BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 17.12.2020, AZ IX ZR 205/19, ECLI:DE:BGH:2020:171220UIXZR205.19.0
§ 134 Abs 1 InsO, § 140 Abs 1 InsO, § 143 Abs 1 InsO, § 397 BGB
Leitsatz
1. Werden sämtliche Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung an ein Kreditinstitut zur Sicherung einer fremden Darlehensschuld abgetreten, ist die Zuwendung der Sicherheit an den persönlichen Schuldner mit der Abtretung vorgenommen.
2. Erlässt der spätere Insolvenzschuldner eine künftige Forderung, ist die Zuwendung des Forderungserlasses mit Abschluss des Erlassvertrags vorgenommen.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Frankfurt, 25. Juli 2019, Az: 22 U 184/16
vorgehend LG Darmstadt, 2. November 2016, Az: 8 O 295/15
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juli 2019 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Im Dezember 1997 schloss der Ehemann der Beklagten (künftig: Schuldner) bei der H. eine Kapitallebensversicherung ab, welche bei Tod des versicherten Schuldners, spätestens am 1. Dezember 2012, fällig werden sollte; bezugsberechtigt für den Todesfall war die Beklagte. Im November 2001 nahm diese zum Zwecke der Gründung einer ärztlichen Praxis bei der D. (künftig: Kreditinstitut) einen Kredit über 120.000 DM auf. Zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche des Kreditinstituts trat der Schuldner seine Rechte aus der Lebensversicherung an das Kreditinstitut ab. Die Abtretung wurde dem Versicherer am 9. November 2001 angezeigt; das Bezugsrecht wurde widerrufen. Nach Eintritt des Sicherungsfalls zog das Kreditinstitut im Oktober 2007 einen Betrag in Höhe von 13.206,91 € aus der Lebensversicherung ein, der dem Schuldsaldo der Beklagten gutgeschrieben wurde.
2
Der Schuldner verstarb am 17. Mai 2010. Auf einen im März 2011 beim Insolvenzgericht eingegangenen Antrag wurde am 9. Mai 2012 das Insolvenzverfahren über seinen Nachlass eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verlangt von der Beklagten die Rückgewähr des deren Kreditkonto gutgeschriebenen Betrages. Das Landgericht hat seiner Klage auf Zahlung von 13.206,91 € nebst Zinsen stattgegeben, das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
3
Die Revision hat keinen Erfolg.
A.
4
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch aus § 134 InsO verneint und zur Begründung ausgeführt, die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Jahr 2001 an das Kreditinstitut sei im Verhältnis zur Beklagten unentgeltlich im Rahmen einer ehebezogenen Zuwendung erfolgt, mithin außerhalb der Vierjahresfrist des § 134 InsO. Mit der Abtretung sei die Forderung bereits vollständig aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden. Der Einziehung der Lebensversicherung durch das Kreditinstitut im Jahr 2007 habe keine anfechtbare Rechtshandlung des Erblassers zugrunde gelegen. Zwar hätten dem Schuldner wegen der Verwertung der Sicherheit grundsätzlich Regressansprüche gemäß § 774 Abs. 1, § 268 Abs. 3, § 1225 BGB zustehen können, doch habe der Schuldner auf solche Ansprüche bereits im Jahr 2001 für alle denkbaren Fälle verzichtet und die Beklagte habe diesen Verzicht auch angenommen. Dies habe die Beweisaufnahme ergeben. Der rechtsgeschäftliche Wille der Eheleute, einen Erlass- und Verzichtsvertrag miteinander zu schließen, komme in der Art und Weise, wie die Eheleute ihr Familienleben mit seinen Höhen und Tiefen organisierten und lebten, eindeutig zum Ausdruck. Der als Rechtshandlung anzusehende Verzichtsvertrag sei bereits im Jahr 2001 geschlossen worden, so dass eine darin liegende unentgeltliche Leistung außerhalb der Vierjahresfrist des § 134 InsO erfolgt und damit nicht anfechtbar sei.
B.
5
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
I.
6
Die Revision ist uneingeschränkt zulässig. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Revisionszulassung. In den Gründen führt das Berufungsgericht aus, die Revision zugelassen zu haben, weil es keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage gebe, ob der Verzicht auf eine eventuell künftig entstehende Regressforderung nach den Regeln des § 140 InsO erst in dem Moment Rechtswirksamkeit erlange, in dem ein möglicher Regressanspruch tatsächlich entstehe. Damit hat das Berufungsgericht die Zulassung des Rechtsmittels jedoch nicht beschränkt, sondern lediglich die Zulassung begründet. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2020 – IX ZR 135/19, NJW 2020, 2407 Rn. 11).
II.
7
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
8
1. Rückgewähransprüche aus § 143 Abs. 1 InsO stehen dem Kläger im Zusammenhang mit der Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag durch den Schuldner an das Kreditinstitut im Jahr 2001 einerseits und der Verwertung der Sicherheit durch das Kreditinstitut und der Gutschrift des eingezogenen Betrags auf dem Kreditkonto der Beklagten im Oktober 2007 andererseits nicht zu.
9
a) Die Zuwendung der Sicherheit durch den Schuldner für den durch das Kreditinstitut der Beklagten gewährten Kredit ist nicht nach § 134 Abs. 1, § 129 InsO anfechtbar. Nach § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, die innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist. Die Leistung ist vorliegend aber bereits im Jahr 2001 und somit außerhalb des Vierjahreszeitraums vorgenommen worden.
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aa) Der Schuldner hat durch die Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an das Kreditinstitut im Jahr 2001 im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO etwas an die Beklagte geleistet. Unter einer solchen Leistung ist jede Rechtshandlung zu verstehen, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners zu entfernen (BGH, Urteil vom 15. September 2016 – IX ZR 250/15, NZI 2017, 68 Rn. 11; vom 19. Juli 2018 – IX ZR 296/17, NJW 2018, 3018 Rn. 7). Erfasst wird jede Schmälerung des Schuldnervermögens, durch welche die Insolvenzgläubiger unmittelbar oder mittelbar benachteiligt werden (BGH, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 47). Die Sicherungsabtretung des Schuldners an das Kreditinstitut ist wegen der damit verbundenen Vermögensminderung als Leistung des Schuldners an das Kreditinstitut einzustufen, die seine Gläubiger benachteiligte. Der Schuldner hat durch die Sicherungsabtretung aufgrund einer Vereinbarung, als eheliche Zuwendung oder ohne Rechtsgrund aber auch an die Beklagte geleistet, welche durch die Abtretung der Forderungen aus dem Versicherungsvertrag an das Kreditinstitut ihrerseits ihrer Verpflichtung gegenüber dem Kreditinstitut auf Absicherung des Rückzahlungsanspruchs nachkommen konnte und so die Auszahlung des Kredits an sie erreichte. Bei der Doppelwirkung einer Leistung hat der Verwalter die Möglichkeit, die Leistungsempfänger wahlweise in Anspruch zu nehmen, sofern die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen jeweils vorliegen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 Rn. 18).
11
bb) Dahinstehen kann, ob die Stellung der Sicherheit im Verhältnis zur Beklagten unentgeltlich erfolgte. Die Anfechtung der darin liegenden Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO scheitert jedenfalls daran, dass die anfechtbare Rechtshandlung außerhalb des Zeitraums von vier Jahren vor dem im März 2011 gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde, auf den § 134 Abs. 1 InsO die Anfechtbarkeit beschränkt. Mit Recht hat das Berufungsgericht den Zeitpunkt der Sicherungsabtretung zwischen dem Schuldner und dem Kreditinstitut im Jahr 2001 als maßgeblich für die Vornahme der Leistung erachtet.
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(1) Wann eine Leistung im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO als vorgenommen gilt, bestimmt sich nach § 140 InsO. Maßgeblich ist nach dessen Absatz 1 der Zeitpunkt, in dem die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung eintreten. Dies ist der Fall, sobald die gesamten Erfordernisse vorliegen, an welche die Rechtsordnung die Entstehung, Aufhebung oder Änderung eines Rechtsverhältnisses knüpft (BGH, Urteil vom 27. September 2012 – IX ZR 15/12, NJW 2013, 232 Rn. 8). Bei mehraktigen Rechtshandlungen treten die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung mit dem letzten zur Erfüllung ihres Tatbestandes erforderlichen Teilakt ein (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 Rn. 14; Beschluss vom 18. März 2010 – IX ZR 111/08, NZI 2010, 443 Rn. 6).
13
Bei der Vorausabtretung einer (künftigen) Forderung ist dies das Entstehen der zedierten Forderung (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006, aaO; Beschluss vom 18. März 2010, aaO). Zwar ist das Verfügungsgeschäft mit der Forderungsabtretung abgeschlossen, doch erwirbt der Zessionar die vorausabgetretene Forderung erst, wenn sie entstanden ist. Für die Anfechtung ist nur die Entstehungszeit der vorausabgetretenen Forderung entscheidend; denn das haftende Vermögen des Schuldners, auf dessen Beeinträchtigung es für die Anfechtung ankommt, wird durch den Abtretungsvertrag noch nicht geschmälert, weil die abgetretene Forderung als Vermögenswert zur Zeit des Vertragsschlusses noch gar nicht existiert (Jaeger/Jaeger, InsO, § 140 Rn. 5). Das gilt auch für die Sicherungsabtretung (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2007 – IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Rn. 33).
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Anderes gilt für die Abtretung einer aufschiebend bedingten Forderung, wenn der Zessionar eine gesicherte Rechtsposition an der abgetretenen Forderung erlangt. Diese Forderung entsteht dann nicht erst mit dem Eintritt der Bedingung. Allerdings befindet sich während des Schwebens der Bedingung das vollwirksame unbedingte Recht noch nicht im Vermögen des bedingt Berechtigten, wohl aber die bedingte Forderung, die rechtlich gesicherte und geschützte, abtretbare und pfändbare Anwartschaft auf das Recht. Eine solche Anwartschaft bildet einen Vermögensgegenstand, der schon mit der Abtretung und nicht erst mit dem Eintritt der Bedingung aus dem Vermögen des Leistenden ausscheidet (RGZ 67, 425, 430; BGH, Urteil vom 5. November 1976 – V ZR 5/75, NJW 1977, 247; vom 19. Juli 2018 – IX ZR 296/17, NJW 2018, 3018 Rn. 11).
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(2) Nach diesen Maßstäben sind die rechtlichen Wirkungen der Sicherungsabtretung bereits mit der Abtretung eingetreten und hat der Schuldner mithin die Leistung bereits im Jahr 2001 erbracht.
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(a) Die dem Kreditinstitut abgetretenen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag sind bedingte Ansprüche, welche diesem mit der Abtretung eine gesicherte Rechtsposition gewährt haben. Bei einer Lebensversicherung ist der Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsleistung bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags begründet, jedoch aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Versicherungsfalls. Der Versicherer schuldet die vertragliche Leistung im Versicherungsfall mit Abschluss des Versicherungsvertrags (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2018 – IX ZB 8/17, NJW 2019, 999 Rn. 13). Der Anspruch auf das Deckungskapital nach § 176 Abs. 1 VVG aF, § 169 Abs. 1 VVG ist ebenfalls ein bedingter Anspruch auf Auszahlung einer bestimmten Geldsumme; Bedingung ist ein Rücktritt, die Kündigung oder die Anfechtung (vgl. Bruck/Möller/Winter, VVG, 9. Aufl., § 169 Rn. 35 und § 176 Abs. 1 VVG aF).
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Jedenfalls unter der Voraussetzung, dass der Schuldner sämtliche Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag (einschließlich des Anspruchs auf Auszahlung des Rückkaufwerts nach § 176 Abs. 1 VVG aF und des Kündigungsrechts) unter gleichzeitigem Widerruf des Bezugsrechts der Beklagten auf die Todesfallleistung an das Kreditinstitut abgetreten hat (vgl. zur Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung des Rückkaufswerts BGH, Urteil vom 26. Januar 2012 – IX ZR 191/10, NJW 2012, 1510 Rn. 11, 13), hat dieses eine gesicherte Rechtsposition erhalten, welche weder der Schuldner noch ein Dritter ihm entziehen konnte. Der Schuldner konnte nach der Sicherungsabtretung nicht mehr über den Lebensversicherungsvertrag verfügen. Sämtliche Rechte lagen bei dem Kreditinstitut. Selbst die Einstellung der Prämienzahlungen hätte nicht dazu geführt, dass seine Ansprüche entfielen. Die Nichtleistung der Prämien hätte allenfalls dazu führen können, dass der Versicherer den Vertrag hätte kündigen können und die Lebensversicherung sich so in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte (§§ 166, 165, 38 VVG nF; §§ 174, 175, 39 VVG aF). Allerdings hätte der Versicherer sich gemäß § 14 VVG aF für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers die Befugnis ausbedingen können, das Versicherungsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zu kündigen. Doch auch in einem solchen Fall hätte die Kündigung analog § 175 VVG aF nur zu einer Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie geführt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2012, aaO Rn. 32). Deshalb bestand hinsichtlich aller abgetretenen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ein Anwartschaftsrecht des Kreditinstituts. Dies hat zur Folge, dass die Versicherungsansprüche bereits mit der Sicherungsabtretung vollständig aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 Rn. 13; Gehrlein, BB 2012, 1807, 1810).
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Die gesicherte Rechtsstellung des Kreditinstituts im Verhältnis zum Sicherungsgeber hat in gleicher Weise Bedeutung für die Rechtsstellung des persönlichen Schuldners, der Beklagten. Auch im Verhältnis des Sicherungsgebers zum persönlichen Schuldner gilt die Leistung anfechtungsrechtlich in dem Zeitpunkt als vorgenommen, in dem der Vermögensgegenstand zum Nachteil der Gläubiger aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden ist (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 140 Rn. 32; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 140 Rn. 7).
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(b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Schuldner dem Kreditinstitut sämtliche Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag unter Widerruf sämtlicher Bezugsrechte abgetreten, auch wenn ausweislich des Kreditvertrags vom 30. Oktober/9. November 2001, worauf der Kläger in der Revisionsverhandlung mit Recht hingewiesen hat, die Beklagte dem Kreditinstitut als Sicherheit nur die Abtretung der Ansprüche für den Todesfall aus der streitgegenständlichen Kapitallebensversicherung schuldete (vgl. zur Frage, wem die Ansprüche auf den Rückkaufswert zustehen, wenn dem Sicherungsnehmer nur der Anspruch auf den Todesfall abgetreten wird: BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 – IV ZR 330/05, NJW 2007, 2320 Rn. 21 ff). Das Berufungsgericht hat zur Begründung die Abtretungsanzeige in Bezug genommen, nach welcher der Schuldner seine Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung an das Kreditinstitut abgetreten und die Bezugsberechtigung widerrufen hat, ohne dass sich dem Schreiben irgendwelche Einschränkungen entnehmen lassen. Entsprechend dieser umfassenden Abtretung hat das Kreditinstitut im Jahr 2007 die Versicherung gekündigt und den Rückkaufswert eingezogen.
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(c) Der Umstand, dass ausweislich des Wortlauts der Vertragsurkunde die Beklagte als Sicherheit nur die Abtretung des Anspruchs auf die Todesfallleistung schuldete, der Schuldner dem Kreditinstitut jedoch sämtliche Ansprüche aus der Kapitallebensversicherung zur Sicherheit abgetreten hat, steht der Annahme einer gesicherten Rechtsposition des Kreditinstituts an den abgetretenen Forderungen nicht entgegen. Gleichwohl hätten weder der Schuldner noch die Beklagte dem Kreditinstitut die (bedingten) Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag entziehen können.
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(aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätten weder der Schuldner noch die Beklagte von dem Kreditinstitut verlangen können, dass dieses die Ansprüche auf die Versicherungsleistung im Erlebensfall und auf den Rückkaufswert an den Schuldner rückabtrat. Konkret haben die Parteien zu den Sicherungsvereinbarungen zwischen dem Schuldner und dem Kreditinstitut einerseits und der Beklagten und dem Kreditinstitut andererseits nicht vorgetragen. Diese stellten den Rechtsgrund für die Sicherungsabtretung dar (vgl. Ganter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 90 Rn. 173). Der im unstreitigen Tatbestand des Berufungsurteils mitgeteilte Sachverhalt lässt jedoch den Schluss darauf zu, dass alle Beteiligten eine umfassende Sicherung des Kreditinstituts durch die Lebensversicherung bei Abschluss des Kreditvertrags durch Unterschriftsleistung der Beklagten am 9. November 2001 vereinbart haben. Denn der Schuldner hat sämtliche Forderungen aus der Lebensversicherung im zeitlichen Zusammenhang mit der Unterschriftsleistung der Beklagten an das Kreditinstitut abgetreten. Dieses hat die Lebensversicherung im Jahr 2007 eingezogen, ohne dass der Schuldner oder die Beklagte Einwendungen erhoben hätten. Dann aber war für einen Bereicherungsanspruch oder einen Anspruch aus den Sicherungsvereinbarungen des Schuldners und der Beklagten insoweit kein Raum.
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(bb) Die Rechtsposition des Kreditinstituts wäre auch nicht gefährdet gewesen, wenn über das Vermögen des Schuldners oder der Beklagten vor der Verwertung der Sicherheit im Jahr 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. In beiden Fällen wäre gegenüber dem Kreditinstitut die Sicherungsabtretung nicht nach dem alleine in Betracht kommenden § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar gewesen. Die Leistung des Schuldners an das Kreditinstitut war nämlich entgeltlich, weil dieses als Sicherungsnehmer für die Zuwendung des Schuldners eine ausgleichende Gegenleistung an die Beklagte erbracht, nämlich den Kredit an diese ausgezahlt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2012 – IX ZR 149/11, NZI 2012, 711 Rn. 21; vom 20. Dezember 2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 Rn. 25, 28; HK-InsO/Thole, 10. Aufl., § 134 Rn. 8, 18; Brinkmann in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2017, Anhang zu § 145 Rn. 89). In der Insolvenz der Beklagten hätte kein Rückgewähranspruch aus § 143 InsO gegen das Kreditinstitut bestanden, weil es bereits an einer für jede Anfechtung erforderlichen Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 InsO gefehlt hat. Jede erfolgreiche Anfechtung setzt voraus, dass ihr Gegenstand ohne die Rechtshandlung gerade zum haftenden Vermögen des Insolvenzschuldners gehört, also dem Zugriff der Insolvenzgläubiger offen gestanden hätte. Rechtshandlungen, die ausschließlich schuldnerfremdes Vermögen betreffen, wirken sich nicht auf die Insolvenzmasse und damit auf die Befriedigungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger nachteilig aus (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – IX ZR 124/03, NZI 2004, 492; vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2016, Anhang I zu § 147 Rn. 16). Die Insolvenzgläubiger hätten in der Insolvenz über das Vermögen der Beklagten keinen Zugriff auf die Kapitallebensversicherung des Schuldners gehabt.
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b) Ebenso wenig besteht der Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1, § 129 InsO im Hinblick auf die Verwertung der Sicherheit durch das Kreditinstitut und auf die Gutschrift des eingezogenen Betrages auf dem Kreditkonto der Beklagten im Oktober 2007, auch wenn diese Rechtshandlungen innerhalb des maßgeblichen Vierjahreszeitraums erfolgt sind. Entgegen der Ansicht der Revision bestimmt sich der Zeitpunkt der Vornahme der Leistung nämlich nicht nach diesen Rechtshandlungen. Die Benachteiligung der Gläubiger des Schuldners trat bereits aufgrund der Sicherungsabtretung ein. Die Einziehung der Versicherungsleistung und die nachfolgende Gutschrift auf dem Konto der Beklagten bewirkten keine weitere objektive Gläubigerbenachteiligung. Durch die Einziehung des Rückkaufswerts nach Kündigung des Versicherungsvertrags ist die Versicherungsleistung unmittelbar in das Vermögen des Kreditinstituts gelangt. Dieses hat aufgrund der Sicherungsabtretung den Erlös als wahrer Berechtigter erhalten. Eine Befriedigung aufgrund eines anfechtungsfesten Absonderungsrechts (§ 50 Abs. 1 InsO) benachteiligt die Insolvenzgläubiger nicht (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – IX ZR 138/06, BGHZ 178, 171 Rn. 22). Dies gilt auch im Verhältnis zur Beklagten.
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c) Nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar könnten demnach allenfalls die in den letzten vier Jahren vor Stellung des Insolvenzantrags erfolgten Beitragszahlungen oder die dadurch bewirkte Mehrung der Versicherungsleistung sein, wenn durch die Beitragszahlungen der Rückkaufswert und die beitragsfreie Versicherungssumme erhöht wurde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – IX ZR 21/12, NZI 2013, 258 Rn. 15). Betroffen ist allein der Zeitraum von März 2007 (Beginn des Vierjahreszeitraums) bis Oktober 2007 (Verwertung der Sicherheit durch das Kreditinstitut). Ob es in diesem Zeitraum überhaupt zu Prämienzahlungen gekommen ist, ist nicht festgestellt und nicht ersichtlich.
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d) Der Kläger kann die Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag beziehungsweise die Zuwendung der Sicherheit an die Beklagte auch nicht nach § 133 Abs. 1, § 129 InsO anfechten.
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aa) Auf den Streitfall findet § 133 InsO in der bis zum 4. April 2017 geltenden Fassung Anwendung, weil das Insolvenzverfahren am 9. Mai 2012 und damit vor dem 5. April 2017 eröffnet wurde (vgl. Art. 103j Abs. 1 EGInsO). Die angefochtene Sicherungsabtretung im November 2001 liegt innerhalb des Zeitraums von zehn Jahren gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO aF vor dem Antrag im März 2011, auf welchen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In der Sicherungsabtretung der Forderungen aus dem Lebensversicherungsvertrag an das Kreditinstitut durch den Schuldner und der Zuwendung der Sicherheit an die Beklagte liegen Rechtshandlungen des Schuldners. Damit liegt auch eine Gläubigerbenachteiligung vor, denn durch die Abtretung wurde die Aktivmasse verkürzt, ohne sie hätten sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2019 – IX ZR 170/18, NZI 2020, 223 Rn. 9).
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bb) Die Anfechtung muss nicht als solche „erklärt“ werden. Die Anfechtungsabsicht muss nur erkennbar sein. Es genügt für die Ausübung des Anfechtungsrechts jede erkennbare Willensäußerung, dass der Insolvenzverwalter eine Gläubigerbenachteiligung in der Insolvenz nicht hinnehme, sondern zur Masseanreicherung wenigstens wertmäßig auf Kosten des Anfechtungsgegners wieder auszugleichen suche (BGH, Urteil vom 21. Februar 2008 – IX ZR 209/06, NZI 2008, 372 Rn. 11). Insbesondere muss nicht die Anfechtungsnorm ausdrücklich genannt werden (vgl. Jaeger/Jaeger, InsO, § 143 Rn. 175). Wenn deswegen innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens von einem Anfechtungstatbestand auf einen anderen Anfechtungs- oder Rückgewährtatbestand übergegangen werden soll, stellt dies keine Klageänderung dar, sofern Tatsachenvortrag und Klagebegehren die jeweiligen Rechtsfolgen umfassen (BeckOK-InsO/Schoon, 2020, § 143 Rn. 52; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 143 Rn. 174). Streitgegenstand der Anfechtungsklage ist das konkrete Klageziel in Verbindung mit dem dafür angegebenen Sachverhalt, der auch mehrere Rechtshandlungen im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO umfassen kann (MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 143 Rn. 167). Voraussetzung ist allerdings, dass der erforderliche Sachverhalt unterbreitet wird (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, aaO Rn. 167 f; Uhlenbruck/Borries/Hirte, aaO).
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Dies war nicht der Fall. Der für die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Anfechtungstatbestandes darlegungs- und beweispflichtige Kläger (BGH, Urteil vom 27. Februar 2020 – IX ZR 337/18, NZI 2020, 422 Rn. 15) hat in den Tatsacheninstanzen keinen Sachvortrag gehalten, der eine Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO aF begründen könnte. Der Kläger hat keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich der Vorsatz des Schuldners zum Zeitpunkt der Sicherungsabtretung ergeben könnte, seine Gläubiger zu benachteiligen, und die Kenntnis der Beklagten davon oder die Voraussetzungen der Vermutung nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO.
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2. Dem Kläger stehen auch keine Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit etwaigen Regressansprüchen des Schuldners gegen die Beklagte wegen der Verwertung der Sicherheit zu.
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a) Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, wie der Kläger hilfsweise geltend macht, wäre nicht durchsetzbar, wobei zu Gunsten des Klägers an dieser Stelle unterstellt wird, dass ein solcher Regressanspruch besteht und die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, wonach die Ehegatten im Jahr 2001 hinsichtlich dieses Anspruchs einen Erlassvertrag nach § 397 BGB geschlossen haben, revisionsrechtlich keinen Bestand hat. Denn der Anspruch wäre verjährt. Der Regressanspruch verjährte gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB in drei Jahren (vgl. Staudinger/Lorenz, BGB, 2007, Vorbem zu §§ 812 ff Rn. 28), beginnend ab Ende des Jahres 2007, in welchem die Sicherheit durch das Kreditinstitut verwertet worden ist. Ohne einen Hemmungstatbestand wäre der Anspruch deswegen ab dem 1. Januar 2011 verjährt gewesen.
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Allerdings wäre die Verjährung des Anspruchs gemäß § 207 Abs. 1 Satz 1 BGB von seiner Entstehung bis zum Versterben des Schuldners am 17. Mai 2010 gehemmt gewesen. Nach dieser Regelung ist die Verjährung von allen Ansprüchen zwischen Ehegatten gehemmt, solange die Ehe besteht. Sowohl vertragliche als auch gesetzliche Ansprüche fallen unter § 207 BGB (jurisPK-BGB/Lakkis, 9. Aufl., § 207 Rn. 3; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2019, § 207 Rn. 8). Nach § 209 BGB wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet, wobei dann, wenn die Hemmungsvoraussetzungen bereits vor Verjährungsbeginn vorliegen, die davorliegende Zeitspanne bei der Berechnung der Verjährungsfrist nicht berücksichtigt wird (BGH, Urteil vom 25. April 2017 – VI ZR 386/16, NJW 2017, 3144 Rn. 12). Danach wäre die Regressforderung ab dem 18. Mai 2013 verjährt. Die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) Ende des Jahres 2015 hatte daher auf die Verjährung keinen Einfluss mehr (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 – IX ZR 58/16, BGHZ 213, 213 Rn. 18).
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b) Sollten die Eheleute über einen möglichen Regressanspruch bereits bei Gewährung der Sicherheit im Jahr 2001 einen Erlassvertrag im Sinne von § 397 BGB vereinbart haben, wie das Berufungsgericht angenommen hat, könnte darin zwar eine unentgeltliche Leistung des Schuldners an die Beklagte gemäß § 134 Abs. 1 InsO liegen. Gleichwohl würde ein Rückgewähranspruch nach §§ 143, 134, 129 InsO ausscheiden, weil die unentgeltliche Leistung außerhalb des Vierjahreszeitraums erfolgt wäre. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Regressanspruch, welchen der Schuldner der Beklagten nach Ansicht des Berufungsgerichts erlassen hat, um einen aufschiebend durch Eintritt des Sicherungsfalls bedingten Anspruch handelt, welcher mit der Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag entstanden ist (vgl. für den Anspruch aus § 774 BGB: BGH, Urteil vom 13. März 2008 – IX ZR 14/07, NZI 2008, 371 Rn. 11), oder ob es sich um einen erst mit Eintritt des Sicherungsfalls entstandenen (künftigen) Anspruch handelt (für den Anspruch aus § 667 BGB: BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – IX ZR 56/06, NJW 2007, 2640 Rn. 11). Denn ein Erlassvertrag über künftige Verbindlichkeiten ist nach § 397 BGB möglich (BGH, Urteil vom 28. November 1963 – II ZR 41/62, BGHZ 40, 326, 330; vom 24. Mai 2007 – IX ZR 8/06, NJW 2007, 2556 Rn. 12) und die vermögensändernden Wirkungen des Erlassvertrags treten bereits mit seinem Abschluss ein. Die in der Zukunft geschuldete Forderung entsteht nämlich durch den vorweggenommenen Erlass nicht (BGH, Urteil vom 28. November 1963, aaO; BeckOGK-BGB/Paffenholz, 2020, § 397 Rn. 33; aA Staudinger/Rieble, BGB, 2017, § 397 Rn. 112).
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c) Ein Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO lässt sich auch nicht dann begründen, wenn etwaige Regressansprüche des Schuldners im Jahr 2001 nicht erlassen worden sind. Entgegen der Ansicht der Revision kann eine unentgeltliche Leistung des Schuldners nicht darin gesehen werden, dass dieser einen Regressanspruch habe verjähren lassen. Grundsätzlich stellt das wissentliche, willentliche und in Kenntnis möglicher Rechtsfolgen und Handlungsalternativen erfolgte Verjährenlassen einer Forderung gemäß § 129 Abs. 2 InsO eine einer Rechtshandlung gleichstehende Unterlassung dar, die nach den allgemeinen Vorschriften anfechtbar ist (MünchKomm-InsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl., § 129 Rn. 25; Jaeger/Jaeger, InsO, § 129 Rn. 21; Schäfer in Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 3. Aufl., Rn. B297; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 129 Rn. 123; Bartels in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2020, § 140 Rn. 189).
34
Bei einer Unterlassung im Sinne von § 129 Abs. 2 InsO gelten die rechtlichen Wirkungen frühestens als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem die Rechtsfolgen der Unterlassung nicht mehr durch eine positive Handlung abgewendet werden können; vor diesem Zeitpunkt ist die Unterlassung noch nicht „vorgenommen“. Liegt das Unterlassen im Verstreichenlassen der Verjährungsfrist, ist Vornahmezeitpunkt der Zeitpunkt des Fristablaufs (Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 140 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 140 Rn. 29; Schäfer in Kummer/Schäfer/Wagner, Insolvenzanfechtung, 3. Aufl., Rn. M33). In diesem Sinne hat der Schuldner den etwaigen Regressanspruch nicht verjähren lassen, weil die Verjährung bis zu seinem Versterben gehemmt und der Anspruch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht verjährt war.
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