Ist Grund für die Medikamenteneinnahme eine bedingungsgemäße Krankheit und wirkt diese an der Gesundheitsschädigung… (Urteil des BGH 4. Zivilsenat)

BGH 4. Zivilsenat, Urteil vom 03.12.2025, AZ IV ZR 185/24, ECLI:DE:BGH:2025:031225UIVZR185.24.0

§ 8 AUB 1994

Leitsatz

Ist Grund für die Medikamenteneinnahme eine bedingungsgemäße Krankheit und wirkt diese an der Gesundheitsschädigung und deren Folgen mit, findet § 8 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 94) mit der Kürzung der Leistung um den Mitwirkungsanteil von Krankheiten und Gebrechen Anwendung, denn die Regelung enthält keine Einschränkung dahin, dass nur eine unmittelbare Mitwirkung zu berücksichtigen ist.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 21. November 2024, Az: 1 U 48/24
vorgehend LG Osnabrück, 15. April 2024, Az: 9 O 3091/22

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg – 1. Zivilsenat – vom 21. November 2024 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 8.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerinnen begehren Leistungen auf den Todesfall aus einem Unfallversicherungsvertrag.

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Für den Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Klägerin zu 2 bestand als versicherte Person (im Folgenden: der Versicherte) bei dem Beklagten ein Unfallversicherungsvertrag, in dessen Rahmen eine Todesfallleistung von 25.564,59 € versichert war. Als bezugsberechtigte Personen wurden die Klägerinnen benannt.

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Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen des Beklagten (im Folgenden: AUB 94) zugrunde. Dort heißt es auszugsweise unter „§ 8 – Einschränkungen der Leistungen“ wie folgt:

„Haben Krankheiten oder Gebrechen bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt, so wird die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens gekürzt, wenn dieser Anteil mindestens 25 Prozent beträgt.“

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Der Versicherte nahm aufgrund einer Gerinnungsstörung des Blutes, der sogenannten Faktor-V-Leiden-Mutation, planmäßig Medikamente ein. Die Blutgerinnung war durch die erfolgte Antikoagulation verändert. Am 13. Januar 2022 stürzte der Versicherte und zog sich eine äußerlich leichte Kopfverletzung zu. Am nächsten Tag wurde er zu Hause nicht ansprechbar aufgefunden und mit dem Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht, wo er kurze Zeit später an den Folgen einer Hirnblutung verstarb.

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Mit Schreiben vom 27. Juli 2022 teilte der Beklagte den Klägerinnen mit, dass aufgrund der unfallunabhängigen Gerinnungsstörung des Versicherten das Ausmaß der durch das Unfallereignis verursachten Gehirnblutung beeinflusst worden sei und er von einem Mitwirkungsanteil von 30 % ausgehe. Der Beklagte zahlte daher anschließend 17.895,21 € (= 70 % der vereinbarten Todesfallleistung) an die Klägerinnen. Zur weiteren Begründung der Leistungskürzung bezog sich der Beklagte auf eine von ihm eingeholte gutachterliche Stellungnahme eines Privatsachverständigen vom 17. Juli 2022.

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Mit der Klage begehren die Klägerinnen von dem Beklagten, an sie als Gesamtgläubigerinnen den restlichen Betrag in Höhe von 7.669,38 € nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten zu zahlen. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

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Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

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I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, den Klägerinnen stehe eine über den gezahlten Betrag hinausgehende Todesfallleistung aus dem Versicherungsvertrag nicht zu. Der Beklagte sei gemäß § 8 AUB 94 zur Leistungskürzung in Höhe von 30 % berechtigt gewesen. Dem Beklagten sei der Nachweis gelungen, dass eine Krankheit des Versicherten mindestens zu 30 % an seinem Todeseintritt mitgewirkt habe. Bei dem Versicherten habe eine Ungerinnbarkeit des Blutes vorgelegen, die als Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen zu werten sei. Aufgrund der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Medikamenteneinnahme zu einem – mit Blick auf die Blutverdünnung – nicht angestrebten medizinischen Zustand, praktisch zu einer medikamentös induzierten Ungerinnbarkeit des Blutes, geführt habe, der ersichtlich eines ärztlichen Eingreifens bedurft habe. Der Versicherte habe die Medikamente nicht zur Behandlung einer kardiologischen Erkrankung eingenommen, sondern er habe unter der Faktor-V-Leiden-Mutation gelitten. Hierbei handele es sich nach den Angaben des Sachverständigen um eine gesteigerte Gerinnbarkeit des Blutes, die mit der Medikamentengabe normalisiert werden sollte.

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Selbst für den Fall, dass die Ungerinnbarkeit des Blutes im Rahmen der Behandlung der Grunderkrankung gewollt gewesen wäre, liege bereits mit der Erkrankung des Versicherten, der Faktor-V-Leiden-Mutation, eine Krankheit im Sinne des § 8 AUB 94 vor. Für die Frage, ob eine Krankheit oder ein Gebrechen an der Unfallfolge mitgewirkt habe, sei auf die Grunderkrankung abzustellen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass Ausschlussklauseln eng auszulegen seien. Sei Anlass für die Medikamentengabe eine bedingungsgemäße Krankheit und wirke diese an der Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mit, müsse der Ausschlusstatbestand gleichwohl greifen. Denn § 8 AUB 94 nehme gerade keine Einschränkung dahin vor, dass nur eine unmittelbare Mitwirkung ausgeschlossen sei. Die beim Versicherten bestehende Erkrankung habe nach den Angaben des Sachverständigen zu einem erhöhten Thrombose- und Lungenembolierisiko geführt, was die Behandlung mit blutverdünnenden Medikamenten erforderlich gemacht und auf diese Weise an der Unfallfolge mitgewirkt habe. Das Landgericht habe die Mitwirkung an dem Tod des Versicherten beanstandungsfrei in Höhe von 30 % beziffert.

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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

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1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte zur Leistungskürzung – hier in Höhe von 30 % – gemäß § 8 AUB 94 berechtigt gewesen sei, weil mit der Grunderkrankung des Versicherten eine Vorschädigung in Form einer Krankheit im Sinne des § 8 AUB 94 vorgelegen habe, die für die durch den Unfall verursachte Gesundheitsschädigung und deren Folgen mitursächlich gewesen sei.

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a) Eine Krankheit im Sinne von § 8 AUB 94 liegt vor, wenn ein regelwidriger Körperzustand besteht, der ärztlicher Behandlung bedarf, während unter einem Gebrechen ein dauernder abnormer Gesundheitszustand zu verstehen ist, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulässt. Demgegenüber sind Zustände, die noch im Rahmen der medizinischen Norm liegen, selbst dann keine Gebrechen, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2016 – IV ZR 521/14, VersR 2016, 1492 Rn. 22 m.w.N.).

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b) Bei der Faktor-V-Leiden-Mutation des Versicherten handelt es sich unstreitig um eine Krankheit im Sinne von § 8 AUB 94. Die Würdigung des sachverständig beratenen Berufungsgerichts, dass die Krankheit des Versicherten zu 30 % an dem Unfallereignis mitgewirkt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Erkrankung des Versicherten hat nach den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Angaben des Sachverständigen zu einem erhöhten Thrombose- und Lungenembolierisiko geführt, was die Behandlung mit den blutverdünnenden Medikamenten erforderlich gemacht und auf diese Weise an der Unfallfolge mitgewirkt hat, indem es zu einer Ungerinnbarkeit des Blutes gekommen ist. Dies genügt aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers für die Anwendung von § 8 AUB 94.

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aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 30. April 2025 – IV ZR 126/23, r+s 2025, 506 Rn. 15 m.w.N.; st. Rspr.). Liegt – wie hier – eine Versicherung für fremde Rechnung vor, kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (Senatsurteil vom 18. Dezember 2024 – IV ZR 151/23, VersR 2025, 229 Rn. 26 m.w.N.; st. Rspr.).

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bb) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut aus und versteht die Regelung des § 8 AUB 94 so, dass unfallfremde Krankheiten und Gebrechen grundsätzlich zu seinen Lasten gehen, nämlich zu einer Kürzung des Anspruchs oder einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 – IV ZR 216/07, r+s 2009, 423 Rn. 18). Weiter entnimmt er daraus, dass es für eine Anspruchskürzung genügt, dass Krankheiten und Gebrechen an der Gesundheitsschädigung oder – wie im Streitfall – an ihren Folgen mitgewirkt haben (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 2020 – IV ZR 125/18, VersR 2020, 414 Rn. 15). Eine Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen ist anzunehmen, wenn sie zusammen mit dem Unfallereignis die Gesundheitsbeeinträchtigung oder deren Folgen ausgelöst oder beeinflusst haben und keine der beiden Ursachen das eingetretene Ergebnis allein herbeigeführt hat. Es kommt also eine Mitwirkung der Vorerkrankung (Krankheit oder Gebrechen) sowohl bei der Gesundheitsbeschädigung als auch bei der späteren Heilung oder Entwicklung in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 2013 – IV ZR 98/12, VersR 2013, 1570 Rn. 26; vom 15. Dezember 1999 – IV ZR 264/98, VersR 2000, 444 [juris Rn. 17, 21]; OLG Schleswig VersR 1995, 825 unter 1. a) m.w.N.; MünchKomm-VVG/Dörner, 3. Aufl. § 178 Rn. 288; Hugemann in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht 3. Aufl. AUB 2014 Ziff. 3 Rn. 9).

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cc) Des Weiteren spricht der dem Versicherungsnehmer erkennbare Sinn und Zweck der Klausel dafür, Krankheiten oder Gebrechen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, wenn sie sich kausal auf die durch den Unfall verursachte Gesundheitsschädigung ausgewirkt haben. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt § 8 AUB 94, dass der Unfallversicherer Versicherungsschutz für Unfälle und deren Folgen bieten will, nicht jedoch für unfallfremde Ursachen von Gesundheitsschädigungen wie Krankheiten oder konstitutionell oder schicksalhaft bedingte gesundheitliche Anomalien. Bereits die Definition des Unfalls in § 1 III. AUB 94 enthält diese Abgrenzung, indem sie den Unfall als Kausalkette beschreibt, die mit einem plötzlich von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (Unfallereignis) beginnt und zu einer Gesundheitsschädigung führt. Für bereits bestehende Schäden kann ein Unfallereignis nicht kausal sein, allenfalls für ihre Verschlimmerung. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet demgemäß nicht, dass der Versicherer ihm Versicherungsschutz insoweit bietet, als sich bereits vor dem Unfall bestehende körperliche Beeinträchtigungen – wie hier – auf die Unfallfolgen auswirken (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juli 2009 – IV ZR 216/07, VersR 2009, 1525 Rn. 19).

17

Im Streitfall ist es, wie vom Berufungsgericht nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen rechtsfehlerfrei angenommen, kausal durch die Behandlung mit blutverdünnenden Medikamenten der beim Versicherten bestehenden Grunderkrankung zu einer erheblichen Verschlimmerung der Unfallfolgen in Form einer Ungerinnbarkeit des Blutes und damit Unheilbarkeit der unfallbedingt erlittenen Hirnblutung gekommen. Die Erkrankung des Versicherten hat damit an der Gesundheitsschädigung und deren Folgen kausal mitgewirkt. Soweit dagegen eingewendet wird, eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass sämtliche Therapiemaßnahmen, die zur Behandlung oder Vorbeugung in Bezug auf vorbestehende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder zur Vermeidung von solchen erfolgen, in den Blick genommen werden müssten, wodurch der Risikoausschluss unüberschaubar werde, was mit dem Grundsatz unvereinbar sei, dass Ausschlusstatbestände – hier in Form einer Leistungskürzung – eng auszulegen seien (vgl. OLG Köln r+s 2019, 599 Rn. 30), trifft dies nicht zu. Ist Grund für die Medikamentengabe und -einnahme eine bedingungsgemäße Krankheit und wirkt diese an der Gesundheitsschädigung und deren Folgen mit, findet § 8 AUB 94 auch unter Berücksichtigung des Gebots der engen Auslegung von Risikoausschlussklauseln Anwendung, denn die Regelung enthält für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar keine Einschränkung dahin, dass nur eine unmittelbare Mitwirkung zu berücksichtigen ist (Jungermann r+s 2021, 181, 190; Jungermann in Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR-Hdb 4. Aufl. § 56 Rn. 213; Hugemann in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht 3. Aufl. Ziff. 3 AUB 2014 Rn. 7, 9; Grimm/Kloth, Unfallversicherung 6. Aufl. Ziff. 3 AUB 2014 Rn. 8; Schubach in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung Ziff. 3 AUB 2008 Rn. 4; Zepter in Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 5. Aufl. § 24 Rn. 235; in dem Sinne auch OLG Koblenz VersR 2008, 67 [juris Rn. 35]). Versicherungsnehmer und Versicherte genießen zwar auch Versicherungsschutz, wenn Unfallfolgen durch eine bereits vor dem Unfall vorhandene besondere gesundheitliche Disposition verschlimmert werden, diese berechtigt den Versicherer dann aber zur Leistungskürzung, hier nach § 8 AUB 94. Soweit das Berufungsurteil damit von der Entscheidung des OLG Köln (r+s 2019, 599 Rn. 30) abweicht, steht die Senatsrechtsprechung der Begründung des Berufungsgerichts nicht entgegen. In dem Senatsurteil vom 19. Oktober 2016 (IV ZR 521/14, VersR 2016, 1492 Rn. 14 m.w.N.) zur sogenannten Gelegenheitsursache hat der Senat entschieden, dass es für einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung genügt, dass das Unfallereignis an der eingetretenen Beeinträchtigung mitgewirkt hat und daher das Vorhandensein von Vorschäden für sich genommen die Kausalität nicht ausschließt. Im vorliegenden Fall geht es gewissermaßen reziprok darum, dass Vorschäden im Rahmen der Kürzung des Anspruchs des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen sein können, wenn sie an der unfallbedingten Beeinträchtigung mitgewirkt haben, und zwar auch dann, wenn diese Mitwirkung nur eine mittelbare ist (in diese Richtung tendenziell bereits Senatsurteile vom 22. Januar 2020 – IV ZR 125/18, VersR 2020, 414 Rn. 16 ff. (Verletzung an „Gliedmaßen“); vom 23. Oktober 2013 – IV ZR 98/12, VersR 2013, 1570 Rn. 26 ff. (Nussallergie)).

18

2. a) Zutreffend hat das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen im Streitfall außerdem im Rahmen einer zweiten selbständigen Begründung angenommen, dass die Behandlung mit den Medikamenten ihrerseits zu einem – mit Blick auf die Blutverdünnung zur Behandlung der Grunderkrankung des Versicherten in Form einer gesteigerten Gerinnbarkeit des Blutes (Faktor-V-Leiden-Mutation) – nicht angestrebten medizinischen Zustand geführt hat, bei dem das Blut gar nicht mehr gerinnen konnte, was eines ärztlichen Eingreifens bedurfte, und dieser Zustand selbst ebenfalls eine Krankheit im Sinne der Mitwirkungsklausel darstellt. Da hier bereits ein nicht angestrebter medizinischer Zustand eingetreten war, kann die weitere Frage, ob generell die Gabe blutverdünnender Medikamente eine Krankheit oder ein Gebrechen darstellt, offenbleiben (in diesem Sinne OLG Koblenz VersR 2008, 67 [juris Rn. 35]; ablehnend dagegen: OLG Köln r+s 2019, 599 Rn. 26 f.; Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, VVG-PK 4. Aufl. § 182 Rn. 8; MünchKomm-VVG/Dörner, 3. Aufl. § 178 Rn. 286; Götz-Schweitzer in Looschelders/Pohlmann, VVG 4. Aufl. § 182 Rn. 4).

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b) Nicht durchzudringen vermag die Revision mit den von ihr in diesem Zusammenhang erhobenen Gehörsrügen.

20

aa) Das Berufungsgericht hat entgegen der Revisionsbegründung mit Verfügung vom 3. September 2024 darauf hingewiesen, dass es die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom September 2023 so verstehe, „dass der durch die medikamentöse Behandlung des Versicherungsnehmers bewirkte Zustand der praktischen Ungerinnbarkeit des Blutes in dieser Form nicht herbeigeführt werden sollte, sondern über das gewollte Maß der Blutverdünnung hinausgegangen ist“, was als Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen zu werten sei und sich der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht insoweit von dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Februar 2019 (r+s 2019, 599) unterscheide. Die Klägerinnen haben darauf erwidert, den Hinweis mithin zur Kenntnis genommen und hatten damit Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Berufungsgericht hat auch im Übrigen seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO genügt. Bereits der Sachverständige des Beklagten hatte festgestellt, dass die Folgen der Hirnblutung maßgeblich durch die Medikation beeinflusst worden seien; die Blutgerinnung sei „therapeutisch, aber doch pathologisch verändert“ worden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige weicht von dieser Feststellung nicht ab, sondern hat das Ausmaß der Veränderung nur konkretisiert.

21

bb) Ebenfalls keinen Erfolg hat die Revision mit ihrem Vorbringen, das Berufungsgericht hätte den gerichtlichen Sachverständigen erneut vernehmen müssen, weil es dessen Ausführungen abweichend von der Vorinstanz gewürdigt habe. Dies trifft nicht zu. Schon das Landgericht war nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. zu der Überzeugung gelangt, dass „die durch die Medikamenteneinnahme veränderte körperliche Konstitution“ des Versicherten als Gebrechen im Sinne des § 8 AUB 94 anzusehen sei, weil durch die damit einhergehende Blutverdünnung eine geänderte Beschaffenheit des Körpers eingetreten sei. Es hat daraus lediglich andere rechtliche Schlussfolgerungen gezogen.

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cc) Erfolglos bleibt auch die Rüge, das Berufungsgericht habe sich, soweit es meinte, dass Ziel der Medikamentengabe nicht gewesen sei, eine praktische Ungerinnbarkeit des Blutes herbeizuführen, auf einen Umstand bezogen, auf den sich der Beklagte nicht berufen habe. Bei der Frage, wie die veränderte Blutgerinnung zu bewerten ist, handelt es sich zum einen um eine medizinische Frage, die – wie geschehen – durch Sachverständigenbeweis zu klären war, und zum anderen um eine vom Gericht zu beantwortende rechtliche Frage. Im Übrigen gilt, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage getretenen Umstände jedenfalls hilfsweise zu eigen macht, soweit sie ihre Rechtsposition stützen, und das Gericht auch diesen Vortrag der Partei bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2001 – VI ZR 203/00, VersR 2001, 1174 [juris Rn. 9 m.w.N.]).

Prof. Dr. Karczewski                Dr. Brockmöller                  Dr. Bußmann

                              Dr. Götz                                Rust

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