Heute ist der Jahresbericht 2020 der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter veröffentlicht und im Rahmen eines Empfangs dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz übergeben worden.
Dr. Margaretha Sudhof, Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, erklärt:
„Mit großem
Engagement setzt sich die Nationale Stelle für die menschenwürdige Behandlung und Unterbringung im Freiheitsentzug ein. Erfreulicherweise lassen sich auch im Jahr 2020 keine Anzeichen für Folter oder Beweise für Misshandlung von Inhaftierten finden.
Mir ist bewusst, welche persönlichen Anstrengungen die ehrenamtlich tätigen Mitglieder sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalen Stelle unternommen haben, um auch unter den besonders schwierigen Bedingungen im Jahr 2020 ihre Aufgaben wahrzunehmen. Die Auswirkungen der Pandemie, der Umzug in neue Räumlichkeiten und nicht zuletzt die längere Vakanz der stellvertretenden Leitung der Bundesstelle sind hier zu nennen. Umso mehr freue ich mich, dass wir zum 1. April 2021 Sabine Thurau, die ehemalige Präsidentin des hessischen Landeskriminalamtes, für diese Funktion gewinnen konnten. Ihr großes polizeipraktisches Erfahrungswissen wird die Nationale Stelle bereichern und auch die Erhöhung des jährlichen Budgets auf 640.000 Euro ab dem Jahr 2020 ist ein Schritt in die richtige Richtung zur Verbesserung der finanziellen und personellen Ausstattung der Nationalen Stelle.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird die Arbeit der Nationalen Stelle weiterhin nach Kräften unterstützen. Den ehrenamtlich tätigen Mitgliedern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Nationalen Stelle danke ich herzlich für ihr unermüdliches
Engagement – auch im Namen der Bundesjustizministerin.“
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist ein unabhängiges Gremium, welches über die Zustände in den Einrichtungen wacht, in denen Menschen die Freiheit entzogen wird. Sie berichtet jährlich der Bundesregierung, den Landesregierungen, dem Deutschen Bundestag und den Parlamenten der Bundesländer über ihre Tätigkeit.
Der aktuelle Jahresbericht bietet erneut einen informativen Überblick über die Arbeit der Nationalen Stelle im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2020, die stark von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geprägt und beeinträchtigt war.
Einen Hauptanteil der Tätigkeit nimmt normalerweise die Durchführung von Besuchen ein. Aufgrund der Corona-Pandemie war dies im vergangenen Jahr jedoch nur sehr eingeschränkt möglich. Im Jahr 2020 hat die Nationale Stelle insgesamt 13 Einrichtungen besucht; darunter Justizvollzugsanstalten und Vollzugseinrichtungen der Bundeswehr sowie jeweils eine Jugendarrestanstalt, eine Klinik der forensischen Psychiatrie, eine Einrichtung der Abschiebungshaft, eine Bodenabfertigung einer Abschiebungsmaßnahme und ein Zollfahndungsamt. Eine Darstellung der Besuche und die entsprechenden Stellungnahmen sind im Einzelnen unter www.nationale-stelle.de abrufbar.
Um sich über die Auswirkungen der Pandemie zu informieren, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalen Stelle neben Besuchen vor Ort auch schriftliche Abfragen und Telefongespräche durchgeführt sowie Dokumentationen eingesehen. Für den Umgang mit der Pandemie hat die Nationale Stelle Empfehlungen formuliert. Dazu gehört etwa der soziale Austausch während der Pandemie über den vermehrten Einsatz von Video-Telefonaten und die Ausweitung von Telefonzeiten.
Die Nationale Stelle hat keine Anzeichen für die Anwendung von Folter oder Beweise für Misshandlung von Inhaftierten gefunden. Allerdings wurden in allen Einrichtungsarten verschiedene Mängel festgestellt und beanstandet; einige nicht zum ersten Mal.
Darüber hinaus hat die Nationale Stelle im Jahr 2020 zu zwölf geplanten Gesetzänderungen Stellung genommen. Diese Stellungnahmen werden künftig auch auf der
Homepage der Nationalen Stelle veröffentlicht.
Die Nationale Stelle hat für die verschiedenen Einrichtungsarten differenzierte Standards festgelegt. Diese sollen bundesweit allen Aufsichtsbehörden und Einrichtungen als Maßstab für eine menschenwürdige Unterbringung und Behandlung dienen (
z.B. Größe von Hafträumen, Durchsuchung mit Entkleidung, Kameraüberwachung, Dokumentation, Fixierung). Die Standards werden kontinuierlich weiterentwickelt und ebenfalls auf der Internetseite veröffentlicht. Erstmals wurden zudem Standards bezüglich der Unterbringung im Arrest in Vollzugseinrichtungen der Bundeswehr festgelegt.
Im Jahresbericht wurden auch wieder einige positive Praxisbeispiele herausgestellt, um diese bekannt zu machen und eine bundesweite Anwendung in den entsprechenden Einrichtungen anzuregen. Die Pandemie hat zu einer Beschleunigung der Digitalisierung
z.B. durch die Einführung
bzw. den Ausbau von Videotelefonie, den Einsatz von Videodolmetscherdiensten und telemedizinischer Versorgung geführt.
Der Jahresbericht 2020 ist
hier abrufbar.
Hintergrund:
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist in der Folge der Ratifikation des Fakultativprotokolls zur
VN-Antifolterkonvention eingerichtet worden. Dieses Protokoll verpflichtet alle Mitgliedstaaten dazu, eine solche nationale Stelle einzurichten, die das Recht hat, alle Einrichtungen aufzusuchen, in denen Menschen in Gewahrsam gehalten werden.
Die Nationale Stelle besteht aus zwei Komponenten: Die Bundesstelle ist für die Gewahrsamseinrichtungen des Bundes (bei Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll, für Transitzonen internationaler Flughäfen sowie die Begleitung von Rückführungsflügen) zuständig, die Länderkommission für die Gewahrsamseinrichtungen (des Justizvollzugs, der Länderpolizei, der Gerichte mit Vorführzellen, Abschiebungshafteinrichtungen, geschlossene Einrichtungen in psychiatrischen Kliniken, Alten- und Pflegeheimen, Heimen für Menschen mit Behinderung sowie der Kinder – und Jugendhilfe) in der Zuständigkeit der Länder.