Zur (ergänzenden) Auslegung eines wegen Verstoßes gegen § 2347 Satz 1 Halbsatz 1 BGB (= 2347 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz… (Urteil des BGH 4. Zivilsenat)

BGH 4. Zivilsenat, Urteil vom 20.11.2024, AZ IV ZR 263/23, ECLI:DE:BGH:2024:201124UIVZR263.23.0

§ 311b Abs 5 BGB, § 2347 Abs 2 S 1 Halbs 1 aF BGB

Leitsatz

Zur (ergänzenden) Auslegung eines wegen Verstoßes gegen § 2347 Satz 1 Halbsatz 1 BGB (= 2347 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB a.F.) unwirksamen Pflichtteilsverzichtsvertrages als Vereinbarung unter künftigen gesetzlichen Erben über den Pflichtteil gemäß § 311b Abs. 5 BGB (hier: verneint).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Hamm, 12. Juli 2023, Az: I-11 U 148/22, Urteil
vorgehend LG Münster, 16. September 2022, Az: 202 O 1126/21

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Juli 2023 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Revisionsstreitwert wird auf bis 95.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

    Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer Amtspflichtverletzung als Notar auf Schadensersatz in Anspruch.

2

    Der verwitwete Vater der Klägerin (im Folgenden: Erblasser) setzte diese in einem notariellen Testament vom 14. Dezember 2005 als Hofes- und Alleinerbin ein. Er war Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks, bei dem es sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelt. Am 6. Februar 2006 beurkundete der Beklagte eine als Pflichtteilsverzichtsvertrag bezeichnete Vereinbarung zwischen dem Erblasser („Beteiligter zu 1.“), seiner weiteren Tochter („Erschienene zu 2.“) und der Klägerin („Erschienene zu 3.“). Darin hieß es unter anderem:

„§ 1

3

Die Erschienene zu 2. verzichtet gegenüber dem Beteiligten zu 1. für sich und ihre Abkömmlinge […] auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht und ihre Pflichtteilsergänzungsansprüche.

4

Der Beteiligte zu 1. nimmt diesen Verzicht an.

5

[…]

§ 4

6

[…]

7

1.

Die Erschienene zu 2. erklärt sich hinsichtlich des hier bezeichneten Hofes für abgefunden und verzichtet endgültig und unwiderruflich auf die Geltendmachung weitergehender Abfindungsansprüche gemäß § 12 der Höfeordnung aus Anlass der notariellen Erbeinsetzung meiner Schwester […].

8

[…]

9

2.

Zum Zwecke der Abfindung für die hofes- und hofesfreien Ansprüche verpflichtet sich die Erschienene zu 3. an die Erschienene zu 2. einen Betrag in Höhe von 30.000,00 EURO […] zu zahlen.

10

[…]

11

Ich, die Erschienene zu 2. erkläre mich damit einverstanden, dass dieser Betrag für meinen etwaigen Nachabfindungsanspruch gemäß § 13 HöfeO anzurechnen ist.

12

3.

Der vorbezeichnete Verzicht erstreckt sich unter der nachfolgenden Maßgabe auch auf Ergänzungsabfindungsansprüche gemäß § 13 Höfeordnung, über dessen Inhalt ich ausführlich belehrt wurde. […]

13

4.

Der vorbezeichnete Verzicht richtet sich an die Beteiligten zu 1. und 3.

14

5.

Die Beteiligten zu 1. und 3. erklären hiermit jeder für sich die Annahme vorstehender Verzichtserklärung.

15

[…]“

16

    Bei der Beurkundung war der Erblasser nicht anwesend, sondern wurde durch eine Mitarbeiterin des Beklagten vollmachtlos vertreten. Der Erblasser erteilte dazu später seine Genehmigung mit vom Beklagten beglaubigter Unterschrift. Der Betrag von 30.000 € wurde 2006 an die Schwester der Klägerin gezahlt.

17

    Der Erblasser verstarb am 14. September 2020. Danach forderte die Schwester der Klägerin diese unter Hinweis auf eine Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrages auf, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Die Klägerin verlangte erfolglos vom Beklagten, sie von den Pflichtteilsansprüchen freizustellen, und zahlte einen Abschlag von 100.000 € an ihre Schwester.

18

    Soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, hat die Klägerin mit ihrer am 7. Dezember 2021 erhobenen Klage die Feststellung verlangt, dass der Beklagte ihr den Schaden zu ersetzen habe, der daraus entstehe, dass der von ihrer Schwester in der Urkunde des Beklagten erklärte Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsverzicht, die Abfindungserklärung hinsichtlich § 12 Höfeordnung und die Erklärung hinsichtlich § 13 Höfeordnung unwirksam seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben.

19

    Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

20

    Die Revision hat keinen Erfolg.

21

    I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in ZEV 2023, 684 veröffentlicht ist, ist der Ansicht, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin die sich aus § 17 Abs. 1 BeurkG ergebenden Amtspflichten dadurch fahrlässig verletzt hat, dass er bei der Beurkundung die Vorschrift des § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. – ab dem 1. Januar 2023 § 2347 Satz 1 BGB – übersehen und eine Beurkundung unter Beteiligung eines vollmachtlosen Vertreters vorgenommen hat. Dies führe zur Nichtigkeit des erbrechtlichen Verfügungsgeschäftes. Die Verzichtsvereinbarung in § 4 Nr. 1 und Nr. 3 des Vertrages sei ebenfalls unwirksam; dies folge jedenfalls aus § 139 BGB. Die Klägerin gehöre zum Kreis der durch die notariellen Amtspflichten geschützten Personen und habe hinreichend dargetan, dass ihr aufgrund der Pflichtverletzung ein kausaler Vermögensschaden entstanden sei. Dieser bestehe darin, dass sie aufgrund der Unwirksamkeit der Verzichtserklärungen Pflichtteilsansprüchen und Ansprüchen aus der Höfeordnung ausgesetzt sei, welche die bereits gezahlten 30.000 € bei weitem überstiegen. Der Schaden entfalle auch nicht deswegen, weil die Klägerin gegen ihre Schwester einen schuldrechtlichen Anspruch darauf hätte, auf die Geltendmachung ihrer erbrechtlichen Ansprüche zu verzichten. Sofern ein Kausalgeschäft einen solchen Anspruch begründet hätte, wäre seine Erfüllung mit dem Tod des Erblassers unmöglich geworden. Die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist sei nicht abgelaufen gewesen, als die Klägerin ihre Klage erhoben habe. Der Schadensersatzanspruch sei nicht vor dem Tode des Erblassers entstanden, weil sie zuvor keinen Schaden erlitten habe. Der Erblasser sei nicht in seiner Testierfreiheit beschränkt gewesen und hätte eine andere Person als Alleinerbin einsetzen können.

22

    II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

23

    1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Beklagten ein fahrlässiger Beurkundungsfehler unterlaufen ist, indem er entgegen § 2347 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB a.F. – jetzt § 2347 Satz 1 Halbsatz 1 BGB – einen Pflichtteilsverzicht mit dem nicht persönlich anwesenden Erblasser beurkundete. Eine Genehmigung der Erklärung der vollmachtlosen Vertreterin durch den Erblasser war nicht möglich; auch eine spätere Annahme des unter Anwesenden abgegebenen Vertragsangebots der Verzichtenden war ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IX ZR 242/94, ZEV 1996, 228 [juris Rn. 24]). Die daraus folgende Nichtigkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen dem Erblasser und der Schwester der Klägerin als abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 2011 – IV ZR 16/11, ZEV 2012, 145 Rn. 14) nimmt auch die Revision hin. Die verletzte Amtspflicht, bei der Beurkundung des Pflichtteilsverzichtsvertrages die gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen zu beachten, bestand bereits deswegen auch gegenüber der Klägerin, da sie vom Pflichtteilsverzicht begünstigt war (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 aaO [juris Rn. 20]).

24

    2. Zu Recht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass der Klägerin durch die Amtspflichtverletzung des Beklagten ein Schaden entstanden ist, für den sie auch nicht anderweitig Ersatz erlangen kann. Zur Beantwortung der Frage, welchen Schaden eine Amtspflichtverletzung zur Folge hat, ist in den Blick zu nehmen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen hätte (BGH, Urteil vom 10. Juli 2008 – III ZR 292/07, WM 2008, 1753 Rn. 14 m.w.N.). Das Berufungsgericht ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Beklagte bei pflichtgemäßem Verhalten einen formwirksamen Pflichtteilsverzicht entweder zu einem späteren Zeitpunkt mit dem persönlich anwesenden Erblasser oder durch Trennung des Angebots unter Abwesenden von der Annahme beurkundet hätte. Beim Erbfall wäre dann kein Pflichtteilsanspruch der Schwester entstanden. Im Vergleich dazu stellt sich die Vermögenslage der Klägerin ohne eine wirksame Beurkundung des Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen ihrer Schwester und dem Erblasser schlechter dar.

25

    a) Ein ererbter Anspruch gegen ihre Schwester auf Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages im Sinne von § 2346 Abs. 2 BGB, welcher der Klägerin dieselbe Vermögenslage verschaffen könnte wie durch die Beurkundung beabsichtigt, steht der Klägerin nicht zu. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Pflichtteilsverzicht inzwischen nicht mehr zustande kommen kann. Dahingestellt bleiben kann, ob das Erfordernis des persönlichen Geschäftsabschlusses durch den Erblasser, das beim Verfügungsgeschäft des Pflichtteilsverzichts zu beachten ist, auch für die Eingehung einer Verpflichtung zum Pflichtteilsverzicht gilt (offenlassend für den Erbverzicht: BGH, Urteil vom 4. Juli 1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319, 328 [juris Rn. 28 f.]). Die Erfüllung einer zu Lebzeiten mit dem Erblasser vereinbarten Verpflichtung zum Pflichtteilsverzicht wäre mit dessen Tod unmöglich geworden. Mit dem Tod des Erblassers bestand kein Pflichtteilsrecht mehr, auf das die Schwester der Klägerin hätte verzichten können (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1996 – IV ZR 62/96, BGHZ 134, 60, 64 [juris Rn. 15]). Vielmehr hatte diese dann bereits einen Anspruch auf ihren Pflichtteil. Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsanspruch sind in verschiedener Hinsicht voneinander zu unterscheiden (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1996 aaO). Deshalb ist der Geschäftsgegenstand des Erlasses eines Pflichtteilsanspruchs ein ganz anderer als der des Pflichtteilsverzichts gemäß § 2346 Abs. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1996 aaO S. 65 [juris Rn. 15]). Der Pflichtteilsverzicht gemäß § 2346 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das seinem Gegenstand und seiner Eigenart nach nur mit dem Erblasser zu dessen Lebzeiten abgeschlossen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1996 aaO S. 65 [juris Rn. 16]), und erfasst daher allein das Pflichtteilsrecht (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2023 – IV ZB 26/22, ZEV 2023, 828 Rn. 13).

26

    b) Entgegen der Ansicht der Revision hat es das Berufungsgericht auch nicht rechtsfehlerhaft unterlassen, zu prüfen, ob der Vertragsurkunde kein Erbschaftsvertrag im Sinne von § 311b Abs. 5 BGB zwischen der Klägerin und ihrer Schwester zu entnehmen ist, der in seinen Rechtsfolgen dem (unwirksam) vereinbarten Pflichtteilsverzicht gegenüber dem Erblasser entsprochen und daher zu einer identischen Vermögenslage der Klägerin geführt hätte. Der Schaden entfällt nicht deswegen, weil die Klägerin einen schuldrechtlichen Anspruch gegen ihre Schwester hätte, ihr nach dem Erbfall den entstandenen Pflichtteilsanspruch zu erlassen.

27

    Eine – allenfalls in Betracht kommende – ergänzende Auslegung darf nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Vertragsgegenstands über die rechtlichen Beziehungen hinaus führen, die die Parteien regeln wollten (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1996 – IV ZR 62/96, BGHZ 134, 60, 65 [juris Rn. 17]). Wie oben dargelegt, unterscheidet sich der Pflichtteilsverzicht hinsichtlich seines Geschäftsgegenstands und dessen wirtschaftlicher Bedeutung so wesentlich vom Erlass eines Pflichtteilsanspruchs, dass eine Auslegung oder Umdeutung des Angebots auf einen Pflichtteilsverzicht in ein Angebot auf Erlass eines Pflichtteilsanspruchs im Allgemeinen nicht in Betracht kommt (Senatsurteil vom 13. November 1996 aaO).

28

    Für eine – grundsätzlich denkbare (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1996 – IV ZR 62/96, BGHZ 134, 60, 66 [juris Rn. 18]) – schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Schwester, in der sich Letztere verpflichtet hätte, nach dem Erbfall keinen Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des hoffreien Vermögens geltend zu machen, ist in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen worden. Der Beklagte hat dort nicht behauptet, dass die Urkundsbeteiligten bei Vertragsschluss einverständlich von einer solchen Vereinbarung ausgegangen wären. Ausdrückliche Erwägungen dazu in den Gründen des Berufungsurteils waren daher nicht erforderlich.

29

    Aus dem Urkundenwortlaut ist – auch mangels weiterer vorgetragener Anhaltspunkte – nicht zwingend darauf zu schließen, dass die Schwester der Klägerin für den Fall, dass sie gegenüber dem Erblasser nicht wirksam auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet hat, stattdessen einen Erbschaftsvertrag mit der Klägerin schließen wollte, in dem sie sich dazu verpflichtet, den mit dem Erbfall entstehenden Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des hoffreien Vermögens zu erlassen. Ein solcher formbedürftiger Erbschaftsvertrag nach § 311b Abs. 5 BGB hätte in der notariellen Urkunde eindeutig zum Ausdruck kommen müssen. Die Urkunde sieht aber allein für die nach der Höfeordnung zu bemessenden Pflichtteilsansprüche in § 4 eine Verzichtsvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Schwester vor, während in § 1 für das Pflichtteilsrecht, das die Vertragsparteien nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dort nur auf das hoffreie Vermögen beziehen wollten, allein zwischen dem Erblasser und der Schwester ein Vertrag geschlossen wird. Daher hätten die Parteien des Pflichtteilsverzichts diesen auch ohne Beteiligung der Klägerin wieder aufheben können. Es hätte eines weitergehenden Ausdrucks in der Urkunde bedurft, um anzunehmen, dass die Schwester auch eine Vereinbarung mit einem anderen Vertragspartner (der Klägerin) über ein anderes Recht (den erst mit dem Erbfall entstehenden Pflichtteilsanspruch), das zu einem anderen Zeitpunkt (nach dem Erbfall) erlassen werden soll, hatte schließen wollen. Dafür genügt allein der Umstand, dass sich die Klägerin in § 4 Nr. 2 der Urkunde verpflichtet hat, an ihre Schwester zur Abfindung der hofes- und hofesfreien Ansprüche 30.000 € zu zahlen, nicht. Aus den vorgenannten Gründen kommt entgegen der Auffassung der Revision auch eine Umdeutung des Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen dem Erblasser und der Schwester in eine Vereinbarung nach § 311b Abs. 5 BGB zwischen der Klägerin und ihrer Schwester nicht in Betracht.

30

    c) Da keine andere Vereinbarung anstelle des unwirksamen Pflichtteilsverzichts in § 1 der Urkunde geschlossen wurde, ist auch die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass der Vertrag insgesamt, einschließlich der Abfindungsvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Schwester über die Ansprüche aus der Höfeordnung in § 4, nichtig war und auch daraus folgende Schäden zu ersetzen sind.

31

Ein Vertrag kann gemäß § 139 BGB nur dann aufrecht erhalten bleiben, wenn festgestellt werden kann, dass er auch ohne den nichtigen Teil im Übrigen zu denselben Bedingungen, insbesondere mit derselben Gegenleistung, abgeschlossen worden wäre (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 – IV ZR 7/15, VersR 2017, 240 Rn. 36 m.w.N). Ob ein in diesem Sinne einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, hat im Einzelfall der Tatrichter zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 aaO Rn. 28 m.w.N.). Dazu hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die in § 4 Nr. 2 vorgesehene einheitliche Abfindungszahlung für den Verzicht auf den Pflichtteil aus dem Hofvermögen und dem hofesfreien Vermögen eine untrennbare Verbindung zwischen dem Pflichtteilsverzicht in § 1 und dem Rest des Vertrages schafft. Eine isolierte Aufrechterhaltung des in § 4 gegenüber der Klägerin erklärten Verzichts auf Ansprüche aus der Höfeordnung hätte bereits mangels Vereinbarung einer nur auf diesen Teil bezogenen Abfindungszahlung nicht dem Willen der Parteien entsprochen.

32

    3. Das Berufungsgericht hat ferner zu Recht entschieden, dass der Schadensersatzanspruch bei der Klageerhebung im Jahr 2021 nicht verjährt war. Sowohl die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB als auch die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 199 Abs. 4 BGB, die hier nach § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO anwendbar sind, beginnen nicht vor der Entstehung des Anspruchs zu laufen. Der Anspruch der Klägerin entstand jedoch erst mit dem Erbfall am 14. September 2020, da zu diesem Zeitpunkt der Vermögensschaden in Gestalt eines um den Pflichtteilsanspruch ihrer Schwester geminderten Erbes eintrat.

33

    a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Vermögensschaden der Klägerin nicht bereits mit der fehlerhaften Beurkundung des Pflichtteilsverzichtsvertrages entstanden ist. Ein Schaden ist eingetreten, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen objektiv verschlechtert hat, ohne dass bereits feststehen muss, ob dieser Nachteil bestehen bleibt und der Schaden damit endgültig wird. Ist ein Vermögensverlust dagegen noch offen, wird die Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt (BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 – III ZR 99/03, VersR 2005, 1695 [juris Rn. 13] m.w.N.).

34

    Nach diesen Grundsätzen ist der Klägerin erst mit dem Erbfall ein Schaden entstanden. Die Nichtigkeit des Pflichtteilsverzichts und der daraus folgende Fortbestand des Pflichtteilsrechts ihrer Schwester konnte vor dem Erbfall ihr Vermögen nicht mindern. Bis dahin stand ihr keine Vermögensposition zu, die durch das bestehende Pflichtteilsrecht beeinträchtigt werden konnte. Der zukünftige Testamentserbe hat – von hier nicht gegebenen Besonderheiten beim gemeinschaftlichen Testament abgesehen – keine gesicherte Rechtsstellung, weil der Erblasser jederzeit anders testieren kann (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IX ZR 242/94, ZEV 1996, 228 [juris Rn. 14]). Auch eine ohne das Testament bestehende Stellung als gesetzliche Erbin hätte durch eine andere Verfügung des Erblassers entfallen können.

35

    b) Das Berufungsgericht hat auch im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Verjährungsfrist nicht bereits zu laufen begann, als die Schwester der Klägerin nach der Beurkundung 2006 die vereinbarte Zahlung von 30.000 € erhielt. Hat eine einzige, in sich abgeschlossene Verletzungshandlung mehrere Schadensfolgen ausgelöst, so kann allerdings die Verjährungsfrist nach dem Grundsatz der Schadenseinheit auch für nachträglich auftretende, zunächst also nur drohende, aber nicht unvorhersehbare Folgen beginnen, sobald irgendein (Teil-)Schaden schon entstanden ist (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, VersR 1993, 1358 [juris Rn. 35] m.w.N.). Ein (Teil-)Schaden ist der Klägerin jedoch 2006 bereits deswegen nicht entstanden, weil nicht festgestellt ist, dass sie selbst diese Zahlung aus ihrem Vermögen geleistet hätte. Etwas anderes kann auch dem wechselnden Vortrag des Beklagten nicht entnommen werden, der zunächst übereinstimmend mit der Klägerin vorgetragen hat, der Erblasser habe diese Zahlung erbracht, um dann ohne Tatsachengrundlage das, was die Schwester der Klägerin erhalten habe, als Zahlung der Klägerin zu bezeichnen.

Prof. Dr. Karczewski            Dr. Brockmöller            Dr. Bußmann

                           Dr. Bommel                         Piontek

Kategorien: Allgemein