Urteil des BGH 6a. Zivilsenat vom 03.12.2024, AZ VIa ZR 909/22

BGH 6a. Zivilsenat, Urteil vom 03.12.2024, AZ VIa ZR 909/22, ECLI:DE:BGH:2024:031224UVIAZR909.22.0

Verfahrensgang

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 3. Juni 2022, Az: 6 U 341/21
vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 26. Oktober 2021, Az: 1 O 1242/20

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. Juni 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb am 21. April 2016 von dritter Seite ein von der Beklagten hergestelltes gebrauchtes Kraftfahrzeug Mercedes-Benz ML 350 BT, das mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 642 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug ist von einem vom Kraftfahrt-Bundesamt veranlassten Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen.

3

Der Kläger hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung sowie die Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt. Die Klage hatte vor dem Landgericht teilweise Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB bestehe nicht. Hinsichtlich der von dem Kläger gerügten Einrichtungen könne jedenfalls eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch die Beklagte nicht festgestellt werden. Einen Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder mit Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zieht das Berufungsgericht nicht in Erwägung.

II.

7

Dies hält der Überprüfung im Revisionsverfahren teilweise nicht stand.

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1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat, weil es tatsächliche Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht festgestellt hat. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

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2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

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Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten „großen“ Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 – III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; – III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 – VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

11

Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom 26. Juni 2023 in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

C. Fischer                         
Krüger                         
Götz

                   
Rensen                          
Katzenstein

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