose eingetretene Umstände, wie die Erreichung der erforderlichen Mindestmenge im Jahr 2019, könnten nicht gegen die Rechtmäßigkeit der Widerlegungsentscheidung angeführt werden. Diese sei allein an den der Prognose zugrunde gelegten Tatsachen zu orientieren. Ein zugunsten des Krankenhauses zu berücksichtigender Härtefall liege nicht vor.
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Die klagende Krankenhausträgerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 24 Abs 1 SGB X sowie § 136b Abs 4 Satz 3 und 6 SGB V iVm § 4 Abs 2 Satz 2 und 3 der Mindestmengenregelung des GBA (Mm-R)
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- Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2019 aufzuheben,
- hilfsweise
- das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2020 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
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Die beklagten Kassenverbände beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie halten das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Statthafte Klageart sei allerdings die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage.
Entscheidungsgründe
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Die Sprungrevision der klagenden Krankenhausträgerin ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig
(dazu 1.) und begründet. Der angefochtene Bescheid, mit dem die beklagten Kassenverbände die Mindestmengenprognose der Krankenhausträgerin für das Jahr 2020 in Bezug auf Knie-TEP widerlegt haben, ist mangels ordnungsgemäßer Anhörung formell rechtswidrig und deshalb ebenso aufzuheben wie das ihn bestätigende Urteil des SG
(dazu 2.).
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1. Die Krankenhausträgerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der Anfechtungsklage
(§ 54 Abs 1 SGG). Bei der gebotenen Auslegung
(§ 123 SGG) zielt die Klage (nur) auf die Beseitigung der Widerlegungsentscheidungen der Kassenverbände. Denn hierbei handelt es sich um Verwaltungsakte
(dazu a), durch deren Beseitigung die für die Zulässigkeit der Leistungsbewirkung erforderliche Mindestmengenprognose der Krankenhausträgerin wieder auflebt, ohne dass es einer positiven Entscheidung der Kassenverbände oder des Gerichts bedürfte
(dazu b). Die Anfechtungsklage ist auch im Übrigen zulässig; das Klagebegehren hat sich nicht durch Zeitablauf erledigt
(dazu c).
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a) Die Entscheidungen der Kassenverbände, die Mindestmengenprognose des Krankenhauses wegen begründeter erheblicher Zweifel an deren Richtigkeit zu widerlegen
(§ 136b Abs 4 Satz 6 SGB V), sind Verwaltungsakte iS des § 31 Satz 1 SGB X
(vgl hierzu auch die Tragenden Gründe zum Beschlussentwurf des GBA über eine Änderung der Mindestmengenregelungen vom 17.11.2017 S 11 zu § 5 Abs 6 Mm-R sowie die Tragenden Gründe zum Beschluss des GBA über eine Änderung der Mm-R: Änderungen in §§ 5 und 10 vom 16.4.2020 S 3, jeweils abrufbar unter www.g-ba.de; ferner LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.6.2020 – L 16 KR 64/20 – juris RdNr 20; LSG Berlin-Brandenburg vom 10.3.2020 – L 9 KR 389/19 B ER – juris RdNr 25; LSG Berlin-Brandenburg vom 22.8.2019 – L 1 KR 196/19 B ER – juris RdNr 20; LSG Hamburg vom 11.8.2020 – L 1 KR 73/20 B ER – juris RdNr 3; SG Würzburg vom 25.8.2020 – S 11 KR 507/19 – juris RdNr 14; Bockholdt, NZS 2019, 814, 815 ff; Knispel, GesR 2020, 558, 561 f; Ulmer, SGb 2020, 581, 582; Roters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 136b RdNr 19, Stand März 2020; Becker in Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl 2020, § 136b RdNr 11; Daum in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl 2018, § 136b SGB V RdNr 6; aA Hauck in jurisPK-SGB V, G-BA, § 5 Mm-R RdNr 40 ff, Stand 15.12.2020). Denn es handelt es sich um Entscheidungen von Behörden zur Regelung von Einzelfällen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen. Dafür sprechen Wortlaut und Systematik
(dazu aa) sowie Sinn und Zweck
(dazu bb) der verfahrensrechtlichen Regelungen des § 136b Abs 4 SGB V
(idF durch Art 6 Nr 15des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung <Krankenhausstrukturgesetz – KHSG> vom 10.12.2015, BGBl I 2229). Nach der im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Verbot einer Mischverwaltung gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 136b Abs 4 Satz 6 SGB V entscheiden die handelnden Kassenverbände jeweils in getrennten Verwaltungsakten, die aber formal in einem Bescheid zusammengefasst werden können
(dazu cc).
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aa) Nach § 136b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V beschließt der GBA einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen und Ausnahmetatbestände. Erreicht ein Krankenhaus die erforderlichen Mindestmengen voraussichtlich nicht, darf es die Leistungen nicht bewirken (Leistungsbewirkungsverbot); für gleichwohl bewirkte Leistungen erhält es keine Vergütung
(§ 136b Abs 4 Satz 1 und 2 SGB V). Für die Zulässigkeit der Leistungserbringung muss der Krankenhausträger gegenüber den Kassenverbänden jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird
(Prognose, Satz 3). Das Nähere zur Darlegung der Prognose regelt der GBA
(Satz 5). Die Kassenverbände können bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose widerlegen
(Satz 6). Gegen diese Entscheidung ist der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben
(Satz 7). Ein Vorverfahren findet nicht statt
(Satz 8).
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Die Widerlegung der Prognose nach § 136b Abs 4 Satz 6 SGB V ist eine hoheitliche Regelung mit Außenwirkung iS des § 31 Satz 1 SGB X, mit der verbindlich über den Bestand der Mindestmengenprognose des Krankenhausträgers für das Folgejahr entschieden wird. Der Krankenhausträger und die Kassenverbände stehen sich dabei nicht – wie etwa Krankenhäuser und KKn im Vergütungsverhältnis – gleichgeordnet gegenüber
(vgl zur stRspr zB BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN). Vielmehr besteht – wie etwa bei der Zulassung eines Leistungserbringers nach § 124 Abs 2 Satz 1 SGB V
(vgl BSG vom 20.12.2018 – B 3 KR 2/17 R – SozR 4-2500 § 124 Nr 6 RdNr 14) – ein Über-/Unterordnungsverhältnis. Den Kassenverbänden ist durch § 136b Abs 4 Satz 6 SGB V eine hoheitliche Entscheidungskompetenz zugewiesen, die auch die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten umfasst
(so auch LSG Hamburg vom 11.8.2020 – L 1 KR 73/20 B ER – juris RdNr 3; LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.6.2020 – L 16 KR 64/20 – juris RdNr 21; LSG Berlin-Brandenburg vom 10.3.2020 – L 9 KR 389/19 B ER – juris RdNr 25; Heitzig, KrV 2020, 123, 124; Ulmer, SGb 2020, 581, 582; Roters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 136b RdNr 19, Stand März 2020; Knispel, GesR 2020, 558, 561; Bockholdt, NZS 2019, 814, 816; aA Hauck in jurisPK-SGB V, G-BA, § 5 Mm-R RdNr 43, 47, Stand 15.12.2020; allgemein zur Verwaltungsaktbefugnis vgl Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 31 RdNr 9 ff; zu der beabsichtigten Regelung einer Widerlegung der Prognose „durch Bescheid“ vgl den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsvorsorgung – Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG, BT-Drucks 19/26822 S 20 zu Buchst c bb). Für die Qualifizierung der Widerlegungsentscheidungen als Verwaltungsakte spricht, dass § 136b Abs 4 Satz 7 SGB V die Widerlegung der Prognose des Krankenhausträgers als „Entscheidung“ bezeichnet, „gegen die“ der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist. Diese Formulierung und der in Satz 8 geregelte Ausschluss des Vorverfahrens
(vgl § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG) lassen den Schluss zu, dass der Gesetzgeber hier die Rechtsgrundlage zum Erlass von Verwaltungsakten schaffen wollte, zumal die „Entscheidung“ einer der Prototypen des Verwaltungsakts nach § 31 Satz 1 SGB X ist.
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bb) Der Zweck der Verfahrensregelungen in § 136b Abs 4 Satz 3 bis 8 SGB V besteht darin, eine verbindliche Klärung der Berechtigung des Krankenhauses zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Leistungen vor Beginn des maßgeblichen Kalenderjahres herbeizuführen
(vgl Begründung des Krankenhausstrukturgesetzes <KHSG>-Entwurfs, BT-Drucks 18/5372 S 86 f). Dies dient zum einen der effektiven Durchsetzung des Leistungserbringungsverbots gemäß § 136b Abs 4 Satz 1 SGB V und damit der Qualitätssicherung. Zum anderen verschafft es den Krankenhäusern Rechtssicherheit
(vgl Knispel, GesR 2020, 558, 563; Heberlein in BeckOK-SGB V, Stand 1.3.2021, § 136b RdNr 12; Roters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 136b RdNr 19, Stand März 2020). Um diesen Zweck effektiv zu erreichen, sind die Entscheidungen nach § 136b Abs 4 Satz 6 SGB V mit verbindlicher Wirkung im Verhältnis zwischen dem einzelnen Krankenhaus und sämtlichen KKn ausgestattet. Wirksame Widerlegungsentscheidungen suspendieren die Leistungsberechtigung, die das Krankenhaus kraft gesetzlicher Anordnung in § 136b Abs 4 Satz 3 SGB V durch die Prognose des Krankenhausträgers gegenüber sämtlichen KKn erlangt
(vgl Knispel, GesR 2020, 558, 561 f). Hält der Krankenhausträger die Widerlegung für rechtswidrig, kann er hiergegen Anfechtungsklage erheben und so eine gerichtliche Klärung herbeiführen. Sähe man in der Widerlegung hingegen ein schlicht hoheitliches Handeln, bände die gerichtliche Feststellung der Leistungsberechtigung nur die Beteiligten des Rechtsstreits
(§ 141 Abs 1 Nr 1 SGG). Die deswegen notwendige Beiladung sämtlicher KKn zu jedem Rechtsstreit über die Widerlegung einer Mindestmengenprognose
(vgl Hauck in jurisPK-SGB V, G-BA, § 5 Mm-R RdNr 41, Stand 15.12.2020) wäre für die Gerichte kaum praktikabel. Sie konterkarierte wegen des damit verbundenen Aufwandes die vom Gesetzgeber beabsichtigte schnelle Vorabklärung der Leistungsberechtigung auf Landesebene praktisch
(so auch Bockholdt, NZS 2019, 814, 816). Daneben müssten auch die nicht in der GKV versicherten potentiellen „Patientinnen und Patienten“ (privat Versicherte, Beihilfeberechtigte, sonstige Selbstzahler mit und ohne Kostenträger) nach § 75 Abs 2a SGG beigeladen werden, damit eine gerichtliche Entscheidung auch ihnen gegenüber das Erbringungsverbot wirksam werden ließe. Denn § 136b Abs 1 Satz 1 SGB V sieht vor, dass die Mindestmengenregelungen des GBA und die daran geknüpften Rechtsfolgen „für alle Patientinnen und Patienten“ gelten sollen.
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cc) Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Verbot einer Mischverwaltung aus Bund und Ländern
(vgl BVerfG vom 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 – BVerfGE 119, 331, 364 f; BVerfG vom 7.10.2014 – 2 BvR 1641/11 – BVerfGE 137, 108, RdNr 81; vgl hierzu auch BSG vom 28.7.2008 – B 1 KR 5/08 R – BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 19) ist § 136b Abs 4 Satz 6 SGB V verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Kassenverbände jeweils für sich in getrennten Verwaltungsakten über die Widerlegung der Prognose des Krankenhausträgers entscheiden. Dadurch bleibt die Eigenverantwortlichkeit gewahrt; die Entscheidungen sind den Kassenverbänden rechtlich jeweils als ihre eigenen zuzuordnen
(vgl hierzu BSG vom 28.7.2008, aaO, RdNr 20, 22, 25; Axer, VSSR 2010, 1, 19 f). Da die Kassenverbände als einzelne Behörden im vorliegenden Fall in dem angefochtenen Bescheid zusammengefasste gleichlautende Entscheidungen (Verwaltungsakte) getroffen haben, kann der Senat offen lassen, welche rechtlichen Konsequenzen es hätte, wenn sich die Kassenverbände im Vorfeld der Entscheidungen nicht auf eine gemeinsame Linie einigen könnten und etwa divergierende Entscheidungen träfen.
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b) Die Klage ist als reine Anfechtungsklage statthaft. Zur Erreichung des Klagezieles bedarf es keiner zusätzlichen Verpflichtungsklage.
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Durch Aufhebung der Widerlegungsentscheidungen der Kassenverbände erreicht die Krankenhausträgerin das mit der Klage verfolgte Ziel, dass die Berechtigung des betroffenen Krankenhauses zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Knie-TEP-Operationen für das Jahr 2020 wieder auflebt. Eine positive Entscheidung der Kassenverbände hat hierüber nicht zu ergehen
(so neben dem SG in der angefochtenen Entscheidung auch LSG Berlin-Brandenburg vom 10.3.2020 – L 9 KR 389/19 B ER – juris RdNr 23 ff = KrV 2020, 120 ff mit zustimmender Anm von Heitzig; LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.6.2020 – L 16 KR 64/20 – juris RdNr 20; Bayerisches LSG vom 25.7.2019 – L 4 KR 117/19 B ER – juris RdNr 47; LSG Hamburg vom 11.8.2020 – L 1 KR 73/20 B ER – juris RdNr 8; SG Aachen vom 15.12.2020 – S 13 KR 379/20 – juris RdNr 5 und öfter; SG Würzburg vom 25.8.2020 – S 11 KR 507/19 – juris RdNr 15 f; Becker, KrV 2019, 223 f; Bockholdt, NZS 2019, 814, 815 ff; Knispel, GesR 2020, 558, 561; Roters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 136b RdNr 19, Stand März 2020; Ulmer, SGb 2020, 581, 582 f; ders in jurisPR-SozR 9/2020 Anm 2; aA LSG Berlin-Brandenburg vom 22.8.2019 – L 1 KR 196/19 B ER – juris RdNr 20; SG Berlin vom 10.5.2019 – S 182 KR 322/19 ER – juris RdNr 29 ff). Dafür sprechen der Wortlaut des § 136b Abs 4 SGB V
(dazu aa), die Gesetzessystematik
(dazu bb) und der Normzweck
(dazu cc). Aus den Mm-R ergibt sich nichts anderes
(dazu dd).
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aa) Im Wortlaut des § 136b Abs 4 SGB V ist eine positive Entscheidung über die Leistungsberechtigung nicht vorgesehen. Vielmehr fordert § 136b Abs 4 Satz 3 SGB V „für die Zulässigkeit der Leistungserbringung“ ausdrücklich nur, dass die Krankenhausträger gegenüber den Kassenverbänden „jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose)“. Die Kassenverbände „können“ diese Prognose wiederum „bei begründeten erheblichen Zweifeln an der(en) Richtigkeit“ widerlegen
(Satz 6). Aus dieser Regelungskonzeption folgt, dass bereits die Prognose des für die Leistungserbringung zugelassenen Krankenhauses
(vgl § 108 SGB V) die Berechtigung zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Leistungen bewirkt, sofern sie nicht von den Kassenverbänden (wirksam) widerlegt wird
(siehe oben a, bb; vgl hierzu auch Ulmer, SGb 2020, 581, 582 f; Bockholdt, NZS 2019, 814, 817).
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bb) Die Gesetzessystematik stützt dieses Ergebnis. Denn § 136b Abs 4 Satz 7 SGB V trifft eine Aussage über den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur in Bezug auf „die Entscheidung nach Satz 6“, also die Widerlegung der Prognose. Der Hinweis der Kassenverbände darauf, dass § 136b Abs 4 SGB V im Unterschied zu § 116b Abs 2 Satz 4 SGB V keine Fristenregelung enthält, verfängt nicht. Denn der Zeitraum der Leistungsberechtigung ist im Fall des § 136b Abs 4 SGB V mit dem nachfolgenden Kalenderjahr bereits klar vorgegeben. Die für die Rechtssicherheit erforderlichen Fristen für die Darlegung der Prognose und deren Widerlegung hat der GBA im Rahmen seiner Normsetzungskompetenz
(§ 136b Abs 4 Satz 5 SGB V) in den Mm-R geregelt
(siehe § 5 Abs 1 und Abs 6 Satz 2 Mm-R in der vorliegend anwendbaren Fassung der Änderung vom 20.6.2019, BAnz AT vom 12.07.2019 B 2).
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cc) Auch Sinn und Zweck des § 136b Abs 4 SGB V, eine verbindliche Klärung der Berechtigung des Krankenhauses zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Leistungen schon vor Beginn des maßgeblichen Kalenderjahres herbeizuführen
(siehe oben a bb), erfordert keine positive Entscheidung der Kassenverbände über die Leistungsberechtigung. Bereits die Mindestmengenprognosen der Krankenhausträger vermitteln den Krankenhäusern nach § 136b Abs 4 Satz 3 SGB V die Berechtigung zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Leistungen
(siehe oben aa und a bb). Wird diese nicht innerhalb der in § 5 Abs 6 Satz 2 Mm-R geregelten Frist (wirksam) widerlegt, steht die Berechtigung des Krankenhauses zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Leistungen verbindlich auch gegenüber allen KKn fest.
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Für die Erforderlichkeit einer positiven Entscheidung über die Leistungsberechtigung spricht entgegen der Ansicht der Kassenverbände auch nicht, dass anderenfalls eine effektive Durchsetzung des Leistungserbringungsverbots (und damit des Qualitätsgebots) nicht möglich sei, weil die Anfechtungsklage gegen die Widerlegungsentscheidung aufschiebende Wirkung habe
(§ 86a Abs 1 Satz 1 SGG) und die Voraussetzungen einer Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 86a Abs 2 Nr 5 SGG regelmäßig nicht vorlägen. Zum einen ermöglicht gerade die durch § 86a Abs 2 Nr 5 SGG geforderte Interessenabwägung eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Abwägung des öffentlichen Qualitätssicherungsinteresses und der durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Interessen des Krankenhausträgers im jeweiligen Einzelfall
(vgl hierzu Ulmer, SGb 2020, 581, 585; dazu allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 86a RdNr 20a f; Wahrendorf in BeckOGK, SGG, Stand 1.1.2021, § 86a RdNr 93 ff). Im Übrigen wäre es Sache des Gesetzgebers, durch einen gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung
(§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG) das öffentliche Vollziehungsinteresse grundsätzlich höher zu gewichten, als das Aussetzungsinteresse des Krankenhausträgers
(zutreffend Knispel, GesR 2020, 558, 562; vgl hierzu die beabsichtigte Neuregelung des § 136b Abs 5 Satz 11 Halbsatz 2 SGB V in dem Regierungsentwurf eines GVWG, BT-Drucks 19/26822 S 21, 93 jeweils zu Buchst dd). Insofern geht auch die Bundesregierung in der Begründung des vorgenannten Gesetzentwurfs davon aus, dass Krankenhäuser nach der derzeit geltenden Rechtslage während eines laufenden Klageverfahrens weiter Leistungen erbringen dürfen, weil durch die Klage die Leistungsberechtigung auf Grundlage der Prognose des Krankenhausträgers wiederauflebt
(aaO S 93 zu Buchst dd).
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dd) Auch für die in §§ 6 bis 8 Mm-R iVm § 136b Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Abs 3 Satz 1 SGB V abschließend
(vgl § 4 Abs 4 Satz 1 Mm-R) vorgesehenen Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen bedarf es – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – keiner positiven Entscheidung der Kassenverbände. Denn diese sehen ebenfalls nur Anzeige- und Nachweispflichten des Krankenhausträgers vor
(vgl für den Ausnahmetatbestand der hohen Qualität § 6 Satz 1 und 2 Mm-R und für die erstmalige und erneute Leistungserbringung § 7 Abs 2 Mm-R), ohne dass es insofern einer verbindlichen Entscheidung der Kassenverbände bedürfte oder eine solche in den Mm-R vorgesehen wäre
(vgl hierzu Knispel, GesR 2020, 558, 561; Bockholdt, NZS 2019, 814, 818).
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Bei der Bestätigung der Prognose nach § 5 Abs 5 Mm-R durch die Kassenverbände handelt es sich lediglich um eine der Planungssicherheit dienende informative Mitteilung ohne Regelungswirkung. Anderenfalls wäre die nachfolgende Regelung des § 5 Abs 6 Mm-R zur Widerlegung der Prognose auch überflüssig
(vgl LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.6.2020 – L 16 KR 64/20 – juris RdNr 34; Knispel, GesR 2020, 558, 561). In den Tragenden Gründen zum Beschlussentwurf des GBA über eine Änderung der Mindestmengenregelungen vom 17.11.2017
(S 11) wird deshalb konsequent auch nur die Widerlegung der Prognose gemäß § 5 Abs 6 Mm-R als Verwaltungsakt eingestuft.
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c) Die danach allein statthafte Anfechtungsklage der Krankenhausträgerin ist auch im Übrigen zulässig. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nicht
(§ 136b Abs 4 Satz 8 SGB V iVm § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG) und die einmonatige Klagefrist
(§ 87 Abs 1 Satz 1 SGG) ist gewahrt.
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Die Widerlegungsentscheidung hat sich nicht „durch Zeitablauf“ oder „auf andere Weise“ erledigt
(§ 39 Abs 2 SGB X; zur Unzulässigkeit der Anfechtungsklage nach Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes vgl zB BSG vom 3.5.2018 – B 3 KR 13/16 R – SozR 4-2500 § 129 Nr 13 RdNr 19; BSG vom 24.7.1996 – 7 KlAr 1/95 – BSGE 79, 71 = SozR 3-4100 § 116 Nr 4 = juris RdNr 25; Hauck in Hauck/Behrend, SGG, § 131 RdNr 54; Stand Juli 2020). Denn die angefochtenen Widerlegungsentscheidungen der Kassenverbände können nach wie vor Auswirkungen auf die Frage haben, ob das Krankenhaus im Jahr 2020 berechtigt war, Knie-TEP-Operationen durchzuführen und zu Lasten der KKn abzurechnen. Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob das Krankenhaus möglicherweise bereits aufgrund der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Klage
(§ 86a Abs 1 SGG) endgültig berechtigt war, Knie-TEP-Operationen im Jahr 2020 durchzuführen und abzurechnen, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und rechtfertigt daher nicht die Annahme einer Erledigung des Rechtsstreits
(zum Streitstand vgl SG München vom 18.2.2019 – S 44 KR 4442/18 ER, nachfolgend: Bayerisches LSG vom 25.7.2019 – L 4 KR 117/19 B ER – juris RdNr 20 ff; vgl allgemein BSG vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R – BSGE 118, 40 = SozR 4-2500 § 51 Nr 3, RdNr 31, jeweils mwN, jeweils für ein rückwirkendes Entfallen der aufschiebenden Wirkung; für ein Entfallen der aufschiebenden Wirkung ex nunc in der vorliegenden Fallgestaltung dagegen Bockholdt, NZS 2019, 814, 819; Knispel, GesR 2020, 558, 562 f, jeweils unter Verweis auf die Rspr des 6. Senats des BSG zum Vertragsarztrecht, zB BSG vom 5.6.2013 – B 6 KA 4/13 B – juris RdNr 11 ff mwN; allgemein für ein Entfallen der aufschiebenden Wirkung ex nunc Burkiczak in jurisPK-SGG, § 86b RdNr 219 mwN, Stand 19.3.2021). Diese Frage kann vielmehr nur in den einzelnen Abrechnungsverhältnissen zwischen dem Krankenhaus und den KKn oder etwaigen Verfahren über nachfolgende Mindestmengenprognosen verbindlich entschieden werden. Insofern ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die angefochtenen Widerlegungsentscheidungen auch nach Ablauf des Kalenderjahres, auf die sie sich beziehen, noch Rechtswirkungen entfalten.
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2. Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtswidrig, weil es an der nach § 24 SGB X erforderlichen Anhörung fehlt
(dazu a). Die Anhörung war hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Ob einer der in § 24 Abs 2 SGB X geregelten Ausnahmetatbestände vorlag, bei deren Vorliegen ausnahmsweise von der Anhörung abgesehen werden kann, muss der Senat nicht entscheiden. Jedenfalls stellt sich das Absehen von der Anhörung als ermessensfehlerhaft dar
(dazu b). Die Kassenverbände haben die Anhörung auch nicht wirksam nachgeholt
(dazu c).
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a) Die Kassenverbände haben die Krankenhausträgerin vor Erlass ihrer Widerlegungsentscheidungen nicht angehört. Eine Anhörung war hier aber erforderlich. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist einem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, grundsätzlich Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Diese Vorschrift dient der Wahrung des rechtlichen Gehörs und soll das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung stärken. Sie soll den Adressaten vor Überraschungsentscheidungen schützen und sicherstellen, dass die Beteiligten alle für sie günstigen Umstände vorbringen können. Hierzu ist es notwendig, dass die Behörde die entscheidungserheblichen Tatsachen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet, dass er sie als solche erkennen und sich zu ihnen, ggf nach ergänzenden Anfragen bei der Behörde, sachgerecht äußern kann
(vgl BSG vom 15.8.2002 – B 7 AL 38/01 R – SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 58 mwN; ferner BSG vom 9.11.2010 – B 4 AS 37/09 R – SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 16 f; Mutschler in Kasseler Kommentar, SGB X, § 24 RdNr 2a, Stand Juni 2019; Roller, WzS 2012, 231, 232 ff). Widerlegungsentscheidungen nach § 136b Abs 4 Satz 6 SGB V iVm § 5 Abs 6 Mm-R sind Verwaltungsakte, die in Rechte der Krankenhausträger eingreifen und deren bisherige, durch die Prognose und die dadurch vermittelte Leistungsberechtigung bereits konkretisierte Rechtsstellung zu deren Nachteil verändern
(vgl hierzu etwa BSG vom 9.12.2004 – B 6 KA 44/03 R – BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 23 mwN; vgl dazu auch – einschränkend – Siefert in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 24 RdNr 11).
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Etwas anderes
(vgl zu spezialgesetzlich geregelten Ausnahmetatbeständen etwa § 18e Abs 6 SGB IV oder § 168 Abs 2 Satz 2 SGB VII) ergibt sich auch nicht aus § 136b Abs 4 SGB V oder den Mm-R des GBA. Diese Vorschriften enthalten keine ausdrückliche Regelung zur Anhörung. Auch aus dem Gesamtzusammenhang des Regelungskonzepts lässt sich keine Regelung dahingehend ableiten, dass eine Anhörung vor der Widerlegung einer Mindestmengenprognose entbehrlich sei. Insbesondere lässt sich eine solche Regelung – ungeachtet der Reichweite der dem GBA durch § 136b Abs 4 Satz 5 SGB V eingeräumten Regelungskompetenz – nicht bereits den in § 5 Mm-R geregelten Fristen für die Übermittlung der Prognose und deren Bestätigung oder Widerlegung entnehmen. Das Erfordernis einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung folgt bereits aus der überragenden Bedeutung der Anhörung für ein rechtsstaatliches und faires Verfahren
(vgl hierzu nur BVerfG vom 8.1.1959 – 1 BvR 396/55 – BVerfGE 9, 89, 95; BVerfG vom 18.1.2000 – 1 BvR 321/96 – BVerfGE 101, 397, 404) und daraus, dass Ausnahmetatbestände deswegen eng auszulegen sind
(vgl BSG vom 26.9.1991 – 4 RK 4/91 – BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 = SozR 3-1300 § 41 Nr 5 = SozR 3-1300 § 42 Nr 1 = juris RdNr 18; BSG vom 31.10.2002 – B 4 RA 43/01 R – juris RdNr 17; Roller, WzS 2012, 231, 235; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, § 24 RdNr 21 mwN, Stand April 2012). Außerdem ermöglicht bereits der ausdrücklich geregelte Ausnahmetatbestand in § 24 Abs 2 Nr 2 SGB X einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse an der fristgerechten Entscheidung und dem Interesse an einer vorherigen Anhörung.
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b) Eine Anhörung war entgegen der Ansicht der Kassenverbände und des SG hier nicht entbehrlich. Es kann offen bleiben, ob einer der hier allein in Betracht kommenden Ausnahmetatbestände nach § 24 Abs 2 Nr 2 und 3 SGB X vorlag. Denn das Absehen von einer Anhörung stellt sich jedenfalls als ermessensfehlerhaft dar. Das Absehen von der Anhörung nach § 24 Abs 2 SGB X steht im Ermessen der Behörde („kann abgesehen werden“). Maßstab der behördlichen Ermessensentscheidung ist die Frage, ob im zur Entscheidung stehenden Fall das Interesse des Beteiligten an einer Anhörung weniger gewichtig ist als die Verwaltungspraktikabilität. Die Behörde kann jedoch nicht deswegen von der Anhörung absehen, weil sie sich davon nichts verspricht
(vgl nur Siefert in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 24 RdNr 23). In jedem Fall hat die Behörde bei ihrer Abwägung zu beachten, dass das Gesetz eine großzügige Anhörungspraxis gebietet
(vgl BSG vom 26.9.1991 – 4 RK 4/91 – BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 = SozR 3-1300 § 41 Nr 5 = SozR 3-1300 § 42 Nr 1 = juris RdNr 18 mwN). Diesen Anforderungen sind die Kassenverbände nicht gerecht geworden. Den vom SG getroffenen Feststellungen einschließlich des dabei in Bezug genommenen Inhalts des angefochtenen Bescheids und der Verwaltungsakte, wie auch dem Vorbringen der Kassenverbände im Revisionsverfahren lässt sich schon nicht entnehmen, dass sie sich des durch § 24 Abs 2 SGB X eingeräumten Ermessens überhaupt bewusst waren
(vgl hierzu BSG vom 26.9.1991, aaO, juris RdNr 19). Erst recht ist insofern nicht ersichtlich, dass sie sich bei der Ausübung des Ermessens der besonderen Bedeutung der Anhörung für die Krankenhausträgerin bewusst waren und zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zumindest versucht haben, dem durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung angemessen Rechnung zu tragen
(vgl auch BVerwG vom 15.12.1983 – 3 C 27/82 – BVerwGE 68, 267 = juris RdNr 63; BGH vom 10.1.2002 – III ZR 212/01 – NVwZ 2002, 509, 510 = juris RdNr 9).
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Dem tatsächlichen Vorbringen der Krankenhausträgerin kommt im Rahmen des Verfahrens zur Klärung der Leistungsberechtigung nach § 136b Abs 4 SGB V eine erhebliche Bedeutung zu. Ein Vorverfahren, in dessen Rahmen das Vorbringen noch ergänzt werden könnte, findet nicht statt. Insofern verlangt es das Recht auf ein faires Verfahren, dass dem Krankenhausträger vor der Widerlegung seiner Prognose Gelegenheit gegeben wird, erkennbar unvollständige oder unplausible Angaben zu konkretisieren oder zu ergänzen. Dies gilt in besonderer Weise wenn – wie hier – die Widerlegung der Prognose mit einer Unvollständigkeit und Unplausibilität der Angaben begründet wird. Die beklagten Kassenverbände hätten zumindest die ihnen möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternehmen müssen, der klagenden Krankenhausträgerin – ggf unter Setzung einer kurzen Frist – eine Ergänzung des von ihnen für unvollständig gehaltenen Vorbringens zu ermöglichen.
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c) Die Kassenverbände haben die unterbliebene Anhörung der Krankenhausträgerin nicht wirksam nachgeholt.
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Nach § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die den Verwaltungsakt nicht nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn ua die erforderliche Anhörung eines Beteiligten bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird. Die Nachholung während des Gerichtsverfahrens setzt voraus, dass die Behörde dem Betroffenen in einem mehr oder minder förmlichen Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gibt sowie im Anschluss daran erkennen lässt, ob sie nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dieses formalisierte Verfahren erfordert regelmäßig ein gesondertes Anhörungsschreiben, eine angemessene Äußerungsfrist, die Kenntnisnahme des Vorbringens durch die Behörde und deren abschließende Stellungnahme zu dem Ergebnis der Überprüfung
(stRspr, vgl BSG vom 9.11 2010 – B 4 AS 37/09 R – SozR 4-1300 § 41 Nr 2 RdNr 14 f; BSG vom 7.7.2011 – B 14 AS 153/10 R – BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 26; BSG vom 26.7.2016 – B 4 AS 47/15 R – BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 19; BSG vom 16.3.2017 – B 10 LW 1/15 R – BSGE 122, 302 = SozR 4-1300 § 41 Nr 3, RdNr 20; BSG vom 10.12.2019 – B 11 AL 16/18 R – juris RdNr 14). Daran fehlt es vorliegend. Die Kassenverbände haben sich vielmehr bis zuletzt auf den Standpunkt gestellt, eine Anhörung vor Erlass des angefochtenen Bescheides sei nicht erforderlich gewesen. Dass sie sich mit dem nachträglichen Vorbringen der Krankenhausträgerin während des Klageverfahrens auch inhaltlich auseinandergesetzt haben, genügt den genannten Anforderungen an die Nachholung der Anhörung nicht.
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Nach Abschluss der letzten Tatsacheninstanz kommt eine Nachholung der Anhörung nicht mehr in Betracht
(§ 41 Abs 2 SGB X). Eine Zurückverweisung allein zur Nachholung der Anhörung scheidet aus, zumal die Kassenverbände einen Verfahrensfehler des SG insofern nicht gerügt haben und im Rahmen der Sprungrevision gemäß § 161 Abs 4 SGG auch nicht rügen konnten
(vgl auch BSG vom 26.7.2016 – B 4 AS 47/15 R – BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 33 ff; BSG vom 16.3.2017 – B 10 LW 1/15 R – BSGE 122, 302 = SozR 4-1300 § 41 Nr 3, RdNr 17 ff; Schütze in ders, SGB X, 9. Aufl 2020, § 41 RdNr 20 mwN).
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Der Anhörungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Darauf, ob die Entscheidung anders hätte ausfallen können, kommt es hierbei nicht an
(§ 42 Satz 2 SGB X).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 sowie § 47 Abs 1 GKG. Der Senat folgt hierbei der auf den schlüssigen Angaben der Krankenhausträgerin beruhenden Streitwertfestsetzung des SG. Danach ergibt sich bei einem Erlös von 8718,21 Euro je Behandlungsfall (DRG I44C) und einer Zugrundelegung der vom Krankenhaus angestrebten Mindestmenge von 50 Behandlungsfällen für das streitige Jahr 2020 ein Gesamtumsatz von 435 910,50 Euro. Den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteil (Gewinn) hat das SG im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG auf 25 Prozent des Gesamtumsatzes geschätzt
(vgl BSG vom 8.8.2013 – B 3 KR 17/12 R – SozR 4-1920 § 52 Nr 11 RdNr 9), mithin auf 108 977,63 Euro.