BPatG München 29. Senat, Beschluss vom 02.12.2024, AZ 29 W (pat) 54/22, ECLI:DE:BPatG:2024:021224B29Wpat54.22.0
Leitsatz
NPD
Das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 – 4 GG steht der Annahme eines Verstoßes der Markenanmeldung „NPD“ gegen die guten Sitten gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG nicht entgegen.
Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundespatentgerichts:
Rechtsbeschwerde zugelassen – jedoch nicht eingelegt
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2022 006 491.6
hat der 29. Senat (Marken- Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 2. Dezember 2024 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Mittenberger-Huber, die Richterin Lachenmayr-Nikolaou und den Richter Posselt beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Buchstabenfolge
2
NPD
3
ist am 12. April 2022 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
4
Klasse 9: Wiedergabe oder Verarbeitung von Ton, Bild oder Daten; aufgezeichnete Medien; herunterladbare Medien; Computersoftware; leere digitale oder analoge Aufzeichnungs- und Speichermedien;
5
Klasse 16: Papier; Pappe [Karton]; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Zeichenartikel; Lehrmaterial; Unterrichtsmaterial;
6
Klasse 18: Leder; Lederimitationen; Reisegepäck; Tragetaschen; Regenschirme; Sonnenschirme; Spazierstöcke;
7
Klasse 21: Glaswaren; Porzellan; Steingut;
8
Klasse 25: Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;
9
Klasse 28: Spiele; Spielwaren; Spielzeug; Videospielgeräte; Turnartikel; Sportartikel; Christbaumschmuck;
10
Klasse 32: Biere; alkoholfreie Getränke; Mineralwässer; kohlensäurehaltige Wässer; Fruchtgetränke; Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von alkoholfreien Getränken;
11
Klasse 34: Tabak; Tabakersatzstoffe; Zigaretten; Zigarren; elektronische Zigaretten; Verdampfer zum Inhalieren für Raucher; Raucherartikel; Streichhölzer;
12
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Geschäftsorganisation; Geschäftsverwaltung; Büroarbeiten; Medienarbeit; Öffentlichkeitsarbeit;
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Klasse 41: Unterhaltung; Filmproduktion; Veranstaltungen.
14
Mit Beschluss vom 22. August 2022 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die Anmeldung unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 14. Juni 2022 wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG zurückgewiesen.
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Zur Begründung ist ausgeführt, die angemeldete Wortmarke „NPD“ sei geeignet, das Empfinden erheblicher Teile des angesprochenen Verkehrs zu verletzen, indem die in ihr zum Ausdruck kommenden Ansichten und Gesinnungen in Bezug auf bestimmte Verkehrskreise bzw. Bevölkerungsgruppen herabsetzend bzw. diskriminierend wirken würden. Die Buchstabenfolge „NPD“ werde vom inländischen Verkehr als Hinweis auf die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ aufgefasst. Wie im Rahmen des zweiten Parteiverbotsverfahrens durch das BVerfG festgestellt, verstoße das Konzept der Partei gegen die Menschenwürde sowie das Demokratieprinzip, da es u. a. auf dem Vorrang einer ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ beruhe, die bestimmte gesellschaftliche Gruppen, insbesondere Ausländer, Migranten, Muslime und Juden ausgrenze und verächtlich mache. Das Zeichen verkörpere somit diffamierendes, rassistisches Gedankengut, das in klarem Widerspruch zu den grundlegenden Werten und Normen des Grundgesetzes stehe. Entsprechende Inhalte würden gegen die guten Sitten im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG verstoßen, da sie regelmäßig das Empfinden der betreffenden Verkehrskreise erheblich verletzen würden. Dies zeige sich auch an den Reaktionen des Verkehrs, da Veranstaltungen der Beschwerdeführerin regelmäßig größere Gegendemonstrationen sowie Unverständnis und Verärgerung hervorrufen würden. Durch die Zurückweisung der Anmeldung werde die Anmelderin nicht in ihrem Recht auf Chancengleichheit gem. Art. 21 Abs. 1 GG verletzt, da rein wirtschaftliche Betätigungen von Parteien nicht vom Schutzbereich des Art. 21 GG erfasst würden.
16
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,
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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des DPMA vom 22. August 2022 aufzuheben.
18
Zudem regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
19
Zur Begründung trägt die Beschwerdeführerin vor, ein Schutzhindernis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG könne nicht angenommen werden. Bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „öffentliche Ordnung“ und „gute Sitten“ seien die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen des Art. 21 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG dahingehend zu berücksichtigen, dass die politischen Parteien ihren Verfassungsauftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, möglichst ungehindert erfüllen könnten und der Grundsatz der Chancengleichheit zwischen den Parteien gewahrt bleibe. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 17. Januar 2017, Az. 2 BvB 1/13, nicht die Verfassungswidrigkeit der Beschwerdeführerin festgestellt und ausdrücklich ausgeführt, dass ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer Partei bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit ausgeschlossen sei und dass das Grundgesetz die Gefahr, die in der Tätigkeit einer Partei bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit liege, um der politischen Freiheit willen in Kauf nehme. Auch könne das Parteiprogramm der Beschwerdeführerin nach der Rechtsprechung nicht als sachlicher Differenzierungsgrund hergenommen werden, um sie im Verhältnis zu anderen Parteien zu benachteiligen (Verweis auf: BVerwG vom 28.11.2018, Az.: 6 C 2.17, zum fortbestehenden Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos; BVerwG 27.06.2018, Az.: 10 CN 1.17 zur Unzulässigkeit der finanziellen Benachteiligung einer NPD-Fraktion; OVG des Saarlandes vom 10.07.2017, Az.: 2 B 554/17, zum fortbestehenden Anspruch auf Überlassung kommunaler Räumlichkeiten.). Dies habe das DPMA verkannt. Insbesondere könne nicht damit argumentiert werden, dass gegen einen Markenanmelder in der Öffentlichkeit demonstriert werde. Vielmehr müsste ansonsten beispielsweise auch die Marke „SIEMENS“ gelöscht werden, weil es Demonstrationen gegen den Konzern gebe. Das Argument der Markenstelle, eine politische Partei bedürfe im geschäftlichen Verkehr keines Markenschutzes, weil sie daran ohnehin nicht teilnehme, gehe ebenfalls fehl. Dann hätten auch Marken wie „Bündnis 90/Die GRÜNEN“ oder „AfD“ nicht eingetragen werden dürfen. Zudem werde die Buchstabenfolge „NPD“ von Kritikern verwendet und auf Tassen, T-Shirts, Kissen, Postern etc. angebracht, beispielsweise vom „Zentrum für Politische Schönheit“. Die Beschwerdeführerin benötige markenrechtlichen Schutz, um gegen den Missbrauch ihres Namens vorgehen zu können. Diesem habe in der Vergangenheit weder über das Urheberrecht noch über das Namensrecht effektiv entgegengewirkt werden können, weswegen ein zusätzlicher markenrechtlicher Schutz zwingend erforderlich sei.
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Auf Nachfrage des Senats hat die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie trotz ihrer zwischenzeitlichen Umbenennung in „Die Heimat“ an der Beschwerde festhalte und eine Senatsentscheidung begehre.
21
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den am 20. Februar 2020 versandten Hinweis des Senats und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
22
Die zulässige, insbesondere nach § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und gem. § 66 Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der Marke steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht gem. § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen hat.
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1. Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.
24
Unter öffentlicher Ordnung versteht man einen normativen Bezugsrahmen von Werten und Zielen, der von den maßgebenden öffentlichen Stellen verbindlich festgelegt wird. Der Inhalt der öffentlichen Ordnung ist in der Regel aus dem Grundgesetz, den Gesetzen oder sonstigen offiziellen Quellen objektiv festzustellen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 14. Aufl. 2024, § 8 Rn. 971). Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG ist nicht bei jeder Gesetzesverletzung anzunehmen. Vielmehr muss ein Verstoß gegen Regelungen vorliegen, die zu den wesentlichen Grundsätzen, Werten und Zielen der deutschen Rechtsordnung zählen. Zur öffentlichen Ordnung gehören insbesondere die Grundrechte und die freiheitliche demokratische Grundordnung (vgl. Albrecht in BeckOK Markenrecht, 39. Edition Stand: 01.10.2024, § 8 Rn. 720).
25
Von einem Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG ist auszugehen, wenn das angemeldete Zeichen geeignet ist, das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise erheblich zu verletzen, indem es etwa in sittlicher, politischer oder religiöser Hinsicht anstößig oder herabwürdigend wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellt (vgl. BGH GRUR 2013, 729 Rn. 9 – READY TO FUCK; GRUR 1995, 592, 593 – Busengrapscher; BPatG, Beschluss vom 28.07.2021, 29 W (pat) 39/18 – Absurd; Beschluss vom 09.09.2013, 27 W (pat) 535/13 – Zur Ritze; Beschluss vom 03.03.2011, 27 W (pat) 554/10 – RCQT; Beschluss vom 17.07.2008, 26 W (pat) 69/05 – (Ehemaliges) DDR-Symbol der Sicherheitskräfte). Der Begriff der „guten Sitten“ bezieht sich dabei auf Werte und Überzeugungen, an denen die Gesellschaft im jeweiligen Zeitpunkt festhält und die von dem jeweiligen gesellschaftlichen Konsens getragen werden (EuGH GRUR 2020, 395 Rn. 39 – Fack Ju Göhte). Ihre Feststellung erfordert eine gewisse empirische Einschätzung dessen, was die betreffenden Verkehrskreise zu einem bestimmten Zeitpunkt als akzeptablen Verhaltenskodex ansehen (Schlussanträge des Generalanwalts Bobek vom 02.07.2019 in der Rechtssache C-240/18P – Fack Ju Göhte, Rn. 77 u. 80).
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Ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, beurteilt sich aus der Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise, wobei nicht nur die Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, an die sich die mit der angemeldeten Marke beanspruchten Waren oder Dienstleistungen unmittelbar richten, sondern auch die Teile des Publikums, die dem Zeichen im Alltag zufällig begegnen (vgl. BGH GRUR 2013, 729 Rn. 9 – READY TO FUCK). Maßgeblich ist die Wahrnehmung einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle, wobei der Kontext, in dem die Marke voraussichtlich wahrgenommen werden wird, zu berücksichtigen ist (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 977 + 983). Die so durchzuführende Prüfung darf sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht auf eine abstrakte Beurteilung der angemeldeten Marke oder gar nur einzelner Bestandteile derselben beschränken, sondern es muss nachgewiesen werden, dass die Benutzung dieser Marke im konkreten und gegenwärtigen sozialen Kontext von den maßgeblichen Verkehrskreisen tatsächlich als Verstoß gegen die grundlegenden moralischen Werte und Normen der Gesellschaft wahrgenommen würde (EuGH a. a. O. Rn. 43 – Fack Ju Göhte). Hierfür sind Aspekte wie Gesetzestexte und Verwaltungspraktiken, die öffentliche Meinung und gegebenenfalls die Art und Weise, in der die maßgeblichen Verkehrskreise bisher auf dieses Zeichen oder vergleichbare Zeichen reagiert haben, sowie jedes andere Element maßgeblich, anhand dessen die Wahrnehmung durch diese Verkehrskreise beurteilt werden kann (EuGH a. a. O. Rn. 42 – Fack Ju Göhte). Es kommt dabei nicht auf eine Mehrheit im rechnerischen Sinne an. Es reicht aus, dass ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise sich in seinen Empfindungen gestört fühlt und die Verwendung des Zeichens für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen als anstößig und nicht nur als geschmacklos empfindet (vgl. Schork in Ingerl/Rohnke/Nordemann, Markengesetz, 4. Aufl. 2023, § 8 Rn. 278; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8 Rn. 978). Soweit eine Liberalisierung der Anschauungen des angesprochenen Verkehrs im Hinblick auf die Verwendung vulgärer, obszöner oder beleidigender Worte stattgefunden hat oder der Verkehr im Zuge der modernen Werbung immer häufiger damit konfrontiert wird, dass Waren und Dienstleistungen mit Zeichen versehen werden, bei denen negative oder anrüchige Bedeutungsgehalte mitschwingen, muss dem Rechnung getragen werden (vgl. BGH GRUR 2013, 729 Rn. 9 – READY TO FUCK; Schork in Ingerl/Rohnke/Nordemann, a. a. O., § 8 Rn. 278). Dies gilt allerdings nicht für politisch diffamierende Darstellungen sowie solche mit diskriminierendem Inhalt (vgl. Schork in Ingerl/Rohnke/Nordemann, a. a. O., § 8 Rn. 278 m. w. N.).
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Der Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG wird regelmäßig erfüllt bei der Anmeldung von Marken, die (strafbares) verfassungswidriges Gedankengut (etwa NS-Symbole) enthalten, die gesellschaftlich diffamierende oder rassistische Äußerungen darstellen oder das politische Empfinden eines erheblichen Teils der inländischen Durchschnittsverbraucher in unerträglicher Weise verletzen, z. B. weil sie staatliche Symbole menschenverachtender Regierungsformen verkörpern (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 997 m. w. N.).
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Insbesondere bei diesen vorgenannten menschenverachtenden Äußerungen sowie den weiteren Fällen der gesellschaftlichen Anstößigkeit einer Marke können sich Überschneidungen zwischen öffentlicher Ordnung und guten Sitten ergeben (vgl. vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 971).
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2. Nach diesen Grundsätzen verstößt das angemeldete Zeichen
NPD gegen die guten Sitten, da es das politische oder moralische Empfinden eines beachtlichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise in erheblicher Weise verletzt. Dies gilt sowohl in Bezug auf die von der Mehrzahl der beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise, insbesondere den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, als auch für die von einem Teil der Dienstleistungen der Klasse 35 angesprochenen Geschäftskunden sowie für all diejenigen, die dem Zeichen im Alltag zufällig begegnen (vgl. insoweit BGH GRUR 2013, 729 Rn. 9 – READY TO FUCK).
30
a) Bei der Buchstabenfolge „NPD“ handelt es sich um die Abkürzung des Namens der im Jahre 1964 gegründeten Partei „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“, der hiesigen Anmelderin und Beschwerdeführerin, die sich im Laufe des Beschwerdeverfahrens in „Die Heimat“ umbenannt hat (vgl. Anlage zu dem am 20. Februar 2024 versandten Hinweis des Senats, Bl. 18 d. A., sowie die Ausführungen auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung unter https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/500796/nationaldemokratische-partei-deutschlands-npd/). Die Abkürzung „NPD“ wird von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres als Hinweis auf diese Partei verstanden, da die NPD regelmäßig und bundesweit Gegenstand medialer Berichterstattung ist bzw. war, vor allem im Zusammenhang mit den beiden NPD-Verbotsverfahren der Jahre 2001 bis 2003 und 2013 bis 2017. Andere geläufige und im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen naheliegende Bedeutungen lassen sich für die Buchstabenfolge „NPD“ nicht feststellen, wie die Markenstelle bereits im Beanstandungsbescheid vom 14. Juni 2022 sowie im angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat.
31
b) Ein erheblicher Teil der relevanten Verkehrskreise fühlt sich durch das Anmeldezeichen aufgrund der Verfassungsfeindlichkeit der Partei, der (angestrebten) Verstöße gegen die Menschwürde und die Demokratie sowie deren Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus in seinen Empfindungen signifikant gestört und empfindet das Zeichens als anstößig und unangemessen.
32
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 (BVerfGE 144, 20 ff. = NJW 2017, 611 ff. – Parteiverbotsverfahren <NPD>) im zweiten NPD-Verbotsverfahren festgestellt, dass die Partei Grundprinzipien missachtet, die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbar sind. Ihre Ziele und das Verhalten ihrer Anhänger verstoßen gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips und weisen Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus auf. Die Programmatik der Partei ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet (vgl. BVerfGE 144, 20, 246Rn. 634 ff. – Parteiverbotsverfahren <NPD>).
33
In diesem – auch für den Senat bindenden (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) – Urteil konstatiert das Bundesverfassungsgericht zum einen, dass das politische Konzept der Beschwerdeführerin mit der Garantie der Menschenwürde i. S. v. Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist, und führt insoweit zum Konzept der Partei einleitend aus:
„Sie akzeptiert die Würde des Menschen als obersten und zentralen Wert der Verfassung nicht, sondern bekennt sich zum Vorrang einer ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“. Der von ihr vertretene Volksbegriff negiert den sich aus der Menschenwürde ergebenden Achtungsanspruch der Person und führt zur Verweigerung elementarer Rechtsgleichheit für alle, die nicht der ethnischen „Volksgemeinschaft“ angehören. Ihr Politikkonzept ist auf die Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von Ausländern, Migranten, Muslimen, Juden und weiteren gesellschaftlichen Gruppen gerichtet. …“ (vgl. BVerfGE a. a. O. Rn. 635 – Parteiverbotsverfahren <NPD>; detaillierte Darlegung des Verstoßes gegen die Menschwürde unter Rn. 635 – 757).
34
Des Weiteren stellt das Bundesverfassungsgericht in diesem Urteil fest, dass die NPD, also die hiesige Beschwerdeführerin, die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip missachtet. Das politische Konzept der Partei widerspricht nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts dem aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG folgenden Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes. Außerdem missachtet sie den Grundsatz der Volkssouveränität, da sie die Abschaffung des bestehenden parlamentarisch-repräsentativen Systems und seine Ersetzung durch einen am Prinzip der „Volksgemeinschaft“ orientierten Nationalstaat fordert, ohne darzulegen, wie in diesem der notwendige Legitimationszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft gewährleistet werden soll. Damit lehnt die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) die grundgesetzliche Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie ab (vgl. BVerfGE a. a. O. Rn. 758 – Parteiverbotsverfahren <NPD>, mit ausführlicher Begründung zum Verstoß gegen das Demokratieprinzip unter Rn. 758 – 804).
35
Die Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die hiesige Beschwerdeführerin wird zudem durch die Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus bestätigt. Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 lassen das Konzept der „Volksgemeinschaft“, die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen. Hinzu kommen das Bekenntnis zu Führungspersönlichkeiten der NSDAP, der punktuelle Rückgriff auf Vokabular, Texte, Liedgut und Symbolik des Nationalsozialismus sowie geschichtsrevisionistische Äußerungen, die eine Verbundenheit zumindest relevanter Teile der Partei mit der Vorstellungswelt des Nationalsozialismus dokumentieren (vgl. BVerfGE a. a. O. Rn. 805 – Parteiverbotsverfahren <NPD>, mit ausführlicher Darstellung der Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus unter Rn. 806 – 839).
36
bb) Aufgrund der Tatsache, dass die Ziele der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und das Verhalten ihrer Anhänger gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips verstoßen und die Partei die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt (vgl. BVerfGE a. a. O. Rn. 844 – Parteiverbotsverfahren <NPD>), fühlt sich ein erheblicher Teil der relevanten Verkehrskreise durch das Anmeldezeichen in seinen Empfindungen gestört und empfindet dieses – im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen sowie hierüber hinaus im Allgemeinen – als anstößig und unangemessen. Die freiheitliche demokratische Grundordnung, die ihren Ausgangspunkt in der Würde des Menschen gem. Art. 1 Abs. 2 GG findet und zu deren konstitutiven Bestandteilen das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip gehören, stellt nicht nur objektiv die elementare Basis der Verfassung und unseres Staats schlechthin dar, sie bildet zugleich auch aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland, also subjektiv, die essentielle Grundlage eines friedlichen und demokratischen Zusammenlebens der Gesellschaft.
37
Ein Schutz der Buchstabenfolge „NPD“, in der das Publikum generell und auch im Zusammenhang mit den beanspruchten ganz unterschiedlichen Waren und Dienstleistungen, seien es nun Porzellanwaren, Spiele, Bekleidungsstücke oder Veranstaltungen, das Kürzel der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands und damit auch einen Hinweis auf die menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Inhalte der Partei sieht, würde gesellschaftlich anstößig wirken und so das Empfinden der angesprochenen Verkehrskreise erheblich verletzen.
38
Soweit die Beschwerdeführerin die Ausführungen im angegriffenen Beschluss zu Demonstrationen und Protesten gegen die Beschwerdeführerin und deren Veranstaltungen als nicht stichhaltig kritisiert, so ist festzuhalten, dass es zwar in der Tat in einer Demokratie gegen die unterschiedlichsten Parteien, Vereinigungen, Ansichten etc. Demonstrationen geben kann. Die Markenstelle hat den Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG jedoch nicht entscheidend mit der Existenz von solchen Demonstrationen begründet. Die Ausführungen der Markenstelle im angegriffenen Beschluss zu Reaktionen der Gesellschaft auf Veranstaltungen und Aktionen der Beschwerdeführerin dienten lediglich der Illustration der ablehnenden und verletzenden Wirkung der durch das Zeichen „NPD“ zum Ausdruck gebrachten Inhalte.
39
Maßgeblich für die ganz erhebliche Verletzung des Empfindens eines relevanten, ja sogar des weit überwiegenden Teils des Publikums durch die Buchstabenfolge „NPD“, also der Bezeichnung einer Partei mit massiv die Menschenwürde verachtenden, demokratiefeindlichen und dem Nationalsozialismus wesensverwandten Inhalten und Zielen, ist vielmehr, dass die dargestellten Prinzipien wie Menschenwürde und Demokratie als Ausgangspunkt und wesentlicher Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die fundamentale Basis und den Grundkonsens des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Deutschland bilden.
40
Anders als möglicherweise bei der Liberalisierung der Anschauungen des Verkehrs zu Sitte und Moral ist insoweit auch kein Verfall dieses Grundkonsenses festzustellen, vielmehr hält die ganz überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung an diesen essentiellen Werten unvermindert fest (vgl. auch BPatG, Beschluss vom 03.03.2011 – 27 W (pat) 554/10 – RCQT in Bezug auf politisch diffamierende, rassistische oder frauenverachtende Äußerungen; Schork in Ingerl/Rohnke/Nordemann, a. a. O., § 8 Rn. 278 m. w. N).
41
c) Der Annahme des Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG steht die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin bislang nicht verboten wurde – weder unter ihrem aktuellen Namen „Die Heimat“ noch unter der Bezeichnung „Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) –, ebenso wenig entgegen wie das Parteienprivileg gem. Art. 21 Abs. 2 bis 4 GG.
42
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat die Nationaldemokratische Partei Deutschlands bislang nicht verboten.
43
Gem. Art. 21 Abs. 2 GG sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig.
44
Die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung einer Partei reicht für die Anordnung eines Parteiverbots demnach allein nicht aus. Vielmehr muss die Partei auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung „ausgehen“. Das Tatbestandsmerkmal des „Darauf Ausgehens“ setzt u. a. konkrete Anhaltspunkte von Gewicht voraus, die einen Erfolg des gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Handelns zumindest möglich erscheinen lassen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht im zweiten NPD-Verbotsverfahren nicht feststellen können (vgl. BVerfGE a. a. O. Rn. 896 ff. – Parteiverbotsverfahren <NPD>).
45
Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2017, wie dargelegt, ausdrücklich und detailliert festgestellt hat, dass die Nationaldemokratische Partei Deutschlands nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt. Weiter hat es festgestellt, dass sie planvoll und qualifiziert auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hinarbeitet. Das Verbotsverfahren blieb lediglich deswegen erfolglos, weil es an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht fehlte, die es zumindest möglich erscheinen ließen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt (fehlende Potentialität, vgl. BVerfGE a. a. O. Rn. 845 ff. – Parteiverbotsverfahren <NPD>).
46
Dass die Beschwerdeführerin nach den damaligen Feststellungen so wenig bedeutend war, dass eine Durchsetzung des verfassungsfeindlichen politischen Konzepts mit parlamentarischen oder außerparlamentarischen demokratischen Mitteln ausgeschlossen erschien und sie auch nur über geringe Wirkkraft in der Gesellschaft verfügte, sie also insgesamt nicht genug Potential hatte, um verboten zu werden, ändert nichts an der vom Bundesverfassungsgericht konstatierten Verfassungswidrigkeit und dem dargelegten Empfinden des Publikums.
47
bb) Das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 bis 4 GG steht der Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG nicht entgegen. Daher verfängt auch die Argumentation der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht, nach der ein Schutzhindernis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG auch deswegen nicht angenommen werden könne, weil bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „öffentliche Ordnung“ und „gute Sitten“ die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen des Art. 21 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG dahingehend zu berücksichtigen seien, dass die politischen Parteien ihren Verfassungsauftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, möglichst ungehindert erfüllen könnten und der Grundsatz der Chancengleichheit zwischen den Parteien gewahrt bleibe.
48
(1) Das Grundgesetz regelt in Art. 21 Abs. 4 GG die Entscheidungsgewalt des Bundesverfassungsgerichts über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei nach Art. 21 Abs. 2 GG sowie über ihren Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Art. 21 Abs. 3 GG. Das Monopol des Bundesverfassungsgerichts zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei gemäß Art. 21 Abs. 2 GG führt dazu, dass bis zu dieser Feststellung der Anspruch der Partei auf gleichberechtigte Teilnahme am Prozess der politischen Willensbildung fortbesteht und jegliches administrative Einschreiten gegen ihren Bestand unzulässig ist, mag sich diese gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch noch so feindlich verhalten (sog. Parteienprivileg, vgl. BVerfG NJW 2024, 645 Rn. 224 – Ausschluss einer Partei von der staatlichen Finanzierung – NPD/Die Heimat; BVerfGE a. a. O. Rn. 526 – Parteiverbotsverfahren <NPD>, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Die Schaffung von Möglichkeiten gesonderter Sanktionierung im Fall der Erfüllung einzelner Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG unterhalb der Schwelle des Parteiverbots ist dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorbehalten (vgl. BVerfGE a. a. O. Rn. 845 ff. – Parteiverbotsverfahren <NPD>; von dieser Möglichkeit hat der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Einführung von Art. 21 Abs. 3 GG Gebrauch gemacht). Daher dürfen staatliche Stellen auch bei der Anwendung allgemeiner rechtlicher Regelungen das Parteienprivileg nach Art. 21 GG nicht außer Betracht lassen und einer Partei nicht ihre (vermeintliche) Verfassungsfeindlichkeit entgegenhalten, um ihr gegenüber rechtliche Nachteile zu begründen; zugleich soll das Parteienprivileg die Partei und ihre Mitglieder nach herrschender Ansicht aber nicht von allgemeinen Rechtspflichten suspendieren (vgl. Honer, Grund und Grenzen des Parteienprivilegs, NVwZ 2024, 705).
49
Des Weiteren können sich politische Parteien nach h. M. auch auf die Grundrechte berufen, soweit sie ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind (vgl. Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Werkstand: 104. EL April 2024, Art. 21 Rn. 186). Eine einfachgesetzliche Regelung findet sich zudem in § 5 ParteiG, der in seinem Abs. 1 S. 1 das Gleichbehandlungsgebot normiert, nach dem alle Parteien gleichbehandelt werden sollen, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt. Eine Abstufung ist nach den Regelungen in § 5 ParteiG lediglich nach der Bedeutung der Parteien möglich. Unter „öffentliche Leistungen“ sind alle wettbewerbserheblichen Vorteile zu verstehen, die durch einen Träger der öffentlichen Gewalt gewährt werden (vgl. Morlok, Parteiengesetz, 2. Aufl. 2013, § 5 Rn. 6). § 5 Abs. 3 ParteiG sieht vor, dass öffentliche Leistungen nach Absatz 1 an bestimmte sachliche, von allen Parteien zu erfüllende Voraussetzungen gebunden werden können.
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(2) In Anwendung dieser Grundsätze sind in der Vergangenheit diverse gerichtliche Entscheidungen zugunsten der Beschwerdeführerin ergangen, auf die diese teilweise in ihrer Beschwerdebegründung Bezug genommen hat.
51
So hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Verfassungsfeindlichkeit der NPD nicht den Ausschluss von dem parteienrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch rechtfertigt und dass die auf diesen Grund gestützte Verweigerung der Eröffnung eines Girokontos zu einer unzulässigen Behinderung der politischen Aktivität der NPD führe (vgl. BVerwG NJW 2019, 1317 Rn. 38 – Anspruch eines Kreisverbands der NPD auf Eröffnung eines Girokontos). Ebenso darf nach der Rechtsprechung aufgrund des Parteienprivilegs bis zu einem Verbot durch das BVerfG die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei durch eine Gemeinde nicht als Grund für die Verweigerung der Zulassung zu kommunalen Räumlichkeiten geltend gemacht werden; die Versagung der Zulassung kommt lediglich bei konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten für mit Sicherheit zu erwartende Rechtsverletzungen, die vom Veranstalter zu verantworten sind, in Betracht (vgl. OVG Saarlouis NVwZ 2018, 183 –; Überlassung von kommunalen Räumlichkeiten zur Durchführung einer Kandidatenaufstellungsversammlung der NPD; Hecker, NVwZ 2018, 787, Verweigerung der Stadthallennutzung gegenüber der NPD m. w. N.). Weiter wurde beispielsweise entschieden, dass trotz der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Beschwerdeführerin die parteiliche Programmatik nicht zur Bestimmung des Bedeutungsinhalts einer Wahlwerbung herangezogen werden darf (vgl. BVerwG NVwZ 2023, 1167 Rn. 36 – Rechtswidriges Verbot des NPD-Wahlplakats „Migration tötet!“ (mit kritischer Anmerkung Kalscheuer) unter Verweis auf BVerfG NVwZ 2019, 963 Rn. 12 – Erfolgreicher Eilantrag der NPD auf Verpflichtung zur Ausstrahlung einer Wahlwerbung zur Europawahl 2019).
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(3) Die vorliegende Prüfung des Schutzhindernisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG ist jedoch mit den Rechtsfragen und Sachverhalten, die den vorstehend unter Ziff. (2) dargelegten Entscheidungen zugrunde lagen, nicht gleichzusetzen. Die Bejahung dieses markenrechtlichen Schutzhindernisses stellt keinen Verstoß gegen das Parteienprivileg dar.
53
Bei der Prüfung des Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG geht es um die Anwendung einer für alle Anmelder geltenden Schrankenregelung, die maßgeblich auf das Empfinden eines erheblichen Teils des Publikums abstellt. Somit werden vorliegend – entsprechend dem in § 5 Abs. 1 ParteiG normierten Gleichbehandlungsgebot und ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien – bei der verfahrensgegenständlichen Markenanmeldung durch die Beschwerdeführerin dieselben Maßstäbe angelegt wie bei anderen Anmeldern, wobei die grundsätzliche Bedeutung der Parteien, deren verfassungsrechtlich garantierter Status sowie die betroffenen Grundrechte wie die Meinungsfreiheit zu berücksichtigen sind.
54
Dies bedeutet zunächst, dass es vorliegend nicht von entscheidender Bedeutung ist, dass die Buchstabenfolge „NPD“ von der Beschwerdeführerin selbst angemeldet wurde. Da grundsätzlich nicht auf die Person des Anmelders abzustellen ist, ist – losgelöst von der Person des Anmelders bzw. der Anmelderin – vielmehr die angemeldete Buchstabenfolge „NPD“ zu beurteilen. Der Beschwerdeführerin ist es grundsätzlich unbenommen, Marken zur Anmeldung zu bringen.
55
Maßgeblich ist somit allein die Schutzfähigkeit des Anmeldezeichens „NPD“, das der Verkehr, wie ausgeführt, als Abkürzung für „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ und zugleich als Hinweis auf die menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Inhalte der Partei versteht. Wie oben unter Ziff. 2. b) dargelegt, wirkt das Zeichen „NPD“ gesellschaftlich anstößig und stellt eine erhebliche Verletzung des Empfindens der angesprochenen Verkehrskreise dar. Es kommt daher nicht auf eine Einschätzung der Markenstelle oder des Bundespatentgerichts hinsichtlich der Partei „NPD“ an, sondern – entsprechend der für alle Anmelder in gleichem Maße geltenden Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG – auf das Empfinden des weit überwiegenden Teils der Bevölkerung.
56
Der Beschwerdeführerin wird also nicht von einer Behörde oder einem Gericht unmittelbar ihre Verfassungsfeindlichkeit entgegengehalten, vielmehr geht es um die Anwendung allgemein gültiger Vorschriften. Von allgemeinen Rechtspflichten soll das Parteienprivileg aber, wie oben ausgeführt, die Partei und ihre Mitglieder gerade nicht suspendieren (vgl. Honer, Grund und Grenzen des Parteienprivilegs, NVwZ 2024, 705).
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(4) Weder die Markenstelle noch das Gericht haben die Verfassungswidrigkeit der „NPD“ unmittelbar beurteilt und auch nicht ihre eigene Einschätzung als Grundlage für das Empfinden des Publikums herangezogen. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht – entgegen der Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung – sehr wohl deren Verfassungswidrigkeit festgestellt und von einem Verbot nur aufgrund ihrer geringen Bedeutung bzw. ihres fehlenden „Potentials“ abgesehen (vgl. BVerfGE a. a. O. – Parteiverbotsverfahren <NPD>). Daher wird durch den angegriffenen Beschluss und die vorliegende Entscheidung auch nicht in das „Entscheidungsmonopol“ des Bundesverfassungsgerichts als Bestandteil des Parteienprivilegs gem. § 21 GG eingegriffen und die Beschwerdeführerin wird nicht in ihren Rechten verletzt. Vielmehr sind Gerichte und Behörden gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden und damit auch an dessen Bewertung der „NPD“ als verfassungswidrig.
58
Aus diesen Gründen verletzt die vorstehende Beurteilung der fehlenden Schutzfähigkeit der Bezeichnung „NPD“ nicht das verfassungsrechtlich garantierte Parteienprivileg. Daher kann offenbleiben, ob bzw. inwieweit es der Beschwerdeführerin hierüber hinaus aufgrund ihrer Namensänderung in „Die Heimat“ verwehrt sein könnte, sich im Zusammenhang mit ihrer früheren Bezeichnung „NPD“, also dem Anmeldezeichen, auf das Parteienprivileg zu berufen.
59
(5) Diesem Ergebnis des Verstoßes des Anmeldezeichens gegen die guten Sitten steht schließlich nicht das Verhältnis der Schutzhindernisse gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 13 MarkenG entgegen. Auch wenn bei Symbolen verbotener Parteien und verfassungswidriger Organisationen (vgl. §§ 84 ff. StGB) vorrangig § 8 Abs. 2 Nr. 13 MarkenG greift, so fallen Anmeldungen von Marken mit verfassungswidrigem Inhalt (auch) unter § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 997; Albrecht in BeckOK MarkenR, 36. Edition, Stand: 01.01.2024, § 8 Rn. 744; strenger insoweit Schork in: Ingerl/Rohnke/Nordemann, a. a. O. § 8 Rn. 282).
60
d) Ebenso wenig hindert das Grundrecht der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG vorliegend die Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten. Zwar kann die Beschwerdeführerin Trägerin des Grundrechts der Meinungsfreiheit sein (vgl. Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Werkstand: 104. EL April 2024, Art. 21 Rn. 186). Des Weiteren hat der EuGH entschieden, dass bei der markenrechtlichen Prüfung der Eintragungshindernisse den Grundrechten und Grundfreiheiten, insbesondere dem Recht auf freie Meinungsäußerung, grundsätzlich in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 56 – Fack Ju Göhte). Vorliegend liegt jedoch kein ungerechtfertigter Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit vor. Die Buchstabenfolge „NPD“ als solche stellt bereits keine Meinungsäußerung dar und fällt damit nicht in den Schutzbereich des Art. 5 GG. Soweit bei der Prüfung des Verstoßes gegen die guten Sitten auf die menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Ziele und Inhalte der Partei abgestellt wurde, so bedarf es vorliegend nicht der Entscheidung, inwieweit entsprechende Äußerungen unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen könnten. Zum einen wurden keine konkreten Äußerungen in der Begründung des vorliegenden Beschlusses herangezogen und es wird auch kein Markenschutz für derartige Äußerungen begehrt. Zum anderen wäre, selbst wenn die Meinungsfreiheit hinsichtlich derartiger Äußerungen bei der Prüfung der Anmeldung der Buchstabenfolge „NPD“ von Relevanz wäre, im Rahmen der Abwägung ein ungerechtfertigter Eingriff in Art. 5 GG zu verneinen, da es zum einen um Inhalte geht, die sich nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, und zum anderen keine konkreten Äußerungen im politischen Meinungskampf verboten werden, sondern allenfalls eine mittelbare Berücksichtigung derartiger Äußerungen bei Prüfung eines Eintragungshindernisses im Raume steht. Letztlich geht es lediglich um einen Schutz einer Buchstabenfolge, die nicht unmittelbar eine Meinungsäußerung darstellt, als Marke (vgl. auch (noch weitergehend) BPatG a. a. O. – Absurd, wonach die Schutzversagung hinsichtlich einer Bezeichnung oder Wortfolge bereits deswegen keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Meinungsfreiheit darstellt, weil durch die Ablehnung der Eintragung des Anmeldezeichens dem Anmelder nur das ausschließliche Recht an dem Zeichen versagt wird, während seine Meinungsäußerungsfreiheit dadurch nicht beeinträchtigt wird; EUIPO GRUR 2024, 1638 – COVIDIOT: Zwar sei die Meinungsfreiheit tangiert, die Marke sei jedoch für die Äußerung einer politischen Meinung nicht wesentlich).
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e) Nicht entscheidend ist schließlich, inwieweit die Beschwerdeführerin am Markt teilnimmt oder aus sonstigen Gründen markenrechtlichen Schutzes an der Bezeichnung „NPD“ bedarf.
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3. Da bereits ein Verstoß gegen die guten Sitten gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 MarkenG zu bejahen ist, kann im Ergebnis offenbleiben, ob im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Verfassungswidrigkeit der Beschwerdeführerin unter ihrer früheren Bezeichnung als Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zugleich das Schutzhindernis des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 1 MarkenG gegeben ist (vgl. zu möglichen Überschneidungen Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O. § 8 Rn. 971).
63
4. Die Rechtsbeschwerde wird gem. § 83 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 MarkenG zugelassen, da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Die Reichweite des Parteienprivilegs gem. Art. 21 GG, insbesondere die Frage der mittelbaren Berücksichtigung der – nach Feststellung des Bundesverfassungsgerichts vorliegenden – Verfassungswidrigkeit einer wegen fehlender „Potentialität“ dennoch nicht verbotenen Partei bei der Prüfung des Schutzhindernisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG, sind noch nicht abschließend geklärt.
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5. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beschwerdeführerin die Durchführung einer solchen nicht beantragt (§ 69 Nr. 1 MarkenG) und der Senat sie auch nicht für geboten erachtet hat (§ 69 Nr. 3 MarkenG).
