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Ablehnungsgesuch nach Urteilsverkündung (Beschluss des BAG 8. Senat)

BAG 8. Senat, Beschluss vom 05.12.2024, AZ 8 AZR 21/24 (A), ECLI:DE:BAG:2024:051224.B.8AZR21.24A.0

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Dortmund, 28. März 2023, Az: 10 Ca 640/23, Versäumnisurteil
vorgehend ArbG Dortmund, 7. Juli 2023, Az: 10 Ca 640/23, Urteil

vorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 5. Dezember 2023, Az: 6 Sa 896/23, Urteil

Tenor

Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Spinner, den Richter am Bundesarbeitsgericht Krumbiegel und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Berger vom 30. Oktober 2024 werden als unzulässig verworfen.

Gründe

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I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger nach einer erfolglosen Bewerbung auf eine Stellenanzeige für eine „Bürokauffrau/Sekretärin“ eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Geschlechts zu zahlen hat.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, das Entschädigungsverlangen des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Dagegen hat sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision gewandt.

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Der Vorsitzende des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts hat am 12. September 2024 eine sitzungspolizeiliche Verfügung für den gesamten Sitzungstag am 19. September 2024 erlassen, auf den ua. die mündliche Revisionsverhandlung im vorliegenden Verfahren terminiert war. Die sitzungspolizeiliche Verfügung enthielt ua. die Anordnung, dass Zuhörer, Parteien und Medienvertreter durch eine Kontrollstelle eingelassen werden und dass es verboten ist, Waffen, gefährliche Werkzeuge, Wurfgegenstände sowie mobile Endgeräte (Smartphones, Laptops, etc.) in den Sitzungssaal einzubringen. Die Verwaltung des Bundesarbeitsgerichts zog im Rahmen eines Amtshilfeersuchens die Landespolizei hinzu, weil die Umsetzung der sitzungspolizeilichen Verfügung mit eigenen Bediensteten des Bundesarbeitsgerichts personell nicht leistbar war.

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Der Senat hat am 19. September 2024 mündlich verhandelt und am Schluss der Sitzung ein Urteil verkündet, mit dem die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen worden ist. Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2024, bei Gericht eingegangen am 5. November 2024, hat der Kläger den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Spinner, den Richter am Bundesarbeitsgericht Krumbiegel und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Berger, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

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Der Vorsitzende des Achten Senats hat in seiner dienstlichen Äußerung ausgeführt, in anderen Verfahren, die beim Senat anhängig gewesen seien, habe der Kläger gegen die an den anzufechtenden Entscheidungen mitwirkenden Richterinnen und Richter Drohungen ausgesprochen. Er habe ua. erklärt, dass er bereits vor geraumer Zeit einen kleinen Waffenschein beantragt habe und nunmehr auch bereit sei, eine langjährige Haftstrafe in Kauf zu nehmen, wenn er weiter von den Richterinnen und Richtern um sein Recht gebracht werde. Im Übrigen wird auf die eingeholten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Mitglieder des Senats und die schriftlichen Stellungnahmen des Klägers Bezug genommen.

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Zur Begründung der Ablehnungsgesuche hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, das Urteil des Landesarbeitsgerichts sei offensichtlich unhaltbar. Es sei daher eindeutig, dass die Revision durch den Senat in rechtswidriger Weise zurückgewiesen worden sei. Jedenfalls aufgrund des Umstands, dass eine erforderliche Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union unterblieben sei, müsse von Rechtsbeugung ausgegangen werden. Zudem habe das Gericht ohne Anlass eine sitzungspolizeiliche Verfügung erlassen und die Polizei zur Sitzung hinzugezogen. Das Ablehnungsgesuch könne vorliegend ausnahmsweise nach Abschluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden, weil das Gericht versäumt habe, vorab darauf hinzuweisen, dass die Polizei zur mündlichen Verhandlung hinzugezogen werde und nicht beabsichtigt sei, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union einzuleiten. Im Falle entsprechender Hinweise hätte der Kläger die Ablehnungsanträge vor der Verkündung des Urteils gestellt.

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II. Die Ablehnungsgesuche, über die nach § 49 Abs. 1 ArbGG iVm. § 41 Abs. 2 ArbGG unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden ist, sind unzulässig. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

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1. Ein Ablehnungsgesuch kann bis zum vollständigen Abschluss der Instanz angebracht werden und damit ggf. auch noch nach Verkündung des Urteils. Es kann sich dann aber nur auf noch zu treffende Entscheidungen beziehen. Das bereits verkündete Urteil kann demgegenüber außerhalb eines statthaften Abhilfeverfahrens nicht mehr abgeändert werden. Ein auf den Erlass eines neuen Urteils gerichtetes Ablehnungsgesuch ist daher mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Dies gilt auch, wenn das Urteil bereits verkündet, die Entscheidungsgründe jedoch – wie im arbeitsgerichtlichen Verfahren üblich – noch nicht schriftlich niedergelegt sind
(vgl. BAG 25. April 2024 – 8 AZN 833/23 – Rn. 14 mwN).

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2. Ausgehend hiervon sind die Ablehnungsgesuche mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Ablehnungsgesuche betreffen allein das bereits verkündete Urteil, das nicht mehr geändert werden kann. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Senat nicht vorab auf seine Rechtsauffassung zu einem vom Kläger befürworteten Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union hingewiesen und eine Einlasskontrolle, die Hinzuziehung der Polizei sowie das Verbot mobiler Endgeräte angekündigt hat. Das verkündete Urteil kann unabhängig davon nicht mehr geändert werden. Im Übrigen ist dem Kläger die unter Beteiligung der Polizei durchgeführte Einlasskontrolle vor Beginn der mündlichen Verhandlung bekannt geworden. Es hätte ihm daher nach § 44 Abs. 4 Satz 1 ZPO oblegen, den Ablehnungsantrag zu stellen, bevor er sich in die mündliche Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Das gilt auch, sofern sich der Kläger aufgrund der sitzungspolizeilichen Verfügung daran gehindert gesehen haben sollte, in der mündlichen Verhandlung einen Laptop zu verwenden.

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III. Unabhängig davon sind die Ablehnungsgesuche des Klägers auch aus anderen Gründen unzulässig oder jedenfalls unbegründet. Nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde
(BAG 25. Januar 2024 – 8 AS 16/23 – Rn. 11 mwN).

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1. Der Kläger kann sich zur Begründung der Ablehnungsanträge nicht mit Erfolg darauf berufen, der Senat habe die Revision unter Beteiligung der abgelehnten Richter in eindeutig rechtswidriger Weise zurückgewiesen und durch die unterlassene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union eine Rechtsbeugung begangen. Vorliegend ist eine offensichtlich unhaltbare Rechtsanwendung durch die abgelehnten Mitglieder des Senats nicht ansatzweise zu erkennen
(vgl. hierzu: BVerfG 16. Februar 2023 – 1 BvR 1883/22 – Rn. 18; BAG 20. August 2019 – 3 AZN 530/19 (A) – Rn. 15; BGH 10. April 2018 – VIII ZR 127/17 – Rn. 6). Der Kläger stützt seine Rüge ausschließlich auf den verkündeten Tenor. Letztlich begründet der Kläger seine Ablehnungsgesuche insoweit lediglich damit, der Senat habe im Ergebnis falsch entschieden. Dieser Umstand ist für sich genommen jedoch nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu rechtfertigen.

12

2. Die Ablehnung hat auch keinen Erfolg, soweit sich der Kläger darauf beruft, das Gericht habe ohne Anlass eine sitzungspolizeiliche Verfügung erlassen und die Polizei zur Sitzung hinzugezogen. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Ablehnung insoweit ausschließlich gegen den Vorsitzenden oder alle am Urteil beteiligten berufsrichterlichen Mitglieder des Senats richtet. Sitzungspolizeiliche Maßnahmen können allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen geeignet sein, die Besorgnis der Befangenheit iSv. § 42 ZPO zu begründen
(vgl. hierzu MüKoZPO/Pabst 6. Aufl. GVG § 176 Rn. 24 mwN). Anhaltspunkte hierfür sind im Hinblick auf die dienstliche Äußerung des Vorsitzenden des Achten Senats auch unter Berücksichtigung der schriftlichen Stellungnahmen des Klägers weder dargetan noch ersichtlich.

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