Beschluss des BVerwG 1. Wehrdienstsenat vom 28.08.2025, AZ 1 WB 31.24

BVerwG 1. Wehrdienstsenat, Beschluss vom 28.08.2025, AZ 1 WB 31.24, ECLI:DE:BVerwG:2025:280825B1WB31.24.0

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

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Der Antragsteller wendet sich gegen eine Anordnung seines Disziplinarvorgesetzten, seine Dienst- und Verwendungsfähigkeit überprüfen zu lassen.

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Der … geborene Antragsteller ist Berufssoldat und Oberstleutnant der Besoldungsgruppe A 15. Zum 1. November … wurde er auf den Dienstposten eines Einsatzstabsoffiziers (DP-ID …) zum …kommando der Bundeswehr in … versetzt. Rechtsbehelfe dagegen sind erfolglos geblieben (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2024 – 1 WB 8.24 -).

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Ausweislich seines Krankenmeldescheines hatte sich der Antragsteller am 11. April 2023, am 4. Mai 2023, am 10. November 2023 und am 23. November 2023 beim Truppenarzt vorgestellt. Dieser ordnete nach den Untersuchungen entweder an, den Antragsteller für konkrete Zeiträume von insgesamt mehr als einem Monat von allen Dienstverpflichtungen freizustellen (kzH) oder sah Einschränkungen für die Teilnahme am Dienst vor. Nach eigenen Angaben des Antragstellers in Zusammenhang mit einem Antrag auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung wegen der gesundheitlichen Folgen von Mobbing war der Antragsteller im Zeitraum vom 31. August bis 23. Oktober 2023 stationär in einer Fachklinik für Verhaltensmedizin behandelt worden.

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Unter dem 6. Dezember 2023 betraute der Referatsleiter, Kapitän zur See A, einen anderen Stabsoffizier temporär zusätzlich mit Aufgaben des Dienstpostens des Antragstellers. Dieser werde im Rahmen seiner Verfügbarkeit und Möglichkeiten unterstützend beraten und eingebunden.

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Am 14. Dezember 2023 ordnete der Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers, der Chef des Stabes des …kommandos Brigadegeneral B, an, die Verwendungsfähigkeit des Antragstellers auf dessen Dienstposten ärztlich untersuchen zu lassen. Im Ergebnis der Begutachtung stellte der Truppenarzt am 1. Februar 2024 fest, dass der Antragsteller mit Einschränkungen verwendungsfähig sei. Er könne nicht an längeren Lehrgängen, Auslandseinsätzen und längeren Kommandierungen teilnehmen.

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Unter dem 11. Januar 2024 beschwerte sich der Antragsteller gegen die Begutachtungsanordnung. Ihr fehle die nach Nr. 3047 AR A1-831/0-4000 erforderliche Angabe des Begutachtungsanlasses. Er habe sich in den letzten Jahren wiederholt Begutachtungen seiner Verwendungsfähigkeit unterziehen müssen. Die Infragestellung seiner Verwendungsfähigkeit sei dabei jeweils haltlos gewesen. Er sehe die Anordnungen als Teil einer gegen ihn gerichteten Mobbingkampagne und habe sie als traumatische Erfahrungen erlebt. Eine weitere Begutachtungsanordnung würde ihn erneut traumatisieren und könne seinen Gesundheitszustand negativ beeinflussen, so dass dann tatsächlich ein Anlass für eine Begutachtung bestehe. Hinsichtlich dieser dritten Begutachtungsanordnung müsse daher jeder Zweifel an ihrer dienstlichen Notwendigkeit und der Einhaltung der Vorschriften ausgeräumt werden. Er werde dadurch jedoch schon mangels einer eindeutigen Bezeichnung des Anlasses unrichtig behandelt. Es stehe zu befürchten, dass die Untersuchung nicht ausreichend zielgerichtet durchgeführt werden könne. Besonders schwer wiege, dass weitere traumatische Erfahrungen einen Anlass für eine Begutachtung entstehen lassen könnten. Wegen erheblicher Wiederholungsgefahr mache er ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse geltend.

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Mit am 11. März 2024 ausgehändigtem Bescheid vom 21. Februar 2024 wies der Befehlshaber des …kommandos die Beschwerde zurück. Die Begutachtung sei in Auftrag gegeben worden, weil der Antragsteller nach seinem Krankenmeldeschein die Aufgaben als Einsatzstabsoffizier und Sachgebietsleiter nicht vollumfänglich habe wahrnehmen können. Damit solle ein alternativer Dienstposten durch die personalbearbeitende Stelle ermöglicht werden. Es habe wegen des Krankenmeldescheines hinreichende Hinweise auf Einschränkungen nach Nr. 1013 AR A1-831/0-4000 gegeben. Die Anordnung beziehe sich allein auf die Verwendung auf dem gegenwärtigen Dienstposten und stehe nicht in Zusammenhang mit vorherigen Begutachtungen. Da dem Antragsteller seine eingeschränkte Verwendbarkeit bewusst gewesen sei, habe es keines gesonderten Hinweises bedurft. Die formularmäßige Anordnung habe Nr. 2020 AR A1-831/0-4000 entsprochen.

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Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit einer weiteren Beschwerde vom 8. April 2024. Seine Beschwerde sei nicht binnen Monatsfrist beschieden und damit nicht beschleunigt bearbeitet worden. Dass die Anordnung durch Hinweise aus seinem Krankenmeldeschein veranlasst sei, sei nicht stichhaltig. Er sei nach seinem Dienstantritt im …kommando am 10. und am 23. November 2023 truppenärztlich untersucht und bis zum 8. Januar 2024 von über vier Stunden täglich bzw. vier Tage pro Woche hinausgehend Dienstverrichtungen befreit worden. In diesen Zeitraum sei ein zweiwöchiger Urlaub gefallen. Seine Genesung sei zu erwarten gewesen. Dass diese nicht eingetreten sei, führe er auf die erneute traumatische Erfahrung einer abermaligen Untersuchung zurück. Die Anordnung sei allein aufgrund des nicht ausreichenden Krankenmeldescheins ohne ein persönliches Gespräch erfolgt und damit unzweckmäßig. Er bezweifele, dass kein Zusammenhang mit vorangegangenen Anordnungen bestehe und verweise auf seine Ausführungen zu Mobbing gegen ihn. Ihm sei keine eingeschränkte Verwendbarkeit bewusst gewesen, da er von seiner Genesung bis zum Urlaubsende ausgegangen sei. Bei anderen Soldaten mit vorübergehenden Einschränkungen sei keine Begutachtungsanordnung erfolgt. Er bestreite, dass das Formular ihm korrekt ausgefüllt ausgehändigt worden sei. Auf seinen Einwand, der Mangel einer eindeutigen Bezeichnung des Begutachtungsanlasses führe zu einer nicht ausreichend zielgerichteten Untersuchung, gehe der Beschwerdebescheid nicht ein.

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Mit Schreiben vom 3. Juli 2024 rügte der Antragsteller die Untätigkeit in Bezug auf seine weitere Beschwerde.

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Unter dem 15. Juli 2024 stellte er direkt Untätigkeitsantrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Monatsfrist für eine Bescheidung seiner weiteren Beschwerde sei ohne Entscheidung des Generalinspekteurs der Bundeswehr verstrichen.

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Am 16. Juli 2024 wurde dem Antragsteller der Bescheid des Generalinspekteurs der Bundeswehr vom 4. Juli 2024 ausgehändigt, mit dem dieser die weitere Beschwerde zurückwies. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 WBO sei die weitere Beschwerde mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag zulässig, jedoch unbegründet. Die Begutachtungsanordnung stelle einen Befehl dar, dessen Rechtsgrundlage in § 17a Abs. 2 Nr. 2 SG liege. Form- und Verfahrensvoraussetzungen nach der AR A1-831/0-4000 seien beachtet worden. Auch die materiellen Voraussetzungen des Vorliegens einer dienstlichen Notwendigkeit und der Wahrung des verhältnismäßigen Umfanges nach § 17a Abs. 2 Nr. 2 SG und der AR A1-831/0-4000 seien gegeben. Die auf dem Krankenmeldeschein zwischen dem 11. April 2023 und dem 23. November 2023 fortlaufend vermerkten Einschränkungen der Dienstfähigkeit stellten hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine anlassbezogene Überprüfung der vollumfänglichen Verwendungsfähigkeit des Antragstellers auf dem Dienstposten dar. Die Anordnung verlange keine Beobachtung oder invasive Maßnahmen und sei daher auch nicht unverhältnismäßig. Sie sei auf Tatsachen gegründet und nicht willkürlich. Die Grenzen der Befehlsbefugnis aus § 10 Abs. 4 SG seien gewahrt. Für eine Schikane gebe es objektiv keine Anhaltspunkte. Ein Zusammenhang mit früheren Begutachtungsanordnungen bestehe nicht. Ein gleich geeignetes, milderes Mittel gebe es nicht. Dass die Anordnung geeignet gewesen wäre, den Antragsteller zu retraumatisieren, sei nicht nachweisbar. Der Beschleunigungsgrundsatz sei bei der Beschwerdebearbeitung nicht verletzt worden.

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Beim …kommando stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 18. Juli 2024 erneut fristwahrend Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Generalinspekteur der Bundeswehr vom 4. Juli 2024. Er wolle die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über seinen Antrag vom 15. Juli 2024 abwarten und den Antrag dann begründen.

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Der Antragsteller macht geltend, sein Untätigkeitsantrag habe sich durch den Beschwerdebescheid des Generalinspekteurs der Bundeswehr nicht erledigt. Weder seine Beschwerde noch seine weitere Beschwerde seien innerhalb der Monatsfrist hierfür beschieden worden, so wie dies auch schon in dem Senat bekannten weiteren Verfahren unterblieben sei. Der Beschleunigungsgrundsatz sei verletzt. Das Bundesministerium der Verteidigung dürfte nicht noch durch eine Einstellung des Verfahrens für seine Untätigkeit belohnt werden.

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Das Bundesministerium der Verteidigung regt an, das Verfahren einzustellen. Der Untätigkeitsantrag habe sich durch die zwischenzeitlich erfolgte Zustellung des Beschwerdebescheides des Generalinspekteurs der Bundeswehr erledigt. Durch die Einstellung erleide der Antragsteller keinen Nachteil, da er unter dem 18. Juli 2024 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diese Sachentscheidung gestellt habe. Nach Eingang der angekündigten Begründung werde dieser separat vorgelegt. Soweit dieses Verfahren aus prozessökonomischen Gründen nicht eingestellt werde, sei eine Abhilfe nicht beabsichtigt. Der Beschwerdebescheid vom 4. Juli 2024 sei dann als zusätzlicher Sachvortrag zu werten.

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Nach einem rechtlichen Hinweis der Berichterstatterin vom 1. Juli 2025 zu Fragen der Erledigung und der Zulässigkeit des Antrages im Übrigen verweist das Bundesministerium der Verteidigung darauf, dass das für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag erforderliche besondere Feststellungsinteresse bislang nicht erkennbar sei. Der Antragsteller rüge nur, dass er binnen Monatsfrist keinen Beschwerdebescheid erhalten habe und übersehe, dass der Fristablauf ihm nur die Möglichkeit eröffne, unter Verlust einer Beschwerdeinstanz eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, nicht aber eine Sachentscheidung zur Frage einer verzögerten Beschwerdebearbeitung. In der Sache werde auf die Beschwerdebescheide verwiesen. Die Begutachtungsanordnung begegne hiernach keinen Bedenken. Der Antragsteller sieht seinen Antrag entsprechend dem rechtlichen Hinweis als zulässig an und verweist wegen der Begründetheit auf die bereits vorliegenden Schriftstücke. Insbesondere sieht er wegen vorangegangener Begutachtungsanordnungen ein sich aus einer erheblichen Wiederholungsgefahr ergebendes Feststellungsinteresse.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

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1. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3, § 88 VwGO), dass er begehrt, die Beschwerdebescheide vom 21. Februar 2024 und 4. Juli 2024 aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der Begutachtungsanordnung vom 14. Dezember 2023 festzustellen. Außerdem begehrt er vor dem Hintergrund seiner ausdrücklichen Beanstandung der Verzögerung und des Unterbleibens einer Bescheidung seiner Beschwerden sinngemäß die Feststellung, dass seine Rechte durch eine verzögerte Beschwerdebearbeitung verletzt worden seien.

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2. Der Antrag ist teilweise zulässig.

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a) Unzulässig ist der Antrag, soweit er die Rüge einer verzögerten Bearbeitung betrifft und sinngemäß die Feststellung einer Rechtsverletzung durch das Unterbleiben einer Bescheidung binnen Monatsfrist begehrt wird. § 17 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 22, 21 Abs. 2 Satz 1 WBO eröffnen einem Antragsteller, dessen weitere Beschwerde nicht innerhalb eines Monats beschieden wird, den Weg zu einer Sachentscheidung durch das zuständige Wehrdienstgericht. Hierfür kommt es auf die Gründe für die Überschreitung der Monatsfrist nicht an. Der betroffene Antragsteller hat die Möglichkeit, einen Ausgleich für Verzögerungen in der Beschwerdeinstanz dadurch zu erhalten, dass ihm direkt der Weg zu einer gerichtlichen Sachentscheidung eröffnet wird. Einen weiteren Ausgleich durch eine gerichtliche Feststellung zur (fehlenden) Berechtigung der Verzögerung sieht die Wehrbeschwerdeordnung weder vor, noch bedarf es eines solchen für einen angemessenen Rechtsschutz.

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Vor diesem Hintergrund ist im Übrigen mit dem Beschwerdebescheid vom 4. Juli 2024 auch keine Erledigung hinsichtlich des Streitgegenstandes eingetreten. Das Verfahren ist daher auch nicht – wie vom Bundesministerium der Verteidigung ausgeführt – einzustellen.

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b) Dagegen ist der Antrag zulässig, soweit er die Begutachtungsanordnung vom 14. Dezember 2023 in der Gestalt der sie bestätigenden Beschwerdeentscheidungen betrifft.

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aa) Die Begutachtungsanordnung stellt eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 WBO dar, gegen die ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung – hier in der Form eines Untätigkeitsantrages nach § 17 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 22, 21 Abs. 2 Satz 1 WBO – statthaft ist. Als Betroffener der ihn belastenden Maßnahme ist der Antragsteller auch antragsbefugt.

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Wie der Beschwerdebescheid vom 4. Juli 2024 zutreffend festhält, handelte es sich bei der Begutachtungsanordnung dem Antragsteller gegenüber um einen Befehl, sich der Begutachtung zu stellen. Dieser Befehl hatte sich durch die Durchführung der ärztlichen Untersuchung und damit die Befolgung des Befehls seitens des Antragstellers erledigt. Ebenso wie nach § 13 Abs. 1 Satz 3 WBO im Beschwerdeverfahren ein Fortsetzungsfeststellungsantrag auch ohne Darlegung eines Feststellungsinteresses zulässig ist, ist ein solcher Antrag im gerichtlichen Verfahren nach § 19 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 2 WBO hier ohne weitere Darlegung eines spezifischen Feststellungsinteresses zulässig.

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bb) Zwar war der am 16. Juli 2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangene und entgegen § 21 Abs. 1 Satz 2, § 22 WBO direkt an dieses adressierte Antrag vom 15. Juli 2024 ursprünglich verfrüht und damit unzulässig.

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Einem Antragsteller ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) in entsprechender Anwendung von § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO die Möglichkeit eröffnet, seinen Antrag als Untätigkeitsantrag selbst bei Gericht anzubringen, wenn sich die nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO zwingend vorgesehene Vorlage durch das Bundesministerium der Verteidigung über einen Zeitraum von einem Monat hinaus verzögert (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. März 2023 – 1 WB 32.21 – juris Rn. 24 m. w. N. und vom 26. September 2024 – 1 WB 8.24 – juris Rn. 26).

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Das setzt aber voraus, dass zuvor beim Bundesministerium der Verteidigung nach der weiteren Untätigkeitsbeschwerde auch zusätzlich ein Untätigkeitsantrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt wird.

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Hier hat der Antragsteller unter dem 15. Juli 2024 direkt beim Senat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, aber dem Bundesministerium der Verteidigung nicht mindestens einen Monat Zeit gegeben, seine Anträge auf gerichtliche Entscheidung vom 3. Juli 2024 oder vom 18. Juli 2024 vorzulegen.

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Mittlerweile ist aber auch bezüglich des Antrages vom 18. Juli 2024 die Vorlage um mehr als einen Monat verzögert, so dass der Direktantrag jedenfalls zulässig geworden ist (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2025 – 1 WB 40.24 – juris Rn. 27 m. w. N.). Der Antrag ist durch den Zeitablauf in die Zulässigkeit hineingewachsen (vgl. Porsch, in: Schoch/​Schneider, Verwaltungsrecht Stand Februar 2025, VwGO § 75 Rn. 6a m. w. N.). Den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bilden hiernach die Begutachtungsanordnung vom 13. Dezember 2023 und die Beschwerdebescheide vom 21. Februar 2024 sowie vom 4. Juli 2024.

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3. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er aber unbegründet. Die Begutachtungsanordnung in der Gestalt der sie bestätigenden Beschwerdebescheide ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten.

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a) Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SG hat ein Soldat ärztliche Maßnahmen auch gegen seinen Willen zu dulden, wenn sie der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit dienen. Die Duldung kann der Vorgesetzte dem Soldaten unter Beachtung der Grenzen des § 10 Abs. 4 SG befehlen. Der Dienstherr hat in der AR A1-831/0-4000 zum einen konkretisiert, welche Untersuchungen im Rahmen der genannten Normen zu dulden sind, und zum anderen auch das zu beachtende Verfahren im Einzelnen ausgestaltet. An die Einhaltung dieser Vorgaben in der Form, in der sie tatsächlich regelmäßig praktiziert werden, ist er auch dem jeweils betroffenen Soldaten gegenüber nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Gemäß Nr. 1013 AR A1-831/0-4000 darf auch die anlassbezogene Überprüfung der Verwendungsfähigkeit auf dem aktuellen Dienstposten grundsätzlich nur bei hinreichenden Hinweisen auf Einschränkungen, beispielsweise durch ärztliche Hinweise auf dem Krankenmeldeschein, in Auftrag gegeben werden. Für die Überprüfung der Verwendungsfähigkeit auf dem aktuellen Dienstposten finden sich Verfahrensvorgaben in den Nummern 5001 ff. der AR A1-831/0-4000. Nr. 5004 AR A1-831/0-4000 sieht vor, dass Disziplinarvorgesetzte basierend auf einem ärztlichen Hinweis oder eigenen, begründeten Bedenken aus dem dienstlichen Umfeld die Begutachtung auf „Verwendungsfähigkeit auf dem aktuellen Dienstposten“ mit dem Formular Bw-3454 und unter Beifügung einer Dienstpostenbeschreibung in Auftrag geben. Die allgemeinen Vorgaben zur Dokumentation unter Punkt 2.2. der AR A1-831/0-4000 sehen in Nr. 2020 Vorgaben für das Formular Bw-3454 vor, in denen insbesondere die zu verwendenden Formulierungen beschränkt werden.

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b) Diesen Anforderungen ist auch unter Berücksichtigung der Einwände des Antragstellers genügt worden.

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Die Anordnung diente der Überprüfung der Verwendungsfähigkeit des Antragstellers auf dem Dienstposten, auf den er kurz vor der Anordnung versetzt worden war, und damit zugleich dienstlichen Zwecken im Sinne von § 10 Abs. 4 SG. Der Disziplinarvorgesetzte hatte wegen der im Krankenmeldeschein vermerkten und zum Teil kurz vor und zum Teil nach seiner Versetzung zum …kommando liegenden Krankenschreibungen und Verwendungseinschränkungen hinreichende Hinweise auf fortbestehende gesundheitliche Belastungen des Antragstellers, die es gerade unter Beachtung der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten erforderlich machten, möglichen Einschränkungen der Verwendungsfähigkeit durch ärztliche Expertise nachzugehen. Dies gilt umso mehr, als bereits vor der streitgegenständlichen Anordnung ein Teil der Aufgaben des Antragstellers temporär auf einen Kameraden übertragen werden musste. Hiernach war der zuständige Disziplinarvorgesetzte berechtigt und verpflichtet, zu prüfen, welche Maßnahmen geboten waren, um der gesundheitlichen Situation des Antragstellers Rechnung zu tragen, bestehende Einschränkungen nicht weiter zu verschlechtern und zu einer vollständigen Genesung beizutragen. Die Grundlagen hierfür durften durch die Begutachtungsanordnung geschaffen werden.

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Entgegen der Auffassung des Antragstellers musste der Disziplinarvorgesetzte auch nicht von der Gefahr einer Retraumatisierung des Antragstellers ausgehen und war ebenso wenig verpflichtet, eine vollständige Genesung nach Abschluss der stationären Behandlung des Antragstellers zu prognostizieren. Dass den Antragsteller die angeordnete truppenärztliche Untersuchung in erheblichem Ausmaß psychisch belasten könnte, war schon deswegen nicht anzunehmen, weil sich dieser ohnehin in laufender truppenärztlicher Betreuung befand. Da der Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers im …kommando nicht Teil der von Spannungen belasteten Situation im …amt gewesen war, lag es fern, sein Handeln als Teil der vom Antragsteller als Mobbing empfundenen Situation im …amt oder zusätzliche Belastung des Antragstellers zu werten. Ohne eigene ärztliche Expertise war der Disziplinarvorgesetzte auch nicht gehalten, der Prognose des Antragstellers, er werde nach dem Klinikaufenthalt vollständig genesen sein, zu folgen. Vielmehr war er – nicht zuletzt zur Erfüllung seiner Fürsorgepflicht dem Antragsteller gegenüber – berechtigt, diese Eigeneinschätzung durch ärztliche Fachkunde überprüfen zu lassen.

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Die Anordnung war auch verhältnismäßig, insbesondere ist ein milderes, gleich geeignetes Mittel als eine einfache Untersuchung durch den Truppenarzt, nicht ersichtlich. Zwar wäre es unverhältnismäßig, den Antragsteller allein wegen fortgesetzter Krankschreibungen mit einer Vielzahl kontinuierlicher Begutachtungsanordnungen zu überziehen. Grundsätzlich kann auch ohne truppenärztliche Begutachtung, etwa durch Arztbriefe, ausreichend zu klären sein, ob ein Soldat auf seinem aktuellen Dienstposten verwendungsfähig ist. Hier kommt jedoch hinzu, dass der Antragsteller kurz vor der Anordnung einen neuen Dienstposten an einer neuen Dienststelle angetreten hatte und dort bereits durch die Vertretungsanordnung vom 6. Dezember 2023 den dienstlichen Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers Rechnung getragen werden musste. Vor diesem Hintergrund war nicht zu beanstanden, dass der neue Disziplinarvorgesetzte bezogen auf den Dienstposten eine truppenärztliche Prüfung der Verwendungsfähigkeit veranlasste.

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Die Angaben im vorgeschriebenen Formular folgen den Vorgaben aus Nr. 2020 AR A1-831/0-4000. Es ist zudem weder substantiiert dargetan noch ersichtlich, welche zusätzlichen Angaben der Truppenarzt benötigt hätte, um dem Gutachtenauftrag entsprechen zu können. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Antragsteller in Bezug genommenen Nr. 3047 AR A1-831/0-4000. Abgesehen davon, dass diese Regelung nicht den vom Antragsteller behaupteten Inhalt hat, ist sie Teil der Regelungen zur Durchführung einer Entlassungsuntersuchung und damit gar nicht einschlägig.

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